Fristlose Kündigung wegen eigenmächtigem Urlaubsantritt

Gericht

LAG Hamm


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

13. 06. 2000


Aktenzeichen

19 Sa 2246/99


Leitsatz des Gerichts

Erwirkt ein Arbeitnehmer (Kraftfahrer einer Spedition) drei Tage vor Antritt seines bereits acht Monate zuvor schriftlich beantragten, allerdings zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich gewährten oder abgelehnten Sommerurlaubs beim Arbeitsgericht ohne mündliche Verhandlung eine einstweilige Verfügung auf entsprechende Urlaubserteilung, unterlässt er aber mangels entsprechender Kenntnis (und/oder fehlerhafter Auskunft eines Mitarbeiters des Gerichts) die von ihm selbst vorzunehmende Zustellung dieser einstweiligen Verfügung an seinen Arbeitgeber, so berechtigt dies diesen nicht zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung wegen eigenmächtigen Urlaubsantritts.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten über die Berechtigung zweier von der Bekl. insbesondere wegen angeblichen eigenmächtigem Urlaubsantritts ausgesprochener fristlosen Kündigungen vom 28. 8. und 2./5. 10. 1998. Die Bekl. betreibt eine Spedition und beschäftigt 18 Arbeitnehmer.

Der am 4. 2. 1943 geborene Kl. war seit dem 16. 4. 1988 als Kraftfahrer zunächst für die am gleichen Firmensitz ansässige Firma Transporte U tätig; seit dem 1. 7. 1998 wurde er dann als Mitarbeiter der Bekl. geführt. Er verdiente dort zuletzt bei einem Stundenlohn von 17,36 DM durchschnittlich 4420,65 DM brutto monatlich. Gemeinsam beschäftigten die Bekl. und die Firma Transporte U etwa 60 bis 80 Arbeitnehmer, darunter ca. 50 Kraftfahrer. Bis zu seinem Rücktritt anlässlich der Betriebsversammlung am 9. 5. 1998 war die Kl. Vorsitzender des bei der Bekl. und/oder der Spedition U gewählten Betriebsrats. Nach den Erklärungen des Prozessbevollmächtigten der Bekl. im Verhandlungstermin vom 13. 6. 2000 dürften auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer im privaten Güterverkehrsgewerbe Nordrhein-Westfalens Anwendung gefunden haben. Der Kl. hat vom 9. 9. bis zum 31. 10. 1998 wöchentlich 365,82 DM Arbeitslosengeld bezogen. Zum 1. 11. 1998 hat er eine neue Arbeitsstelle bei der Spedition E zu einem Monatsverdienst von 3650 DM brutto antreten können. Nach längerer Erkrankung seit Anfang Juni 1999 bezieht er nunmehr seit dem 1. 10. 1999 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Anlass für seine Kündigungen waren folgende Geschehnisse: Der Kl. hatte in den zurückliegenden Jahren seit 1988 jeweils unmittelbar vor oder nach den Schulferien in Nordrhein-Westfalen, ganz überwiegend im August des Jahres, seinen mehrwöchigen Sommerurlaub erhalten, den er regelmäßig in Tunesien verbrachte. Auch unter dem 10. 12. 1997 beantragte er Erholungsurlaub für die Zeit vom 14. bis 17. 4. sowie vom 14. 8. bis zum 4. 9. 1998. Diese Urlaubsanträge erhielt der Kl. - ebenso wie in all den Jahren zuvor - nicht zurück, obwohl das verwandte Formular entsprechende Unterschriftsrubriken für „genehmigt“ bzw. „nicht genehmigt“ enthält. In all den vergangenen Jahren hatte der Vater des Inhabers der Bekl., Herr W zwar regelmäßig an den Urlaubsanträgen des Kl. (unter anderer Kollegen) „herumgemäkelt“, diese dann aber doch stets kurzfristig wenige Tage vor dem jeweiligen Urlaubsantritt genehmigt. Dementsprechend hatte der Kl. seine Flugreisen stets auch ohne Urlaubsscheine mehrere Monate im voraus gebucht; entsprechend buchte er auch Anfang des Jahres 1998 seine Tunesienreise für die Zeit vom 14. 8. bis zum 4. 9. 1998. Den Aprilurlaub genehmigte die Bekl. dem Kl. mündlich im Februar 1998. Die Bekl. hat behauptet, sie habe bereits in der ersten Januarwoche 1998 sowie dann im März 1998 in betriebsüblicher Weise in der Disposition, in Augenhöhe neben der vom Kl. wie von allen Arbeitnehmern täglich zu bedienenden Stempeluhr für jedermann gut lesbar folgende Aushänge angebracht:

An alle Mitarbeiter:

Die bereits abgegebenen Urlaubsanträge gelten erst mit Rückgabe und Unterschrift durch die Geschäftsführung als genehmigt. Die alleinige Abgabe des Urlaubsantrages entspricht nicht einer sofortigen Genehmigung. Die Geschäftsführung.

