Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen Urlaubsabgeltung

Gericht

LSG RhPf.


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

16. 03. 2000


Aktenzeichen

L 1 AL 118/99


Leitsatz des Gerichts

Zahlt ein Arbeitgeber Schadensersatz für durch Verzug untergegangene Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers, führt dies nach Sinn und Zweck des § 117 I, II AFG (nunmehr § 143 I, II SGB III) zu einem Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Urlaubstage, für die Schadensersatz zu leisten war.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Mit ihrer Berufung wendet sich die Bekl. gegen die Aufhebung ihres Erstattungsbescheides, mit dem sie Zahlung in Höhe von 2080,80 DM verlangt hat.

Der 1942 geborene Kl. war Abteilungsleiter bei den US-Streitkräften in Deutschland. Am 29. 6. 1995 schlossen die Arbeitsvertragsparteien einen Aufhebungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis zum 31. 1. 1996 unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist endete. Der Kl. erhielt eine Abfindung in Höhe von 251338,- DM und zusätzlich eine Urlaubsabgeltung. Nach Angaben der Arbeitgeberin hätte der Urlaub im Anschluss an das Arbeitsverhältnis bis zum 5. 2. 1996 gedauert.

Nachdem sich der Kl. mit Wirkung zum 1. 2. 1996 arbeitslos gemeldet hatte, bewilligte die Bekl. Arbeitslosengeld (Alg) ab dem 6. 2. 1996 in Höhe von 693,60 DM wöchentlich (Bescheide vom 18. 4. 1996 und 22. 4. 1996). Mit Schreiben vom 30. 4. 1996 hatte die Bekl. den Kl. und seine ehemalige Arbeitgeberin zudem darauf hingewiesen, dass sie im Hinblick auf weitere, geltend gemachte Urlaubsabgeltungsansprüche Alg nach Maßgabe des § 117 IV AFG (Gleichwohlgewährung) zahle und dass insoweit der Anspruch auf Arbeitsentgelt auf sie übergehe.

Vor dem ArbG hatte der Kl. eine weitere Urlaubsabgeltung in Höhe von 11139,65 DM für insgesamt 30 Urlaubstage aus dem Jahr 1995 geltend gemacht. Mit rechtskräftigem Urteil des LAG vom 27. 1. 1997 wurde die ehemalige Arbeitgeberin verurteilt, dem Kl. 5569,82 DM zu zahlen. Zwar sei der Urlaubsanspruch des Kl. am 31. 12. 1995 untergegangen, so dass auch ein Urlaubsabgeltungsanspruch am 31. 1. 1996 nicht entstanden sei. Der Kl. habe jedoch Anspruch auf die Hälfte des geltend gemachten Anspruches als Schadensersatz für untergegangene Urlaubsansprüche, weil sich der Arbeitgeber mit der Urlaubsgewährungspflicht in Verzug befunden habe. Der dadurch beim Kl. entstandene Schaden sei der Arbeitgeberin hälftig zuzurechnen.

Am 2. 4. 1997 zahlte die Arbeitgeberin den vom LAG ausgeurteilten Betrag an den Kl. Ihren Angaben zufolge sei die Überleitungsanzeige der Bekl. nicht an die Lohnstelle weitergeleitet worden.

Daraufhin begehrte die Bekl. Erstattung von Alg für die Zeit vom 6. 2. 1996 bis 13. 3. 1996 in Höhe von 3699,20 DM. Der Alg-Anspruch habe wegen der Zahlung einer Urlaubsabgeltung für diesen Zeitraum geruht. Das gezahlte Alg sei daher vom Kl. gemäß § 117 IV 2 AFG zu erstatten.

Hiergegen hat der Kl. Klage vor dem SG erhoben. Das SG hob den Bescheid des Bekl.auf. Die Berufung hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Gemäß § 117 IV 2 AFG, der auf den geltend gemachten Erstattungsanspruch weiterhin Anwendung findet, hat der Arbeitslose das empfangene Alg insoweit zu erstatten, als der Arbeitgeber eine Leistung im Sinne des § 117 I bis II AFG trotz des Rechtsüberganges mit befreiender Wirkung an den Arbeitslosen gezahlt hat.

Die Voraussetzungen dieser Erstattungsforderung sind erfüllt, denn dem Kl. ist im Zuge einer rechtmäßigen Gleichwohlgewährung Alg erbracht worden. Die Erstattungsforderung setzt dann auch nicht die Aufhebung des Alg-Bewilligungsbescheides voraus (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 9).

§ 117 Ia AFG regelt, dass der Anspruch auf Alg ruht für die Zeit, für die der Arbeitslose einen Urlaubsabgeltungsanspruch erhalten oder zu beanspruchen hat. Soweit der Arbeitslose die Leistung nicht erhält, wird ihm Alg auch für die Zeit gewährt, in der der Anspruch an sich ruht (§ 117 IV 1 AFG - Gleichwohlgewährung).

Mit Bescheiden vom 18. 4. und 22. 4. 1996 wurde dem Kl. nach dieser Gleichwohlregelung des § 117 IV 1 AFG zu Recht Alg gewährt, weil er zum Zeitpunkt der Zahlung des Alg tatsächlich die von ihm geltend gemachte Urlaubsabgeltung noch nicht erhalten hatte. Diese wurde ihm vielmehr erst aufgrund des Urteils des LAG vom 27. 1. 1997 am 2. 4. 1997 in Höhe von 5569,82 DM gezahlt.

