Blanko-Unterschrift unter einem Bürgschaftsvertrag

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

16. 12. 1999


Aktenzeichen

IX ZR 36/98 (München)


Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Die kl. Bank nimmt den Bekl. als Bürgen in Anspruch. Dazu legt sie ein vom Bekl. unterschriebenes Formular über eine „unbegrenzte Bürgschaft“ vor, das maschinenschriftliche Einfügungen der N-GmbH als „Hauptschuldner“ (im Folgenden: GmbH, Gesellschaft oder Hauptschuldnerin) und des Bekl. als „Bürgen“ sowie die handschriftliche Angabe „München, den 20. 1. 1992“ enthält. Die Kl. räumte der GmbH, deren Gesellschafter der frühere Geschäftsführer S und der Vater des Bekl. waren, im Juli 1990 auf dem Kontokorrentkonto Nr. …74 einen Kredit von 60000 DM ein. Am 29. 1. 1991 wurde S als Geschäftsführer abberufen. Danach führte der Bekl. als Handlungsbevollmächtigter die Geschäfte der GmbH. Nach Verhandlungen mit dem Bekl. im Dezember 1991 sagte die Kl. zu, eine Überziehung des Kredits durch die GmbH bis zu 100000 DM zu dulden. Während dieser Verhandlungen übergab der Bekl. der Kl. eine formularmäßige Blankobürgschaft, die diesen Kredit sichern sollte. Ende 1991 betrug die Kreditschuld 70000 DM. Am 7. 1. 1992 schrieb der Bekl. der Kl. unter anderem Folgendes: „Die Außerkraftsetzung Ihrer Zusage wurde uns erst heute telefonisch auf Nachfrage zur Kenntnis gegeben. Die Ihnen bei Ihrem Besuch im guten Glauben auf den zu errichtenden Kreditrahmen übergebene Blankobürgschaft widerrufe ich bis auf weiteres, hoffe jedoch, dass für die Gesellschaft eine finanziell tragbare Regelung erreicht werden kann.“ In der Folgezeit verhandelte der Bekl. mit der Kl. über weitere Kredite für die GmbH, insbesondere zur Durchführung von Verträgen mit der B. Am 16. 1. 1992 teilte die Kl. dem Bekl. mit, dass „weitere Inanspruchnahmen für das Projekt B“ unter anderem eine unbegrenzte Bürgschaft des Bekl. voraussetzten. Mit Schreiben vom 9. 3. 1992 gewährte die Kl. der GmbH auf dem Unterkonto Nr. …00 einen Betriebsmittelkredit von 120000 DM und auf dem weiteren Unterkonto Nr. …01 ein Darlehen von 150000 DM zur „Projektfinanzierung für Aufträge der Firma B“; als Sicherheit wurde unter anderem eine unbegrenzte, unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft des Bekl. verlangt. Dieser unterzeichnete dieses Schreiben, sandte es der Kl. zurück und erteilte ihr eine Selbstauskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Die Hauptschuldnerin wurde im September 1993 wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht. Am 9. 2. 1994 kündigte die Kl. die Kredite zum 14. 2. 1994. Zu diesem Zeitpunkt bestanden Kreditschulden auf dem Unterkonto mit der Endnummer 00 in Höhe von 150161,40 DM und auf dem Unterkonto mit der Endnummer 01 in Höhe von 190628,31 DM. Aus dem „Gesamtsaldo“ abzüglich 20204 DM aus der Verwertung einer Lebensversicherung des Bekl. hat die Kl. gegen den Bekl. einen Teilbetrag von 100000 DM nebst Zinsen geltend gemacht sowie Ersatz von 86,25 DM verlangt, die für die Ermittlung des Aufenthaltsorts des Bekl. aufgewendet wurden.

LG und OLG haben der Klage stattgegeben. Die Revision war erfolgreich und führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

I. Das Berufungsurteil lässt nicht erkennen, auf welche der Einzelforderungen aus den Konten das BerGer. den hauptsächlichen Teilanspruch von 100000 DM zuerkannt hat. Die Kl. hat in der Revisionsverhandlung - in zulässiger Weise (vgl. BGHZ 11, 192 [194ff.] = NJW 1954, 757 = LM § 253 ZPO Nr. 8) - klargestellt, dass sie mit dem Klageanspruch in erster Linie eine Forderung aus dem Konto mit der Endnummer 74, hilfsweise aus dem Unterkonto mit der Endnummer 00 und äußerst hilfsweise aus dem Unterkonto mit der Endnummer 01 geltend macht (§ 253 II Nr. 2 ZPO).