An alle Fahrer:

Da für die Monate Juni, Juli und August 1998 eine zu hohe Anzahl von Urlaubsanträgen eingegangen ist, bitten wir die Fahrer, die in diesen Monaten in 1997 Urlaub hatten, für die Kollegen, die diesen Anspruch in 1997 nicht hatten, zurückzutreten. Wir bitten die Fahrer, sich mit der Geschäftsführung bezüglich der Verschiebung des Urlaubs in Verbindung zu setzen. Die Geschäftsführung.

Ausweislich des Einladungsschreibens des Kl. vom 14. 4. 1998 war das im Betrieb stets streitige Themas der „Urlaubseintragung - Urlaubsplanung“ auch erster Tagesordnungspunkt der Belegschaftsversammlung vom 9. 5. 1998. Dabei hielt der ÖTV-Sekretär C ein Informationsreferat, in dem er nach der Behauptung des Kl. unter anderem ausgeführt haben soll, dass ein Urlaubsantrag automatisch als genehmigt gelte, sofern der Arbeitgeber ihn nicht binnen sechs Wochen beantwortet bzw. zurückgegeben habe. Die Bekl. hat dazu behauptet, sie habe in der Betriebsversammlung ausdrücklich auf die Beachtung ihrer Aushänge über die Urlaubsgewährung hingewiesen und die betreffenden Mitarbeiter gebeten, sich zwecks Urlaubsfestlegung mit ihrer Geschäftsleitung in Verbindung zu setzen, so dass es spätestens zu diesem Zeitpunkt für den Kl. angezeigt gewesen wäre, mit ihr Rücksprache wegen eines Urlaubswunsches zu halten. Ferner will sie dann in der ersten Juniwoche nochmals folgenden Aushang neben der Stempeluhr angeschlagen haben:

Urlaubsanträge

Hiermit verweisen wir nochmals auf unseren Aushang vom Januar 1998. Eingereichte Urlaubsanträge gelten erst dann als genehmigt, wenn diese von der Geschäftsführung unterschrieben zurückgegeben werden. Die alleinige Abgabe des Urlaubsantrages entspricht nicht einer Genehmigung des Urlaubes.

Die Geschäftsführung Dortmund, 3. 6. 1998


Der Kl. hat auf keinen der Aushänge reagiert. Am 10. 8. 1998 erinnerte er dann - auch insoweit der Verfahrensweise der Vorjahre entsprechend - die Bekl. telefonisch daran, dass er am 14. 8. 1998 seinen Urlaub antreten werde. Diese teilte ihm daraufhin mit, dass sein Urlaubsantrag zu keinem Zeitpunkt genehmigt worden sei, ohne ihm dafür allerdings nachvollziehbare Gründe mitzuteilen und trotz des Umstandes, dass bei ihrer Geschäftsleitung allgemein bekannt war, dass der Kl. üblicherweise im August eines jeden Jahres nach Tunesien fuhr (wie der Inhaber der Bekl. im Gütetermin am 27. 11. 1998 beim ArbG auch eingeräumt hat). Da die Bekl. dem Kl. am 10. 8. 1998 für den Fall eines unberechtigten Urlaubsantritts die Kündigung angedroht hatte, beantragte er am 11. 8. 1998 zu Protokoll der Rechtsantragstelle des ArbG Dortmund den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Urlaubserteilung. Das ArbG Dortmund erließ daraufhin mit Beschluss vom gleichen Tag ohne mündliche Verhandlung die begehrte einstweilige Verfügung und gab der Bekl. darin auf, dem Kl. „für den Zeitraum vom 14. 8. 1998 bis 4. 9. 1998 16 Tage Jahresurlaub für 1998 zu bewilligen.“ Dieser Beschluss wurde dem Kl. durch Niederlegung am 12. 8. 1998 zugestellt. Eine Zustellung des Beschlusses und der ihm beigehefteten Antragsschrift an die Bekl. erfolgte hingegen nicht, weil der Kl. nicht wusste, dass er selbst diese Zustellung zu bewirken hatte. Die Rechtspflegerin oder Geschäftsstellenbeamtin des ArbG Dortmund teile der Ehefrau des Kl. auf entsprechende telefonische Nachfrage hin mit, dass die einstweilige Verfügung ihm sowie der Bekl. zugestellt werde und erklärte annähernd wörtlich: „Fahren Sie in Urlaub, wir stellen das dem Arbeitgeber zu.“ Daraufhin flog der Kl. wie geplant am 14. 8. 1998 nach Tunesien. Unter dem 19. 8. 1998 schrieb der Bekl. den Kl. wie folgt an:

Betr.: Arbeitsaufnahme:

