Fristlose Kündigung; Selbstbeurlaubung
Gericht
BAG
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
20. 01. 1994
Aktenzeichen
2 AZR 521/93
Tritt der Arbeitnehmer eigenmächtig einen vom Arbeitgeber nicht genehmigten Urlaub an, so verletzt er seine arbeitsvertraglichen Pflichten, und ein solches Verhalten ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darzustellen.
Ein Recht des Arbeitnehmers, sich selbst zu beurlauben, ist angesichts des umfassenden Systems gerichtlichen Rechtsschutzes grundsätzlich abzulehnen.
Bei einer fristlosen Kündigung wegen eigenmächtigen Urlaubsantritts ist es bei der Interessenabwägung zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, wenn der Arbeitgeber zu Unrecht einen Urlaubsantrag des Arbeitnehmers abgelehnt und von vornherein den Betriebsablauf nicht so organisiert hat, daß die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers nach den gesetzlichen Vorschriften erfüllt werden konnten.
Ist gerichtliche Hilfe zur Durchsetzung eines Urlaubsanspruchs nicht rechtzeitig zu erlangen (Arbeit auf einer Baustelle in Indonesien), so kann auch bei einem eigenmächtigen Urlaubsantritt des Arbeitnehmers im Einzelfall eine fristlose Kündigung ausnahmsweise dann unwirksam sein, wenn der Arbeitgeber u.a. aus eigenem finanziellen Interesse erhebliche Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers hat auflaufen lassen und ein Verfall der Urlaubsansprüche droht.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Kl. war bei der Bekl. seit Mai 1990 als "Senior Maritime Engineer" in einem Projekt zum Ausbau von Fischereihäfen in Indonesien beschäftigt. Der Anstellungsvertrag vom 4. 5. 1990 war zunächst befristet bis zum 15. 11. 1990, wurde dann aber projektbezogen verlängert bis zum 30. 6. 1992. Später schlossen die Parteien am 7. 9. 1991 rückwirkend ab 1. 7. 1991 einen unbefristeten Anstellungsvertrag, stellten jedoch durch Schreiben vom 22. 10. 1991 klar, für den Einsatz des Kl. in Indonesien sollten weiterhin bis auf geringfügige Ausnahmen die Vorschriften des ursprünglichen Anstellungsvertrags vom 4. 5. 1990 gelten. In beiden Verträgen haben die Parteien die Anwendung deutschen Rechts vereinbart. Hinsichtlich der Urlaubsansprüche des Kl. heißt es in dem befristeten Anstellungsvertrag vom 4. 5. 1990 auszugsweise wie folgt:
§ 6 1.1 Der Mitarbeiter erwirbt bei Fortzahlung seines Gehalts für jeden Beschäftigungsmonat einen Urlaubsanspruch von 4 Kalendertagen.
1.2 Der Urlaub kann nur unter Berücksichtigung der Projektnotwendigkeit und nach vorheriger Zustimmung des Projektleiters genommen werden. Ein Urlaubsanspruch entsteht in der Regel erstmalig nach Ablauf von 6 Einsatzmonaten. Während der Vertragslaufzeit sollen die einzelnen Urlaubsperioden 4 zusammenhängende Kalenderwochen nicht überschreiten. Sofern nach dem Ende der Vertragslaufzeit ein Resturlaub verbleibt, verlängert sich nur die Gehaltszahlungsperiode, nicht jedoch die Laufzeit des Vertrags.
