Verjährung von Prospekthaftungsansprüchen und Haftung des Treuhandkommanditisten

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

14. 01. 2002


Aktenzeichen

II ZR 40/00 (Hamburg)


Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Die Kl., die Kommanditanteile an der "R-K Fonds GmbH & Co. KG" (im Folgenden: R-KG) erworben hatten, begehren von den Bekl. im Wege des Schadensersatzes, ihnen die geleisteten Beiträge zu erstatten. Die "R-C-mbH & Co. KG" (im Folgenden: C-KG) erwarb ein in N. am B.-See gelegenes Grundstück, um darauf eine Rehaklinik für Kinder und Jugendliche mit einer Kapazität von 150 Betten zu errichten. Sie schloss am 16. 12. 1993 mit der "D-GmbH & Co. KG" (im Folgenden: D-KG) einen entsprechenden Generalunternehmervertrag und vermietete die noch zu errichtende Klinik durch Vertrag vom 29. 4. 1994 an den A, Landesverband M. (im Folgenden: A). Dieser schloss ebenfalls am 29. 4. 1994 mit der "S-Klinik Betriebsgesellschaft mbH i.G." (im Folgenden: Betriebsgesellschaft) einen Untermietvertrag. Die Bekl. zu 1 bis 4 erwarben durch notariellen Kauf- und Abtretungsvertrag vom 13. 10. 1994 zu gleichen Teilen sämtliche Kommanditanteile an der C-KG, die später zur R-KG umfirmierte. Gleichzeitig trat die S-Fonds GmbH i.G., an der die Bekl. zu 1 bis 4 jeweils einen Anteil von 12500 DM hielten, als Komplementärin in die R-KG ein. Diese beauftragte die Bekl. zu 6 unter anderem damit, einen Verkaufsprospekt zu erstellen. Dieser wurde in zweiter Auflage am 1. 3. 1995 herausgegeben. Die Kl. beteiligten sich mit einem Kommanditanteil in Höhe von 84000 DM. Grundlage der Beteiligung war neben dem Prospekt vom 1. 3. 1995 ein mit der Bekl. zu 5 geschlossener Geschäftsbesorgungs- und Treuhandvertrag, durch den die Bekl. zu 5 die Funktion einer Treuhandkommanditistin übernahm. Die Realisierung des Bauvorhabens verzögerte sich. A kündigte am 5. 8. 1996 den Mietvertrag fristlos, weil der als "spätester Beginn" vorgesehene 1. 7. 1996 nicht eingehalten worden war. Die Übergabe der Klinik fand am 17. 12. 1996 statt; die ersten Patienten wurden im April 1997 aufgenommen. Die Auslastung der Klinik blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Die Kl. erklärten mit Schreiben vom 16. 6. 1997 gegenüber der R-KG die Anfechtung und gegenüber dem Vertriebsunternehmen den Widerruf der abgegebenen Willenserklärungen. Sie haben beantragt, die Bekl. zu 1 bis 6 als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 84000 DM zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung des von ihnen an der R-KG gehaltenen Kommanditanteils in Höhe von 84000 DM. Hilfsweise begehren sie, an sie 84000 DM zu zahlen. Die Bekl. haben unter anderem die Einrede der Verjährung erhoben.

Das LG hat die Klage abgewiesen; das OLG hat ihr im Wesentlichen stattgegeben. Hiergegen richteten sich die Revision der Bekl. zu 3 bis 6. Das Verfahren gegen die Bekl. zu 6 ist inzwischen unterbrochen (§ 240 ZPO). Die Revision der Bekl. zu 3 bis 5 hatte Erfolg und führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das BerGer.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

I. 1. Nach der Rechtsprechung des Senats verjähren die im Wege der Rechtsfortbildung entwickelten Prospekthaftungsansprüche in sechs Monaten ab Kenntnis des Prospektfehlers und spätestens drei Jahre nach dem Beitritt zu der Gesellschaft oder dem Erwerb der Anteile (BGHZ 83, 222 [224ff.] = NJW 1982, 1514 = LM § 195 BGB Nr. 24). Dies gilt - wie der Senat inzwischen klargestellt hat - auch für Prospekthaftungsansprüche, die sich aus dem Beitritt zu geschlossenen Immobilienfonds ergeben (BGH, NJW 2001, 1203 = NZM 2001, 494 = LM H. 8/2001 § 195 BGB Nr. 45 = ZIP 2001, 369).

2. Die Kl. sind dem Fonds am 3. 8. 1995 beigetreten. Die Klage ist im April 1998 erhoben worden. Zu diesem Zeitpunkt war die Drei-Jahres-Frist noch nicht abgelaufen. Die Bekl. haben indes unter Beweisantritt vorgetragen, dass die streiterheblichen Tatsachen den Kl. bereits in der ersten Gesellschafterversammlung der R-KG am 10. 12. 1996 bekannt geworden seien. Ist dies richtig, so wären die Ansprüche seit Mitte 1997 verjährt. Allerdings haben die Bekl. am 28. 10./3. 11. 1997 Erklärungen abgegeben, wonach sie auf die Einrede der Verjährung verzichten. Diese Erklärungen stehen aber unter dem Vorbehalt, dass die Verjährung nicht schon im Zeitpunkt ihrer Abgabe eingetreten ist. Das wäre der Fall, wenn der Vortrag der Bekl. über die Kenntnis der Kl. zuträfe. Insoweit fehlen die erforderlichen Feststellungen.