Sehr geehrter Herr K,

sie haben am 14. 8. 1998 eigenmächtig Ihren Urlaub angetreten, obwohl Ihnen dieser nicht genehmigt worden ist. Wir fordern Sie daher auf, Ihre Arbeit unverzüglich wieder aufzunehmen. Sollten Sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, werden wir Ihnen eine fristlose Kündigung aussprechen. Mit freundlichen Grüßen

Dieses Schreiben fand der Kl. bei seiner Rückkehr aus Tunesien in der Nacht vom 4. auf den 5. 9. 1998 vor, zusammen mit dem Kündigungsschreiben der Bekl. vom 28. 8. 1998 (per Boten am gleichen Tag in den Briefkasten des Kl. eingelegt), mit dem diese ihm das Arbeitsverhältnis fristlos kündigte. Die Bekl. hatte dazu zuvor ihren Betriebsrat mit Schreiben vom 24. 8. 1998 angehört und ihm als Kündigungsgrund mitgeteilt „Herr K trat am 14. 8. 1998 eigenmächtig seinen Urlaub an, obwohl ihm dieser nicht genehmigt worden ist.“ Der Betriebsrat hatte dagegen mit Schreiben vom 25. 8. 1998 folgende Bedenken erhoben:

„Wie Herr K dem Betriebsrat vor seinem Urlaubsantritt mitteilte, hat er seinen Urlaubsantrag für August 1998 im Dezember 1997 abgegeben und bis zu seinem Urlaubsantritt keine Antwort erhalten. Herr K sagte uns, dass er eine einstweilige Verfügung gegen seinen Arbeitgeber, Herrn T erwirkt hat, weil ihm nur wenige Tage vor Urlaubsantritt der Urlaub mündlich abgelehnt wurde. Wir möchten jedoch darauf hinweisen, dass Herr K über 10 Jahre bei Ihnen beschäftigt ist und eine Kündigung - erst recht eine fristlose (außerordentliche) - uns vollkommen überzogen erscheint, und stimmen einer Kündigung - schon gar nicht aus diesem Grunde zu.“

Am 23. 9. 1998 erhielt die Bekl. eine Ablichtung des Beschlusses des ArbG Dortmund über den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit der ihm beigehefteten Antragsschrift des Kl. Mit Schreiben vom 2./5. 10. 1998 kündigte sie ihm daraufhin erneut fristlos. In dem einstweiligen Verfügungsverfahren legte die Bekl. unter dem 23. 9. 1998 Beschwerde gegen den Beschluss des ArbG Dortmund vom 11. 8. 1998 ein. In dem daraufhin anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung am 27. 11. 1998 nahm der Kl. dann seinen Antrag zurück. Mit seiner am 9. 10. 1998 beim ArbG Dortmund erhobenen und mit Schriftsatz vom 12. 10. 1998 erweiterten Kündigungsschutzklage hat sich der Kl. gegen diese beiden von ihm für unwirksam gehaltenen Kündigungen gewandt und die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats dazu gerügt.

Das ArbG Dortmund hat mit Urteil vom 10. 9. 1999 der Kündigungsschutzklage antragsgemäß stattgegeben und festgestellt, „dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung vom 28. 8. 1998 und nicht durch die fristlose Kündigung vom 2. 10. 1998 aufgelöst ist.“ Gegen dieses Urteil wendet sich die Bekl. mit ihrer am 24. 12. 1999 beim LAG eingegangenen und fristgerecht begründeten Berufung. Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Das ArbG hat zu Recht erkannt, dass die außerordentlichen Kündigungen der Bekl. vom 28. 8. und 2./5. 10. 1998 rechtsunwirksam sind und das Arbeitsverhältnis mit dem Kl. nicht beendet haben.

I. Die Kammer hat schon Zweifel, ob der bei der Bekl. gewählte Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung vom 28. 8. 1998 ordnungsgemäß angehört worden ist, so dass jedenfalls diese Kündigung bereits nach den §§ 102 I 3 BetrVG; 134 BGB unwirksam sein könnte:

1. Nach § 102 I 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Nach § 102 I 2 BetrVG hat der Arbeitgeber ihm dabei insbesondere die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Die ausgesprochene Kündigung ist nicht nur dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat zuvor überhaupt beteiligt zu haben, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 I 2 BetrVG nicht richtig, insbesondere nicht ausführlich genug nachgekommen ist. Eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats liegt dann vor, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat. Hinsichtlich der Umstände genügt es in der Regel nicht, dass der Arbeitgeber sie nur pauschal, schlagwort- oder stichwortartig vorträgt oder bloße Werturteile mitteilt. Der für die Kündigung maßgebende Sachverhalt ist vielmehr so zu umschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden. Dabei kommt der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Unterrichtung des Betriebsrats nicht nach, wenn er aus seiner subjektiven Sicht dem Betriebsrat bewusst unrichtige oder unvollständige Sachdarstellungen unterbreitet oder einen für die Entschließung des Betriebsrats wesentlichen Umstand verschweigt. Enthält der Arbeitgeber somit dem Betriebsrat bewusst ihm bekannte und seinen Kündigungsentschluss bestimmende Tatsachen vor, die nicht nur eine Ergänzung oder Konkretisierung des mitgeteilten Sachverhalts darstellen, sondern diesem erst das Gewicht eines Kündigungsgrundes geben oder weitere eigenständige Kündigungsgründe beinhalten, dann ist das Anhörungsverfahren fehlerhaft und die Kündigung nach § 102 I 3 BetrVG unwirksam (vgl. statt aller nur: BAG [15. 11. 1995], NZA 1996, 419 = AP Nrn. 49, 57 zu § 102 BetrVG 1972).