Entgegen der Auffassung des Kl. und der Vorinstanz handelt es sich bei der vom Arbeitgeber erbrachten Zahlung auch um Urlaubsabgeltung im Sinne des § 117 Ia AFG. Der Anwendbarkeit der Vorschrift steht nicht entgegen, dass der Kl. nach urlaubsrechtlichen Vorschriften keinen Anspruch auf eine Urlaubsabgeltung nach § 7 IV Bundesurlaubsgesetz (BUrlG9 hatte, weil der Urlaubsanspruch für das Jahr 1995 schon vor Ende des Arbeitsverhältnisses untergegangen war. Obwohl mithin § 117 Ia AFG seinem Wortlaut nach bei Zahlung eines Schadensersatzes für einen untergegangenen Urlaubsanspruch bzw. Urlaubsabgeltungsanspruch nicht zu einem Ruhen führt, muss nach Sinn und Zweck dieser Regelung der Eintritt des Ruhenstatbestandes auch dann bejaht werden. Der Vorschrift liegt nämlich der Gedanke zugrunde, dass ein Arbeitsloser noch keiner Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bedarf, solange er Arbeitsentgelt oder Urlaubsabgeltung als Arbeitsentgelt für nicht genommene Urlaubstage erhält.

Wird einem Arbeitnehmer ein zustehender Urlaub trotz Geltendmachung nicht gewährt und geht deswegen der Anspruch wegen Verfalles unter, muss der Arbeitgeber für den während des Verzuges eingetretenen Untergang des Urlaubsanspruches einstehen. Als Schadensersatz tritt an die Stelle des ursprünglichen Urlaubsanspruches ein Ersatzanspruch mit der entsprechenden Zahl von Urlaubstagen (BAG NZA 95, 86).

Scheidet der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis aus, entsteht ein Urlaubsabgeltungsanspruch. Da dieser jedoch der gleichen Befristung unterliegt wie der Urlaubsanspruch selbst, tritt im Falle des Verzuges des Arbeitgebers ein Schadensersatzanspruch bzw. ein Ersatzurlaubsabgeltungsanspruch ein (vgl. BAG DB 93, 1423).

Dieser Sinnzusammenhang verdeutlicht, dass hinsichtlich Entstehung und Umfang des Schadensersatzes ein so unmittelbarer Zusammenhang mit dem Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch besteht, dass die Anwendbarkeit des § 117 Ia AFG auch auf den Schadensersatzanspruch für untergegangene Urlaubsabgeltungsansprüche gerechtfertigt ist. Denn nur dadurch wird der Zweck des § 117 Ia AFG erreicht, nämlich Doppelleistungen umfassend zu vermeiden. Deshalb führt ein vom Arbeitgeber gezahlter Schadensersatz für untergegangenen Urlaubsanspruch grundsätzlich zu einem Ruhen des Alg-Anspruches (vgl. dazu BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 14, vgl. auch zur Nachfolgeregelung im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches - SGB III - Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB III § 143 Rdnr. 33).

Diese erweiternde Auslegung des § 117 Ia AFG beugt zudem Manipulationsversuchen insoweit vor, als dadurch verhindert wird, dass mittels einer als Schadensersatzanspruch ausgestalteten Zahlung von Urlaub oder Urlaubsabgeltung die Ruhensregelung des § 117 I und Ia AFG umgangen wird (vgl. dazu auch BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 10).

Die ehemalige Arbeitgeberin des Kl. hat auch gemäß § 117 IV 2 AFG den Schadensersatzanspruch mit befreiender Wirkung an den Kl. ausgezahlt. Zwar mag zweifelhaft sein, ob die befreiende Wirkung der Zahlung gemäß § 407 BGB dadurch eingetreten ist, dass die ehemalige Arbeitgeberin von dem Forderungsübergang keine Kenntnis hatte, denn tatsächlich hat die Bekl. der Arbeitgeberin mit Schreiben vom 30. 4. 1996 den Übergang angezeigt. Dies ist jedoch letztlich nicht ausschlaggebend, weil die Bekl. die Zahlung an den Kl. jedenfalls nachträglich genehmigt hat und dadurch die befreiende Wirkung eingetreten ist. Dies ist auch der Fall, wenn die Bundesanstalt für Arbeit ohne Rücksicht auf den Forderungsübergang die Verfügung genehmigt. Die Genehmigung ist darin zu sehen, dass die Bekl. Erstattung nach § 117 IV 2 AFG vom Kl. begehrt (vgl. BSG SozR 4-4100 § 117 Nrn. 7, 11, 16 und 18).

Der Kl. hat demnach der Bekl. das Alg für die Zeit zu erstatten, für die er eine Urlaubsabgeltung in Form eines Schadensersatzes erhalten hat. Da dem Kl. nach dem LAG-Urteil nur die Hälfte des ursprünglich eingeklagten Urlaubsabgeltungsanspruches von insgesamt 30 Tagen zugesprochen wurde, ist mithin von einer Urlaubsabgeltungszahlung in Form eines Schadensersatzanspruchs für 15 Urlaubstage gemäß § 117 Ia AFG auszugehen.

Da in dem Arbeitsverhältnis des Kl. die Fünftagewoche galt, ruht der Alg-Anspruch des Kl. daher für die Zeit vom 6. 2. 1996 bis 26. 6. 1996. Das in dieser Zeit gezahlte Alg in Höhe von insgesamt 2080,80 DM hat der Kl. daher zu erstatten. Von diesem Betrag sind auch nicht Kosten für die arbeitsgerichtliche Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruches abzugsfähig.

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht; Sozialrecht

Normen

AFG § 117 I, Ia; SGB III § 143 I, II