Arbeitspausen bei Wechselschichten

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

27. 04. 2000


Aktenzeichen

6 AZR 861/98


Leitsatz des Gerichts

Nach § 14 V BMT-G II sind bei Wechselschichten nicht nur Kurzpausen in die regelmäßige Arbeitszeit einzurechnen und zu vergüten, sondern auch die nach § 4 ArbZG vorgeschriebenen Arbeitspausen von 30 Minuten Dauer. Dies setzt voraus, dass der Arbeitnehmer Wechselschichtarbeit i.S. der Begriffsbestimmung in § 67 Nr. 44 BMT-G II leistet.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten darüber, ob Arbeitspausen des Kl. in die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit einzurechnen und zu vergüten sind. Der Kl. ist seit 1981 bei der Bekl. als Klärwärter in der Kläranlage B., beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrags findet auf das Arbeitsverhältnis der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) Anwendung. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

§ 14. Regelmäßige Arbeitszeit
(1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich 38 1/2 Stunden wöchentlich. …
(5) Arbeitspausen werden, ausgenommen bei Wechselschichten, in die regelmäßige Arbeitszeit nicht eingerechnet.

§ 67. Begriffsbestimmungen
44. Wechselschichtarbeit
Wechselschichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten, bei denen der Arbeiter durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht (Nachtschichtfolge) herangezogen wird, vorsieht.
45. Wechselschichten
Wechselschichten sind wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird.

Die Arbeit in der Kläranlage wird im Drei-Schicht-Betrieb rund um die Uhr - auch an Sonn- und Feiertagen - abgewickelt. Dabei wurde bis zum 30. 4. 1997 bei den im Schichtdienst eingesetzten Mitarbeitern - auch beim Kl. - die Arbeitszeit unter Berücksichtigung zeitlicht nicht festgelegter Pausen errechnet und vergütet. Die Bekl. gab durch Aushang vom 13. 2. 1997 eine mit Zustimmung des Personalrats erfolgte Änderung der Arbeitszeit und Pausenzeiten mit Wirkung zum 1. 5. 1997 bekannt. Dadurch wurden zeitlich festgelegte Ruhepausen von 30 Minuten Dauer für die Arbeitnehmer aller Schichten eingeführt. Es wurden zwei Gruppen von Arbeitnehmern gebildet, für die jeweils zeitlich versetzte Pausenzeiten bestimmt wurden. In dem Aushang heißt es u.a.: „Die Pausenzeiten gelten lt. ArbZG nicht als Arbeitszeit und werden somit nicht vergütet. Die Zeitüberlappungen und die Pausengruppen gewährleisten eine geordnete Anlagenüberwachung, so dass immer eine ausreichende Prozessüberwachung erfolgt. Die Einhaltung der Arbeits- und Pausenzeitregelung überwachen die Schichtmeister. Abweichungen können nur bei gravierenden Betriebsstörungen durch den ständigen Schichtmeister angeordnet werden. Die Pausen dürfen nicht in den Warteräumen oder an den Arbeitsplätzen gemacht werden. Für die Einnahme von Nahrung und Getränken steht z.Z. ausschließlich der Aufenthaltsraum im Betriebsgebäude 1 zur Verfügung. Während der Pausenzeit soll der Arbeitsplatz verlassen werden. Die Mitarbeiter sind während der festgelegten Pausenzeit von jeglicher Arbeitsleistung freigestellt“.

Die halbstündige Pause des Kl. wird seit dem 1. 5. 1997 nicht mehr in die regelmäßige Arbeitszeit eingerechnet. Der Kl. hat die Auffassung vertreten, seine Arbeitspausen seien weiterhin in die regelmäßige Arbeitszeit einzurechnen und zu vergüten. Die Ausnahmeregelung in § 14 V BMT-G II für Wechselschichten erfasse nicht nur Kurzpausen, sondern auch Ruhepausen von 30 Minuten Dauer. Durch die Bezahlung der Pausen sollten typische Belastungen der Wechselschicht abgegolten werden. Im Übrigen sei es ihm und den übrigen Arbeitnehmern nicht möglich, die 30minütige Pause ungestört zu nehmen, denn in der Kläranlage sei ein ununterbrochener Fortgang der Arbeiten erforderlich. Der Kl. hat beantragt festzustellen, dass seine Arbeitspausen innerhalb der Wechselschicht in die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit - zur Zeit 38,5 Stunden pro Woche - ohne Vergütungsabzüge einzurechnen sind. Die Bekl. hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Ausnahmeregelung in § 14 V BMT-G II betreffe nur Kurzpausen von angemessener Dauer i.S. von § 12 II 3 AZO, nicht aber Arbeitspausen von 30 Minuten Dauer. Die besondere Belastung durch Wechselschichtarbeit werde nicht durch bezahlte Pausen, sondern durch Schichtlohnzuschlag nach § 24 BMT-G II abgegolten. Im Übrigen leiste der Kl. keine Wechselschichtarbeit, weil er innerhalb von 8 Wochen nur zu je einer Woche Spät- bzw. Nachtarbeit herangezogen werde und im Übrigen normalen Tagdienst von 7.00 Uhr bis 15.00 Uhr verrichte.

Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Bekl. hat das LAG das Urteil des ArbG abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Revision des Kl. blieb erfolglos.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Das LAG hat die Klage im Ergebnis zu Recht als unbegründet abgewiesen.

I. Das LAG hat angenommen, die Klage sei nicht begründet, weil im Arbeitsbereich des Kl. keine Wechselschichten im Sinne des BMT-G II geleistet würden. Dort werde nicht ununterbrochen gearbeitet, weil nach der ab dem 1. 5. 1997 geltenden Arbeitszeit- und Pausenregelung auch im Schichtdienst zeitlich festgelegte Pausen gewährt würden. Wechselschichten lägen nach § 67 Nr. 45 BMT-G II aber nicht vor, wenn die tägliche Arbeitszeit - sei es auch nur geringfügig - unterbrochen werde. Unterstellt, der Kl. wäre in Wechselschichten tätig, obwohl er in einem Zeitraum von 8 Wochen nur zu einer Woche Nacht- oder Spätschicht herangezogen werde, bedürfe es auf Grund der Neuregelung der Arbeits- und Pausenzeiten nicht einer ununterbrochenen Arbeitsleistung aller Schichtarbeiter. Die Kläranlage müsse zwar laufend überwacht werden. Es genügt jedoch, wenn sich während der Pausenzeiten jeweils eine Gruppe der Schichtarbeiter im Einsatz befinde. Damit habe die Bekl. eine praktikable Regelung des Überwachungsproblems in der Kläranlage geschaffen. Bei den nunmehr gewährten Arbeitspausen handle es sich um Arbeitspausen i.S. des § 4 S. 1 ArbZG, § 14 I BMT-GG II, die nicht in die regelmäßige Arbeitszeit einzurechnen seien.

II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Gleichwohl hat die Revision keinen Erfolg, weil sich die angefochtene Entscheidung aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 563 ZPO). Entgegen der Auffassung des LAG sind nach § 14 BMT-G II bei Wechselschichten nicht nur Kurzpausen, sondern auch Arbeitspausen von 30 Minuten Dauer in die regelmäßige Arbeitszeit einzurechnen. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Arbeitnehmer Wechselschichtarbeit i.S. der Begriffsbestimmung in § 67 Nr. 44 BMT-G II leistet. Dies ist beim Kl. nach den Feststellungen des LAG nicht der Fall. Daran scheitert der geltend gemachte Anspruch.

1. Nach § 14 V BMT-G II werden Arbeitspausen - außer bei Wechselschichten - nicht die regelmäßige Arbeitszeit eingerechnet. Daraus folgt, dass bei Wechselschichten Arbeitspausen in die regelmäßige Arbeitszeit einzurechnen sind. Anhaltspunkte dafür, dass dies nur für Kurzpausen, nicht aber für Arbeitspausen von 30 Minuten Dauer gilt, sind der tariflichen Regelung nicht zu entnehmen.