Der Anstellungsvertrag vom 7. 9. 1991 enthält Sonderregelungen über Urlaubsansprüche des Kl., vor allem im Hinblick auf eine Inlandstätigkeit und nimmt insoweit Bezug auf die tarifvertraglichen Regelungen für die Angestellten der Bauindustrie. Ende 1991 hatte der Kl. noch Resturlaubsansprüche in Höhe von 52 Kalendertagen. Er teilte der Bekl. im Dezember 1991 mit, wegen projektbedingter Umstände werde er bis zum Jahresende 1991 keinen Urlaub mehr nehmen und bitte um Übertragung des Urlaubs auf das kommende Jahr. Da der Urlaub dann "nach den Regeln" bis zum 31. 3. 1992 genommen werden müsse, möge ihm die Bekl. bestätigen, daß der Urlaubsanspruch nicht verfalle und ihm einschließlich der Tagegelder vergütet werde, wenn er aus projektbedingten Gründen nicht genommen werden könne. Die Bekl. teilte dem Kl. daraufhin unter dem 17. 1. 1992 mit, nach gegenwärtiger Projekteinschätzung werde es nicht möglich sein, den Urlaub vor dem Ende seines Einsatzes in Indonesien am 30. 6. 1992 zu nehmen. Sie bescheinige ihm, daß der Urlaub nicht verfalle. Wenn es zu keinem sofortigen Anschlußeinsatz komme, solle er den Urlaub ab 1. 7. 1992 nehmen, sonst erfolge eine finanzielle Abgeltung des Urlaubsanspruchs. Nach längeren Auseinandersetzungen zwischen den Parteien kündigte der Kl. mit Schreiben vom 14. 2. 1992 den "unbefristeten Angestelltenvertrag" zum 31. 3. 1992. Er teilte der Bekl. gleichzeitig mit, sein letzter Arbeitstag sei der 15. 2. 1992. Unter Verrechnung seiner restlichen Urlaubsansprüche mit der Kündigungsfrist bis 31. 3. 1992 verblieben noch 13 Kalendertage Urlaub, die ihm von der Bekl. abzugelten seien. Die Bekl., der das Kündigungsschreiben des Kl. noch am 14. 2. 1992 per Telefax zuging, bestätigte ihrerseits mit Telefax vom 14. 2. 1992 dem Kl. den Erhalt des Kündigungsschreibens und erklärte ihm unter Androhung einer fristlosen Kündigung, aus projektbedingten Gründen sei es nicht möglich, daß der Kl. ab 16. 2. 1992 in Urlaub gehe. Auf dieses Telefax hin, das seinen handschriftlichen Eingangsvermerk enthält, äußerte sich der Kl. nicht und erschien ab 16. 2. 1992 nicht mehr zur Arbeit. Nach entsprechender Ankündigung durch Telefax vom 16. 2. 1992 kündigte die Bekl. dem Kl. mit Schreiben vom 24. 2. 1992 fristlos. Die Kündigung wurde von dem Projektleiter am 25. 2. 1992 in der Wohnung des Kl. deponiert. Der Kl. hat behauptet, er habe seinen Urlaub rechtzeitig mit der Bekl. abgestimmt, angemeldet und genehmigt bekommen. Die Genehmigung des Urlaubs sei stets in Indonesien durch den Projektleiter unter Berücksichtigung der Projektsituation erfolgt. Das Stammhaus in B. sei nur nachträglich durch den Projektleiter über die Urlaubszeiten informiert worden. Schon im Dezember 1991 habe er den Projektleiter über seine Kündigungsabsicht und seinen Urlaubswunsch in Kenntnis gesetzt, und dieser habe ihm in mehreren Gesprächen den Urlaub genehmigt. Der Kl. hat darüber hinaus die Ansicht vertreten, wegen des drohenden Verfalls des Urlaubsanspruchs für das Jahr 1991 habe ihm das Recht zur Selbstbeurlaubung zugestanden. Dies gelte insbesondere deshalb, weil es ihm von Indonesien aus nicht möglich gewesen sei, seinen Anspruch auf Gewährung des Resturlaubs gerichtlich in Deutschland durchzusetzen. Der Kl. hat, soweit der Rechtsstreit Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, beantragt festzustellen, daß das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien durch die am 24. 2. 1992 seitens der Bekl. erklärte fristlose Kündigung nicht aufgelöst ist.
Das ArbG hat die Feststellungsklage durch Teilurteil abgewiesen. Wegen weiterer Zahlungsansprüche des Kl. und einer Widerklage der Bekl. ist der Rechtsstreit noch beim ArbG anhängig. Das LAG hat auf die Berufung des Kl. das Teilurteil des ArbG abgeändert und festgestellt, daß die fristlose Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst hat. Mit ihrer Revision begehrt die Bekl. die Wiederherstellung des Teilurteils des ArbG.
Die Revision blieb erfolglos.