2. a) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe unterliegt die Kündigung der Bekl. vom 2./5. 10. 1998 keinen Bedenken.

b) Bezüglich der Kündigung vom 28. 8. 1998 allerdings hat die Bekl. dem Betriebsrat ausweislich des Anhörungsschreibens vom 24. 8. 1998 lediglich lapidar mitgeteilt, „Herr K … trat am 14. 8. 1998 eigenmächtig seinen Urlaub an, obwohl ihm dieser nicht genehmigt worden ist.“

Damit wurde der Betriebsrat beispielsweise weder darüber informiert, dass der Kl. unter dem 10. 12. 1997 einen (bis zuletzt nie endgültig beschiedenen ) schriftlichen Urlaubsantrag gestellt, dass er sie, die Bekl., am 10. 8. 1998 von einem bevorstehenden Urlaubsantritt informiert und dass sie ihm bei dieser Gelegenheit sowie mit ihrem Schreiben vom 19. 8. 1998 eine Kündigung angedroht, ihn also ihrer Ansicht nach erfolglos abgemahnt hatte. Da aber andererseits aus dem vom Betriebsrat mit Schreiben vom 25. 8. 1998 erhobenen Bedenken hervorgeht, dass dieser zumindest über die Tatsache des Urlaubsantrags und das Gespräch vom 10. 8. 1998 (offenbar bereits im Vorfeld vom Kl. selbst) unterrichtet war und somit über weitergehende Kenntnisse des Sachverhalts verfügte und sich daher offensichtlich in der Lage sah, seine Stellungnahme nach § 102 II 3 BetrVG sachgerecht abzugeben, soll diese Problematik hier nicht eingehender erörtert werden.

II. Dem ArbG ist nämlich darin beizupflichten, dass die von der Bekl. angeführten Gründe nicht ausreichen können, ihr Arbeitsverhältnis zum Kl. fristlos zu beenden:

1. Nach § 626 I BGB kann das Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung der Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der zugrunde zu legende Kündigungssachverhalt an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden; sodann ist zu fragen, ob im konkreten Fall alle Umstände des Einzelfalles bei der Interessenabwägung die Weiterbeschäftigung unzumutbar machen (vgl. nur: BAG [13. 12. 1984], NZA 1985, 288 = AP Nr. 81 zu § 626 BGB; BAG [17. 3. 1988], NZA 1989, 261 = AP Nr. 99 zu § 626; BAG [2. 3. 1989], NZA 1989, 755 = AP Nr. 101 zu § 626 BGB).

Diese Voraussetzungen liegen hier, wie schon das ArbG mit weitgehend zutreffenden Begründungen ausgeführt hat, nicht vor. Auch die dagegen erhobenen Einwendungen sowie weiteren Behauptungen der Bekl. im Berufungsverfahren lassen keine andere rechtliche Beurteilung zu.

Im Einzelnen gilt hier Folgendes:

2. Zunächst ist auf die entsprechende Rüge des Kl. hin festzustellen, dass die außerordentliche Kündigung vom 28. 8. 1998, dem Kl. trotz seiner urlaubsbedingten Abwesenheit am gleichen Tage durch Boten wirksam zugegangen (vgl. BAG [16. 3. 1988], NZA 1988, 875 = AP Nr. 16 zu § 130 BGB), nicht etwa wegen Versäumung der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist des § 626 II BGB unwirksam ist.

Danach kann eine Kündigung aus wichtigem Grund nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Bei Dauertatbeständen wie unentschuldigtem Fehlen, insbesondere bei eigenmächtigem Urlaubsantritt, beginnt die Zweiwochenfrist nicht mit dem tatsächlichen Fernbleiben, d.h. mit dem Tag der Abwesenheit, sondern frühestens dann, wenn der Arbeitnehmer wieder im Betrieb erscheint, d.h. mit dem Ende der unentschuldigten Fehlzeit (vgl. dazu statt aller zuletzt: BAG [22. 1. 1998], NZA 1998, 708 = AP Nr. 38 zu § 626 BGB - Ausschlussfrist m.w. Nachw.).

