Weihnachtsgratifikation unter Freiwilligkeitsvorbehalt im Erziehungsurlaub
Gericht
BAG
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
12. 01. 2000
Aktenzeichen
10 AZR 840/98
Wird im Arbeitsvertrag eine Weihnachtsgratifikation als freiwillige Leistung bezeichnet, die ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gewährt wird, so kann der Arbeitgeber in jedem Jahr erneut eine Entscheidung darüber treffen, ob, unter welchen Voraussetzungen und an welche Arbeitnehmer eine Gratifikation gezahlt werden soll (Fortführung von BAG [5. 6. 1996], NZA 1996, 1028 = AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 193 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 141).
Weder der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz noch das europarechtliche Lohngleichheitsgebot für Männer und Frauen verbieten es, von der Gewährung einer Weihnachtsgratifikation Arbeitnehmer auszunehmen, deren Arbeitsverhältnisse wegen Erziehungsurlaubs ruhen (Bestätigung von BAG [24. 5. 1995], NZA 1996, 31 = AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 175 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 124; EuGH [21. 10. 1999], NZA 1999, 1325 = AuR 2000, 66 - Lewen).
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1996. Die Kl. ist seit dem 1. 9. 1992 als Angestellte bei der Bekl. beschäftigt. In der Zeit vom 13. 2. 1995 bis zum 31. 12. 1996 nahm sie Erziehungsurlaub in Anspruch. Weder 1995 noch 1996 gewährte die Bekl. ihr eine Gratifikation. Der schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien vom 29./30. 6. 1992 enthält folgende Regelung:
§ 6. Gratifikationszahlung
Die Bekl. zahlte in den Jahren 1995 und 1996 mit dem
Novembergehalt Gratifikationen an ihre Mitarbeiter. Diejenigen,
die sich - wie die Kl. - im Erziehungsurlaub befanden, nahm sie
jedoch von der Zahlung aus. Die Kl. meint, ihr stehe für das
Jahr 1996 ein Anspruch auf Zahlung einer Gratifikation in Höhe
eines vor Beginn des Erziehungsurlaubs erzielten
durchschnittlichen Monatsgehalts zu, da die Bekl. den anderen
Mitarbeitern eine Gratifikation gezahlt habe. Der Anspruch sei
lediglich an den ungekündigten Fortbestand des
Arbeitsverhältnisses geknüpft. Der Freiwilligkeitsvorbehalt
berechtige die Bekl. zwar dazu, die Zahlung allen Arbeitnehmern
gleichermaßen zu verweigern, es könnten aber nicht durch
Schaffung neuer Kriterien bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern
ausgenommen werden. Die Voraussetzungen für die Gewährung des
Anspruchs seien im Arbeitsvertrag, der eine Kürzung bzw. ein
Entfallen des Anspruchs während des Erziehungsurlaubs nicht
vorsehe, abschließend geregelt. Es sei zudem sachlich nicht
gerechtfertigt, Arbeitnehmer im Erziehungsurlaub von der
Gratifikationszahlung auszuschließen. Die Kl. hat beantragt, die
Bekl. zu verurteilen, an sie 4680 DM brutto zuzüglich 4% Zinsen
hieraus seit 1. 2. 1997 zu bezahlen. Die Bekl. ist der
Auffassung, aufgrund des Freiwilligkeitsvorbehalts könne sie in
jedem Jahr neu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen
sie eine Gratifikation zahlen wolle. Es verstoße auch nicht
gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn Arbeitnehmerinnen im
Erziehungsurlaub keine Gratifikation erhielten. Die
Differenzierung zwischen ruhenden und aktiven
Arbeitsverhältnissen sei weder sachwidrig noch willkürlich.
Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat die Berufung der Kl. zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgte die Kl. ihren Zahlungsanspruch ohne Erfolg weiter.
Auszüge aus den Gründen:
Die Kl. hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation für 1996.