a) Der Tarifwortlaut, von dem bei der Tarifauslegung in erster Linie auszugehen ist (vgl. BAG [12. 9. 1984], BAGE 46, 308 = NZA 1985, 160; [12. 11. 1997], NZA 1998, 320 = AP TVG § 1 Tarifverträge: Deutsche Bahn Nr. 1; [28. 5. 1998], NZA 1998, 1015 = AP BGB § 611 Bühnenengagementsvertrag Nr. 52 = EzA TVG § 4 Bühnen Nr. 5; BAG [16. 7. 1998], NZA 1999, 217 = AP TVG § 4 Rationalisierungsschutz Nr. 27), unterscheidet nicht zwischen Kurzpausen und Arbeitspausen von 30 Minuten Dauer. Es finden sich lediglich die Begriffe „Pause“ in § 14 I BMT-G II und „Arbeitspause“ in § 4 V BMT-G II. Beide Begriffe sind weder tariflich noch gesetzlich definiert. Sowohl die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes und der Arbeitszeitordnung als auch der BMT-G II setzen vielmehr den Pausenbegriff voraus (BAG [30. 3. 1989] - 6 AZR 326/86 unveröffl., m.w. Nachw.). Nach ständiger Rechtsprechung des BAG sind unter Pausen im voraus festliegende Unterbrechungen der Arbeitszeit zu verstehen, in denen der Arbeitnehmer weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereit zu halten braucht, sondern freie Verfügung darüber hat, wo und wie er diese Ruhezeiten verbringen will (BAG [14. 4. 1966], BAGE 18, 223; [28. 9. 1972], AP AZO § 12 Nr. 9 = EzA AZO § 12 Nr. 1; [5. 5. 1988] BAGE 58, 243 = NZA 1989, 138; [23. 6. 1988], BAGE 59, 73 = NZA 1989, 55; [21. 2. 1991], ZTR 1991, 510; vgl. auch Denecke/Neumann, AZO, 11. Aufl., § 12 Rdnr. 17; Neumann/Biebl, ArbZG, 12. Aufl. § 4 Rdnr. 2f; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Pühler, BAT, Stand: März 2000, § 15 Erl. 7). Kurzpausen von angemessener Dauer i.S. des § 12 II 3 AZO, § 7 I Nr. 2 ArbZG sind als Pausen von weniger als fünfzehn Minuten Dauer keine Ruhepausen im vorbezeichneten Sinne. Sie unterbrechen die Arbeitszeit nicht, sondern gehören zur Arbeitszeit und sind zu vergüten (BAG [30. 3. 1989], ZTR 1989, 443; [16. 5. 1990], BAGE 65, 135 = NZA 1990, 286; [7. 12. 1988], NZA 1989, 553; Denecke/Neumann, § 12 Rdnr. 24; Neumann/Biebl, § 4 Rdnr. 4; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 4 Rdnr. 10; Schliemann/Förster/Meyer, ArbZR, Rdnr. 309). Hätten die Tarifvertragsparteien mit der Ausnahmeregelung in § 14 V BMT-G II für Wechselschichten ausschließlich Kurzpausen von angemessener Dauer gemeint, hätte die Tarifbestimmung insoweit keinen eigenen Regelungsgehalt, weil solche Pausen keine echten Ruhepausen sind und deshalb ohnehin - nicht nur bei Wechselschichten - in die regelmäßige Arbeitszeit einzurechnen sind. Da nicht davon auszugehen ist, dass die Tarifvertragsparteien Überflüssiges geregelt haben, bezieht sich die Ausnahmeregelung für Wechselschichten in § 14 V BMT-G II nicht nur auf Kurzpausen von angemessener Dauer, sondern auf alle Arbeitspausen. Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien nur darauf hinweisen wollten, dass Kurzpausen von angemessener Dauer der in Wechselschicht beschäftigten Arbeitnehmer nach § 12 II 3 der bei Abschluss des BMT-G II geltenden Arbeitszeitordnung Bestandteil der vergütungspflichtigen Arbeitszeit sind, lassen sich dem Tarifvertrag nicht entnehmen. Allein aus dem sowohl in § 14 V BMT-G II als auch in § 12 AZO verwendeten Begriff der Wechselschichten ergibt sich dies nicht. Zwar waren bei Wechselschichten nach § 12 II 3 AZO unter den dort genannten Voraussetzungen Kurzpausen von angemessener Dauer zulässig. Zwingend waren sie jedoch nicht. Bei der Regelung über die Gewährung von bezahlten Kurzpausen in § 12 II 3 AZO handelte es sich um eine Ausnahmevorschrift. Deshalb konnte auch in einem kontinuierlich arbeitenden Wechselschichtbetrieb die allgemeine Pausenregelung nach § 12 II 1 AZO durchgeführt werden, wenn die Arbeiten nicht für den einzelnen Arbeitnehmer einen ununterbrochenen Fortgang erforderten (BAG [21. 2. 1991], ZTR 1991, 510).