3. Der Bekl. ist allerdings im Ausgangspunkt zuzugeben, dass ein eigenmächtiger Urlaubsantritt grundsätzlich, je nach den Umständen des Einzelfalls, eine ordentliche, in der Regel sogar eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann (vgl. statt aller nur: BAG [20. 1. 1994], NZA 1994, 548 = AP Nr. 58 zu § 611 BGB Urlaubsrecht; AP Nr. 115 zu § 626 BGB; BAG [22.1. 1998], NZA 1998, 708 = AP Nr. 38 zu § 626 BGB Ausschlussfirst; Schaub, ArbeitsRhdb., 9. Aufl., § 130 Rdnr. 72, § 125 Rdnr. 126; Etzel in: KR, 5. Aufl., § 1 KSchG Rdnrn. 462f.; Fischermeier in: KR, 5. Aufl., § 626 BGB Rdnr. 452; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz in Arbeitsverhältnis, 7. Aufl., Rdnr. 576 jew. m.w.Nachw. auf die vielfältig ergangene Rechtsprechung). Dies scheint auch der Kl. selbst erkannt zu haben. Das ArbG hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass die Bekl. ihm den für die Zeit vom 14. 8. bis 4. l9. 1998 beantragten Sommerurlaub nicht gewährt hatte.

a) Insbesondere konnte der Kl. vorliegend nicht ohne weiteres allein auf Grund der Handhabung in den Vorjahren davon ausgehen, sein Urlaubsantrag vom 10. 12. 1997 gelte infolge des Zeitablaufs als genehmigt. Insofern vermag die Kammer nur schwerlich nachzuvollziehen, dass der Kl. die betrieblichen Aushänge von Januar, März und Juni 1998 nicht gesehen und gelesen haben will. Auch dürfte die Ansicht der Bekl. zutreffen, dass sie mit der Art des von ihr behaupteten Aushängens dem Kl. hinreichend Gelegenheit gegeben haben dürfte, vom Inhalt dieser für alle Mitarbeiter bestimmten Mitteilungen Kenntnis zu nehmen. Letztlich brauchte diese Frage jedoch weder vertieft noch der von der Bekl. dazu angebotene Beweis erhoben zu werden:

b) Denn auch ausweislich der Aushänge der Bekl. und ihres sonstigen Verhaltens zur Urlaubserteilung im Jahre 1998 (und in den früheren Jahren) kann nicht festgestellt werden, dass sie dem Kl. den beantragten Urlaub etwa abgelehnt hätte. Angesichts der offenbaren Probleme, die die Urlaubsplanung im Betrieb der Bekl. regelmäßig mit sich zu bringen scheint, sei sie insofern auf Folgendes hingewiesen: Die Bestimmung des Urlaubszeitpunkts obliegt nicht etwa billigem Ermessen des Arbeitgebers im Sinne von § 315 BGB. Der Arbeitgeber ist als Schuldner des Urlaubsanspruchs vielmehr verpflichtet, nach § 7 I 1 BUrlG die Urlaubswünsche der Arbeitnehmer zu berücksichtigen und daher auch den Urlaub für den vom Arbeitnehmer angegebenen Termin grundsätzlich festzusetzen, jedenfalls dann, wenn keine dringenden betrieblichen Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienten, entgegenstehen. Die Festlegung des Urlaubszeitpunkts gehört damit zur Konkretisierung der dem Arbeitgeber obliegenden, durch die Regelungen des § 7 BUrlG auch im Übrigen bestimmten Pflicht (vgl. nur: BAG [18. 12. 1986), NZA 1987, 379 = AP Nr. 10 zu § 7 BUrlG). Damit wird die Entscheidung des Arbeitgebers auf ein nur auf Einrede zu berücksichtigendes „Leistungsverweigerungsrecht“ beschränkt. Entsprechendes regelt auch § 9 Nr. 6 des Bezirksmanteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer im privaten Güterverkehrsgewerbe Nordrhein-Westfalens vom 15. 6. 1994 (im Folgenden nur: MTV): „Der Zeitpunkt des Urlaubs wird vom Arbeitgeber, gegebenenfalls nach Besprechung mit dem Betriebsrat, unter Berücksichtigung der persönlichen und betrieblichen Verhältnisse festgesetzt. Den Wünschen des Arbeitnehmers ist nach Möglichkeit Rechnung zu tragen. Der ordnungsgemäße Betriebsablauf muss stets sichergestellt bleiben.“ Davon ausgehend konnte sich die Bekl. nicht einfach - wie mit Aushang von März 1998 geschehen - darauf zurückziehen und beschränken, die Arbeitnehmer und speziell auch den Kl. zur Absprache und Rücksprache wegen des Urlaubszeitraums aufzufordern oder sie um „Verschiebung“ zu Gunsten anderer Kollegen zu bitten. Da sie seit langem den Urlaubsantrag des Kl. für einen konkreten Zeitraum vorliegen hatte und er sie nach ihrer Behauptung trotz entsprechender Bitten und Aushänge nicht nochmals darauf angesprochen haben soll, musste die Bekl. davon ausgehen (nicht zuletzt auch auf Grund des ihr bekannten gleichmäßigen Urlaubsverhaltens des Kl. in der Vergangenheit), dass er an seinem Urlaubsantrag festhielt. Entgegen der von ihr vertretenen Auffassung war es daher keineswegs Aufgabe des Kl., an sie heranzutreten und mit ihr „den genauen Termin abzustimmen“, sondern es war vielmehr ihre Obliegenheit, ihm gegebenenfalls bei Zeiten seinen Urlaubsantrag (wenn nicht zu genehmigen, so doch aber zumindest ausdrücklich abzulehnen. Eine solche klare Ablehnung (wie sie ja auch dafür im Urlaubsantrag eigens vorgesehen ist) hat sie ihm jedoch zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt, während sie anderen Arbeitnehmern deren Urlaubswunsch und -termin ausdrücklich bestätigt haben will (Warum trat sie dann nicht an den Kl. heran?). Selbst am 10. 8. 1998 hat sie dem Kl. lediglich mitgeteilt, „dass sein Urlaubsantrag zu keinem Zeitpunkt genehmigt worden sei“; auch dies enthält nicht die eindeutige Erklärung, dass er abgelehnt sei.

