Ruhen des Arbeitslosengeldes und Gleichwohlgewährung

Gericht

BSG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

11. 06. 1987


Aktenzeichen

7 RAr 16/86


Leitsatz des Gerichts

  1. Eine durch Bezug von Arbeitslosengeld gem. § 117 IV AFG eingetretene Minderung der Anspruchsdauer entfällt nicht deshalb, weil die Bundesanstalt für Arbeit den auf sie übergegangenen Anspruch des Leistungsbeziehers auf Arbeitsentgelt trotz Erfolgsaussicht nicht beitreibt (Fortführung von BSG, SozR 4100 § 117 Nr. 16).

  2. Aus einem während des Bezuges von Arbeitslosengeld gem. § 117 IV AFG fortbestehenden Arbeitsverhältnis kann eine (neue) Anwartschaft auf Arbeitslosengeld entstehen (Anschluß an BSGE 59, 183 = SozR 4100 § 168 Nr. 19).

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Strittig ist noch die Zahlung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 2. bis 31. 12. 1981 anstatt der dem Kl. gewährten Arbeitslosenhilfe. Antragsgemäß gewährte die Bekl. dem Kl. ab 1. 7. 1980 Arbeitslosengeld für 312 Tage, nachdem ihm sein letzter Arbeitgeber zum 30. 6. 1980 gekündigt hatte. Nachdem die Bekl. dem Kl. für 312 Wochentage Arbeitslosengeld ausgezahlt hatte, bewilligte sie ab 2. 9. 1981 Arbeitslosenhilfe. Diese Bewilligung wurde mit Wirkung vom 29. 1. 1982 aufgehoben, als eine schon sechs Wochen andauernde Arbeitsunfähigkeit weiter anhielt. Auf entsprechende Klage stellte das ArbG rechtskräftig fest, daß das letzte Arbeitsverhältnis des Kl. nicht durch zwei im April 1980 ausgesprochene Kündigungen aufgelöst worden ist. In einem weiteren Arbeitsgerichtsprozeß stellte das LAG durch rechtskräftiges Urteil fest, daß das Arbeitsverhältnis durch eine im September 1980 ausgesprochene fristlose Kündigung nicht beendet worden ist, löste indes das Arbeitsverhältnis selbst zum 31. 12. 1980 auf und verurteilte den Arbeitgeber, neben einer Abfindung von 15000 DM dem Kl. für die Zeit vom 1. 7. bis 31. 12. 1980 Restgehalt von 20638 DM abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeld von 8895,40 DM zu zahlen. Der Kl. hat dieses Urteil mit Erfolg 1981 vollstreckt. Im Mai 1982 beantragte der Kl., ihm die Differenz zwischen Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 1. 9. bis 31. 12. 1981 auszuzahlen. Er begründete dies damit, daß ihm Arbeitslosengeld für das ganze Jahr 1981 zugestanden habe, da das Arbeitsverhältnis erst zum 31. 12. 1980 aufgelöst sei, er indes nur bis zum 1. 9. 1981 Arbeitslosengeld erhalten habe. Die Bekl. lehnte den Antrag ab.

Die Klage, mit der der Kl. auch geltend machte, es sei nicht ihm anzulasten, wenn die Bekl. den auf sie übergegangenen Anspruch gegen den Arbeitgeber nicht mit dem erforderlichen Nachdruck verfolgt habe, blieb ohne Erfolg. Die vom SG zugelassene Berufung des Kl. hat das LSG zurückgewiesen. Die Bekl. hat während des Revisionsverfahrens den Klaganspruch auf Gewährung der Differenz zwischen beanspruchten Arbeitslosengeld und gezahlter Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 2. 9. bis 1. 12. 1981 anerkannt. Die Revision des Kl. wies das BSG als unbegründet zurück.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

... II. ... Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld, den der Kl. zum 1. 7. 1980 erworben hat, auch durch die 148 Tage des Bezugs in der Zeit bis zum 19. 12. 1980 gemindert worden ist, in der das Arbeitsverhältnis nach dem Urteil des LAG Bestand gehabt hat; denn die Dauer des Anspruchs mindert sich um jeden Tag, für den der Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt worden ist (§ 110 I Nr. 1 AFG). Erfüllt wird ein Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn die Bekl. dem Empfänger Arbeitslosengeld zahlt und dieser für die Tage des Bezuges nach materiellem Recht einen Arbeitslosengeld-Anspruch erworben hat. Letzteres ist für die hier strittige Bezugszeit im Jahre 1980 der Fall gewesen. Die Auffassung der Revision, der Kl. habe, da das Arbeitsverhältnis bis zum 31. 12. 1980 Bestand gehabt habe, einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erst für die Zeit nach dem 31. 12. 1980 erwerben können, ist unrichtig.

Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt hat (§ 100 I AFG). Der Kl. erfüllte alle diese Voraussetzungen ab 1. 7. 1980, insbesondere war er arbeitslos und verfügbar.

Arbeitslos i. S. des AFG ist nach § 101 I 1 AFG ein Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder nur eine kurzzeitige Beschäftigung ausübt. Nach der Rechtsprechung des Senats steht ein Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift schon dann nicht in einem Beschäftigungsverhältnis, wenn das bisherige Beschäftigungsverhältnis sein tatsächliches Ende gefunden hat und eine neue Beschäftigung noch nicht wieder aufgenommen worden ist. Der Senat hat angenommen, daß ein Beschäftigungsverhältnis i. S. des § 101 I 1 AFG endet, wenn der Arbeitgeber eine Verfügungsgewalt über den Arbeitnehmer nicht mehr beansprucht, und daß infolgedessen ein Arbeitnehmer regelmäßig von dem Zeitpunkt an arbeitslos ist, zu dem der Arbeitgeber aufgrund einer von ihm ausgesprochenen Kündigung das Arbeitsverhältnis als beendet ansieht und weitere Dienste nicht annimmt, auch wenn das Arbeitsverhältnis rechtlich weiterbesteht (BSG, USK 79268; Dienstblatt - DBl - R der Bundesanstalt f. Arbeit Nr. 2755a zu § 125 AFG). Diese Rechtsprechung sichert in derartigen Fällen die alsbaldige Zahlung von Arbeitslosengeld (oder Arbeitslosenhilfe) an den plötzlich ohne Arbeitseinkommen dastehenden Arbeitnehmer und ist durch die Regelung des § 117 AFG geboten. In dieser Vorschrift geht das Gesetz nämlich davon aus, daß ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für eine Zeit bestehen kann, für die der Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitsentgelt hat (§ 117 I AFG); es sieht die Gewährung von Arbeitslosengeld auch für diese Zeiten vor, soweit der Arbeitslose das Arbeitsentgelt tatsächlich nicht erhält (§ 117 IV AFG). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest (vgl. BSG, SozR 4100 § 117 Nr. 16, und NZA 1988, 333 (in diesem Heft)).

Auch die Anspruchsvoraussetzung der Verfügbarkeit ist in Fällen vorliegender Art nicht zweifelhaft. (Wird ausgeführt.)