b) Diese am Wortlaut orientierte Auslegung der Tarifbestimmung in § 14 V BMT-GG II führt nicht zu einer sachlich ungerechtfertigten Besserstellung von Arbeitnehmern, die in Wechselschichten tätig sind, gegenüber anderen Arbeitnehmern. Die tarifliche Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass Arbeitnehmer, die in Wechselschichten arbeiten, unterschiedlichen Arbeitszeitrhythmen und damit besonderen Belastungen ausgesetzt sind. Diese Belastungen werden u.a. durch die bezahlten Arbeitspausen abgegolten. Dass die in Wechselschichten eingesetzten Arbeitnehmer außerdem Schichtlohnzuschlag erhalten, steht dem nicht entgegen. Die Regelung in § 14 V BMT-G II ist insoweit vergleichbar mit den Sonderregelungen zu § 15 BAT für Angestellte in Kernforschungseinrichtungen (Nr. 4 I SR 2o BAT), für Angestellte in Versorgungsbetrieben (Gas-, Wasser-, Elektrizitäts- und Fernheizwerke) und in Entsorgungseinrichtungen (Entwässerung, Müllbeseitigung, Straßenreinigung) (Nr. 2 I SR 2t BAT) sowie für Angestellte in Nahverkehrsbetrieben (Nr. 2 I SR 2u BAT). Diese Sonderregelungen bestimmen, dass „bei Wechselschichten … die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen in die Arbeitszeit eingerechnet“ werden. Auch von diesen Vorschriften werden nicht nur Kurzpausen von angemessener Dauer erfasst, sondern alle Arbeitspausen, soweit sie gesetzlich vorgeschrieben sind, somit auch die nach § 4 ArbZG vorgesehenen Arbeitspausen von 30 Minuten Dauer.

2. Der Kl. kann jedoch die Einrechnung der Arbeitspausen von 30 Minuten Dauer in die regelmäßige Arbeitszeit nach § 14 V BMT-G II nicht verlangen, weil er selbst nicht in Wechselschichten i.S. des BMT-G II arbeitet.

a) Wechselschichten sind nach der Begriffsbestimmung in § 67 Nr. 45 BMT-G II wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonn- und feiertags gearbeitet wird. Dies ist zwar im Arbeitsbereich des Kl. der Fall. Nach den Feststellungen des LAG wird die Arbeit in der Kläranlage im Drei-Schicht-Betrieb ohne Unterbrechungen auch an Sonn- und Feiertagen abgewickelt. Entgegen der Auffassung des LAG liegen Wechselschichten i.S. des § 67 Nr. 45 BMT-G II nicht nur dann vor, wenn der einzelne Arbeitnehmer ununterbrochen arbeitet. Maßgeblich ist vielmehr allein, dass in dem entsprechenden Arbeitsbereich ununterbrochen gearbeitet wird. Dies steht nicht im Widerspruch zu den Urteilen des erkennenden Senats vom 23. 6. 1988 (BAGE 59, 73 = NZA 1989, 55) und vom 9. 2. 1989 (RzK I 7a 15). Dort hatte der Senat entschieden, dass im Hinblick auf die Begriffsbestimmung der Wechselschichten in § 67 Nr. 45 BMT-G II jede Unterbrechung der täglichen Arbeit, sei es auch nur in geringem Umfang, die Annahme von Wechselschichten hindert. Dies betraf jedoch die Unterbrechung der Arbeit im gesamten Betrieb und nicht des einzelnen Arbeitnehmers bei im Übrigen - wie hier - ununterbrochenem Fortgang der Betriebstätigkeit.

b) Das Tatbestandsmerkmal „bei Wechselschichten“ in § 14 V BMT-G II ist jedoch nicht schon dann erfüllt, wenn in dem Betrieb, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist, in Wechselschichten gearbeitet wird. Erforderlich für die Einrechnung der Arbeitspausen in die regelmäßige Arbeitszeit nach dieser Bestimmung ist vielmehr, dass der Arbeitnehmer selbst in Wechselschichten i.S. des Tarifvertrags arbeitet. Arbeitnehmer, die zwar in einem Betrieb tätig sind, in dem in Wechselschichten gearbeitet wird, die jedoch selbst keine Wechselschichtarbeit leisten, werden von der Ausnahmeregelung in § 14 V BMT-G II nicht erfasst, denn sie sind den mit der Arbeit in Wechselschichten verbundenen Belastungen nicht ausgesetzt. So verhält es sich beim Kl. Er leistet keine Wechselschichtarbeit i.S. der Begriffsbestimmung in § 67 Nr. 44 BMT-G II. Danach ist Wechselschichtarbeit die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten, bei denen der Arbeiter durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht (Nachtschichtfolge) herangezogen wird, vorsieht. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kl. nicht, denn er wird nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LAG während eines Zeitraums von 8 Wochen nur zu einer Woche Spät- bzw. Nachtdienst herangezogen.