Auszüge aus den Gründen:
I. Das LAG hat angenommen, die fristlose Kndigung sei unwirksam, und zwar auch wenn man zugunsten der Bekl. davon ausgehe, der Urlaub sei dem Kl. nicht genehmigt worden. Zwar sei die eigenmächtige Urlaubsnahme durch den Arbeitnehmer regelmäßig als Grund zur fristlosen Kündigung geeignet. Es könne auch dahinstehen, ob ein Selbstbeurlaubungsrecht des Arbeitnehmers jedenfalls dann anzuerkennen sei, wenn der Arbeitgeber im konkreten Fall den beantragten Urlaub hätte genehmigen müssen, ohne daß ihm insoweit ein Entscheidungspielraum zugestanden habe. Bei Abwägung der Umstände des Einzelfalls und der beiderseitigen Interessen hätten die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung nicht vorgelegen. Unterstelle man den eigenmächtigen Urlaubsantritt des Kl., so habe zwar der Kl. die Bekl. in Indonesien in eine schwierige Situation gebracht und sein äußerst kurzfristiger Urlaubsantrag oder Urlaubsantritt könne nur als unfair bezeichnet werden. Das kündigungsrelevante Gewicht dieses unfairen Verhaltens des Kl. reduziere sich allerdings, wenn man bedenke, daß die betrieblichen Schwierigkeiten der Bekl. durchaus "hausgemacht" gewesen seien. Die Bekl. habe es zugelassen, daß der Kl. seit Beginn seiner Tätigkeit in Indonesien eine enorme Anzahl an Urlaubstagen angesammelt habe. Nicht einmal der Urlaubsanspruch aus dem Jahre 1990 sei offenbar vollständig erfüllt gewesen und auch bis zur Beendigung des ersten Quartals 1992 hätten projektbedingte Umstände einem vertragsgemäßen Urlaub des Kl. entgegengestanden. In dieser Situation sei die Bekl. verpflichtet gewesen, den auf betriebliche Umstände zurückzuführenden Urlaubsstau während der Kündigungsfrist abzubauen. Eine Vereinbarung, daß der Resturlaub außerhalb des Übertragungszeitraums hätte genommen oder abgegolten werden sollen, sei nicht getroffen worden. Die Bekl. hätte dem Kl. deshalb seinen Resturlaub im Übertragungszeitraum in Natur gewähren müssen, ohne daß sie sich auf betriebliche Gründe hätte berufen können. Allein der projektbedingte Urlaubsstau vor dem Vertragsende habe dazu geführt, daß auch die vertraglich vorgesehenen Sollbestimmungen über die Höchstdauer zusammenhängender Urlaubszeiträume nicht mehr hätten erfüllt werden können. Im wesentlichen sei dem Kl. deshalb nur vorzuwerfen, daß er seine bestehenden Rechte auf Gewährung des Urlaubs nicht unter Zuhilfenahme deutscher Arbeitsgerichte durchgesetzt habe. Dieser Vorwurf sei jedoch für eine fristlose Kündigung angesichts der beschränkten Möglichkeiten des Kl., von Indonesien aus ein einstweiliges Verfügungsverfahren vor einem deutschen Arbeitsgericht einzuleiten und durchzuführen, nicht als ausreichend anzusehen.
II. Diese Würdigung des BerGer. ist frei von revisiblen Rechtsfehlern.
1. Die Anwendung des § 626 I BGB durch das BerGer. kann vom RevGer. nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob der Sachverhalt unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund abzugeben, und ob bei der erforderlichen Interessenabwägung alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls daraufhin überprüft worden sind, ob es dem Kündigenden unzumutbar geworden ist, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Die Bewertung der für und gegen die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung sprechenden Umstände liegt weitgehend im Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz. Hält sich die Interessenabwägung im Rahmen des Beurteilungsspielraums, kann das RevGer die angegriffene Würdigung nicht durch eine eigene ersetzen (vgl. BAG, Urt. v. 26. 8. 1976 - 2 AZR 377/75 - und BAG, NZA 1987, 808 = AP Nrn. 68 und 96 zu § 626 BGB (zu I 1 bzw. II 2); KR-Hillebrecht, 3. Aufl., § 626 BGB Rdnr. 285).