3. Die bisherigen Feststellungen des BerGer. ergeben nicht, dass die Bekl. zu 3 bis 5 als Gründungsmitglieder oder das Management bildende Initiatoren des Fonds, die besonderen Einfluss ausüben und Mitverantwortung tragen, auftraten. Eine Haftung der Bekl. als Prospektverantwortliche aus Verschulden bei Vertragsschluss (vgl. dazu BGHZ 79, 337 [341f.] = NJW 1981, 1449 = LM § 276 [Fa] BGB Nr. 69 L; Senat, NJW 1995, 130 = LM H. 5/1995 § 276 [Fa] BGB Nr. 138 = ZIP 1994, 1851 [1852]) ist deshalb beim gegenwärtigen Stand des Verfahrens nicht ersichtlich.

II. Die Revision der Bekl. zu 5 muss aus einem weiteren Grund Erfolg haben. Die Bekl. zu 5 hat als Treuhandkommanditistin zwar noch keine Garantenstellung für die Richtigkeit zugleich aller übrigen, die nicht steuerlichen Gesichtspunkte betreffenden Angaben des Prospekts übernommen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (vgl. dazu nur BGHZ 84, 141 [144] = NJW 1982, 2493 = LM § 276 [Fa] BGB Nr. 77; BGH, NJW 1995, 1025) traf sie aber als Treuhandkommanditistin, welche die Interessen der Anleger als ihre Treugeber wahrzunehmen hatte, die Verpflichtung, diese über alle wesentlichen Punkte, insbesondere auch die regelwidrigen Umstände der Anlage, aufzuklären, die ihr bekannt waren oder bei gehöriger Prüfung bekannt sein mussten und die für die von den Anlegern zu übernehmenden mittelbaren Beteiligungen von Bedeutung waren. Zu diesen subjektiven Voraussetzungen sind dem Berufungsurteil, das sich mit dem Hinweis auf die Funktion der Bekl. zu 5 als Treuhandkommanditistin begnügt, keine Feststellungen zu entnehmen.

Die Feststellungen des BerGer. bieten von dem zu Grunde gelegten Sachverhalt her auch keinen sicheren Anhaltspunkt dafür, dass sich die Bekl. zu 5 bei dem Abschluss des Treuhandvertrags und damit auch der Erfüllung ihrer Aufklärungspflicht von der Gesellschaft hat vertreten lassen und deshalb für deren Unterlassen nach § 278 BGB einzustehen hätte.

Diese Feststellungen werden nach der Zurückverweisung der Sache an das BerGer. nachzuholen sein. Sollte das BerGer. zu der Überzeugung gelangen, dass die Bekl. zu 5 in haftungsbegründender Weise gegen ihre Verpflichtung verstoßen hat, könnte sich die Bekl. zu 5 als unmittelbare Vertragspartnerin der Anleger allerdings nicht auf die kurze Verjährungsfrist berufen, die nur für die auf typisiertem Vertrauen beruhenden Ansprüche aus Prospekthaftung gilt.

III. Die weiteren Rügen der Revision geben zu folgenden Bemerkungen Anlass:

1. Das BerGer. gelangt in einer für die Revision nicht angreifbaren Weise zu dem Ergebnis, der maßgebende Prospekt enthalte unrichtige Angaben.

a) Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftungsgrundsätzen, die an ein typisiertes Vertrauen des Anlegers auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der von den Prospektverantwortlichen gemachten Angaben anknüpfen, hat der Prospekt, der im allgemeinen die Grundlage für den Beitrittsentschluss des mit ihm geworbenen Interessenten bildet, diesem ein zutreffendes Bild von der angebotenen Kapitalbeteiligung zu vermitteln. Dazu gehört, dass sämtliche Umstände, die für die Entschließung der mit dem Prospekt angesprochenen Anlageinteressenten von Bedeutung sind oder sein können, richtig und vollständig dargestellt werden.

Ändern sich diese Umstände nach der Herausgabe des Prospekts, so haben die Verantwortlichen davon durch Prospektberichtigung oder durch entsprechende Hinweise bei Abschluss des Vertrags Mitteilung zu machen (BGHZ 123, 106 [109f.] = NJW 1993, 2865 = LM H. 1/1994 § 276 [Fa] BGB Nr. 133).

b) Das BerGer. geht davon aus, dass durch falsche Angaben der Eindruck eines öffentlich-rechtlichen und gemeinnützigen Charakters und damit der Anschein der Seriosität und Absicherung des Vorhabens erzeugt wurde. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision gehen fehl.

