Aufklärung eines besonders erfahrenen Anlegers bei Aktiengeschäft

Gericht

OLG Koblenz


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

04. 07. 2000


Aktenzeichen

3 U 1751/99


Leitsatz des Gerichts

Ist ein Anleger auf Grund seines Bildungsstands und seiner Lebens- und Geschäftserfahrung ohne Weiteres in der Lage, eventuell sich ergebende Risiken aus Aktien- und Optionsgeschäften zu erkennen, ist eine Bank auch dann nicht zu einer weitgehenden Beratung und Aufklärung verpflichtet, wenn der Anleger infolge einer Anlagekonzentration auf nur ein Unternehmen und Kreditfinanzierung des Aktienerwerbs ein erhöhtes Risiko eines Anlageverlusts eingeht.

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Der Kl. begehrt von der Bekl. wegen angeblich fehlerhafter Beratung Ersatz eines ihm im Zusammenhang mit einem Aktiengeschäft entstandenen Verlustes in Höhe von 201785,13 DM.

Der Kl., der ein Betriebswirtschaftsstudium abgeschlossen hat und bis 1994 als Leitender Angestellter tätig war, stand mit der Bekl. in langjähriger Geschäftsverbindung. Im Jahre 1989 hatte er bei der Bekl. ein Festgeldkonto i.H. von 180000 DM eröffnet. Daneben unterhielt er ein Kontokorentkonto, auf dem ihm die Bekl. im Dezember 1989 einen Kreditrahmen von 275000 DM eingeräumt hatte, der 1992 mit einer Laufzeit bis 31. 5. 1995 auf 360000 DM erhöht worden war. Ab 1990 erwarb der Kl. unter Mitwirkung der Bekl. Aktien, was er mit den kreditierten Mitteln finanzierte. Bei Veräußerungen von Wertpapieren erzielte er zum Teil beachtliche Gewinne. Über die Lage am Aktienmarkt informierte sich der Kl. unter anderem durch die regelmäßige Lektüre der periodisch erscheinenden Zeitschriften „Effektenspiegel“. Anfang März 1996 besaß der Kl. 500 Stück Aktien der K-Werke AG. Am 3. 3. 1994 veräußerte die Bekl. auftragsgemäß diese Aktien, weil schwierige Tarifverhandlungen in der Metallbranche bevorstanden. Nach Abschluss der Verhandlungen erwarb der Kl. die Aktien zurück, ließ sie aber am 6. 5. 1994 erneut durch die Bekl. verkaufen, nachdem die Kurse deutlich gestiegen waren. In den folgenden Tagen erfragte er immer wieder bei der Bekl. die aktuellen Notierungen. Darüber hinaus ließ er sich von der Bekl. den Zwischenbericht 1. Halbjahr 1993/1994 der K-Werke AG beschaffen. Am 24. 5. 1994 erfrage er bei der Bekl. den aktuellen Kurs und erwarb nach entsprechender Auskunft 5000 Stück K-Aktien zum Preis von 163,50 DM pro Stück. Da der Kl. die fälligen Zinszahlungen für den ihm gewährten Kredit nicht gezahlt hatte, belief sich der Sollsaldo seines Kreditkontos auf 400084,82 DM. Auf seinen Antrag wurde der Kredit im Juni 1995 bis zum 31. 5. 1998 mit einer Darlehnssumme von 430000 DM verlängert. Nachdem der Kurs der K-Aktien bereits im Sommer 1995 erheblich gefallen war, fiel er im Herbst 1995 auf 50 DM pro Stück, als das Unternehmen einen Verlust von 210 Mio. DM bekanntgegeben hatte. Die Bekl. verlängerte den dem Kl. gewährten Kredit über den 31. 5. 1998 hinaus nicht. Zur weiteren Abwicklung schlossen die Parteien die Vereinbarung vom 29. 5. 1998. Da der Kl. nach einem zwischenzeitlichen Kursanstieg bis 140 DM pro Stück die Aktien in der Hoffnung auf ein weiteres Ansteigen nicht verkauft hatte, vereinbarten die Partein eine Stop-Loss-Order bei einem Kurs von 115 DM pro Stück. Am 27. 8. 1998 veräußerte die Bekl. 2500 K-Aktien zum Preis von 113,60 DM pro Stück. Der Rest sollte auf Grund einer Ergänzung zu der Vereinbarung vom 29. 5. 1998 nur verkauft werden, wenn der Kurs unter 95 DM pro Stück fallen würde. Diese Marke war am 17. 9. 1998 erreicht, so dass die restlichen Aktien veräußert wurden. Mit den Erlösen aus den Verkäufen wurde der Kredit des Kl. teilweise zurückgeführt.