2. Dieser eingeschränkten Überprüfung halten die Ausführungen des LAG stand.
a) Tritt der Arbeitnehmer eigenmächtig einen vom Arbeitgeber nicht genehmigten Urlaub an, so verletzt er seine arbeitsvertraglichen Pflichten, und ein solches Verhalten ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung (§ 626 BGB) darzustellen. Die Urlaubsgewährung erfolgt nach § 7 BUrlG durch den Arbeitgeber. Lehnt dieser die Urlaubserteilung ohne ausreichende Gründe ab, so kann der Arbeitnehmer durch eine Leistungsklage oder ggf. einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung seine Ansprüche durchsetzen. Ein Recht des Arbeitnehmers, sich selbst zu beurlauben, ist angesichts des umfassenden Systems gerichtlichen Rechtsschutzes grundsätzlich abzulehnen (BAGE 9, 185 = NJW 1960, 1734 = AP Nr. 58 zu § 611 BGB Urlaubsrecht; BAG, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 26; vgl. BAG, NZA 1993, 115 = AP Nr. 29 zu § 1 KSchG1969 Verhaltensbedingte Kündigung; ebenso BAG, Urt. v. 21. 9. 1993 - 9 AZR 429/91 = BB 1993, 2531, auch zur Veröff. in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen - zu § 1 AWbG NW -; LAG Köln, Urt. v. 23. 8. 1989 - 5 Sa 251/89 - LAGE § 7 BUrlG Nr. 19; LAG Hamm, Urt. v. 25. 6. 1985 - 6 Sa 287/85 - LAGE § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 5; Schwerdtner, in: MünchKomm, BGB, 2. Aufl., § 626 Rdnr. 95; Leinemann, in: MünchHdb z. ArbR, Bd. 1, § 87 Rdnr. 71; Dörner, AR-Blattei, Urlaub X B). Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keinen Urlaub erteilt, so verletzt dieser seine Arbeitspflicht, wenn er eigenmächtig einen Urlaub antritt. Hatte der Arbeitgeber die Urlaubsgewährung ausdrücklich abgelehnt, so wird regelmäßig sogar eine beharrliche Arbeitsverweigerung vorliegen. Ein solches Verhalten ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darzustellen.
b) Der Senat braucht nicht abschließend zu entscheiden, ob überhaupt Sachverhaltsgestaltungen denkbar sind, in denen ausnahmsweise ein Selbstbeurlaubungsrecht des Arbeitnehmers anzuerkennen ist, wie dies etwa für den Fall vertreten wird, daß innerhalb des Urlaubsjahres, des Übertragungszeitraums oder der Kündigungsfrist nur noch ein dem restlichen Urlaubsanspruch entsprechender Zeitraum zur Verfügung steht und der Arbeitgeber sich grundlos weigert, den Urlaub zu gewähren (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, LAGE § 7 BUrlG Nr. 27; von der Laden, Die Bestimmung der Urlaubszeit nach dem BUrlG und dem BetrVG, S. 123ff.; Dersch/Neumann, BUrlG, 7. Aufl., § 7 Rdnr. 43f.; KR-Hillebrecht, 3. Aufl., § 626 BGB Rdnr. 336). Auf welcher Rechtsgrundlage ein solches Selbstbeurlaubungsrecht beruhen soll, ist zumindest fraglich; sowohl die Selbsthilfe nach §§ 229ff. BGB als auch das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB dienen der vorläufigen Sicherung eines Anspruchs, während eine wirksame Selbstbeurlaubung zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs führen würde. Letztlich kann diese Frage jedoch dahinstehen. Auch wenn man mit der Revision und dem LAG davon ausgeht, der Kl. habe kein Selbstbeurlaubungsrecht gehabt, so ist jedenfalls die vom LAG vollzogene Interessenabwägung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
c) Nimmt man bei einem eigenmächtigen Urlaubsantritt durch den Arbeitnehmer in jedem Fall eine Pflichtverletzung an, so erscheint es bei einer allseitigen Interessenabwägung vertretbar zu berücksichtigen, ob der Arbeitgeber dem Urlaubsverlangen des Arbeitnehmers hätte entsprechen müssen. Ein Selbstbeurlaubungsrecht des Arbeitnehmers wird in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und in Teilen der Literatur vor allem für die Fälle diskutiert, in denen der Arbeitgeber zu Unrecht den Urlaubswünschen des Arbeitnehmers nicht entsprochen hat, weil die von ihm geltend gemachten Leistungsverweigerungsrechte nicht bestanden haben. Lehnt man auch in diesen Fällen ein Selbstbeurlaubungsrecht ab, so ist eine solche unberechtigte Urlaubsverweigerung durch den Arbeitgeber aber im Fall einer Kündigung wegen eigenmächtigen Urlaubsantritts jedenfalls bei der Interessenabwägung zugunsten des Arbeitnehmers mitzuberücksichtigen (ebensoDörner, AR-Blattei, Urlaub X B; Hiekel, NZA 1990, Beil. 2, S. 32 (35)).