aa) Der Prospekt enthält falsche Angaben zum Betreiber der Anlage. Herausgestellt wurde A als langfristiger Mieter des Objekts. Damit verknüpft die Verkehrsanschauung die Erwartung, der kompetente Mieter werde die Klinik selber betreiben. Soweit auf Seite 4 des Prospekts die Möglichkeit einer Untervermietung durch A erwähnt wird, ist darauf hinzuweisen, dass zum Zeitpunkt des Erscheinens des Prospekts ein solcher Untermietvertrag bereits geschlossen worden war. Diese unvollständige und falsche Aussage kann nicht durch einen versteckten Hinweis im Dokumententeil kompensiert werden; der Anlageinteressent braucht in diesem Teil keine wesentlich neuen Angaben zu erwarten.

bb) Ohne Rechtsfehler stellt das BerGer. fest, dass der Prospekt in Bezug auf das finanzierende Kreditinstitut falsch ist. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang eine Verletzung des § 138 ZPO rügt, verkennt sie, dass die Tatsache, dass der Prospekt nicht öffentlich-rechtlich, sondern von der B-Bank finanziert wurde, in das Verfahren eingeführt war. Unzulässiger neuer Tatsachenvortrag ist es hingegen, wenn sich die Revision auf das landgerichtliche Urteil in einem Parallelrechtsstreit beruft, aus dem sich ein Grundsatzangebot der L-Bank ergeben soll. Die Revision legt nicht dar, dass diese angebliche Tatsache im Berufungsverfahren nicht bekannt war.

cc) Der Prospekt war auch fehlerhaft, was die "Einbindung" des Sozialministeriums des Landes M. angeht. Der Tatrichter hat den Begriff "Einbindung" ohne Rechtsfehler dahin ausgelegt, mit diesem sei mehr gemeint als bloße Information über den Stand der Planung. Der Begriff erweckt den Eindruck, das Projekt werde von Seiten des Landes befürwortet und gefördert. Die damit verbundene Sicherstellung der kassenärztlichen Zulassung ist für eine solche Spezialklinik wirtschaftlich überlebenswichtig.

2. Die in dem Prospekt enthaltene Beschränkung der Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit ist wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam. Da der Prospekt die einzige Grundlage für den späteren Vertragsschluss ist, ist es für den Anleger regelmäßig ohne Bedeutung, ob sich die Rechte und Pflichten aus der Beteiligung an dem Immobilienfonds geändert haben. Der Schaden ist infolge des durch den Prospekt veranlassten Beitritts zu den Immobilienfonds entstanden. Die Aufklärungspflicht der Prospektverantwortlichen und daraus sich ergebende Prospekthaftung ist daher für den Schutz des Investors von grundlegender Bedeutung. Auch ein Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit widerspricht der Aufgabe des Prospekts, die potenziellen Anleger verlässlich, umfassend und wahrheitsgemäß zu informieren (Seibel/Graf von Westphalen, BB 1998, 169 [173]).

3. Die Fehlerhaftigkeit des Prospekts ist kausal für die Anlageentscheidung der Anleger. Es entspricht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats der Lebenserfahrung, dass ein Prospektfehler für die Anlageentscheidung ursächlich geworden ist. Dass gerade dieser Prospektfehler zum Scheitern des Projekts geführt hat, ist nicht erforderlich (Senat, NJW 2000, 3346 = NZG 2000, 997 = LM H. 1/2001 § 276 [Fa] BGB Nr. 156 = ZIP 2000, 1297 [1298] m.w. Nachw.).

4. Die Feststellung des BerGer., der Schaden betrage 84000 DM, ist richtig, zumindest aber hinnehmbar.

a) Im Rahmen der Schadensberechnung sind vorteilhafte Umstände, die mit dem schädigenden Ereignis in einem qualifizierten Zusammenhang stehen, zu berücksichtigen, soweit ihre Anrechnung dem Sinn und Zweck des Schadensersatzes entspricht und weder den Geschädigten unzumutbar belastet noch den Schädiger unbillig entlastet (BGHZ 109, 380 [392] = NJW 1990, 1038 = LM § 839 [Cb] BGB Nr. 75, m.w. Nachw.). Es soll ein gerechter Ausgleich zwischen den bei dem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt werden. Der Geschädigte darf nicht besser gestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Andererseits sind nicht alle durch das Schadensereignis begründeten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, sondern nur solche, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt (BGHZ 136, 52 [54] = NJW 1997, 2378 = LM H. 1/1998 § 326 [Eb] BGB Nr. 10 m.w. Nachw.; Senat, NJW-RR 2001, 1450 = NZM 2001, 859 = LM H. 3/2002 § 249 [Ha] BGB Nr. 56).

b) Steuervorteile sind auch dann nicht zu berücksichtigen, wenn die Schadensersatzleistung für den Kl. ebenfalls zu versteuern ist. Da eine KG Einnahmen aus Gewerbebetrieb gem. § 15 EStG erzielt, gilt gleiches auch für die Kommanditisten, so dass alle Einnahmen der Anleger aus ihrer Kommanditeinlage der Steuer unterfallen (vgl. auch BGHZ 74, 103 [114ff.] = NJW 1979, 1449 = LM § 676 BGB Nr. 20).

Rechtsgebiete

Verbraucherschutzrecht

Normen

BGB § 195 a.F