Umfang der Aufklärungs- und Beratungspflichten des Kreditinstituts beim Kauf von Wertpapieren

Gericht

AG Hannover


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

27. 08. 1991


Aktenzeichen

506 C 45321/91


Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Die Kl. nimmt die Bekl. auf Schadensersatz wegen unzureichender Beratung und Aufklärung beim Kauf von Wertpapieren in Anspruch. Zwischen Januar und April 1989 kaufte die Kl. durch Vermittlung der Bekl. in Stückelungen in Höhe von insgesamt 40000 DM eine 6,5%ige Schuldverschreibung der australischen Bond-Gruppe mit 5jähriger Laufzeit. Konsortialführerin der Emission in der Bundesrepublik war die B-Bank. Die Anleihe war mit einer Garantie der Bond-Corporation in Perth versehen. Die für den 29. 9. 1990 fällige Zinszahlung konnte aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Bond-Gruppe nicht durchgeführt werden. Die Kursnotierung des Papiers an der Frankfurter Börse wurde Anfang Oktober 1990 ausgesetzt. Inzwischen wird in Gläubigerversammlungen darüber abgestimmt, ob ein dem deutschen Vergleich ähnliches „scheme of Arrangement“ zustande kommt; die entsprechenden Verhandlungen werden vor Jahresende 1991 nicht abgeschlossen sein. Nach dem derzeitigen Stand ist mit einer Vergleichsquote von mehr als 19,8 % nicht zu rechnen. Aufgrund dieser Entwicklung hat die Kl. die Anleihe vertragsgemäß gekündigt. Eine Zahlung ist auch durch die Garantiegeberin nicht erfolgt. Die Kl. nimmt nunmehr die Bekl. auf Schadensersatz in Höhe eines Teilbetrags von 5000 DM (gegen Aushändigung der Papiere) in Anspruch. Sie ist der Auffassung, die Bekl. hafte ihr auf Schadensersatz wegen Verletzung bestehender Aufklärungs- und Beratungspflichten bei der Anlagenentscheidung. Unter Vorlage einer Reihe von Mitteilungen der Börsenzeitung meint sie, die Bekl. hätte schon im Zeitpunkt der Anlageentscheidung über die finanziellen Schwierigkeiten der Bond-Gruppe informiert sein und diese Information auch weitergeben müssen. Schon damals sei die finanziell schwierige Lage der Gruppe aus den Mitteilungen der Börsenzeitung erkennbar gewesen. Weiterhin verweist die Kl. darauf, daß die Bond-Gruppe durch eine australische Privatagentur als fünfklassige Schuldnerin eingestuft worden ist. Die Kl. behauptet, sie sei aufklärungsbedürftig gewesen; zuvor habe sie nie spekulative Wertpapiere gekauft. Sie habe nach einer sicheren, fest verzinslichen Anlage gesucht. Die Bekl. bestreitet, im Zeitpunkt der Anlageentscheidung Kenntnis von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Bond-Gruppe gehabt zu haben. Diese seien überhaupt erst später bekannt geworden. Sie verweist darauf, daß die Bilanzen sowie die Gewinn- und Verlustrechung der Bond-Gruppe per 30. 6. 1988 von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geprüft worden ist, die Gesellschaft keinen Hinweis auf Liquidationsschwierigkeiten gefunden und daher der Bond-Gruppe einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt hat. Daß im Zeitpunkt der Anlageentscheidung keine Hinweise auf Schwierigkeiten in der Bond-Gruppe bekannt gewesen seien, folge auch daraus, daß die Bond-Anleihe noch im März 1989 nach Durchlaufen des strengen Prüfungs- und Zulassungsverfahrens an der Börse zugelassen worden ist. Weiterhin behauptet die Bekl., die Kl. sei nicht unerfahren in der Anlage von Geldern; sie verweist darauf, daß die Bekl. am 9. 2. 1984 eine 7,5%ige Anleihe der Republik Brasilien gekauft habe. Zum Kauf der Bond-Anleihe sei es deshalb gekommen, weil es ausdrücklicher Wunsch der Kl. gewesen sei, die Quellensteuer zu sparen. Darauf, daß es sich um eine ausländische Anleihe gehandelt habe, sei hingewiesen worden. Die Ausstattung einer solchen Anleihe mit der Garantie einer deutschen Bank sei unüblich. Das AG hat die Klage abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Voraussetzungen für eine Haftung der Bekl. wegen unzureichender oder unrichtiger Raterteilung, wie sie sich aus positiver Vertragsverletzung, Verschulden bei Vertragsschluß oder anderen Rechtsgrundlagen herleiten lassen (vgl. dazu Baumbach-Duden-Hopt, HGB, 28. Aufl., Bankgeschäft 7 Anm. I 6 A), sind nicht gegeben.

1. Zwar ist mit der Kl. von einer Aufklärungsbedürftigkeit auszugehen. Die Kl. ist als im Geschäft mit Wertpapieren nicht erfahren anzusehen. Aus dem Vortrag beider Parteien ergibt sich, daß sie in ihrem Depot während der vergangenen Jahre lediglich festverzinsliche Wertpapiere gehabt habe, nicht jedoch Aktien oder sonstigen Anlagen, bei denen spekulative Gewinne in größerem Umfang zu erwarten sind. Nichts anderes folgt aus dem einmaligen Kauf einer Brasilienanleihe im Jahre 1984. Auch hierbei handelte es sich um ein festverzinsliches Wertpapier.

2. Die sich aus der Geschäftsbeziehung der Parteien ergebenden Aufklärungspflichten sind jedoch von der Bekl. nicht verletzt worden.

a) Verstöße gegen die Pflicht zu wahrheitsgemäßer Aufklärung, die gegebenenfalls eine Haftung nach § 826 BGB begründen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere ist mit dem Vortrag der Kl. selbst davon auszugehen, daß die Bekl. im Zeitpunkt der Vermittlung der Anleihe Anfang des Jahres 1989 und auch bis April des gleichen Jahres keine positive Kenntnis über finanzielle Schwierigkeiten des Emittenten, der Bond-Gruppe hatte.

b) Auch von einer fahrlässigen Unkenntnis der Bekl. kann nicht ausgegangen werden. Zu Recht weist die Bekl. darauf hin, daß sie aufgrund der für das Wirtschaftsjahr 1988 vorliegenden Testate, in denen sich keine Hinweise auf Liquidationsschwierigkeiten der Gesellschaft befinden, kein Anlaß zu weiteren Nachforschungen hatte. Diese Testate sind von der Bekl. zutreffend ausgewertet worden. Diese Testate ergaben keinen Anlaß, die Kl. auf ein besonderes Risiko der vermittelten Anleihe hinzuweisen.

Andere konkrete Hinweise, die hierfür Anlaß gegeben hätten, lagen nicht vor. Die seitens der Kl. vorgelegten Auszüge aus der Börsenzeitung, beginnend mit Juli 1988, spiegeln lediglich die subjektive Einschätzung der einzelnen Berichterstatter wider. So trägt beispielsweise die Überschrift des Artikels der Morgenzeitung vom 24. 8. 1988 die Überschrift „Bond-Corporation mit rasantem Gewinnanstieg", im Artikel der Börsenzeitung vom 28. 9. 1988 heißt es am Ende, ruhigere Analytiker verwiesen darauf, „daß der Gewinn der Bond Corp. im Geschäftsjahr per Ende Juni 1988 mit 355,7 Mio. austr. Dollar um fast ein Drittel höher ausgefallen war als von den größten Optimisten vorhergesagt". Im Ergebnis ist somit davon auszugehen, daß konkrete Hinweise auf finanzielle Schwierigketein der Bond-Gruppe, die trotz der vorliegenden Testate für die Bekl. hätten Anlaß sein müssen, diesen nachzugehen, nicht vorlag. Hierfür spricht auch der Umstand, daß im nachhinein noch im April 1989 die Schuldverschreibung das Emissionsverfahren durchlief und zum Handel an der Börse zugelassen wurde.

c) Schließlich hat die Bekl. auch nicht unzureichend über die vermittelte Anleihe selbst aufgeklärt. Soweit die Kl. vorträgt, sie sei nicht darauf hingewiesen worden, daß es sich um eine ausländische Anleihe handelte, kann dies dahinstehen. Zweifel sind allerdings am Vortrag der Kl. angebracht, da jedenfalls über die Quellensteuerfreiheit der Anlage gesprochen wurde und eine Quellensteuerfreiheit nur durch Anlage in ausländischen Wertpapieren zu erreichen war. Zudem hat die Kl. den Kaufauftrag, in dem die Wertpapiere bezeichnet sind, unterzeichnet. Daß es sich bei der Bond-Corporation nicht um einen deutschen Schuldner handelte, war danach offensichtlich. Ein unterlassener Hinweis dahingehend würde jedoch die Haftung der Bekl. auch nicht begründen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, daß ausländische Anleihen grundsätzlich unsicherer sind als die deutscher Emittenten. Etwas anderes würde lediglich dann gelten, wenn es sich um eine Anleihe ausländischer Währung handelte, so daß das Kursrisiko der Anleihe zusätzlich durch Währungsdifferenz verschärft würde. Diese Voraussetzungen sind jedoch hier nicht gegeben, es handelte sich um eine DM-Anleihe.

Entgegen dem Vortrag der Kl. ist auch nicht davon auszugehen, daß ausländische Anleihen regelmäßig mit der Garantie einer deutschen Bank ausgestattet werden. Die von der Kl. selbst vorgelegte Anlage, in der die zwischen dem 23. 8. und 6. 10. 1988 emittierten Anleihen aufgelistet sind, belegt das Gegenteil: Keine der dortigen DM-Anleihen ausländischer Schuldner ist mit einer Garantie einer deutschen Bank versehen.

Im Ergebnis sind damit die Voraussetzungen einer Haftung der Bekl. wegen unrichtiger Raterteilung oder Auskunftserteilung nicht gegeben. Die Höhe eines möglichen Schadens kann damit dahingestellt bleiben.

Rechtsgebiete

Verbraucherschutzrecht

Normen

BGB §§ 242, 826