d) Das BerG hält sich im Rahmen seines Beurteilungsspielraums, wenn es bei der Interessenabwägung ferner zugunsten des Kl. berücksichtigt hat, daß er im Zeitpunkt seiner Kündigung noch erhebliche Resturlaubsansprüche hatte und die Bekl. trotz seines Hinweises im Dezember 1991 es unter Anführung projektbedingter Gründe abgelehnt hat, ihm diesen Resturlaub im Übertragungszeitraum oder bis zum Projektende am 30. 6. 1992 in Natur zu gewähren.
Die Bekl. war verpflichtet, dem Kl. bis 31. 3. 1992 Urlaub zu erteilen. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand deutsches Recht, also auch das BUrlG Anwendung. Nach § 7 III 2 BUrlG kann der Arbeitgeber die Urlaubserteilung nur während des Urlaubsjahres unter Hinweis auf dringende betriebliche Gründe ablehnen. Ist der Urlaub übertragen, so muß er nach § 7 III 3 BUrlG im Übertragungszeitraum gewährt und genommen werden, ohne daß der Arbeitgeber noch ein Leistungsverweigerungsrecht aus betrieblichen Gründen hätte (Leinemann, MünchHdb z. ArbR, Bd. 1, § 87 Rdnr. 77). Am 31. 3. des Folgejahres erlischt auch der übertragene Urlaubsanspruch und es kommen bei einer Weigerung des Arbeitgebers, Urlaub zu erteilen, nur noch Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers in Betracht. Diese Regelung des § 7 BUrlG gilt grundsätzlich nicht nur für den gesetzlichen Mindesturlaub, sondern mangels besonderer entgegenstehender Vereinbarungen für jeden Urlaubsanspruch (BAGE 66, 134 = NZA 1991, 466 = AP Nr. 56 zu § 7 BUrlG Abgeltung). Eine wirksame abweichende Vereinbarung für den Urlaubsanspruch des Kl., der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausging, haben die Parteien weder in dem Anstellungsvertrag oder dem Entsendevertrag, noch später getroffen.
Die Wertung des LAG, die Bekl. habe ihrerseits gegen ihre vertraglichen Pflichten verstoßen, als sie den Kl. mit seinen Urlaubsansprüchen auf die Zeit nach Vertragsende verwies und schließlich die Urlaubsgewährung innerhalb der Kündigungsfrist ablehnte, ist deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die erheblichen Urlaubsansprüche des Kl., die "aus projektbedingten Gründen" bis Ende 1991 aufgelaufen waren, lassen erkennen, daß die Bekl. ihren Betrieb offenbar nicht so organisiert hat, daß die Urlaubsansprüche des Kl. nach den Regeln des § 7 III BUrlG abgewickelt werden konnten. Die Bekl. hatte nach den Feststellungen des LAG mit dem Projektpartner in Indonesien einen Vertrag abgeschlossen, nach dem nur tatsächliche Anwesenheitszeiten der Arbeitnehmer auf der Baustelle, also keine Urlaubszeiten bezahlt wurden. Damit hatte die Bekl., da eine Vertretungsregelung gegenüber dem Auftraggeber offenbar nur schwer durchzusetzen war, ein finanzielles Interesse daran, die Arbeitnehmer mit ihren berechtigten Urlaubsansprüchen auf das Projektende zu vertrösten oder auf eine Abgeltung zu verweisen. Die Bekl. hat es selbst zu vertreten, wenn sie einerseits mit dem Kl. einen nach deutschem Recht abzuwickelnden Urlaubsanspruch von vier Kalendertagen pro Monat vereinbart, andererseits aber mit ihrem Projektpartner in Indonesien Verträge geschlossen hat, die eine ordnungsgemäße Abwicklung dieser Urlaubsansprüche behinderten und ein eigenes Interesse begründeten, die Urlaubsansprüche des Kl. nicht, wie gesetzlich vorgesehen, im Urlaubjahr, sondern erst nach Projektende oder in der Form der Urlaubsabgeltung zu erfüllen, weil sie dann nämlich im Ergebnis billiger davonkam. Hinzu kommt, daß die Bekl. ausweislich der im Prozeß vorgelegten Lohnabrechnung ein weiteres finanzielles Interesse hatte, den Kl. mit seinen Urlaubsansprüchen auf die Zeit nach Projektende zu verweisen: Die Bekl. legt den Vertrag