Mit Urteil vom 21. 10. 1999 hat das LG die Klage abgewiesen.

Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Kl. hat - selbst die von ihm behauptete Anlageempfehlung unterstellt - keinen Schadensersatzanspruch gegen die Bekl. wegen einer mangelhaften Beratung im Zusammenhang mit dem Aktiengeschäft vom 24. 5. 1994.

Die Bekl. war nicht verpflichtet, den Kl. auf das infolge der Anlagekonzentration auf ein Unternehmen und der Kreditfinanzierung des Aktienerwerbs sich ergebende Risiko hinzuweisen.

Inhalt und Umfang der Beratungspflicht einer Bank sind von einer Reihe von Faktoren abhängig, die sich einerseits auf die Person des Kunden und andererseits auf das Anlageobjekt beziehen. Die konkrete Ausgestaltung der Pflicht hängt entscheidend von den Umständen des Einzelfalls ab.

Zu den Umständen in der Person des Kunden gehören insbesondere dessen Wissensstand über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft; zu berücksichtigen ist also vor allem, ob es sich bei dem Kunden um einen erfahrenen Anleger mit einschlägigem Fachwissen handelt und welches Anlageziel der Kunde verfolgt. Bei letzterem ist von Bedeutung, ob das beabsichtigte Anlagegeschäft der sicheren Geldanlage dienen soll oder spekulativen Charakter hat. In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Dabei ist zwischen den allgemeinen Risiken (Konjunkturlage, Entwicklung des Börsenmarktes) und den speziellen Risiken zu unterscheiden, die sich aus den individuellen Gegebenheiten des Anlageobjekts (Kurs-, Zins- und Währungsrisiko) ergeben (BGHZ 123, 126f.).

Auf der Grundlage dieser nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung maßgebenden Kriterien hatte die Bekl. keinen Anlass, den Kl. auf das Risiko, das sich für ihn aus dem mit Kreditmitteln finanzierten Erwerb von Aktien eines Unternehmens für mehr als 800000 DM ergab, besonders hinzuweisen.

Der Kl. war hinreichend anlageerfahren. Er hatte seit 1990 Aktiengeschäfte in erheblichem Umfang getätigt. Die Darstellung der Bekl. zu Art und Umfang der Geschäfte hat der Kl. nicht substantiiert bestritten.

Wer wie der Kl. seit mehreren Jahren ein Depot bei einer Bank unterhält und zahlreiche An- und Verkäufe in erheblicher Stückzahl in kurzer Zeit tätigt, erwirbt sich dabei Kenntnisse und Erfahrungen, die eine Beratung seitens der Bank über allgemeine sich aus der gewählten Anlage ergebenden Risiken überflüssig machen. Ein solcher Anleger ist mit einem Kunden, der erstmals einen erheblichen Geldbetrag an der Börse anlegen möchte, nicht gleichzustellen (OLG Köln, WM 1995, 381).

Neben der sich aus der Geschäftsabwicklung ergebenden Erfahrung konnte der Kl. auf Kenntnisse aus seiner beruflichen Ausbildung zum Betriebswirt und dem regelmäßigen Studium von einschlägiger Fachliteratur zurückgreifen.