c) Darüber hinaus weist der Kl. zu Recht darauf hin, dass die Bekl. weder ihm gegenüber im Laufe des Jahres 1998 noch im Verlauf des Rechtsstreits hat substanziiert und im Einzelnen nachvollziehbar darlegen können, dass und welche dringenden betrieblichen Belange oder unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang verdienende Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer seinem Urlaubsbegehren entgegengestanden und sie daher zur Urlaubsablehnung hätten berechtigen können:

aa) Der bloße, durch nichts belegte Hinweis auf ein „unverändert hohes Auftragsvolumen“ ist ohne jede Aussagekraft. Damit könnte man entgegen der Intentionen der § 7 I BUrlG, § 9 Nr. 6 MTV jeden Urlaubswunsch eines Arbeitnehmers ablehnen.

bb) Die von der Bekl. genannten neun Arbeitnehmer, deren urlaubsbedingte Abwesenheit angeblich dem Urlaub des Kl. entgegengestanden haben sollen, waren zum Teil nur ein oder drei Tage überhaupt abwesend; bei anderen überschnitt sich ihr Urlaub nur im geringen Umfang mit dem des Kl. Ob sie überhaupt alle Arbeitnehmer der Bekl. sind (erstmals im Verhandlungstermin vom 13. 6. 2000 wurde insoweit deutlich, dass ein Großteil der insgesamt etwa 50 Fahrer offenbar bei der Firma U beschäftigt werden) und inwiefern gerade sie „unter sozialen Gesichtspunkten“ vorrangig vor dem Kl. (außerhalb der Schulferien [!]) hätten Urlaub erhalten müssen, ist in keiner Weise ersichtlich oder von der Bekl. dargelegt worden. (Überdies hatte sie im einstweiligen Verfügungsverfahren noch fünf andere Arbeitnehmer, nämlich die Mitarbeiter B, M, B, S und M genannt, was jedenfalls Zweifel an der Richtigkeit und Ordnungsgemäßheit ihrer Darlegungen und dem so genannten „Urlaubsplan“ nährt.)

cc) Abschließend sei die Bekl. auf das hinsichtlich der Urlaubsregelung bestehende Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unter anderem bei der Aufstellung eines (auch wirklich so zu nennenden) Urlaubsplans sowie der Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird, nach § 87 I Nr. 5 BetrVG hingewiesen - welches allerdings auch ein entsprechendes Initiativrecht des Betriebsrats beinhaltet!

4.a) Vor diesem Hintergrund kann die Bekl. dem Kl. nicht vorwerfen, seine Tunesienreise vorwerfbar früh gebucht und letztlich kurzfristig „erzwungen“ zu haben. Im Gegenteil ist es bei der Interessenabwägung zu Gunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, wenn der Arbeitgeber ohne ausreichende betriebliche Notwendigkeit den Betriebsablauf nicht so organisiert hat, dass über die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers rechtzeitig entschieden werden konnte (BAG [22. 1. 1998], NZA 1998, 708 = AP Nr. 38 zu § 626 BGB Ausschlussfrist; weitergehend insoweit: LAG Hamm, Urt. v. 21. 10. 1977, NZA-RR 1999, 76 , das unter den dort genannten Umständen sogar ein Selbstbeurlaubungsrecht des Arbeitnehmers erwägt und nur eine fristgerechte Kündigung für angemessen erachtet; in dieser Entscheidung finden sich auch umfangreiche Rechtsprechungs- und Literaturnachweise zu der Gesamtproblematik „Kündigung wegen Selbstbeurlaubung“).