Der Gewährung des Arbeitslosengeldes ab 1. 7. 1980 stand schließlich nicht entgegen, daß an sich nach § 117 I AFG der Anspruch ruhte, da der Kl. für den Zeitraum vom 1. 7. bis 31. 12. 1980 Anspruch auf Arbeitsentgelt wegen des Fortbestehens seines Arbeitsverhältnisses hatte; denn die Bekl. war gem. § 117 IV 1 AFG gleichwohl zur Leistung verflichtet, da der Kl. das ihm zustehende Arbeitsentgelt tatsächlich nicht erhielt. Auch Tage, für die der Anspruch auf Arbeitslosengeld gem. § 117 IV 1 AFG erfüllt wird, mindern die Dauer des Anspruchs. Die Bekl. tritt zwar bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gewissermaßen in Vorleistung für den Arbeitgeber ein, dennoch zahlt sie kein Arbeitsentgelt, sondern Arbeitslosengeld aus der Arbeitslosenversicherung. Die Vorschrift des § 117 IV 1 AFG begründet keinen eigenen, mit dem regulären Arbeitslosengeld-Anspruch nicht identischen Anspruch, wie der Senat (BSG, SozR 4100 § 117 Nr. 16) schon entschieden hat, sondern lediglich eine Ausnahme von § 117 I bis II AFG. Sie verlegt zugunsten des Arbeitslosen, dessen Ansprüche auf Arbeitsentgelt. Abfindungen, Entschädigungen oder ähnliche mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zusammenhängende Leistungen vom Arbeitgeber nicht erfüllt werden, den Zeitpunkt, von dem an der Anspruch auf Arbeitslosengeld zu erfüllen ist, vor, indem sie die Gewährung anordnet und damit den Anspruch auf Arbeitslosengeld insoweit von dem Ruhen ausnimmt, das andernfalls nach § 117 I bis II AFG eingetreten wäre. Der Arbeitslose wird hierdurch so behandelt, als wenn er keine Entgeltsansprüche hätte, er wird vor den Nachteilen der gleichzeitigen Vorenthaltung von Arbeitslosengeld und Arbeitsentgelt für diese Zeit geschützt. Das Arbeitslosengeld, das dem Arbeitslosen hiernach gewährt wird, ist daher nach Grund, Dauer und Höhe der Leistung kein anderes Arbeitslosengeld als das, auf das der Arbeitslose nach den §§ 100 ff. AFG Anspruch hat und das an sich nach § 117 I bis II AFG ruht. Der Arbeitslose erhält in den Fällen des § 117 IV 1 AFG das ihm aufgrund seiner Anwartschaft zustehende Arbeitslosengeld in der Zeit, für die er das ihm an sich zustehende Arbeitsentgelt nicht erlangt, vorweg. Das Arbeitslosengeld wird nicht vorbehaltlich der Arbeitsentgeltzahlung, sondern endgültig gewährt und die Gewährung bleibt rechtmäßig, auch wenn der Empfänger des Arbeitslosengeldes später das Arbeitsentgelt oder eine nach § 117 AFG an sich zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führende Leistung erhält; denn die Zahlung des Arbeitgebers wirkt nicht auf die Zeit der Gleichwohlleistung zurück. Das Gesetz sieht nicht vor, daß die Arbeitslosen-Bewilligung rückwirkend aufzuheben ist, sobald sich herausstellt, daß das Arbeitsverhältnis über den Tag hinaus, von dem an nach § 117 IV 1 AFG Arbeitslosengeld gewährt worden ist, Bestand gehabt hat. Auch für den Fall ist eine Rückabwicklung des Leistungsfalles, insbesondere die rückwirkende Aufhebung der Arbeitslosen-Bewilligung, nicht vorgesehen, daß der Arbeitgeber der Bekl. die Aufwendungen für den Versicherungsfall ersetzt hat. Selbst wenn die Bekl. vom Arbeitslosen-Empfänger das Arbeitslosengeld erstattet verlangt, weil das Arbeitsentgelt trotz des Übergangs des Anspruchs auf die Bekl. an den Arbeitslosen gelangt ist, setzt dies nicht die Aufhebung der Arbeitslosengeld-Bewilligung voraus, wie der Senat schon zu § 152 II AFG (in der ursprünglichen, bis zum 31. 12. 1980 geltenden Fassung des Gesetzes) entschieden hat (Dienstblatt R der Bundesanstalt f. Arbeit Nr. 2360a zu § 152 AFG). Nach der Rechtsprechung des Senats hat daher auch der in Anwendung des § 117 IV 1 AFG entstandene Anspruch auf Arbeitslosengeld zur Folge, daß im Falle einer neuen Arbeitslosigkeit eine neue Rahmenfrist gem. § 104 III AFG nicht in die vorangegangene Rahmenfrist hineinreicht, in der der Arbeitslose die zur Gleichwohlgewährung führende Anwartschaft erfüllt hatte. Bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft bleiben infolgedessen sowohl die Dauer des bisherigen Anspruchs als auch das Arbeitsentgelt, das der Bemessung des bisherigen Anspruchs zugrundezulegen war, maßgebend (vgl. dazu Senat, USK 79268, und NZA 1988, 333 (in diesem Heft)).

