Ankündigung besonders günstiger Ware
Gericht
OLG Düsseldorf
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
08. 02. 1979
Aktenzeichen
2 U 108/78
Eine als besonders günstig angekündigte Ware muß der Werbende greifbar vorrätig haben. Dies gilt nicht nur für die Zeitungswerbung des Einzelhandels, sondern auch für den Selbstbedienungsgroßhandel in einer sich gezielt an Inhaber von Einkaufsausweisen wendenden Werbung
Wird ein zugkräftiges, in der Werbung besonders stark herausgestelltes Angebot erst für einen späteren Zeitpunkt angekündigt, dann muß die angepriesene Ware zu diesem Zeitpunkt in ausreichender Menge verfügbar sein.
Die ordnungsgemäße Abmahnung aus einem versiegelt hinterlegten Geschmacksmuster setzt mindestens die Vorlage von Abbildungen des hinterlegten Musters voraus.
Die Antragsgegnerin (Ag.) unterhält Selbstbedienungsverkaufsstätten für Wiederverkäufer und gewerbliche Verbraucher. Sie versendet in unregelmäßigen Zeitabständen Werbefaltblätter an die Inhaber ihrer Einkaufsausweise. Diese Faltblätter tragen den Vermerk, daß sie erst von einem etwa ein bis zwei Wochen nach der Versendung liegenden Termin an gültig sind. Mit ihrem vierseitigen bunten Werbefaltblatt im Zeitungsformat "Gültig ab 10. 4.78", das vom 28. März bis zum 3. April 1978 verschickt wurde und auf der ersten Seite unter anderem die Überschrift trug "Sonderleistung steigert Ihren Gewinn!", bot sie zahlreiche Artikel zu Preisen zwischen 0,48 DM und 998,- DM an, darunter auf der letzten Seite fünf diamantbesetzte Schmuckstücke je mit Karat-Angabe und dem Zusatz "Lupenrein/Wesselton" zu Preisen zwischen 121,60 DM und 243,75 DM. Zum Verkauf dieser Schmuckstücke kam es nicht, weil die Diamanten des der Ag. am 3. und 4. April 1978 angelieferten Schmucks nicht der angegebenen Qualitätsstufe entsprachen und weil die Ag. deshalb diesen Schmuck von ihrem Lieferanten nicht abnahm.
Die Antragstellerin (Ast.) stellt Juwelen, Schmuck und Goldwaren her und vertreibt sie über den Großhandel. In der Vorkorrespondenz verlangte die Ast. von der Ag. die Abgabe einer durch Vertragsstrafe gesicherten Unterlassungserklärung, weil die Ag. mit dem Schmuckangebot Geschmacksmusterrechte der Ast. verletzt habe. Die Ag. bat in ihrer Erwiderung um Vorlage von Fotokopien der versiegelt hinterlegten Geschmacksmuster.
Die Ast. hat, gestützt auf ihre Geschmacksmuster und das Fehlen der von der Ag. angebotenen Schmuckstücke, beantragt. der Ag. im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen,
a) die in einer Anlage zur Antragsschrift abgebildeten 2 Diamantcolliers, 2 Damendiamantringen und 1 Diamantreif zu verbreiten, sowie diese Schmuckstücke selbst - einzeln oder als Garnitur - im Inland gewerbsmäßig feilzuhalten und/oder in den Verkehr zu bringen
b) sowie im geschäftlichen Verkehr Ware, insbesondere die abgebildeten 2 Diamantcolliers, 2 Damendiamantringe und den Diamantreif, als Sonderleistung anzupreisen, ohne sie in ihren Geschäftslokalen für Kaufinteressenten vorrätig zu haben und zu verkaufen.
In der mündlichen Verhandlung hat die Ag. eine durch Vertragsstrafe gesicherte Unterlassungserklärung hinsichtlich des Antrags zu a abgegebenen, und beide Parteien haben daraufhin insoweit die Hauptsache für erledigt erklärt und widerstreitende Kostenanträge gestellt.
Dem Antrag der Ast. zu b ist die Ag. mit der Begründung entgegengetreten, es fehle an der Wiederholungsgefahr, weil sie nicht habe voraussehen können, daß der am 13. Februar 1978 von ihr bestellte und fristgemäß gelieferte Schmuck nicht dem vereinbarten Qualitätsstandard entsprechen würde.