Der Kl. hat zwar in der Revisionsinstanz - nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - erstmals behauptet, er arbeite in jedem Monat in regelmäßigem Wechsel von Früh, Spät- und Nachtschicht. Dieses Vorbringen kann jedoch keine Berücksichtigung finden. Nach § 561 I 1 ZPO unterliegt der Beurteilung des RevGer. nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder aus dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Dazu gehört auch das Parteivorbringen in Schriftsätzen und Anlagen, auf die im Berufungsurteil Bezug genommen wird. Neues tatsächliches Vorbringen ist in der Revisionsinstanz grundsätzlich ausgeschlossen. Es kann nur ausnahmsweise berücksichtigt werden, wenn es unstreitig oder seine Richtigkeit offenkundig ist oder wenn es einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens abgeben würde. Außerdem ist neues Vorbringen zu beachten, wenn die Parteien nach der Rechtsauffassung des BerGer. keinen Anlass hatten, bestimmte Tatsachen vorzutragen, es aber nach der Rechtsansicht des RevGer. auf diese Tatsachen ankommt. In einem solchen Fall ist den Parteien durch Zurückverweisung des Rechtsstreits Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu ergänzen (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 3. Aufl., § 75 Rdnr. 27 m.w. Nachw.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Das Vorbringen des Kl. ist weder unstreitig noch offenkundig richtig. Einer Zurückverweisung des Rechtsstreits zur weiteren Sachaufklärung an das LAG bedurfte es nicht, denn der Kl. hatte Anlass, die für die Erfüllung des Tarifmerkmals der Wechselschichtarbeit erforderlichen Tatsachen bereits in der Berufungsinstanz vorzutragen. Zwar hat das LAG die Klage schon deshalb als unbegründet angesehen, weil es angenommen hat, das Tarifmerkmal „bei Wechselschichten“ liege nicht vor, weil im Arbeitsbereich des Kl. auf Grund der Gewährung einer halbstündigen Pause nicht ununterbrochen gearbeitet werde. Auf die Frage, ob der Kl. Wechselschichtarbeit i.S. des § 67 Nr. 44 BMT-G II leistet, kam es daher nach der Rechtsauffassung des LAG nicht an. Die Bekl. hatte jedoch mit Schriftsatz vom 8. 4. 1998 ausdrücklich eingewandt, ein Arbeitnehmer leiste nur dann Wechselschichtarbeit, wenn er durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen werde. Dies sei beim Kl. nicht der Fall, weil er im Zeitraum von 8 Wochen nur einmal zur Spät- oder Nachtschicht herangezogen werde und im Übrigen in der Tagschicht arbeite. Auf Grund dieses Vorbringens der Bekl. hätte es dem Kl. oblegen, den gegenteiligen Sachvortrag bereits in der Berufungsinstanz in den Rechtsstreit einzuführen.

3. Die Arbeitspausen von 30 Minuten Dauer sind auch nicht deshalb in die regelmäßige Arbeitszeit des Kl. einzurechnen, weil es ihm auf Grund betrieblicher Notwendigkeiten nicht möglich wäre, diese Pausen zu nehmen. Dies ist nach den Feststellungen des LAG nicht der Fall.

a) Das LAG hat in den Entscheidungsgründen festgestellt, die Bekl. habe ab dem 1. 5. 1997 die Betriebsverhältnisse so geregelt, dass es nicht der ununterbrochenen Arbeitsleistung aller Schichtarbeiter bedürfe. Zwar müsse die Kläranlage laufend überwacht werden. Den Erfordernissen des Arbeitsablaufs genüge es jedoch, wenn sich während der nunmehr gewährten halbstündigen Arbeitspausen jeweils eine Gruppe der Schichtarbeiter im Einsatz befinde. Damit habe die Bekl. eine praktikable Regelung des Überwachungsproblems geschaffen. Die Bekl. habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Arbeitsplatz während der Pausenzeit verlassen werden solle und die Mitarbeiter während der festgelegten Pausenzeit von jeglicher Arbeitsleistung freigestellt seien.