Der hieraus zu ziehenden Folgerung, daß die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld grundsätzlich auch um die Tage der Gleichwohlgewährung gem. § 110 I Nr. 1 AFG gemindert wird, steht nicht entgegen, daß der Anspruch auf Arbeitsentgelt in Höhe des Arbeitslosengeldes auf die Bekl. übergeht (§ 117 IV 2 und 3 AFG in der bis zum 30. 6. 1983 geltenden ursprünglichen Fassung des Geseztes, seitdem § 117 IV 1 AFG, § 115 SGB X). Der Übergang des Anspruchs auf Arbeitsentgelt auf die Arbeitslosenversicherung ist keine Besonderheit der Gleichwohlgewährung, sondern Ausfluß des auch in der Arbeitslosenversicherung geltenden allgemeinen Prinzips der Schadensversicherung, die Aufwendungen der Versicherung auf den beim Versicherten eingetretenen versicherten Schaden zu begrenzen, indem Ansprüche des Versicherten, die das versicherte Risiko betreffen, in Höhe der Versicherungsleistung auf die Versicherung übergehen,(vgl. § 127 AFG, § 116 SGB X). Angesichts des allgemeinen Prinzips, die Aufwendungen der Versicherung auf den eingetretenen Schaden zu begrenzen, ist die Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld durch Bezug jedenfalls solange nicht unbillig, als die auf die Bekl. übergegangenen Ansprüche sich nicht haben realisieren lassen. Solange die Bekl. keinen Ersatz erlangt, die Versicherungsleistung Arbeitslosengeld aber nur bis zur jeweiligen Dauer des Anspruchs zu erbringen ist, muß daher jeder rechtmäßige Arbeitslosengeld-Bezug die Anspruchsdauer mindern, auch der Gleichwohlbezug (BSG, SozR 4100 § 117 Nr. 16).

Allerdings erscheint es unbillig, wenn der Anspruch auf Arbeitslosengeld um die Tage des Bezuges gemindert bleibt, auch wenn die Bekl. für ihre Aufwendungen Ersatz erlangt. Der Gesetzgeber hat zwar keine Regelung für diese Fallgestaltung getroffen; es ist indes allgemein anerkannt und wird auch von der Bekl. so gehandhabt, wie der Senat (BSG, SozR 4100 § 117 Nr. 16) dargestellt hat, daß von dem Zeitpunkt an, zu dem der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt in Höhe des Arbeitslosengeldes an die Bundesanstalt zahlt, der Arbeitnehmer das empfangende Arbeitslosengeld erstattet oder ein zum Schadensersatz Verpflichteter die Bundesanstalt entschädigt, eine eingetretene Minderung der Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld entfällt. Eine solche "Gutschrift" hat im vorliegenden Falle allerdings nicht stattzufinden, da es zu keinerlei Zahlungen des Arbeitgebers gekommen ist, noch anderweit Aufwendungen der Bekl. für den 1980 eingetretenen Versicherungsfall ersetzt worden sind.