b) Es muss weiter richtig gesehen werden, dass der Kl. nach dem 10. 8. 1998 das allein Richtige und von der Rechtsprechung im allgemeinen von Arbeitnehmern in vergleichbaren Situationen auch Verlangte tat, indem er nämlich gerichtliche Hilfe suchte und beim ArbG eine einstweilige Verfügung auf Urlaubserteilung eben für die Zeit vom 14. 8. bis 4. 9. 1998 beantragte und auch erwirkte. Schon an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass er sich diese nach dem unter 3. soeben Ausgeführten keineswegs unter Angabe falscher Tatsachen erschlich, da ihm sein Urlaub eben in der Tat ohne nachvollziehbare betriebliche Gründe weder genehmigt noch abgelehnt worden war. Zwar ist die einstweilige Verfügung vom 11. 8. 1998 mangels der vom Kl. nach den § 62 ArbGG; §§ 936, 922 II, 929 II, III ZPO durch Zustellung im Parteibetrieb selbst zu bewirkenden Zustellung an die Bekl. als Antragsgegner letztlich nicht vollzogen, zunächst nicht einmal der Bekl. zur Kenntnis gegeben worden.

c) Schon das ArbG hat aber zu Recht darauf abgestellt, dass dies dem Kl. im Ergebnis nicht in einer Weise als Verschulden vorwerfbar ist, dass dies seine - zudem fristlose - Kündigung rechtfertigen könnte. Den diesbezüglichen Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils tritt die Kammer ausdrücklich bei. Zu ergänzen bzw. zu bekräftigen ist insoweit lediglich, dass die Vorschriften der §§ 922 II, 929 II, III ZPO in der Tat nicht nur juristischen Laien vielfach unbekannt sein dürften. Man wird auch nicht, wie die Bekl. es tut, von einem Arbeitnehmer stets verlangen können, sich zur Erwirkung einer einstweiligen Verfügung auf Urlaubserteilung eines juristischen Beistands, etwa durch einen Rechtsanwalt, bedienen zu müssen. Gerade vor den Arbeitsgerichten sollen die Betroffenen, insbesondere die Arbeitnehmer, Rechtsschutz auch ohne Vertretung durch Anwälte oder Verbandsvertreter erlangen können (§ 11 I 1 ArbGG).

d) Zudem ist unstreitig, dass dem Kl. seitens des ArbG auf telefonische Nachfrage seiner Ehefrau hin die - wenngleich objektiv unzutreffende - Auskunft erteilt worden ist, die einstweilige Verfügung werde auch der Bekl. zustellt. Dies dürfte im Übrigen wohl auch der allgemeinen Vorstellung und Erwartungshaltung eines rechtsuchenden Bürgers entsprechen, wenn schließlich doch auch sonst Klageschriften, Ladungen, Prozesserklärungen, Urteile und andere gerichtliche Entscheidung (auch einstweilige Verfügungen, soweit sie auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergehen) sowie Rechtsmittelschriften nach den §§ 50, 46 II 1 ArbGG; §§ 270, 210a, 214 ZPO von Amts wegen zugestellt, ohne dass sich der rechtsuchende Bürger - in der Arbeitsgerichtsbarkeit in der Regel der klagende Arbeitnehmer - etwa selbst darum kümmern müsste.

Da nach § 85 II ZPO lediglich das Verschulden eines (Prozess)Bevollmächtigten dem der Partei gleichsteht und die deutsche Rechtsordnung keinen allgemeinen Grundsatz kennt, wonach jemand stets für das Verschulden Dritter einzustehen hätte, kann dem Kl. ein etwaiges Verschulden der betreffenden Mitarbeiterin des ArbG für eine fehlerhafte Auskunft nicht zugerechnet werden. Auch ist ihm - entgegen der Rüge der Bekl. im Berufungsverfahren - kein Vorwurf dahingehend zu machen, sich dort und nicht bei einem Rechtsanwalt nach der Zustellung und Vollziehung der einstweiligen Verfügung erkundigt zu haben. Man konnte vom Kl. nämlich allenfalls erwarten, sich an geeigneter Stelle Rechtsrat einzuholen. Auch bei der insoweit vergleichbaren Problematik der Gewährung der nachträglichen Klagezulassung nach § 5 KSchG wegen Versäumung der Dreiwochenfrist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage ist allgemein anerkannt, dass jedenfalls die Rechtsantragstelle eines Arbeitsgerichts eine geeignete bzw. zuverlässige Stelle ist, um Auskunft und Erkundigungen einzuholen (LAG Baden-Württemberg [11. 4. 1988], NZA 1989, 153 [154]; ArbG Passau, BB 1989, 1761; Schaub, § 136 Rdnr. 47, Stahlhacke/Preis/Vossen, Rdnr. 1129a.E.).