In den Vorinstanzen hat die Kl. ihren Klageanspruch allerdings allein auf eine Teilforderung aus den Unterkonten gestützt. Der entsprechende Streitgegenstand liegt den folgenden Ausführungen zugrunde. Im weiteren Berufungsverfahren kann die Kl. noch erläutern, dass auch eine Forderung aus dem Konto mit der Endnummer 74 Streitgegenstand sei. Möglicherweise ist ein Sollsaldo aus diesem Konto auf das Unterkonto mit der Endnummer 00, das einen Betriebsmittelkredit betraf, übernommen worden.

II. 1. Das BerGer. ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Inanspruchnahme des Bekl. aus der behaupteten Bürgschaft nicht schon die Löschung der Hauptschuldnerin im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit entgegensteht (BGHZ 82, 323 [326f.] = NJW 1982, 875 = LM § 398 BGB Nr. 41).

2. Die Revision rügt jedoch mit Erfolg die tatrichterliche Feststellung, die Kl. nehme den Bekl. nicht aus einer Blankobürgschaft, die formunwirksam wäre (§§ 125 S. 1, 766 S. 1 BGB; BGHZ 132, 119 [122ff.] = NJW 1996, 1467 = LM H. 9/1996 § 765 BGB Nr. 107), in Anspruch.

Dazu hat das BerGer. ausgeführt: Der Vortrag des Bekl., nicht zu wissen, wie es zu dem Datum auf der Bürgschaftsurkunde gekommen sei, sei eine prozessual unzulässige Erklärung mit Nichtwissen zum Vorbringen der Kl., der Bekl. habe die Bürgschaftsurkunde am 20. 1. 1992 in ihren Geschäftsräumen mit Datum und Unterschrift versehen. Nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde stammten die Angaben des Ortes und des Datums sowie die Unterschrift von der selben Hand. Soweit das LG ausgeführt habe, der Bekl. räume nunmehr ein, die Bürgschaft vermutlich selbst auf den 20. 1. 1992 datiert zu haben, habe dieses zu Recht angenommen, dass sich der Bekl. dann die Blankounterschrift wieder zu eigen gemacht habe.

Diese Erwägungen werden dem Vorbringen der Parteien nicht gerecht und stützen ohne die erforderliche Sachaufklärung nicht die Annahme, der Bekl. habe sich formwirksam verbürgt (§ 286 ZPO).

a) Die Kl. hat unter Beweisantritt behauptet: Der Bekl. habe am 19. 12. 1991 eine Bürgschaftsurkunde blanko unterzeichnet. Nach Widerruf dieser Bürgschaft mit Schreiben vom 7. 1. 1992 habe sie - die Kl. - die Bürgschaftsurkunde dem Bekl. am 9. 1. 1992 zurückgegeben. Am 20. 1. 1992 habe der Bekl. in ihren Geschäftsräumen diese Bürgschaftsurkunde ausgefüllt und ihr übergeben. Bei Richtigkeit dieses Vorbringens hat sich der Bekl. formwirksam verbürgt (§§ 765, 766 BGB). Die Schriftform des § 766 S. 1 BGB ist dann eingehalten, wenn die Bürgschaftsurkunde den Verbürgungswillen des Bürgen sowie die Bezeichnung des Gläubigers, des Hauptschuldners und der verbürgten Hauptschuld enthält. Nach dem Klagevortrag hat der Bekl. das von ihm bereits unterschriebene und von der Kl. zurückgegebene Bürgschaftsformular am 20. 1. 1992 wiederum der Kl. übergeben, nachdem er entweder selbst die hand- und maschinenschriftlichen Angaben in diese Urkunde eingesetzt hatte oder nachdem die Kl. in Gegenwart und mit Zustimmung des Bekl. die maschinenschriftlichen Einfügungen vorgenommen hatte. In beiden Fällen hat der Bekl. der Kl. - unter Benutzung und Ausfüllung eines früheren Blanketts - eine neue formwirksame Bürgschaft erteilt, die die bis dahin fehlende Angabe des Hauptschuldners enthält.