I. Das LAG hat angenommen, die Kl. habe keinen Anspruch auf Zahlung der Gratifikation für 1996. Der Anspruch ergebe sich nicht aus § 6 des Arbeitsvertrages (AV), da es sich bei der streitgegenständlichen Sonderzahlung um eine Gratifikation und damit um eine freiwillige Leistung i.S. von § 6 Nr. 1 AV handele. Der Freiwilligkeitsvorbehalt führe dazu, dass ein Anspruch auf Gratifikation für ein bestimmtes Jahr erst mit vorbehaltloser Zusage für dieses Jahr oder mit tatsächlicher Zahlung der Gratifikation entstehe. An einem solchen anspruchsbegründenden Verhalten des Arbeitgebers fehle es jedoch. Auch der Umstand, dass andere Mitarbeiter eine Gratifikation erhalten hätten, begründe einen Anspruch der Kl. nicht. Der Arbeitgeber könne auf Grund des Freiwilligkeitsvorbehalts nicht nur darüber entscheiden, ob und in welcher Höhe, sondern auch unter welchen näher bestimmten Voraussetzungen und an welche Arbeitnehmer er künftig eine Gratifikation zahlen wolle. Die Entscheidung der Bekl., an Mitarbeiter im Erziehungsurlaub für die Dauer des Erziehungsurlaubs keine Gratifikation zu zahlen, verstoße auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Eine Differenzierung zwischen einem Arbeitsverhältnis, das tatsächlich unter Erfüllung der beiderseitigen Hauptpflichten vollzogen werde, und einem Arbeitsverhältnis, dessen Hauptpflichten ruhten, sei nicht sachwidrig oder willkürlich. Auch ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 141 EG-Vertrag liege nicht vor. Aufgrund des Freiwilligkeitsvorbehalts sei schließlich auch eine betriebliche Übung nicht entstanden.
II. Diesen Ausführungen des LAG ist im Ergebnis und in der Begründung zu folgen. Die Kl. hat weder auf Grund der arbeitsvertraglichen Regelung noch nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz einen Anspruch auf eine Gratifikation für das Jahr 1996.
1. Durch die Regelung in § 6 des Arbeitsvertrages wurde ein Anspruch auf eine Gratifikation für das Jahr 1996 nicht begründet.
a) Die Parteien haben in § 6 Nr. 1 AV einen Freiwilligkeitsvorbehalt vereinbart, der das Entstehen eines Anspruchs der Kl. für das Jahr 1996 verhindert hat. Sie haben bestimmt, dass es sich bei Sonderzuwendungen, wie Weihnachts-, Urlaubs- oder Abschlussgratifikationen um freiwillige Leistungen handelt, die ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gewährt werden und auch bei wiederholter Zahlung keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründen. Diese Regelung ist vom Wortlaut und nach ihrem Sinn und Zweck eindeutig und erfasst den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation. Ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt ist zulässig (BAG [6. 12. 1995], NZA 1996, 1027 = AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 187 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 134; BAG [5. 6. 1996], NZA 1996, 1028 = AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 193 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 141).
b) Der Freiwilligkeitsvorbehalt hindert das Entstehen eines vertraglichen Anspruchs und lässt dem Arbeitgeber die Freiheit, jedes Jahr neu zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Gratifikation gezahlt werden soll. Ein Anspruch für ein bestimmtes Jahr entsteht erst entweder mit der vorbehaltlosen Zusage, auch in diesem Jahr eine Gratifikation zahlen zu wollen oder mit der tatsächlichen Zahlung der Gratifikation nach Maßgabe des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (BAG [6. 12. 1995], NZA 1996, 1027; BAG [5. 6. 1996], NZA 1996, 1028).
Anders als bei der Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts kann der Arbeitgeber die Leistung ohne vorherige Ankündigung und ohne Bindung an § 315 BGB einstellen oder die Voraussetzungen für ihre Gewährung ändern. Der Arbeitnehmer, der weiß, dass der Arbeitgeber noch darüber entscheiden muss, ob er überhaupt eine Gratifikation zahlen will, muss auch damit rechnen, dass der Arbeitgeber sie von anderen Voraussetzungen und Bedingungen abhängig macht. Dazu gehört es, dass bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern von der Leistung gänzlich ausgenommen werden.