Aus dieser auf Billigkeitserwägungen beruhenden Praxis kann indesse entgegen der Auffassung der Revision nicht gefolgert werden, daß die eingetretene Minderung der Dauer des Anspruchs schon dann entfällt, wenn die Bekl. den auf sie übergegangenen Anspruch des Arbeitslosen nicht beitreibt, obwohl dies möglich gewesen wäre. Es besteht nämlich keine Verpflichtung der Bekl. gegenüber dem Arbeitslosen, die auf sie übergegangenen Ansprüche beizutreiben. Eine solche Verpflichtung ist nicht ausdrücklich normiert. Daß die Bekl. nach den für sie geltenden Vorschriften der Haushaltswirtschaft über die Einziehung von Forderungen gehalten ist, die auf sie übergangenen Ansprüche auf Arbeitsentgelt geltend zu machen, vermag einen subjektiven Anspruch des Arbeitslosen auf Beitreibung nicht zu begründen. Eine solche Verpflichtung läßt sich auch nicht aus dem Gesetzeszweck des AFG ableiten. Mit der Erbringung des Arbeitslosengeldes hat die Bekl. die ihr gegenüber dem Versicherten auferlegte Pflicht aus der Arbeitslosenversicherung erfüllt. Wie erwähnt, entspricht § 117 IV 2 AFG a. F. = § 117 IV 1 AFG, § 115 SGB X einem allgemeinen, auch in § 127 AFG, § 116 SGB X zum Ausdruck gekommenen Prinzip der Schadensversicherung, die Aufwendungen der Versicherung auf den beim Verrsicherten eingetretenen versicherten Schaden zu begrenzen. Es soll bewirkt werden, daß der Arbeitslose durch Arbeitslosengeld und Arbeitslosenentgelt nicht mehr erhält, als er ohne Eintritt des Versicherungsfalles als Arbeitsentgelt erhalten hätte. Die Versicherungsleistung wird hierdurch auf den eingetretenen Schaden in gleicher Weise begrenzt, wie dies § 67 VVG für die private Schadensversicherung vorsieht. Der Übergang erfolgt also im Interesse der Versicherung und nicht zu dem Zweck, daß diese die Interessen des Arbeitnehmers wahrt. Hätte der Gesetzgeber die Bekl. über die Erbringung der Versicherungsleistung hinaus gegenüber dem Versicherten verpflichten wollen, die auf die Arbeitslosenversicherung übergegangenen Ansprüche möglichst umgehend zugunsten des Arbeitslosen zu realisieren, hätte es nahegelegen, daß er eine entsprechende Regelung getroffen hätte. Es handelt sich um eine vielschichtige Materie, bei der die Interessen der Arbeitslosenversicherung und des einzelnen Arbeitslosen auseinandergehen. So hat die Bundesanstalt ein Intersse daran, daß Beitreibungsmaßnahmen nicht dazu führen, daß der Arbeitgeber zahlungsunfähig wird und hierdurch Arbeitsplätze vernichtet werden. Der Versicherte selbst hat in den Fällen, in denen die Beitreibung der Forderung auf Schwierigkeiten stößt, ein Intersse daran, daß ihm die Bekl. nicht zuvorkommt, wenn er den Arbeitsentgeltanspruch, der ihm verblieben ist, vollstrecken will. Schließlich muß auch beachtet werden, daß der Arbeitslose erst durch seinen Antrag auf Arbeitslosengeld bewirkt, daß es zum Verbrauch seines Anspruchs und zu dem gesetzlichen Forderungsübergang kommt. Der Arbeitslose, der die Vermögenslage seines Arbeitgebers in vielen Fällen besser einschätzen kann als die Bekl. hat es im übrigen in der Hand, ob er zunächst seinen Anspruch gegen den Arbeitgeber geltend macht, bevor er seine Rechte aus der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt. Er kann daher aus Billigkeitsgründen nur verlangen, daß nachträglich bei der Minderung der Dauer des Anspruchs berücksichtigt wird, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt in Höhe des Arbeitslosengeldes an die Bekl. gezahlt hat. Weitergehende Ansprüche kann er diesbezüglich gegen die Bekl. grundsätzlich nicht geltend machen. Der Auffassung, die Gleichwohlgewährung sei auf die Dauer des Anspruchs nicht anzurechnen, wenn die Bekl. die übergegangenen Ansprüche nicht mit der notwendigen Sorgfalt geltend macht und die Geltendmachung deshalb scheitert (so Gagel, AFG, Stand: Januar 1986, § 117 Rdnr. 203), ist daher nicht zu folgen. Es kommt deshalb nicht darauf an, worauf zurückzuführen ist, daß die Bekl. bislang vom früheren Arbeitgeber des Kl. nichts erlangt hat. Was zu gelten hat, wenn in Schädigungsabsicht eine mögliche Beitreibung unterbleibt, ist hier nicht zu entscheiden; denn für eine solche Fallgestaltung fehlt jeglicher Anhaltspunkt.

Hiernach bleibt die Dauer des 1980 erworbenen Anspruchs auf Arbeitslosengeld von 312 Tagen um die Bezugstage bis zum 19. 12. 1980 mit der Folge gemindert, daß die Dauer des Anspruchs nach dem 31. 12. 1980 nur noch 164 Tage betrug.

Zutreffend hat die Bekl. im Revisionsverfahren eingeräumt, daß der Kl. 1981 erneut einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben hat. Das läßt sich allerdings nicht damit begründen, daß im Falle der Gleichwohlgewährung eine Neubestimmung der Leistungsvoraussetzungen zu erfolgen hätte, wenn sich herausstellt, daß das Arbeitsverhältnis über den Eintritt der faktischen Arbeitslosigkeit hinaus Bestand gehabt hat. Für eine Rückabwicklung fehlt es, wie erwähtn, an jeglicher gesetzlicher Grundlage. Insbesondere dann, wenn der Arbeitslose Arbeitslosengeld bezogen und dieses weder vom Arbeitgeber noch vom Arbeitslosen erstattet worden ist, wie das hier der Fall ist, würde eine Neubestimmung der Leistungsvoraussetzungen dazu führen können, daß dem Arbeitslosen Arbeitslosengeld für eine längere Dauer gewährt würde, als dies gesetzlich vorgesehen ist.

