Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Abfindung

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

09. 10. 1996


Aktenzeichen

5 AZR 246/95


Leitsatz des Gerichts

Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt und Abfindung geht in Höhe des im Ruhenszeitraum bezogenen Arbeitslosengeldes auf die Bundesanstalt für Arbeit über (§ 117 AFG, § 115 I SGB X). Wollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Innenverhältnis von der gesetzlichen Regel der Anrechenbarkeit abweichen, müssen sie dies vereinbaren. Eine allgemeine Ausgleichsklausel in einem Vergleich, den die Parteien im Kündigungsschutzprozeß geschlossen haben, reicht dazu nicht aus (Bestätigung von BAG, NZA 1992, 1081 = NJW 1993, 281 L = AP Nr. 12 zu § 117 AFG).

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten darüber, ob das der Bekl. gezahlte Arbeitslosengeld, das die Kl. dem Arbeitsamt erstattet hat, auf die im Kündigungsschutzprozeß vergleichsweise vereinbarte Abfindung anzurechnen ist. Die 34-jährige Bekl. war seit 1991 Angestellte der Kl. Die Kl. sprach mit Schreiben vom 27. 3. 1992 die ordentliche Kündigung zum 30. 6. 1992 und mit Schreiben vom 21. 4. 1992 eine außerordentliche Kündigung aus. Die (hiesige) Bekl. erhob Kündigungsschutzklage. Sie erhielt für die Zeit vom 23. 4. bis zum 28. 5. 1992 Arbeitslosengeld in Höhe von 2917,10 DM. Mit Schreiben vom 9. 6. 1992 teilte das Arbeitsamt der Kl. mit, daß die Bekl. "ab dem 23. 4. 1992 Leistungen (Arbeitslosengeld/Arbeitslosenhilfe)" beziehe. Wörtlich heißt es in diesem Schreiben: "Das Arbeitsamt kann gem. § 117 IV AFG dem Arbeitslosen auch dann Leistungen gewähren, wenn der Arbeitslose die Leistungen, die ein Ruhen des Anspruchs bewirken, tatsächlich noch nicht erhält. Von dieser Möglichkeit habe ich im Falle des /der o.a. Arbeitslosen Gebrauch gemacht. Die Zahlung von Leistungen nach § 117 IV AFG bewirkt, daß evtl. Ansprüche des Arbeitslosen gegen Sie in Höhe der Leistungen, die das Arbeitsamt für die Zeit vorgeleistet hat, in der der Anspruch auf Leistungen nach § 117 I-III AFG ruht, gem. § 115 SGB X auf die Bundesanstalt (in Fällen der Arbeitslosenhilfe auf den Bund) übergehen." Am 19. 10. 1992 schlossen die Parteien im Kündigungsrechtsstreit einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis "einvernehmlich und auf Veranlassung" der - hiesigen Kl. und dortigen - Bekl. am 30. 4. 1992 endete und sich diese zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 12500 DM verpflichtete. Mit Schreiben vom 4. 11. 1992 teilte das Arbeitsamt der Kl. folgendes mit: "Die Obengenannte (Bekl.) hat für die Zeit vom 23. 4. 1992 bis 28. 5. 1992, in der ihr Anspruch auf Leistungen nach § 117 I-III AFG ruhte, Arbeitslosengeld/Arbeitslosenhilfe in Höhe von insgesamt 2917,10 DM erhalten. Dieser Betrag ist von Ihren Leistungen an den/die Obengenannte(n) einzubehalten und an mich zu überweisen." Die Kl. erfüllte die Forderungen der Arbeitsverwaltung mit Scheck vom 10. 11. 1992 und zahlte der Bekl. die im Prozeßvergleich vom 19. 10. 1992 vorgesehene Abfindung unter Abzug des an das Arbeitsamt gezahlten Betrages. Die Bekl. vertrat die Auffassung, daß ihr der Abfindungsbetrag in voller Höhe zustehe und verschaffte sich den Abzugsbetrag von 2917,10 DM im Wege der Zwangsvollstreckung. Die Kl. verlangt diesen Betrag von der Bekl. zurück.

Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Bekl. blieb erfolglos. Auch die Revision war unbegründet.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, daß der Kl. ein Anspruch aus § 812 I 1 BGB in Höhe von 2917,10 DM zusteht. Die Kl. hatte den Anspruch der Bekl. auf die im Vergleich vereinbarte Abfindung in dieser Höhe bereits durch ihre Zahlung an die Bundesanstalt für Arbeit erfüllt. Die Bekl. hat in dieser Höhe gleichwohl die Zwangsvollstreckung betrieben und dadurch 2917,10 DM "in sonstiger Weise" auf Kosten der Kl. ohne rechtlichen Grund erlangt.

1. Der Anspruch auf die als Abfindung bezeichnete Leistung war in Höhe der Klageforderung zur Zeit der Zwangsvollstreckung bereits auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangen. Das ergibt sich aus § 115 I SGB X, § 117 I, II AFG. Nach § 115 I SGB X gehen Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Zahlung des Arbeitsentgelts im Umfang der Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit auf diese über. Gem. § 117 I AFG ruht "der Anspruch auf Arbeitslosengeld ... in der Zeit, für die der Arbeitslose Arbeitsentgelt erhält oder zu beanspruchen hat". Nach § 117 II AFG ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet wurde und der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung erhalten oder zu beanspruchen hat. Der Ruhenszeitraum beginnt nach dieser Vorschrift mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses; er endet spätestens mit dem Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. § 117 III AFG enthält weitere Begrenzungen des Ruhenszeitraums. Dabei ist jeweils die dem Arbeitnehmer günstigste Begrenzung maßgebend. § 117 III lit. a AFG ist erst durch Gesetz vom 23. 6. 1993 (BGBl I, 944), also nach dem Streitzeitraum, eingefügt worden. Nach § 117 IV 1 AFG wird das Arbeitslosengeld auch in der Zeit gewährt, in der der Anspruch auf Arbeitslosenentgelt ruht, soweit "der Arbeitslose die in den Abs. 1 bis 2 genannten Leistungen (Arbeitsentgelt i.S. des § 115 SGB X) tatsächlich nicht erhält" - sogenannte "Gleichwohlgewährung". Ansprüche auf Zahlung des Arbeitsentgelts und der Abfindung gehen auch dann auf die Bundesanstalt für Arbeit über, wenn sie erst nach Zahlung des Arbeitslosengeldes begründet wurden (Niesel/Düe, AFG, 1995, § 117 Rdnr. 54).

2. Für die Zeit bis zum 30. 4. 1992 ruhte der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 117 I AFG. Das Arbeitsverhältnis der Parteien dauerte nach dem Vergleich bis zu diesem Zeitpunkt fort. Ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Zeit bis zum 30. 4. 1992 aufgrund von § 117 II AFG kommt nicht in Betracht, da der Ruhenszeitraum nach dieser Vorschrift erst mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses beginnt (BSG, SozR 4100 § 117 AFG Nr. 7). Die außerordentliche Kündigung vom 21. 4. 1992 war unwirksam. Der Bekl. stand Arbeitsentgelt aus Annahmeverzug zu. Über den auf die Bundesanstalt übergegangenen Anspruch konnten die Parteien bei Abschluß des Vergleichs nicht mehr verfügen.

a) Das LAG hat im Anschluß an das ArbG die außerordentliche Kündigung schon deshalb für unwirksam gehalten, weil die Kl. die Frist des § 626 II BGB nicht gewahrt hat. Dem ist die Bekl. auch in der Revisionsinstanz nicht mit substantiiertem Vortrag entgegengetreten. Es reicht nicht aus, diese Bewertung als "nicht nachvollziehbar" zu bezeichnen. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des BAG gerät der Arbeitgeber im Falle einer unwirksamen Kündigung in der Regel in Annahmeverzug, wenn er den Arbeitnehmer nicht auffordert, die Arbeit wieder aufzunehmen, ihm also keinen funktionstüchtigen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt (BAGE 46, 234 = NZA 1985, 119 = NJW 1985, 935 = AP Nr. 34 zu § 615 BGB; BAGE 78, 333 = NZA 1995, 263 = NJW 1995, 2653 = AP Nr. 60 zu § 615 BGB). Auch dagegen hat die Bekl. keine Einwendungen vorgebracht. Zudem hatten sich die Parteien im Kündigungsschutzprozeß vergleichsweise auf die Beendigung am 30. 4. 1992 geeinigt.

