Freiwilligkeitsvorbehalt für Gratifikation

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

05. 06. 1996


Aktenzeichen

10 AZR 883/95


Leitsatz des Gerichts

  1. Enthält eine Gratifikationszusage einen Freiwilligkeitsvorbehalt des Inhalts, daß Ansprüche für die Zukunft auch aus wiederholten Zahlungen nicht hergeleitet werden können, dann schließt dieser Vorbehalt nicht nur Ansprüche für die Zukunft, sondern auch für den laufenden Bezugszeitraum aus (Aufgabe von BAG, AP Nr. 86 zu § 611 BGB Gratifikation).

  2. Der Arbeitgeber ist aufgrund eines solchen Vorbehaltes jederzeit frei, erneut zu bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen er eine Gratifikation gewähren will.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. war seit 1989 bei der Firma S-GmbH zu einem Monatsgehalt von zuletzt 4850 DM brutto beschäftigt. Diese Firma kündigte das Arbeitsverhältnis fristgemäß am 28. 6. 1993 zum 31. 12. 1993. Am 30. 9. 1993 wurde über das Vermögen der Firma das Konkursverfahren eröffnet und der Bekl. zum Konkursverwalter bestellt. Der Kl. hat im vorliegenden Verfahren zunächst seine Ansprüche auf Arbeitsentgelt und vermögenswirksame Leistungen für die Monate von Oktober bis Dezember 1993 geltend gemacht. Diese Ansprüche hat der Bekl. anerkannt, das ArbG hat den Bekl. dem Anerkenntnis gemäß verurteilt. Der Kl. hat darüber hinaus die Zahlung eines 13. Gehalts für 1993 verlangt. Insoweit heißt es im Arbeitsvertrag:

§ 3. Arbeitsentgelt.

(1) Der Arbeitnehmer erhält folgendes Arbeitsentgelt: Bruttogehaltsbezüge ab 1. 3. 1989 monatlich 3950 DM ...

(3) Eine außervertragliche Zulage erfolgt auf freiwilliger Basis und kann jederzeit widerrufen werden ...

§ 4. Besondere Bezüge.

(1) Neben dem im vorstehenden Paragraphen festgelegten Arbeitsentgelt werden folgende Leistungen bzw. Sachbezüge vereinbart:
- 13. Gehalt
- Vermögenswirksame Leistungen 52 DM
- 50 % Urlaubsgeld
- Fahrtkostenerstattung ...

(2) Betriebliche Sonderzuwendungen an den Arbeitnehmer aus besonderem Anlaß (z.B. Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld) - Gratifikationen - erfolgen auf freiwilliger Grundlage. Ein Anspruch kann daraus nicht hergeleitet werden. Erfolgt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb von drei Monaten nach Auszahlung einer Gratifikation, so kann diese vom Arbeitgeber zurückgefordert bzw. bei der nächsten Lohn-/Gehaltszahlung einbehalten werden, es sei denn, daß der gezahlte Betrag 200 DM nicht übersteigt ...

(3) Ein 13. Monatsgehalt gilt als Gratifikation.

Der Kl., der bis zum Jahre 1992 regelmäßig ein 13. Monatsgehalt erhalten hat, ist der Ansicht, ihm stehe dieses 13. Gehalt auch für das Jahr 1993 zu. Der Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag wirke nur für die Zukunft. Der Bekl. hätte daher schon Anfang 1993 erklären müssen, daß in diesem Jahr ein 13. Gehalt nicht gezahlt werde.

ArbG und LAG haben die Klage hinsichtlich des 13. Gehalts abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kl. seinen Anspruch weiter; die hatte in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Dem Kl. steht für 1993 kein Anspruch auf ein 13. Gehalt zu.

I. Das LAG hat seine klageabweisende Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß es sich bei dem 13. Gehalt um eine Gratifikation handele, auf die nach dem Arbeitsvertrag kein Rechtsanspruch bestehe. Diese Entscheidung läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.

II. Das in § 4 des Arbeitsvertrags vereinbarte 13. Gehalt ist eine Gratifikation und nicht eine aufgesparte Vergütung für im Laufe des Kalenderjahres geleistete Arbeit. Das ergibt sich eindeutig einmal aus § 4 III des Arbeitsvertrags, wo ausdrücklich darauf hingewiesen wird, daß ein 13. Monatsgehalt eine Gratifikation darstellt, zum anderen auch daraus, daß lediglich § 3 des Arbeitsvertrags das eigentliche Arbeitsentgelt regelt und das 13. Gehalt in § 4 unter der Überschrift "Besondere Bezüge" aufgeführt ist. § 4 II des Arbeitsvertrags bestimmt ausdrücklich, daß Gratifikationen auf freiwilliger Grundlage gezahlt werden und ein Anspruch aus einer Zahlung nicht hergeleitet werden kann.

1. Ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag läßt auch bei wiederholter und langjähriger Zahlung einen Anspruch aufgrund einer betrieblichen Übung nicht entstehen. Das gilt jedenfalls dann, wenn im Arbeitsvertrag nicht nur der freiwillige Charakter der Leistung betont, sondern gleichzeitig zum Ausdruck gebracht wird, daß auch aus einer wiederholten Zahlung ein Anspruch für die Zukunft nicht entsteht. Bei einer solchen Fallgestaltung ist der Arbeitgeber in jedem Jahr frei, erneut darüber zu entscheiden, ob er die Leistung gewähren will oder nicht. Das hat der Senat wiederholt entschieden. Daran hält der Senat fest (vgl. zuletzt Senat, NZA 1996, 418 = AP Nr. 184 zu § 611 BGB Gratifikation; Senat, NZA 1996, 1027).

2. Entgegen der Ansicht des Kl. war die Bekl. aufgrund des Freiwilligkeitsvorbehalts im Arbeitsvertrag auch nicht verpflichtet, schon zu Beginn des Jahres 1993 darauf hinzuweisen, daß in diesem Jahr ein 13. Gehalt nicht gezahlt werde. Der Einwand des Kl., er habe im Vertrauen auf die Zahlung des 13. Gehalts seine Arbeitsleistung im Jahr 1993 erbracht und schon entsprechend disponiert, geht fehl. Gerade weil im Arbeitsvertrag das 13. Gehalt als freiwillige Gratifikation ausgewiesen und ausdrücklich erklärt wird, daß aus deren Zahlung kein Anspruch hergeleitet werden könne, konnte der Kläger nicht darauf vertrauen, daß auch im Jahre 1993 ein 13. Gehalt gezahlt werde.

3. Die vom Kl. angeführte Entscheidung des 5. Senats vom 26. 6. 1975 (AP Nr. 86 zu § 611 BGB Gratifikation) steht dem nicht entgegen. In dieser Entscheidung heißt es, daß der Freiwilligkeitsvorbehalt in Gratifikationszusagen allgemein nur für die Zukunft wirke und Rechtsansprüche des Arbeitnehmers nur für spätere Jahre ausschließe. Ob für das laufende Jahr ein Gratifikationsanspruch begründet sei, folge unabhängig von dem Freiwilligkeitsvorbehalt aus den sonstigen Erklärungen oder Handlungen des Arbeitgebers. Das entspricht der Rechtsprechung des Senats. Trotz eines Freiwilligkeitsvorbehalts der genannten Art kann aus Handlungen oder Erklärungen des Arbeitgebers ein Anspruch auf die Gratifikation für das laufende Jahr entstehen, so wenn der Arbeitgeber eine Gratifikation zusagt oder diese tatsächlich an die Arbeitnehmer des Betriebes zahlt und nur einzelne Arbeitnehmer ausnimmt. In dem vom 5. Senat entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber trotz des Freiwilligkeitsvorbehalts die Gratifikation gezahlt und lediglich den Kl., weil gekündigt, davon ausgenommen. Im vorliegenden Fall hat aber die Bekl. unstreitig keinem Arbeitnehmer das 13. Gehalt oder eine sonstige Gratifikation für das Jahr 1993 gezahlt. Sie hat daher keinerlei Erklärungen abgegeben oder Handlungen vorgenommen, aus denen der Kl. ersehen konnte, die Bekl. werde 1993 von dem Freiwilligkeitsvorbehalt keinen Gebrauch machen.

Soweit die Entscheidung des 5. Senats - wie der Kl. meint - dahin zu verstehen sein sollte, daß trotz des Freiwilligkeitsvorbehalts für das laufende Jahr stets ein Anspruch entstehe, solange der Arbeitgeber nicht rechtzeitig zu erkennen gebe, daß er von dem Freiwilligkeitsvorbehalt Gebrauch mache, hält der Senat daran nicht fest. Wenn es in einem Freiwilligkeitsvorbehalt heißt, daß Ansprüche für die Zukunft nicht bestehen, dann hat auch der Arbeitnehmer solange keinen Anspruch auf eine Gratifikation, wie nicht der Arbeitgeber einen solchen durch Erklärungen oder Handlungen begründet oder dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Gleichbehandlung erwächst. Nicht aber muß ein Anspruch erst durch Erklärungen des Arbeitgebers in Wegfall gebracht werden. Der 5. Senat hat auch in einer späteren Entscheidung vom 27. 10. 1978 (AP Nr. 97 zu § 611 BGB Gratifikation) in einem vergleichbaren Fall den Anspruch des Kl. auf die Gratifikation trotz eines Freiwilligkeitsvorbehalts nicht mit der Begründung bejaht, daß der Arbeitgeber nicht zu erkennen gegeben habe, er werde in diesem Jahr nicht zahlen, sondern den Anspruch damit begründet, daß der Freiwilligkeitsvorbehalt die Beachtung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht ausschließe und der Arbeitnehmer trotz des Freiwilligkeitsvorbehaltes die Gratifikation verlangen könne, wenn diese an andere vergleichbare Arbeitnehmer gezahlt werde. Auf den Begründungsansatz in der Entscheidung vom 26. 6. 1975 ist der 5. Senat nicht mehr zurückgekommen.

Dem Kl. steht damit ein Anspruch auf das 13. Gehalt über das Jahr 1993 nicht zu. Darauf, ob ein Anspruch des Kl. auf das 13. Gehalt auch deswegen nicht gegeben ist, weil das Arbeitsverhältnis vor dem 31. 3. 1994 geendet hat, kommt es danach nicht an.

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BGB §§ 611, 242