Indessen hat der Kl. 1981 durch Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen der §§ 100 ff. AFG, insbesondere der Anwartschaftszeit, einen neuen Anspruch erworben.

Nach § 104 I 1 AFG (in der bis zum 31. 12. 1981 geltenden Fassung) hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist 180 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) gestanden hat. Die Rahmenfrist geht dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit unmittelbar voraus, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt sind oder, was hier nicht einschlägig ist, nach § 105 AFG als erfüllt gelten (§ 104 II AFG). Die Rahmenfrist beträgt an sich drei Jahre. Sie reicht jedoch nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte (§ 104 III AFG). Da diese Vorschrift auch im Falle eines Anspruchs gilt, der in Anwendung des § 117 IV 1 AFG entstanden ist (vgl. Senat, NZA 1988, 333 (in diesem Heft) begann eine neue Rahmenfrist am 1. 7. 1980; denn für den Anspruch auf Arbeitslosengeld von diesem Tage ab reichte die Rahmenfrist bis zum 30. 6. 1980. In der Zeit vom 1. 7. bis 31. 12. 1981, in der das Arbeitsverhältnis nach der Entscheidung des LAG weiterbestand, hat der Kl. 180 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) zurückgelegt.

Daß der Kl. in der gleichen Zeit Arbeitslosengeld bezogen hat, steht der gleichzeitigen Zurücklegung einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung i. S. der §§ 104, 168 I 1 AFG nicht entgegen. Bei einer Gewährung von Arbeitslosengeld nach § 117 IV 1 AFG geht nämlich das Gesetz nicht nur vom Fortbestand des Anspruchs auf Arbeitsentgelt und damit des Arbeitsverhältnisses, sondern grundsätzlich auch von der Fortdauer des versicherungs- und beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses aus (BSGE 59, 183 (186) = SozR 4100 § 168 Nr. 19).

Es kann dahingestellt bleiben, zu welchem nach dem 31. 12. 1980 liegenden Zeitpunkt alle weiteren Anspruchsvoraussetzungen für den neuen Anspruch erfüllt waren. Nach § 106 I 2 Nr. 1 AFG (in der bis zum 31. 12. 1981 geltenden Fassung) begründeten Beschäftigungszeiten von insgesamt mindestens 180 Kalendertagen eine Anspruchsdauer von 78 Tagen. Waren die weiteren Anspruchsvoraussetzungen für den neuen Anspruch erst erfüllt, nachdem der erste Anspruch auf Arbeitslosengeld mit der Dauer von 312 Tagen am 1. 9. 1981 erschöpft war, blieb er bei der Dauer des neuen Anspruchs von 78 Tagen; diese waren dann am 1. 12. 1981 erschöpft. Waren die Anspruchsvoraussetzungen für den neuen Anspruch dagegen schon zu einem früheren Zeitpunkt erfüllt, als die Dauer des alten Anspruchs noch nicht erschöpft war, hatte die Entstehung des neuen Anspruchs zwar das Erlöschen des alten Anspruchs zur Folge (§ 125 I AFG); indessen hat sich in diesem Falle die Dauer des neuen Anspruchs von 78 Tagen um die verbliebene Dauer des erhobenen Anspruchs erhöht (§ 106 II AFG). Hat der Kl. daher, wie die Bekl. angenommen hat, den neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld schon am 23. 2. 1981 erworben, als er sich nach einem zweimonatigen Krankengeldbezug wieder arbeitslos meldete, hätte ihm von da ab ein Anspruch mit einer Dauer von 242 Tagen (78 Tagen und 164 Tage Restdauer) zugestanden, der ebenfalls am 1. 12. 1981 erschöpft gewesen wäre. Hiernach steht dem Kl. Arbeitslosengeld in jedem Falle nur bis zum 1. 12. 1981 zu. Die Revision, die nach der Teilerledigung des Rechtsstreits infolge angenommenen Anerkenntnisses während des Revisionsverfahrens (§ 101 II SGG) noch Arbeitslosengeld für die Zeit nach dem 1. 12. 1981 begehrt, muß daher ohne Erfolg bleiben.

Vorinstanzen

LSG Nordrhein-Westfalen, L 12 Ar 166/83, 13.11.1985

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht; Sozialrecht

Normen

AFG §§ 101, 103, 110, 117, 127; SGB X §§ 115, 116