b) Der Bekl. hat vorgetragen, die Kl. habe seine widerrufene Blankobürgschaft nicht zurückgegeben und bezüglich der Hauptschuldnerin ohne sein Einverständnis ausgefüllt. Sollte diese Behauptung des Bekl. richtig sein, so ist der Bürgschaftsvertrag nichtig, weil die Bürgschaftserklärung nicht der Schriftform des § 766 S. 1 BGB genügt (§ 125 S. 1 BGB; BGHZ 132, 119 [122ff.] = NJW 1996, 1467 = LM H. 9/1996 § 765 BGB Nr. 107). Diese Form war nicht entbehrlich; die Bürgschaft war für den Bekl. kein Handelsgeschäft i.S. des § 350 HGB, auch wenn er damals als Handlungsbevollmächtigter die GmbH - anstelle des abberufenen Geschäftsführers - geleitet hat (vgl. BGHZ 121, 224 [228] = NJW 1993, 1126 = LM H. 7/1993 § 766 BGB Nr. 26). Von den erforderlichen Angaben in der Bürgschaftsurkunde fehlte in dem vom Bekl. blanko unterschriebenen Bürgschaftsformular die Bezeichnung des Hauptschuldners. Aus dem Urkundeninhalt ergibt sich kein ausreichender Anhaltspunkt für eine Auslegung, dass die vom Bekl. damals geführte GmbH Hauptschuldnerin sein sollte (vgl. BGH, NJW 1989, 1484 = LM § 766 BGB Nr. 20 = WM 1989, 559 [560]; NJW 1995, 959 = LM H. 6/1995 § 765 BGB Nr. 97 = WM 1995, 331). Dafür bietet auch die formularmäßige Festlegung der verbürgten Hauptschuld keinen hinreichenden Hinweis; die Sicherungsklausel erschöpft sich darin, dass die Bürgschaft für alle bestehenden und künftigen Ansprüche der Kl. aus der Geschäftsverbindung „gegen den Hauptschuldner“ übernommen werden soll.

Fehlt eine nach § 766 S. 1 BGB erforderliche Angabe in der Bürgschaftsurkunde, die nur mit einer Blankounterschrift des Bürgen versehen ist, so kann nach dem - von der früheren Rechtsprechung des BGH abweichenden - Senatsurteil vom 29. 2. 1996 (BGHZ 132, 119 [122ff.] = NJW 1996, 1467 = LM H. 9/1996 § 765 BGB Nr. 107) die Formvorschrift ihren Zweck, das Bürgschaftsrisiko dem Bürgen vor der Bürgschaftserklärung vor Augen zu führen und ihn vor einer übereilten Verpflichtung zu warnen, nur dann in dem notwendigen Maße erfüllen, wenn der Bürge einen anderen schriftlich zur Ergänzung der Urkunde bevollmächtigt oder ermächtigt hat. Dies ist im vorliegenden Falle unstreitig nicht geschehen. Verfassungsrechtliche Gründe stehen einer Rückwirkung der geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung auf die vom Bekl. behauptete Blankobürgschaft nicht entgegen (vgl. BGHZ 132, 119 [129ff.] = NJW 1996, 1467 = LM H. 9/1996 § 765 BGB Nr. 107).

c) Die Erwägungen des BerGer. erübrigen nicht die Beweisaufnahme darüber, ob der Bekl. eine Bürgschaftserklärung erteilt hat, die die Bezeichnung des Hauptschuldners enthielt. Entgegen der Wertung des BerGer. hat der Bekl. nicht vorgetragen, er wisse nicht, wie es zu dem Datum gekommen sei. Vielmehr hat er im Berufungsverfahren behauptet, die Kl. habe auch das Datum des 20. 1. 1992 eingesetzt. Soweit der Bekl. damit sein entsprechendes Vorbringen in den Vorinstanzen geändert haben sollte, kann das BerGer. dies bei der Würdigung eines Beweisergebnisses berücksichtigen (BGH, GRUR 1995, 700 [701]). Er hat auch den Klagevortrag zum Zustandekommen eines Bürgschaftsvertrags nicht mit Nichtwissen bestritten, sondern eine rechtserhebliche Gegendarstellung vorgebracht.

Soweit das BerGer. sich den Ausführungen des LG angeschlossen hat, der Bekl. habe sich in seinem Vorbringen „die zuvor widerrufene Blankobürgschaft noch einmal ausdrücklich zu eigen gemacht“, hat es wohl an eine Genehmigung des Bürgschaftsvertrags gedacht (vgl. §§ 179, 181, 184 BGB). Es kann dahinstehen, ob eine solche Genehmigung rechtswirksam wäre (dafür Keim, NJW 1996, 2274 [2275f.]; dagegen G. Fischer, JuS 1998, 205 [208]). Jedenfalls ist eine solche Wertung des Vortrags des Bekl., der sich in erster Linie auf eine Formunwirksamkeit der Bürgschaft beruft, verfehlt.

d) Die Klärung der Streitfrage, ob der Bekl. der Kl. die vorgelegte Bürgschaftserklärung unter Angabe des Hauptschuldners erteilt hat, ist auch nicht aus anderen Gründen entbehrlich. Die vom Bekl. unterschriebene Urkunde begründet nach § 416 ZPO den vollen Beweis dafür, dass die in ihr enthaltenen Erklärungen vom Bekl. abgegeben worden sind. Dieser hat jedoch mit seiner Behauptung, er habe die Urkunde blanko unterschrieben und diese sei von der Kl. nachträglich zumindest hinsichtlich des Hauptschuldners ohne seinen Willen ergänzt worden, die Echtheit des Urkundentextes bestritten. Diese Echtheit hat grundsätzlich die Kl. zu beweisen, die sich auf die Urkunde beruft (§ 440 I ZPO; vgl. BGHZ 104, 172 [176] = NJW 1988, 2741 = LM § 292 ZPO Nr. 3; BGH, NJW 1986, 3086 = LM § 416 ZPO Nr. 4).

Im vorliegenden Fall begründet § 440 II ZPO keine - vom Bekl. durch Beweis des Gegenteils zu widerlegende (§ 292 ZPO) - Vermutung dafür, dass der über der Unterschrift des Bekl. stehende Urkundentext echt ist, also vom Bekl. stammt oder mit seinem Willen dort steht. Diese Vorschrift gilt auch für eine Blankounterschrift und einen - vom Bekl. behaupteten - Blankettmissbrauch (BGHZ 104, 172 [176] = NJW 1988, 2741 = LM § 292 ZPO Nr. 3; BGH, NJW 1986, 3086 [3087] = LM § 416 ZPO Nr. 4; NJW-RR 1989, 1323). Zwischen den Parteien ist es jedoch unstreitig, dass die vorgelegte Bürgschaftsurkunde hinsichtlich des Hauptschuldners ergänzt worden ist, nachdem die Urkunde vom Bekl. im Dezember 1991 mit seiner Blankounterschrift versehen und diese durch den Widerruf vom 7. 1. 1992 gegenstandslos gemacht worden war. In einem solchen Fall liegt nicht der Rechtsschein vor, der die Vermutung des § 440 II ZPO begründet (vgl. i.d.S. BGH, WM 1965, 1062 [1063]; BayObLG, DNotZ 1985, 220 [222]). Nach dem Vortrag der Kl. hat der Bekl. nicht das frühere, inzwischen gegenstandslose Blankett wiederverwendet, sondern ihr - unter Benutzung und nach Ausfüllung des bereits unterschriebenen Formulars - eine neue Bürgschaftserklärung erteilt. Das hat die Kl. zu beweisen (vgl. BGH, NJW 1995, 2161 [2162] = LM H. 10/1995 § 767 BGB Nr. 28; NJW 1998, 2815 = LM H. 2/1999 § 765 BGB Nr. 128 = WM 1998, 1675 [1676]).

Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung obliegt dem Bekl. nicht die Beweislast, weil die Vertragsurkunde grundsätzlich die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Abreden für sich hat. Diese Vermutung hat derjenige zu widerlegen, der die inhaltliche Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Urkunde behauptet. Darum geht es aber hier nicht. Vielmehr streiten die Parteien darüber, ob zwischen ihnen ein Bürgschaftsvertrag zustande gekommen ist (vgl. BGH, NJW-RR 1989, 1323 [1324]).

e) Sollte die Kl. nicht beweisen können, dass der Bekl. ihr gemäß ihrem Vorbringen bei der Besprechung der Parteien am 20. 1. 1992 eine neue Bürgschaftserklärung erteilt hat, so wird das BerGer. die - bisher im Rechtsstreit nicht erörterte - Frage zu prüfen haben, ob sich der Bekl. ausnahmsweise nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht auf den Formmangel berufen darf (vgl. BGHZ 132, 119 [128f.] = NJW 1996, 1467 = LM H. 9/1996 § 765 BGB Nr. 107 m.w. Nachw.).

III. 1. Sollte der Bekl. eine formwirksame Bürgschaft übernommen haben oder trotz Formunwirksamkeit an seine Bürgschaftserklärung nach Treu und Glauben gebunden sein, so verstößt der Bürgschaftsvertrag entgegen der Ansicht der Revision nicht gegen die guten Sitten (§ 138 I BGB).

Das BerGer. hat angenommen, die Bürgenhaftung habe den Bekl. mit Rücksicht auf sein Einkommen ungewöhnlich stark belastet. Dennoch fehle ein strukturelles Ungleichgewicht im Sinne ungleicher Verhandlungsstärke, weil der Bekl. als Handlungsbevollmächtigter die Hauptschuldnerin seit der Abberufung des Geschäftsführers am 29. 1. 1991 verantwortlich geführt habe und für ihn als Geschäftsmann das persönliche Bürgschaftsrisiko erkennbar gewesen sei.

Ein Bürgschaftsvertrag ist grundsätzlich dann gem. § 138 I BGB nichtig, wenn der Bürge sich in einem Umfang verpflichtet, der seine gegenwärtigen und künftig zu erwartenden Vermögensverhältnisse übersteigt, und durch weitere, dem Gläubiger zurechenbare Umstände - insbesondere durch Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit - zusätzlich so erheblich belastet wird, dass ein unerträgliches Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern hervorgerufen wird (BGHZ 132, 328 [329f.] = NJW 1996, 2088 = LM H. 9/1996 § 765 BGB Nr. 108; BGHZ 136, 347 [350f.] = NJW 1997, 3372 = LM H. 5/1998 § 765 BGB Nr. 120; BGHZ 137, 329 [332f.] = NJW 1998, 597 = LM H. 5/1998 § 765 BGB Nr. 121). Ist Hauptschuldnerin eine Gesellschaft, die aus wirtschaftlicher Sicht einem Angehörigen des Bürgen gehört, so kann dieser sich in einer für Verwandten- oder Ehegattenbürgschaften typischen Konfliktlage befinden (BGHZ 137, 329 [336] = NJW 1998, 597 = LM H. 5/1998 § 765 BGB Nr. 121). Bürgen Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter für Verbindlichkeiten „ihrer“ Gesellschaft, so wird die Bürgschaft in der Regel nicht sittenwidrig sein, weil ein solcher Bürge die Entstehung von Gesellschaftsschulden beeinflussen kann (BGH, NJW 1996, 1341 = LM H. 6/1996 § 765 BGB Nr. 106 = WM 1996, 588 [592]).

a) Die Bürgschaft mag den Bekl. im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses ungewöhnlich stark belastet haben. Nach eigenem Vorbringen konnte der Bekl. aber für einen erheblichen Teil der Kredite von insgesamt 270000 DM, die er für die GmbH zu einem Zinssatz von 13,5% jährlich aufgenommen hat, einstehen.

Nach seinem Vortrag hat er der Kl. bei den Vertragsverhandlungen eine Selbstauskunft erteilt, aus der sich monatliche Einkünfte von 6900 DM, ein Barvermögen von 8000 DM, der Rückkaufswert einer Versicherung von 16000 DM sowie an Verbindlichkeiten ein Ratenkredit von 50000 DM und ein Darlehen von 50000 DM für den Kauf des Pkw ergaben. Vom pfändungsfreien Teil seines monatlichen Einkommens konnte er über die monatlichen Kreditzinsen hinaus noch erhebliche Tilgungsleistungen erbringen.

b) Umstände, die den Bürgen bei Vertragsschluss zusätzlich belastet haben und der Kl. als Gläubigerin zuzurechnen sind, hat das BerGer. nicht festgestellt. Der Bekl. hat nicht geltend gemacht, eine emotionale Bindung an seinen Vater, der Gesellschafter der Hauptschuldnerin war, habe ihn unabhängig von wirtschaftlichen Überlegungen zur Bürgschaftsübernahme veranlasst. Vielmehr hat den Bekl. dazu unstreitig ein besonderes Interesse an dem gewinnversprechenden Projekt „B“ verleitet.

Die Revision macht geltend, der Bekl., der bei der GmbH monatlich 5000 DM netto verdiente, habe mit der Aufnahme der verbürgten Kredite für die Gesellschaft seinen Arbeitsplatz sichern wollen. Insoweit kann dem Bekl. aber keine ausweglose Zwangslage bei Vertragsschluss zugebilligt werden. Es war damals die freie Entscheidung des geschäftserfahrenen Bekl., ob er als derjenige, der die Geschäfte der Gesellschaft anstelle eines Geschäftsführers leitete, mit von ihm verbürgten Krediten die GmbH und damit seinen Arbeitsplatz, möglicherweise - wie geschehen - nur kurzfristig, festigte oder ob er das damit für ihn verbundene Risiko nicht übernahm.

2. Vergeblich wendet sich die Revision auch gegen die Ansicht des BerGer., die formularmäßige Globalbürgschaft sei nicht nach §§ 3, 9 AGBG unwirksam.

Dazu hat das BerGer. ausgeführt: Im vorliegenden Fall sei die weite Zweckerklärung in der Bürgschaftsurkunde nicht unwirksam, weil sich derjenige verbürgt habe, der wie ein Geschäftsführer die Geschäfte der Hauptschuldnerin geführt habe. Der Bekl. habe Einfluss auf Art und Höhe der Kreditverbindlichkeiten der Hauptschuldnerin gehabt. Er habe die Entwicklung der Hauptschuld gekannt und hätte deswegen die Bürgschaft rechtzeitig kündigen können, wenn er eine Ausdehnung des Bürgschaftsrisikos hätte vermeiden wollen. Da der Bekl. die Lage kontrolliert und beherrscht habe, sei er einem Geschäftsführer gleichzustellen.

a) Dagegen macht die Revision zunächst geltend, die umfassende Sicherungsklausel sei nach § 3 AGBG nicht Vertragsbestandteil geworden. Bei Bürgschaftsübernahme hätten die Kreditverbindlichkeiten der Hauptschuldnerin nur 70000 DM und der verhandelte Kreditrahmen 100000 DM zur Überbrückung eines Liquiditätsengpasses betragen. Der Bekl. sei wie ein Kommanditist insoweit schutzbedürftig, weil er damals als Handlungsbevollmächtigter nicht habe erwarten können, künftig Art und Höhe der Verbindlichkeiten der GmbH beeinflussen zu können. Dieser Ansicht kann nicht zugestimmt werden.

Nach § 3 AGBG werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Überraschend in diesem Sinne ist eine solche Regelung dann, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht (BGHZ 130, 19 [24ff.] = NJW 1995, 2553 = LM H. 11/1995 § 765 BGB Nrn. 99-101 m.w. Nachw.). Bürgt ein Geschäftsführer, Allein- oder Mehrheitsgesellschafter, der Art und Höhe der Verbindlichkeiten „seiner“ Gesellschaft beeinflussen kann, für deren Schulden, so wird er in der Regel durch eine umfassende formularmäßige Zweckerklärung seiner Bürgschaft nicht überrascht (BGHZ 130, 19 [30] = NJW 1995, 2553 = LM H. 11/1995 § 765 BGB Nrn. 99-101).

Unstreitig ist die vorgelegte Bürgschaftsurkunde erst nach dem Widerruf der Blankobürgschaft am 7. 1. 1992 vervollständigt worden. Nach eigenem Vorbringen hat der Bekl. in der Folgezeit bis zum 16. 1. 1992 mehrmals mit der Kl. über einen Kredit zur Fortführung des Projekts „B“ verhandelt, wobei „ein Kreditvolumen von 250000 DM … avisiert“ worden sei; darauf bezieht sich das Schreiben der Kl. an den Bekl. vom 16. 1. 1992 über „weitere Inanspruchnahmen für das Projekt B“, die unter anderem von einer unbegrenzten Bürgschaft des Bekl. abhängig gemacht worden ist. Danach ging es zu diesem Zeitpunkt nicht nur um einen Kreditrahmen von 100000 DM zur Verbesserung der Liquidität. Vielmehr sind damals nach dem Vorbringen des Bekl. künftige, von ihm zu verbürgende Kredite der Kl. an die GmbH, die am 9. 3. 1992 eingeräumt worden sind, nach ihrem Grund und ihrem wesentlichen Umfang ausreichend umrissen worden.

Der Bekl. ist auch durch die weitere Entwicklung nicht überrascht worden. Nach dem vorinstanzlichen Vorbringen der Parteien hat er als Handlungsbevollmächtigter (§ 54 HGB) - anders als ein Kommanditist (vgl. § 170 HGB; BGHZ 130, 19 [30] = NJW 1995, 2553 = LM H. 11/1995 § 765 BGB Nrn. 99-101) - gleichsam wie ein Alleingeschäftsführer mit Zustimmung der Gesellschafter (vgl. dazu BGH, WM 1969, 43; WM 1978, 1046 [1047]) die Geschäfte der GmbH geführt und diese vertreten; dementsprechend hat er auch den Kreditvertrag vom 9. 3. 1992 für die GmbH mit der Kl. geschlossen. Soweit die Revision erstmals in der Revisionsverhandlung geltend gemacht hat, dem Bekl. habe gem. § 54 II HGB die Befugnis zur Kreditaufnahme gefehlt, können die Parteien dies im weiteren Berufungsverfahren klarstellen.

Falls der Bekl. dennoch behaupten will, die umfassende Zweckerklärung der Bürgschaft gehe über das Ergebnis seiner Verhandlungen mit der Kl. hinaus, hat er dafür keinen Beweis angetreten, obwohl er insoweit die Beweislast trägt (vgl. BGH, NJW 1995, 1674 = LM H. 9/1995 § 1191 BGB Nr. 55 = WM 1995, 790 [791]).

b) Entgegen der Ansicht der Revision ist die formularmäßige Erstreckung der Bürgenhaftung auf die beiden geltend gemachten Verbindlichkeiten aus dem Kreditvertrag vom 9. 3. 1992 nicht nach § 9 AGBG unwirksam. Im vorliegenden Falle entfällt eine unangemessene Benachteiligung schon deswegen, weil der Bekl. aufgrund seiner Verhandlungen mit der Kl. Art und Umfang der von ihm verbürgten künftigen Kredite kannte (vgl. BGH, NJW 1998, 2815 = LM H. 2/1999 § 765 BGB Nr. 128 = WM 1998, 1675).

Außerdem wird der Bekl. durch die umfassende Zweckerklärung seiner formularmäßigen Bürgschaft nicht in seinen schutzwürdigen Belangen unbillig beeinträchtigt, weil er als Handlungsbevollmächtigter anstelle eines Geschäftsführers die GmbH tatsächlich geleitet und vertreten hat. Dementsprechend hat er den Kreditvertrag für die Gesellschaft mit der Kl. geschlossen, aus dem die beiden verbürgten Verbindlichkeiten stammen. Geschäftsführer einer GmbH sind - ebenso wie deren Allein- oder Mehrheitsgesellschafter - insoweit nicht schutzwürdig, weil sie regelmäßig Art und Höhe der von ihnen verbürgten Gesellschaftsverbindlichkeiten beeinflussen und eine Ausdehnung ihres Bürgschaftsrisikos vermeiden können, indem sie vor der Entstehung neuer Gesellschaftsschulden ihre Bürgschaft rechtzeitig kündigen (BGHZ 130, 19 [30] = NJW 1995, 2553 = LM H. 11/1995 § 765 BGB Nrn. 99-101; BGHZ 132, 6 [9] = NJW 1996, 924 = LM H. 6/1996 § 765 BGB Nr. 105; BGH, NJW 1996, 3205; NJW 1998, 894 = LM H. 5/1998 § 138 [Bb] BGB Nr. 84 = WM 1998, 235, insoweit nicht abgedr. in BGHZ 137, 292; NJW 1999, 3195 = WM 1999, 1761). Maßgeblich ist, dass der Bekl. die tatsächliche Entscheidungsbefugnis hatte, obwohl er nicht die rechtliche Stellung eines Geschäftsführers besaß. Er hätte die Inanspruchnahme aus seiner Bürgschaft verhindern können, wenn er den Kreditvertrag nicht abgeschlossen oder vor der Kreditaufnahme seine Bürgschaft gekündigt hätte.

Vorinstanzen

BGB §§ 138, 765; ZPO § 440 II; AGBG §§ 3, 9

Rechtsgebiete

Bürgschafts- und Darlehensrecht