b) Mit Zahlung des Arbeitslosengeldes für die Zeit bis zum 30. 4. 1992 ist der Entgeltanspruch der Bekl. in dieser Höhe auf die Bundesanstalt übergegangen. Die Parteien haben den Anspruch der Bekl. auf Zahlung von Arbeitsentgelt in ihrem Vergleich nicht gesondert ausgewiesen, sondern der Kl. nur die Verpflichtung zur Zahlung einer Abfindung auferlegt. Darin und in der Vereinbarung einer Ausgleichsklausel liegt kein Erlaß des Anspruchs auf Arbeitsentgelt. Selbst wenn dies der Fall wäre, brauchte die Bundesanstalt diese Vereinbarung nach den §§ 412, 404 BGB nicht gegen sich gelten zu lassen. Danach kann der Schuldner dem neuen Gläubiger nur die Einwendungen entgegensetzen, die zur Zeit des Übergangs der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren. Ein etwaiger Erlaßvertrag zwischen den Parteien konnte also die Forderung der Bundesanstalt nicht mehr zum Erlöschen bringen.

3. Für die Zeit vom 1. bis zum 28. 5. 1992 ruhte der Anspruch der Bekl. auf Arbeitslosengeld entgegen der Ansicht des LAG nicht nach § 117 I, sondern nach § 117 II AFG.

a) Die Arbeitsvertragsparteien haben es grundsätzlich in der Hand, das Ende des Arbeitsverhältnisses zu bestimmen, mit der Folge, daß für die Zeit danach Lohnansprüche, die auf die Bundesanstalt übergehen könnten, nicht entstehen (BAGE 20, 324 = NJW 1968, 1301 = AP Nr. 22 zu § 7 KSchG; BAGE 21, 154 = NJW 1969, 110 L = AP Nr. 5 zu § 96 AVAVG; BAG, NZA 1987, 17 = AP Nr. 40 zu § 615 BGB; LAG Hamm, NZA 1988, 773; Gagel, AFG, Stand: Januar 1996, § 117 Rdnrn. 44ff.; Niesel/Düe, AFG, 1995, § 117 Rdnr. 13; Hanau, AuR 1984, 335 (338)). Davon ist der Senat auch in seinem Urteil vom 25. 3. 1992 (NZA 1992, 1081 = NJW 1993, 281 L = AP Nr. 12 zu § 117 AFG) ausgegangen. Allerdings sind Manipulationen gegenüber Sozialversicherungsträgern unzulässig. Vereinbarungen, mit denen der Beendigungszeitpunkt zurückverlegt wird, haben dann keine Wirkung gegenüber Sozialleistungsträgern, wenn das Arbeitsverhältnis unstreitig fortbestand, gesicherte Entgeltansprüche bestanden, die bereits übergegangen waren, und die Parteien den Anspruchsübergang kannten (BAG, NZA 1987, 17 = AP Nr. 40 zu § 615 BGB; LAG Hamm, NZA 1988, 773; Senat, ZIP 1981, 1364; Gagel, § 117 Rdnrn. 48ff.; ähnlich Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, Stand: Juli 1996, § 117 Rdnr. 27; weitergehend wohl Niesel/Düe, § 117 Rdnr. 13). Um einen solchen Fall handelt es sich hier nicht. Die Parteien waren über die Wirksamkeit der Kündigungen und über den Prozeßausgang im unklaren. Die Festlegung des 30. 4. 1992 als Beendigungszeitpunkt kann daher nicht als rechtsmißbräuchlich angesehen werden. Die Einigung der Parteien, daß das Arbeitsverhältnis mit dem 30. 4. 1992 endete, wirkt demnach auch gegenüber der Bundesanstalt.