Sofern den Entscheidungen des Senats ([10. 5. 1995], NZA 1995, 1096 = AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 174 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 125 und [14. 8. 1996], NZA 1996, 1204 = AP BErzGG § 15 Nr. 19 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 145), deren Schwerpunkt andere Rechtsfragen betreffen, entnommen werden könnte, dass auch bei vereinbarten Freiwilligkeitsvorbehalt bereits ein arbeitsvertraglicher Anspruch auf eine Gratifikation besteht, ist klarzustellen, dass diese Rechtsfolge erst bei vorbehaltloser Zusage im Bezugsjahr oder nach Maßgabe des Gleichbehandlungsgrundsatzes eintritt.
Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die Bekl. hat weder allen Arbeitnehmern des Betriebes noch der Kl. eine Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1996 zugesagt. Auch sind die in § 6 Nr. 2 AV den Anspruch einschränkenden Voraussetzungen nicht abschließend und hinderten den Arbeitgeber nicht, den Freiwilligkeitsvorbehalt auszuüben.
2. Der Anspruch ist auch nicht nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz begründet. Die Entscheidung der Bekl., Mitarbeiter im Erziehungsurlaub von der Gewährung der Gratifikation im Jahre 1996 auszunehmen, ist sachlich gerechtfertigt.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG ist der Arbeitgeber, der in seinem Betrieb nach von ihm gesetzten allgemeinen Regeln freiwillige Leistungen gewährt, an den arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung gebunden (BAG [25. 4. 1991], BAGE 68, 32ff. = NZA 1991, 763 m.w. Nachw.; [6. 12. 1995], NZA 1996, 1027). Danach ist es dem Arbeitgeber verwehrt, einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern von allgemein begünstigenden Regelungen auszunehmen oder sie schlechter zu stellen (BAG [10. 6. 1998], NZA-RR 1999, 221 L = AP BAT §§ 22 Lehrer Nr. 72). Bei freiwilligen Leistungen muss der Arbeitgeber die Voraussetzungen so abgrenzen, dass nicht sachwidrig oder willkürlich ein Teil der Arbeitnehmer von den Vergünstigungen ausgeschlossen bleibt. Die Bindung an den Gleichbehandlungsgrundsatz wird auch durch die Vereinbarung eines Freiwilligkeitsvorbehalts nicht ausgeschlossen (BAG [25. 4. 1991], NZA 1991, 763 m.w. Nachw.).
b) Der sachliche Grund, Mitarbeiter im Erziehungsurlaub von der Gratifikation auszunehmen, ergibt sich aus dem Zweck der Leistung. Dieser besteht auf Grund der arbeitsvertraglichen Regelung in der zusätzlichen Vergütung für erbrachte Arbeitsleistungen sowie in der Belohnung erbrachter bzw. zukünftiger Betriebstreue. Da die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub zu einer Suspendierung der beiderseitigen Hauptpflichten und damit zu einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses führt, sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats Vereinbarungen rechtlich nicht zu beanstanden, die dazu führen, dass auch zusätzliche Entgeltleistungen für diese Zeiten nicht beansprucht werden können (BAG [24. 5. 1995], NZA 1996, 31 = AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 175 m.w. Nachw. = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 124).
c) Diese Rechtsprechung des Senats steht in Übereinstimmung mit dem Urteil des EuGH ([21. 10. 1999], NZA 1999, 1325 = AuR 2000, 66 - Lewen). Danach verbieten es weder Art. 119 des EGV noch Art. 11 Nr. 2 der Richtlinie 92/85, noch § 2 VI des Anhangs der Richtlinie 96/34 des Rates vom 3. 6. 1996 zu der von der UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub, einer Frau im Erziehungsurlaub die Gewährung einer Gratifikation zu verweigern, wenn diese nur von der Voraussetzung abhängt, dass sich der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Gewährung im aktiven Beschäftigungsverhältnis befindet. Die europarechtlichen Vorschriften untersagen es auch nicht, dass ein Arbeitgeber bei der Gewährung einer Weihnachtsgratifikation an eine Frau, die sich im Erziehungsurlaub befindet, Zeiten des Erziehungsurlaubs anteilig leistungsmindernd berücksichtigt.
Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH © 2020
Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen