Urlaubsgeld als freiwillige Leistung

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

11. 04. 2000


Aktenzeichen

9 AZR 255/99


Leitsatz des Gerichts

  1. Der Arbeitgeber kann im Arbeitsvertrag ein Urlaubsgeld in der Weise in Aussicht stellen, dass er sich jedes Jahr erneut die Entscheidung vorbehält, ob und unter welchen Voraussetzungen es gezahlt werden soll (sog. Freiwilligkeitsklausel; vgl. BAG [12. 1. 2000], NZA 2000, 944). Das setzt voraus, dass der Arbeitnehmer nach §§ 133, 157 BGB den mangelnden Verpflichtungswillen des Arbeitgebers erkennen muss. Verwendet ein Arbeitgeber im Arbeitsvertrag für eine Gruppe von zugesagten Leistungen (hier: Zuschuss zu den vermögenswirksamen Leistungen und 13. Monatsgehalt) die Überschrift „Freiwillige soziale Leistungen“, so muss ein Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, dass damit ein Rechtsanspruch ausgeschlossen sein soll.

  2. Hat der Arbeitgeber sich den Widerruf eines arbeitsvertraglich zugesagten Urlaubsgelds vorbehalten, so bewirkt seine Widerrufserklärung nur dann das Erlöschen des Anspruchs, wenn sie dem Arbeitnehmer vor der vertraglich vereinbarten Fälligkeit zugeht.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kl. ein anteiliges 13. Monatsgehalt als so genanntes Urlaubsgeld für das Kalenderjahr 1998 zusteht. In dem zwischen den Parteien am 15. 7. 1996 abgeschlossenen Anstellungsvertrag ist dazu geregelt:

§ 8. Freiwillige soziale Leistungen.

(1) Vermögenswirksame Leistungen in Höhe von monatlich 78 DM werden vom Arbeitgeber gezahlt.

(2) Es wird von der Firma ein 13. Monatsgehalt nach 6-monatiger Festanstellung gezahlt, das wie folgt fällig ist:
- 50% zum Urlaubsantritt
- 50% zum 31. 12. des jeweiligen Jahres (rückforderbar, wenn das Arbeitsverhältnis bis zum 31. 3. des darauffolgenden Jahres gelöst wird).
Während der Probezeit wird ein Anspruch auf das 13. Monatsgehalt nicht erworben.

§ 9. Urlaub.
(1) Der Urlaubsanspruch richtet sich nach den jeweils gültigen gesetzlichen Bestimmungen, zur Zeit 26 Werktage …

Nach Aufnahme der Arbeit im August 1996 zahlte die Bekl. im Dezember 1996 zum ersten Mal das anteilige 13. Monatsgehalt. 1997 gewährte sie die erste Hälfte des 13. Monatsgehalts zusammen mit der Urlaubsvergütung als so genanntes Urlaubsgeld und zum Jahresende die zweite Hälfte als so genanntes Weihnachtsgeld. Nach Rückkehr aus dem im Juni 1998 angetretenen Urlaub mahnte die Bekl. den Kl. im August 1998 wegen einer vermeintlich verspäteten Arbeitsunfähigkeitsmeldung ab und teilte ihm mit, dass kein Urlaubsgeld gezahlt werde. Der Kl. hat daraufhin Klage erhoben. Nach rechtskräftiger Verurteilung der Bekl. zur Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte hat er beantragt, die Bekl. zu verurteilen, an den Kl. als Urlaubsgeld für das Kalenderjahr 1998 2600 DM brutto zu zahlen.

Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Kl. hat das LAG die Bekl. antragsgemäß verurteilt. Mit der vom LAG zugelassenen Revision verlangt die Bekl. die Wiederherstellung des klageabweisenden erstinstanzlichen Urteils. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Die Bekl. schuldet dem Kl. für 1998 die von den Parteien als Urlaubsgeld bezeichnete erste Hälfte des vertraglich vereinbarten 13. Monatsgehalts einschließlich Verzugszinsen.

1. Nach der unter § 8 II im Anstellungsvertrag getroffenen Vereinbarung der Parteien ist am 29. 6. 1998, dem Tag des von der Bekl. festgesetzten Urlaubsantritts, der Anspruch des Kl. auf Zahlung eines halben Monatsgehalts fällig geworden. Nach § 271 II BGB war der Kl. von diesem Zeitpunkt an berechtigt, das so genannte Urlaubsgeld zu verlangen.

a) Das LAG hat aus der Überschrift zu § 8 des Anstellungsvertrags „Freiwillige soziale Leistungen“ auf einen so genannten Freiwilligkeitsvorbehalt geschlossen. Das ist unzutreffend.

b) Nach der Rechtsprechung des BAG schließt ein so genannter Freiwilligkeitsvorbehalt nicht nur eine Bindung des Arbeitsgebers für die Zukunft, sondern auch für den laufenden Bezugszeitraum aus (BAG [6. 12. 1995], NZA 1996, 1027 = AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 187 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 134). Er hindert das Entstehen eines vertraglichen Anspruches und belässt so dem Arbeitgeber die Freiheit, jedes Jahr über das Ob und Wie der Leistung zu entscheiden (BAG [12. 1. 2000], NZA 2000, 944 = EzA-SD 2000 Nr. 13, S. 8; BAG [5. 6. 1996], NZA 1996, 1028 = AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 193 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 141 m. Klarstellung gegenüber BAG [26. 6. 1975], AP Nr. 86 zu § 611 BGB Gratifikation = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 47). Denn ein Arbeitnehmer, der wisse, dass der Arbeitgeber noch über die Leistungsgewährung zu entscheiden habe, müsse stets damit rechnen, dass der Arbeitgeber die Leistung einstellen oder von neuen Bedingungen abhängig machen könne (BAG, NZA 2000, 944).

c) Ein so verstandener Freiwilligkeitsvorbehalt setzt voraus, dass der Arbeitgeber sich nicht schon bei Abschluss des Arbeitsvertrags gegenüber dem Arbeitnehmer rechtlich zur Leistungserbringung verpflichtet hat. Nach dem Inhalt des von der Bekl. verwandten Formularvertrag durfte der Kl. die unter § 8 getroffene Regelung des Urlaubsgelds nach § 157 BGB als Leistungsversprechen verstehen.
aa) Zwar hat der Arbeitgeber die vermögenswirksamen Leistungen und das 13. Monatsgehalt unter § 8 des Vertrags unter der gemeinsamen Überschrift „Freiwillige soziale Leistungen“ zusammengefasst. Diese Bezeichnung bringt aber nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass damit noch keine Rechtspflicht begründet werden soll. Sie kann auch so verstanden werden, dass sich der Arbeitgeber „freiwillig“ zur Erbringung dieser Leistungen verpflichtet, ohne dazu durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz gezwungen zu werden.

bb) Will ein Arbeitgeber jede vertragliche Bindung verhindern und sich die volle Entscheidungsfreiheit vorbehalten, so muss er das in seiner Erklärung gegenüber dem Arbeitnehmer unmissverständlich deutlich machen, denn nach §§ 133, 157 BGB ist im Zweifel der Empfängerhorizont maßgeblich (Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 133 Rdnr. 9). Dieser Grundsatz liegt auch der Rechtsprechung des 10. Senats zu Grunde. Der 10. Senat wendet die so genannte Freiwilligkeitsklausel deshalb nur in den Fällen an, in denen der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer unmissverständlichen Weise kundgetan hat (BAG [4. 5. 1999], NZA 1999, 1162 = AP § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 55 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 43), dass „ein Anspruch nicht hergeleitet werden kann“ (BAG, NZA 1996, 1028) oder die Leistung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ (BAG, NZA 1996, 1027 = AP § 611 BGB Gratifikation Nr. 187; BAG, NZA 2000, 944) in Aussicht gestellt wird.

cc) Dem gegenüber fehlt hier nach den tatsächlichen Feststellungen des LAG jeder Anhaltspunkt dafür, dass der Kl. aus dem Begriff der Freiwilligkeit auf den Ausschluss von Rechtsansprüchen schließen musste. Der Wortlaut der vom Arbeitgeber in § 8 II verwandten Vertragsklausel spricht für einen Verpflichtungswillen. Nach Satz 2 dieser vom Arbeitgeber entworfenen Regelung soll nur „während der Probezeit … ein Anspruch auf das 13. Monatsgehalt nicht erworben“ werden. Aus der Sicht des Arbeitnehmers drängt sich daraus der Umkehrschluss auf, dass nach der in Satz 1 getroffenen Regelung („Es wird von der Firma ein 13. Monatsgehalt nach 6-monatiger Festanstellung gezahlt“) nach Ablauf der Probezeit ein Anspruch erworben wird. Gegen die Annahme, ein Rechtsanspruch werde ausgeschlossen, spricht auch die Zusammenfassung des 13. Monatsgehalts mit den vermögenswirksamen Leistungen unter der gemeinsamen Überschrift „Freiwillige soziale Leistungen“. Vermögenswirksame Leistungen sind Geldleistungen, die der Arbeitgeber auf Grund einer tariflichen, betriebsverfassungsrechtlichen oder vertraglichen Verpflichtung in den in § 2 des Fünften Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer (5. VermBG) vorgeschriebenen Formen anlegt. Das mit vermögenswirksamen Leistungen des Arbeitgebers verfolgte Ziel der Vermögensbildung des Arbeitnehmers wäre bei einem Ausschluss des Rechtsanspruchs auf Geldleistungen nicht erreichbar. Die staatliche Förderung der Vermögensanlage setzt nach § 10 I 5. VermBG wenigstens eine vertragliche Verpflichtung des Arbeitgebers voraus. Behält sich der Arbeitgeber die Entscheidung, ob er vermögenswirksame Leistungen erbringt für den jeweiligen Bezugsmonat vor, macht die Eröffnung eines Vermögensbildungskontos keinen Sinn. Muss daher davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber sich für die vermögenswirksamen Leistungen rechtsgeschäftlich verpflichten wollte, so gibt es keinen vernünftigen Grund, dass für das unter der gleichen Überschrift stehende 13. Monatsgehalt etwas anderes gelten sollte.

d) Ob der Arbeitgeber durch die Formulierung in § 8 des Vertrags „Freiwillige soziale Leistung“ hinreichend zum Ausdruck gebracht hat, dass er sich den Widerruf der Sozialleistung 13. Monatsgehalt für die Zukunft vorbehalten wollte, bedarf keiner abschließenden Stellungnahme des Senats. Das LAG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass auch eine derartige Vertragsauslegung dem Anspruch des Kl. nicht entgegensteht. Die Bekl. hat von dem möglichen Widerrufsvorbehalt jedenfalls zu spät Gebrauch gemacht. Der Anspruch des Kl. auf das anteilige 13. Monatsgehalt war nach § 8 II des Vertrags zum Urlaubsantritt fällig. Die Erklärung der Bekl. gegenüber dem Kl., sie wolle im Jahre 1998 kein Urlaubsgeld zahlen, ist erst nach Rückkehr des Kl. aus dem Urlaub abgegeben worden. Das war zu spät. Einem Widerruf kann gestaltende Wirkung nur für die Zukunft zukommen.

2. Die Bekl. hat nach §§ 284 I, 288 I BGB die Geldschuld während des Verzugs mit 4% für das Jahr zu verzinsen.

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BGB §§ 133, 157, 271