Der Kl. hat diese Kenntnisse und Erfahrungen auch bei seinen Geschäften erkennen lassen. Er hat mehrfach Kurssteigerungen realisiert und auch die Sensibilität des Aktienmarktes in seine Anlageentscheidungen einbezogen. Zum Ausschluss des Risikos von Kurseinbrüchen hat er etwa im Hinblick auf anstehende Tarifverhandlungen Aktien veräußert und sie kurz darauf, nachdem der Kurs durch den Tarifabschluss nicht negativ beeinflusst worden war, wieder erworben.

Die wirtschaftliche Entwicklung der Unternehmen, an denen er Aktienbeteiligungen hielt, verfolgte der Kl. aufmerksam. So ließ er sich Geschäftsberichte beschaffen und analysierte diese im Hinblick auf seine weiteren Anlageentscheidungen.

Auf Grund früherer Geschäfte war dem Kl. bekannt, dass spekulative Geschäfte, wie Aktien- und Optionsscheingeschäfte, nicht ohne Risiko sind. Bei einem Dollar-Optionsschein-Geschäft hatte er einen Verlust in Höhe von mehr als 50000 DM erlitten.

Als der Kl. am 24. 5. 1994 den aktuellen Kurs für K-Aktien bei der Bekl. erfragte, hatte er konkrete Vorstellungen von der beabsichtigten Anlage. Es handelte sich bei dem geplanten Geschäft nicht um eine „Neuanlage“, sondern um eine „Wiederanlage“. Der Kl. strebte den Erwerb von Papieren an, die er in gleicher Stückzahl bereits früher in seinem Depot hatte. Die Anlageentscheidung hing ausschließlich noch vom jeweiligen Tageskurs ab. Es handelte sich zwar um ein spekulatives Geschäft, allerdings nicht um hochspekulative Papiere sondern Standardwerte.

Unter diesen gesamten Umständen war die Bekl. nicht verpflichtet, den Kl. auf das Risiko der Bündelung des Anlagekapitals in Werten nur eines Unternehmens hinzuweisen. Ebenso wie etwa das Kursrisiko (vgl. OLG Hamm, WM 1996, 1812) ist einem Anleger mit dem Bildungsstand und der Lebens- und Geschäftserfahrung des Kl. selbstverständlich bewusst, dass die Verlustrisiken bei einem Aktiengeschäft mit Werten ausschließlich eines Unternehmens ungleich höher sind als bei der Steuerung des Kapitaleinsatzes auf verschiedene Unternehmen unter Umständen noch verschiedener Branchen.

Auch die Tatsache, dass mit einer Spekulation auf Kredit erhebliche Risiken verbunden sind, ist so selbstverständlich, dass es insoweit grundsätzlich nicht eines aufklärenden Hinweises einer Bank bedarf (BGH, WM 1991, 982f.).

Der Kl. hat nicht dargetan, dass die Bekl. infolge eines krassen Missverhältnisses zwischen seiner wirtschaftlichen Situation und der Höhe des Anlagebetrags zu aufklärendem Tätigwerden gehalten gewesen wäre. Eigene konkrete Darlegungen zu seiner Einkommens- und Vermögenssituation hat der Kl. nicht gemacht. Die insoweit seitens der Bekl. vorgetragenen und vom Kl. nicht bestrittenen Umstände lassen ein derartiges Missverhältnis nicht erkennen. Im Übrigen war der Kl. auf Grund seiner geschäftlichen Erfahrungen ohne Weiteres in der Lage, eventuelle sich aus seiner wirtschaftlichen Lage ergebenden Risiken selbst zu erkennen und ihnen Rechnung zu tragen.

Der Kl. hat schließlich keine Ansprüche gegen die Bekl. auf Grund einer Haftung nach dem Börsengesetz oder den Grundsätzen der von der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftung sowie aus § 1243 II BGB. Die diesbezüglichen Darlegungen des LG hat der Kl. mit seiner Berufung nicht spezifiziert angegriffen. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des LG Bezug.

Rechtsgebiete

Verbraucherschutzrecht

Normen

BGB §§ 242, 1243 II; WpHG §§ 31ff.