Bruttoeinkommen als Ausgangsbetrag für Krankentagegeld
Gericht
OLG Frankfurt a.M.
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
15. 06. 2000
Aktenzeichen
3 U 184/99
Fordert der Versicherer einer Krankentagegeldversicherung nach Erhalt einer Selbstauskunft des Versicherungsnehmers noch dessen Steuerbescheid und setzt alsdann das Krankentagegeld wegen gesunkenen Nettoeinkommens herab, dann berechnet sich der Termin für die Herabsetzung nach dem Eingang des Steuerbescheids.
Bei der Berechnung von Krankentagegeld nach § 4 MB/KT ist bei einer Tarifbestimmung des Nettoeinkommens als der Anteil von 80% des Bruttoeinkommens dieses als Gesamtbetrag der Einkünfte des Versicherungsnehmers ohne den Abzug von Betriebsausgaben zu verstehen.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Kl. macht gegen die Bekl. aus einem Versicherungsvertrag Ansprüche auf Krankentagegeld geltend. Die Bekl., die von Februar bis Dezember 1998 150 DM täglich gezahlt hatte, setzte den Tagesbetrag ab 1. 1. 1999 wegen des gesunkenen Nettoeinkommens des Kl. auf 70 DM herab. Die Klage auf 8800 DM rückständige Zahlungen und die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von 150 DM täglich hatte mit 6849,49 DM und der Feststellung eines Tagessatzes von 125,31 DM teilweise Erfolg.
Die Berufung der Bekl. blieb erfolglos.
Auszüge aus den Gründen:
Dem Kl. stand für den Monat Januar 1999 ein Anspruch auf Krankentagegeld gemäß dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag nach den Tarifen V 603 und V 606 in Höhe von insgesamt 150 DM pro Tag zu. Dies ergibt - unter Berücksichtigung der von dem Bekl. für diesen Monat bereits gezahlten 70 DM pro Tag - einen Anspruch des Kl. auf Krankentagegeld in Höhe von insgesamt 2480 DM. Die von dem Bekl. vorgenommene Kürzung des Krankentagegelds auf 70 DM war für diesen Monat unberechtigt. Nach § 4 Nr. 4 der Musterbedingungen (MB/KT) besteht für den Bekl. die Möglichkeit, das Krankentagegeld mit Wirkung vom Beginn des zweiten Monats nach Kenntnis entsprechend dem geminderten Nettoeinkommen des Versicherungsnehmers herabzusetzen. Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Herabsetzung des Krankentagesgelds ist der Zugang einer Herabsetzungserklärung des Versicherers beim Versicherungsnehmer (vgl. OLG Köln, VersR 1990, 769 [772]; OLG Hamm, VersR 1972, 968 [969]; Bach/Moser/Wilmes, Private Krankenversicherung, 2. Aufl., § 4 MB/KT Rdnr. 14; a.A. Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 4 MB/KT 94 Rdnr. 7, der nicht auf en Zugang der Herabsetzungserklärung abstellt). Der Bekl. hat die Herabsetzungserklärung mit Schreiben vom 19. 1. 1999 abgegeben, nachdem ihm am 11. 1. 1999 eine Kopie des Einkommenssteuerbescheids des Kl. für das Jahr 1996 zugegangen war. Für die Herabsetzungserklärung war offensichtlich dieser Steuerbescheid und nicht die Selbstauskunft des Kl. im Fragebogen vom 27. 11. 1998 maßgebend, da der Bekl. nach der Erteilung dieser Selbstauskunft, in der der Kl. sein Einkommen mit 2100 DM monatlich bezifferte, weiterhin Wert auf die Vorlage des Einkommenssteuerbescheids legte und er in seinem Schreiben vom 19. 1. 1999 auf den Einkommenssteuerbescheid Bezug nahm. Unter diesen Umständen war der Bekl. nicht berechtigt, rückwirkend bereits ab dem 1. 1. 1999 eine Herabsetzung vorzunehmen, sondern erst ab dem nächsten Monatsersten, dem 1. 2. 1999 (vgl. OLG Hamm, VersR 1972, 968 [970)).
Für den Zeitraum vom 1. 2. 1999 bis zum 20. 4. 1999 hat das LG dem Kl. zu Recht einen Anspruch auf Zahlung von 4369,49 DM gemäß den Tarifen V 603 und V 606 zugesprochen. Der Kl. kann von dem Bekl. Krankentagegeld in Höhe von insgesamt 125,31 DM täglich verlangen. Da der Bekl. bereits 70 DM pro Tag auch für diesen streitgegenständlichen Zeitraum gezahlt hat, verbleibt eine Restforderung des Kl. für 79 Tage x 55,31 DM gemäß der Berechnung des LG.
Der Bekl. war zwar auf Grund des geringeren Nettoeinkommens des Kl. zu einer Reduzierung des Krankentagegelds in Höhe von ursprünglich 150 DM pro Tag gem. § 4 IV i.V. mit II der MB/KT berechtigt, jedoch nicht auf den von ihm mit der Berufung angestrebten Betrag von 70 DM.
Die Berechnung des Nettoeinkommens gem. § 4 II der MB/KT i.V. mit Nr. 9 der Tarifbedingungen steht zwischen den Parteien im Streit. Nach Nr. 9 der Bedingungen gelten als Nettoeinkommen 80% des Bruttoeinkommens aus selbstständiger (freiberuflicher) Tätigkeit. In den Versicherungsbedingungen (MB/KT) wird der Begriff des „Bruttoeinkommens“ nicht definiert. Der Senat folgt der Auffassung des 7. Zivilsenats des OLG Frankfurt a.M. (OLGR 1997, 240 [241]), der sich das LG in der angegriffenen Entscheidung angeschlossen hat, dass bei der Bestimmung des Bruttoeinkommens i.S. des § 4 MB/KT vom Gesamtbetrag der erzielten Einkünfte des Versicherungsnehmers ohne Abzug der Betriebsausgaben auszugehen ist. Unter Bruttoeinkommen wird üblicherweise die Gesamtheit aller Einnahmen verstanden. Es besteht kein Anlass, vorliegend von diesem Sprachgebrauch abzuweichen. Gegen die Auffassung der Berufung, Betriebsausgaben i.S. des § 4 EStG herauszurechnen, spricht schon der Sinn der Krankentagegeldversicherung, die dem Selbstständigen die Aufrechterhaltung seines „Einkommensstatus“ erhalten soll. Da aber Betriebsausgaben (z.B. Büromiete, Unterhaltungskosten eines Kfzusw.) nicht unbedingt dann wegfallen, wenn man krankheitsbedingt keine Einnahmen erzielt, ist eine Auslegung als angemessen anzusehen, die Kosten dieser Art unberücksichtigt lässt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass Unklarheiten bei der Auslegung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gem. § 5 AGBG zu Lasten des Verwenders, hier des Bekl., gehen. Im Zweifel ist der für den Versicherungsnehmer günstigeren Auslegung der Vorzug zu geben. (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 5 AGBG Rdnr. 5). Dies hat zur Folge, dass bei der Berechnung des Bruttoeinkommens des Kl. im Rahmen der Gewinnermittlung die Abschreibungen für Abnutzungen (AfA) hinzuzurechnen sind. Entgegen der Auffassung des Bekl. ist auch ein etwaiger tatsächlicher Wertverzehr des Anlagevermögens des Kl. bei der Berechnung des Einkommens nicht zu berücksichtigen, da sich auch dieser nicht auf die Einkommenssituation zum Krankheitszeitpunkt auswirkt.
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