e) Nimmt man hinzu, dass angesichts der dem Kl. nunmehr bekannten Pflicht zur Zustellung einer einstweiligen Verfügung eine Wiederholungsgefahr in der Tat nicht festzustellen ist, dass er bereits 55 Jahre alt und seit über 10 Jahren - offenbar beanstandungsfrei - bei der Bekl. bzw. der Firma U beschäftigt ist und dass diese keinerlei besonderen Betriebsstörungen behauptet hat, die tatsächlich und konkret durch den Urlaubsantritt des Kl. bei ihr eingetreten wären, so wird deutlich, dass bei der gebotenen umfassenden Abwägung aller besonderen Umstände des Einzelfalles und der wechselseitigen Interessen der Parteien (vgl. dazu allgemein und ausführlich nur: Fischermeier, Rdnrn. 235ff.) das betriebliche Interesse der Bekl. an der sofortigen und vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Kl. an seiner Fortsetzung wenigstens bis zum Ablauf der bis zum 31. 10., wenn nicht sogar bis zum 31. 12. 1998, laufenden ordentlichen Kündigungsfrist von zwei bzw. vier Monaten zum Monatsende nach den §§ 12 Nr. 2 II MTV oder 626 II Nr. 4 BGB keineswegs überwiegen kann.

f) Hinzu kommt noch, dass das Abmahnungsschreiben der Bekl. vom 19. 8. 1998 den Kl. wegen des ihr danach auch gerade bekannten Urlaubsantritts gar nicht erreichen konnte und dass sie durch ihren Betriebsrat mit Schreiben vom 25. 8. 1998 sogar noch darauf aufmerksam gemacht worden war, dass der Kl. eine einstweilige Verfügung gegen sie erwirkt haben sollte. Danach hätte für sie durchaus Veranlassung bestanden, vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung beim ArbG entsprechend nachzufragen. Auch dadurch hätten sich die folgenden Weiterungen vermeiden lassen.

5. Ob bei der vorliegenden Sachverhaltsgestaltung gegebenenfalls eine ordentliche Kündigung hätte sozial gerechtfertigt im Sinn des § 1 II KSchG sein können (was der Kammer allerdings nach dem unter 3. und 4. Ausgeführten ebenfalls höchst fraglich erscheint), kann letztlich dahinstehen. Eine solche ist nämlich von der Bekl. nicht ausgesprochen und nach § 15 I 2 KSchG wegen des nachwirkenden Sonderkündigungsschutzes des Kl. als ehemaligem Betriebsratsmitglied rechtlich auch unzulässig.

1. Die fristlose Kündigung der Bekl. vom 2./5. 10. 1998 dürfte bereits deswegen unwirksam sein, weil sich dem Vortrag der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Bekl. (vgl. dazu nur: BAG [28. 3. 1985], NZA 1985, 559 = AP Nr. 86 zu § 626 BGB; ausführlich ErfK/Müller-Glöge, § 626 BGB Rdnrn. 9ff.) trotz der entsprechenden Rüge des Kl. nicht entnehmen lässt, dass sie insofern die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist nach § 626 II BGB eingehalten hat. Diese begann vorliegend spätestens am 23. 9. 1998, dem Tag, an dem die Bekl. eine Durchschrift der Antragschrift des Kl. auf Erlass der einstweiligen Verfügung vom ArbG Dortmund zugeleitet erhielt. Danach hätte die außerordentliche Kündigung dem Kl. spätestens bis zum 7. 10. 1998 zugehen müssen. Auch in der mündlichen Verhandlung vom 13. 6. 2000 konnte die Bekl. jedoch weder darlegen noch unter Beweis stellen, ob das Kündigungsschreiben (das zwei verschiedene Ausstellungsdaten enthält) unter dem 2. oder 5. 10. 1998 ausgefertigt und wann es (offenbar durch Boten) dem Kl. auf welche Weise zugestellt worden ist.

2. Letztlich kann dies als entscheidungsunerheblich aber auch offen bleiben. Denn auch für diese Kündigung fehlt es, wie bereits erstinstanzlich zutreffend festgestellt worden ist, an einem wichtigem Grund im Sinn des § 626 I BGB. Die Bekl. kann dem Kl. nämlich nicht vorwerfen, die einstweilige Verfügung unter Angabe falscher Tatsachen erschlichen und damit ihre Rechte in erheblicher weise verletzt zu haben. Insofern kann auf die Ausführungen unter II 3., 4. verwiesen werden.

Vorinstanzen

ArbG Dortmund, 1 [4] Ca 4344/98, 10.9.1999

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BGB § 626; BUrlG § 7 I 1; BetrVG § 87 I Nr. 5; ZPO §§ 922 II, 929, 936