Das LG hat den Antrag der Ast. zu b zurückgewiesen, weil es mangels einer wettbewerbswidrigen Absicht der Ag. an einer Wiederholungsgefahr fehle. Hinsichtlich des für erledigt erklärten Antrags zu a hat das IG der Ast. die Kosten auferlegt, weil die Ast. die Ag. nicht unter Darlegung und Glaubhaftmachung der von ihr hinterlegten Geschmacksmuster abgemahnt habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Ast. Sie macht geltend, die Ag. hätte mit den Schmuckstücken als Lockvogelangebot nicht vor deren Lieferung an sie werben dürfen, weil ihr der Schmuck in der angebotenen Qualität praktisch überhaupt nicht zu Preisen hätte geliefert werden können, die ihr einen Verkauf zu den in dem Werbefaltblatt genannten Preisen gestattet hätten. Angebot und Liefermöglichkeit hätten fast zwangsläufig auseinanderfallen müssen. Bezüglich der Kosten ihres erledigten Antrags zu a meint die Ast., die Ag. hätte eine Unterlassungserklärung mindestens deshalb abgeben müssen, weil ihr Unterlassungsbegehren auch aus dem Wettbewerbsrecht begründet gewesen sei.
Die Ast. beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und nach ihrem Kostenantrag und ihrem Antrag zu b erster Instanz zu erkennen, wobei sie lediglich das Wort "Waren" durch das Wort "Schmuckwaren" ersetzt.
1. Der Unterlassungsantrag der Ast. ist nicht begründet. Ein Vorwurf wettbewerbswidrigen Handelns kann der Ag. nicht gemacht werden. Es käme, wie auch die Ast. nicht verkennt, kaum ein Verstoß gegen § 3 UWG in Betracht, wohl aber ein Verstoß gegen § 1 UWG. Der Senat ist mit dem OLG Hamm (WRP 1976. 627: vgl. auch Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 12. Aufl., § 3 Rdz. 339 und 270, 271) der Ansicht, daß der Verkehr aufgrund einer Zeitungswerbung, in der eine Ware, z. B. eine Schlagbohrmaschine, von einem Einzelhändler als besonders günstig angekündigt wird. erwartet, daß diese Ware in dem Ladengeschäft des Einzelhändlers zum sofortigen Kauf, zur sofortigen Besichtigung und Prüfung vorrätig ist, und daß, wenn diese Erwartung enttäuscht wird, ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot des § 3 UWG vorliegt. Nichts anderes gilt für den Fall. daß ein Selbstbedienungsgroßhändler - wie die Ag. - eine entsprechende Ware, z. B. Schmuckstücke, in der an seine Abnehmer gerichteten Werbung besonders herausstellt.
Der hiernach gegebenen Verpflichtung, nur für vorrätige, sicher und sofort greifbare Ware in besonders herausgestellter Form zu werben, kann sich ein Händler nicht dadurch entziehen, daß er für einen künftigen Termin wirbt und es dem Zufall überläßt, ob er dann über die Ware verfügen wird. Denn er würde sich durch die befristete Hinausschiebung seines Angebots die Möglichkeit schaffen. die Umworbenen durch übermäßig günstige Angebote irrezuführen und anzulocken, durch Angebote, die er nicht einlösen will oder möglicherweise nicht einlösen kann. Und gleichzeitig würde er sich durch solche besonders günstig erscheinenden, befristet hinausgeschobenen Angebote im Verhältnis zu seinen das Irreführungsverbot achtenden Mitbewerbern in unlauterer Weise einen Wettbewerbsvorsprung verschaffen. Fin solches Verhalten würde den guten Sitten im Wettbewerb widersprechen (§ 1 UWG). Nicht ganz zu Unrecht hat die Ast. auf den Glassteine-Fall des BGH (GRUR 1969, 51 . 52 ) als vergleichbar hingewiesen: Dort hat der BGH ausgesprochen. daß ein Schmuckwareneinzelhändler gegen § 1 UWG im Verhältnis zu Kunden und Mitbewerbern dadurch verstoßen kann, daß er durch die Beschäftigung einer unwissenden Verkäuferin eine Irreführung von Kunden darüber in Kauf nimmt, ob es sich um Glassteine oder synthetische Steine handelt. Die Fälle haben gemeinsam, daß ein Gewerbetreibender zum eigenen Vorteil und Nachteil der Abnehmer und Mitbewerber pflichtwidrig voraussehbare Irreführungsgefahren bei den Abnehmern in Kauf nimmt.
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