der Parteien dahin aus, daß nur bei einem in Indonesien tatsächlich angetretenen Urlaub der vertragliche Anspruch des Kl. auf Zahlung der Hälfte des Aufwendungsersatzes entstehen konnte, ein solcher Anspruch aber bei Gewährung einer Urlaubsabgeltung entfiel. Das BerG weist zutreffend darauf hin, daß der Kl. die Bekl. schon im Dezember 1991 um Bestätigung gebeten hatte, daß ihm für seinen Resturlaub jedenfalls auch der anteilige Aufwendungsersatz gezahlt würde. Angesichts des mit dem Kl. abgeschlossenen Arbeitsvertrags war die Bekl. verpflichtet, ihrerseits die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Urlaubsansprüche des Kl. nach den gesetzlichen Bestimmungen erfüllt werden konnten. Diese Pflicht hat sie verletzt, zumal sie - wie sich aus der unstreitigen Tatsache eines Resturlaubs von 52 Kalendertagen Ende 1991 ergibt - dem Kl. nicht einmal den gesetzlichen Mindesturlaub voll gewährt hatte.
e) Zu Unrecht rügt die Revision, das LAG habe die Vereinbarung deutschen Rechts zu Lasten der Bekl. berücksichtigt. Der Zusammenhang ergibt, daß in dem angefochtenen Urteil nur zu Recht darauf abgestellt worden ist, die Bekl. habe, wenn sie schon deutsches Urlaubsrecht vereinbart habe, sich auch daran halten müssen. Auch die Angriffe der Revision gegen die Auslegung der Korrespondenz der Parteien im Dezember 1991/Januar 1992 durch das LAG gehen fehl. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das BerG den Faxwechsel der Parteien dahingehend auslegt, daß eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung über den Resturlaub des Kl. nicht getroffen worden ist. Die revisionsgerichtliche Nachprüfung hat sich im Falle der Auslegung nicht-typischer Vertragserklärungen darauf zu beschränken, ob Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungsgrundsätze vorliegen (BAG, AP Nr. 34 zu § 133 BGB), wofür kein Anhaltspunkt vorliegt. Soweit die Bekl. in diesem Zusammenhang auf ein Telefax des Kl. vom 18. 1. 1992 Bezug nimmt, handelt es sich um nach § 561 I ZPO unbeachtliches neues Vorbringen.
f) Es stellt eine dem Tatrichter überlassene Gesamtbewertung des festgestellten Sachverhalts dar, wenn das LAG angenommen hat, dem Pflichtverstoß des Kl. stehe eine entsprechende Pflichtverletzung der Bekl. gegenüber und es überwiege deshalb das Interesse des Kl. am Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses. Das LAG hat nämlich die gegen den Kl. sprechenden Umstände durchaus gesehen und angemessen berücksichtigt: Unterstelle man zugunsten der Bekl., der Urlaub sei nicht wirksam durch den Projektleiter genehmigt worden, so habe der Kl. schon durch die Plötzlichkeit seines Vorgehens der Bekl. praktisch jede Möglichkeit genommen, kurzfristig für eine Vertretungsregelung zu sorgen und damit die Bekl. in Schwierigkeiten gebracht. Zutreffend bewertet das LAG dieses Verhalten als "unfair" und nimmt einen erheblichen Pflichtverstoß des Kl. an. Normalerweise kann von einem Arbeitnehmer, auch wenn noch in größerem Umfang rückständige Urlaubsansprüche abzuwickeln sind, erwartet werden, daß er einen Urlaub rechtzeitig beantragt und notfalls seinen Urlaubsanspruch mit gerichtlicher Hilfe, etwa durch einstweilige Verfügung durchsetzt. Davon geht auch das BerGer aus. Wenn es dann aber darauf abstellt, der Kl. habe von Indonesien aus nicht in zumutbarer Weise die Hilfe der deutschen ArbG in Anspruch nehmen können und deshalb sei unter den gegebenen Umständen sein Fehlverhalten als nicht so gravierend anzusehen, daß es eine fristlose Kündigung rechtfertigen könne, so ist dies vertretbar und deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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