Danach ist es dem Kl. ohne weiteres möglich, die festgelegten Pausen von 30 Minuten Dauer auch tatsächlich zu nehmen. Zwar hat der Kl. diese Feststellungen des LAG mit einer Verfahrensrüge angegriffen und beanstandet, das LAG habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt und die angebotenen Beweise nicht erhoben. Er habe auf Seite 6 und Seite 7 des Schriftsatzes vom 5. 5. 1998 unter Beweisantritt vorgetragen, dass die Arbeiten in der Kläranlage einen ununterbrochenen Fortgang erforderten und die tatsächliche Umsetzung der Pausenregelung unmöglich sei. Dies habe das LAG übergangen.

b) Die Rüge der unterlassenen Beweiserhebung ist jedoch unbegründet. Das LAG hat zu Recht von einer Beweisaufnahme abgesehen, denn der Sachvortrag des Kl. im Schriftsatz vom 5. 5. 1998 rechtfertigt nicht den Schluss darauf, dass die Pausenregelung für ihn nicht umsetzbar ist. Der Kl. hat sich in den zitierten Schriftsatz darauf berufen, dass es den Schichtmeistern sowie dem Mitarbeitern in der Zentralwarte und dem sog. „Wasserteil“ der Anlage auf Grund betrieblicher Notwendigkeiten nicht möglich sei, die Arbeitspausen von 30 Minuten Dauer zu nehmen. Der Kl. ist jedoch weder Schichtmeister noch ist er in der Zentralwarte oder im „Wasserteil“ der Anlage eingesetzt. Er arbeitet in der Unterwarte Verbrennung. Er hat nicht vorgetragen, weshalb es ihm selbst nicht möglich sein soll, die Pausen zu nehmen. Selbst wenn jedoch auch in seinem Arbeitsbereich die Einhaltung der Pausenregelung mit Schwierigkeiten verbunden sein sollte, wäre zu berücksichtigen, dass die Einhaltung der Arbeitszeit- und Pausenregelung nach dem Aushang vom 13. 2. 1997 grundsätzlich durch die Schichtmeister zu überwachen ist und Abweichungen nur bei gravierenden Betriebsstörungen durch den zuständigen Schichtmeister angeordnet werden können. Ob, wie häufig und in welchem Umfang der Schichtmeister gegenüber dem Kl. angeordnet hat, die ihm zustehende Pause nicht in Anspruch zu nehmen, hat der Kl. jedoch nicht dargelegt.

c) Die Rüge des Kl., das LAG habe den Sachverhalt nicht genügend aufgeklärt, weil es nicht darauf hingewiesen habe, dass sein Sachvortrag unzureichend sei (§ 139 ZPO), ist unzulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG muss derjenige, der eine Verletzung von § 139 ZPO rügt, im Einzelnen angeben, welche Fragen vom Gericht hätten gestellt werden müssen und was die Partei daraufhin vorgebracht hätte. Der unterbliebene Sachvortrag muss über die Rüge des § 139 ZPO schlüssig gemacht werden. Nur dann ist es gerechtfertigt, den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an das BerGer. zurückzuverweisen. Fehlt die Angabe dessen, was die Partei vorgetragen hätte, lässt sich nicht absehen, ob die Ausübung des Fragerechts zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (BAG [5. 7. 1979], BAGE 32, 56 [66] [zu II 1b]; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 3. Aufl., § 74 Rdnr. 39). Der Kl. hätte deshalb darlegen müssen, welche weiteren Tatsachen er im Falle eines entsprechenden Hinweises durch das LAG vorgetragen hätte. Daran fehlt es, denn er hat sich lediglich auf seinen unsubstanziierten Vortrag in den Vorinstanzen berufen.

Vorinstanzen

LAG Köln, 6 Sa 471/98, 20.8.1998

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BMT-G II §§ 14 V; 67 Nrn. 44 und 45; Arbeitszeitordnung (AZO) § 12 II 3; ArbZG § 4; ZPO §§ 139, 561 I