b) Die Voraussetzung des § 117 II AFG sind erfüllt. Die Parteien haben das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet. Die Bekl. hatte wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung zu beanspruchen. Der Ruhenszeitraum dauerte zumindest bis um 28. 5. 1992, dem Zeitpunkt, bis zu dem die Bekl. Arbeitslosengeld erhielt.

c) Ein früheres Ende des Ruhenszeitraums ergibt sich nicht aus § 117 III 2 Nr. 1, S. 3 AFG. Nach diesen Bestimmungen ruht "der Anspruch auf Arbeitslosengeld ... nach Abs. 2 ... nicht über den Tag hinaus, ... bis zu dem der Arbeitslose bei Weiterzahlung des ... Arbeitsentgelts einen Betrag in Höhe von 70 v.H. der Abfindung ... als Arbeitsentgelt verdient hätte". Der danach "zu berücksichtigende Anteil der Abfindung ... vermindert sich sowohl für je fünf Jahre des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen als auch für je fünf Lebensjahre nach Vollendung des 35. Lebensjahres um je 5 v.H.; er beträgt nicht weniger als 30 v.H. der Leistung". Die Voraussetzungen für eine Verminderung des Prozentsatzes von 70 % liegen bei der Bekl. nicht vor. Bei einem Monatsgehalt von 6249,50 DM hätte die Bekl. in der Zeit vom 1. bis zum 28. 5. 1992 etwa 6000 DM verdient. Das sind weniger als 70 % der Abfindung, und zwar auch dann, wenn man einen Teil der als Abfindung bezeichneten Leistung als Arbeitsentgelt für die Zeit bis zum 30. 4. 1992 damit nicht als Abfindung i.S. von § 117 II AFG ansieht.

d) Der Ruhenszeitraum endete auch nicht nach § 117 III Nr. 3 AFG vor dem 28. 5. 1992. Nach dieser Vorschrift ruht der Anspruch "nicht über den Tag hinaus, ... an dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grunde ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können". Die Vorschrift beruht auf der Überlegung, daß eine Abfindung, die bei Vorliegen eines Grundes zur fristlosen Kündigung gewährt wird, keine Vergütungsbestandteile für die Zeit nach dem Zeitpunkt der möglichen fristlosen Kündigung enthält (vgl. Begründung zu Art. 1 Nr. 8 des RegE des 4. ÄndG-AFG, BT-Dr 8/857, S. 9; BSG, SozR 4100 § 117 Nr. 5; Gagel, § 117 Rdnr. 162; Niesel/Düe, § 117 Rdnrn. 49ff.). Danach kommen nur solche Gründe in Betracht, die vor dem Abschluß des Vergleichs vorlagen. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (BSG, SozR 1700 § 31 Nr. 1 und BSG, SozR 4100 § 117 Nr. 5) ist das Vorliegen eines Grundes für eine fristlose Kündigung auch dann zu prüfen, wenn sich die Arbeitsvertragsparteien nach einer fristlosen Kündigung über das Ende des Arbeitverhältnisses verständigen und eine Abfindung vereinbaren. Geht es um die Begrenzung des Ruhenszeitraums nach § 117 III 2 Nr. 3 AFG, liegt die Beweislast für das Vorliegen eines Grundes zur fristlosen Kündigung beim Arbeitsnehmer (Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, § 117 Rdnr. 20). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Der Revision ist zuzugeben, daß es wenig sachgerecht erscheint, im Rahmen eines Prozesses der vorliegenden Art die hypothetische Frage nach der Wirksamkeit der Kündigung zu stellen, über die sich die Arbeitsvertragsparteien verglichen haben (vgl. auch Gagel, § 117 Rdnr. 166; zweifelnd Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, § 117 Rdnr. 20). Das berechtigt die Gerichte aber nicht, sich über Wortlaut und Sinn des Gesetzes hinwegzusetzen. Wie bereits ausgeführt, hatte die Kl. keinen Grund zur außerordentlichen Kündigung.

e) Da die Bekl. die Abfindung nicht schon im Mai erhielt, wurde das Arbeitslosengeld auch im Ruhenszeitraum gewährt. Die Verpflichtung dazu ergibt sich aus § 117 IV 1 AFG. Die darin enthaltene Legaldefinition besagt, daß auch die in Abs. 2 behandelten Abfindungen, soweit sie zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen, Arbeitsentgelt i.S. des § 115 I SGB X sind. Daraus folgt, daß auch der Abfindungsanspruch in Höhe des für die Zeit vom 1. bis zum 28. 5. 1992 gezahlten Arbeitsentgelts auf die Bundesanstalt übergegangen ist.

4. Aus Nr. 4 des Prozeßvergleichs ergibt sich nicht, daß die Pflicht zur Rückzahlung des Arbeitslosengeldes im Innenverhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien die klagende Arbeitgeberin treffen soll. Der Senat hat bereits mit Urteil vom 25. 3. 1992 entschieden, daß es einer ausdrücklichen Vereinbarung bedarf, wenn eine als Abfindung bezeichnete Leistung entgegen § 117 II AFG nicht um den darauf entfallenen Anteil der Arbeitslosenunterstützung gekürzt werden soll (BAG, NZA 1992, 1081 = NJW 1993, 281 L = AP Nr. 12 zu § 117 AFG; ebenso BSG, SozR 4100 § 117 AFG Nr. 7). Das im Ruhenszeitraum bezogene Arbeitslosengeld ist an die Bundesanstalt zurückzuzahlen. § 115 I SGB X besagt, daß der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Arbeitsentgelt oder Abfindung in Höhe der erbrachten Leistungen auf die Bundesanstalt übergeht. Die Rückzahlungspflicht trifft also den Arbeitgeber, aber in Anrechnung auf das Arbeitsentgelt oder die Abfindung.

Hat der Arbeitgeber schon vor Vergleichsabschuß die Überleitungsanzeige erhalten, so ist der Einwand des Anspruchsübergangs nicht etwa nach §§ 767 II, 794 I Nr. 1, 795 ZPO ausgeschlossen. Zum einen ist die erstgenannte Vorschrift ohnehin auf Vergleiche nicht anwendbar; zum anderen entsteht der Abfindungsanspruch erst durch den Vergleichsabschluß, so daß auch deshalb Einwendungen gegen diesen nicht § 767 II ZPO unterliegen (vgl. BAGE 20, 324 = NJW 1968, 1301 = AP Nr. 22 zu § 7 KSchG). Der Arbeitnehmer selbst hat also nach dem Gesetz nur Anspruch auf die um die Rückzahlungsbeträge geminderten Leistungen. Im Innenverhältnis trifft die Rückzahlungspflicht den Arbeitnehmer. Wollen die Parteien im Innenverhältnis von der gesetzlichen Regel der Anrechenbarkeit abweichen, müssen sie dies - in der Regel ausdrücklich - vereinbaren (vgl. Reinecke, BB 1981, 854 (859)). Daran fehlt es hier. Prozeßvergleiche können von den Revisionsgerichten unbeschränkt und selbständig ausgelegt werden (BAGE 42, 244 = AP Nr. 2 zu § 21 TVALII). Nr. 4 des Prozeßvergleichs enthält eine allgemeine Ausgleichsklausel. Damit ist über den Erstattungsanspruch der Bundesanstalt nichts gesagt. Aus dem Umstand, daß die Kl. bereits durch Schreiben vom 9. 7. 1992 über die Zahlung von Arbeitslosengeld unterrichtet war, ergibt sich nichts anderes, zumal ihr Dauer und genaue Höhe der Leistungen erst nach Vergleichsabschluß mitgeteilt wurden. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 25. 3. 1992 (BAG, NZA 1992, 1081 = NJW 1993, 281 L = AP Nr. 12 zu § 117 AFG) darauf hingewiesen, daß sich der Arbeitnehmer das erhaltene Arbeitslosengeld auch dann anrechnen lassen müßte, wenn er vom Arbeitgeber für denselben Zeitraum Arbeitsentgelt beanspruchte.

Vorinstanzen

LAG Hessen, 3 Sa 461/94, 22.12.1994

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht; Sozialrecht

Normen

AFG § 117; SGB X § 115 I; BGB §§ 404, 412