Irreführende Werbung der Filiale eines Unternehmens rechtfertigt räumlich unbeschränkten Unterlassungsanspruch gegen Inhaber

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

29. 06. 2000


Aktenzeichen

I ZR 29/98


Leitsatz des Gerichts

Wirbt eine rechtlich unselbstständige Filiale eines Einzelhandelsunternehmen irreführend, so ist der Unterlassungsanspruch gegen den Inhaber des Unternehmens grundsätzlich ohne räumliche Beschränkung auf die betreffende Filiale gegeben. Der Inhaber des Unternehmens kann sich nicht zu seiner Entlastung darauf berufen, dass er dem handelnden Angestellten in dem betreffenden Bereich Entscheidungsfreiheit zugestanden habe.

Tatbestand

Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Beklagte betreibt Verbrauchermärkte für Geräte der Unterhaltungselektronik und der Telekommunikation. Eine Filiale befand sich in K. Die Beklagte warb in einer Werbebeilage zu dem in K. erscheinenden "Lokalanzeiger" vom 2. 10. 1996 für die Videokamera Sony CCD TR-V 70 und den Fernseher Royal TV 5199. Auf Nachfrage erklärte ein Verkäufer der Filiale am 4. 10. 1996, diese Geräte seien nicht vorrätig. In derselben Beilage bewarb die Beklagte den Funkempfänger Quix Basic 2 für 89,- DM und die Handys AEG 9050, Panasonic G 400 und Siemens S 3 Com mit Preisen von jeweils 1 DM. Im Laden waren der Quix Basic 2 mit 149 DM und die Handys mit Preisen zwischen 5 DM und 59 DM ausgezeichnet. Die Klägerin betreibt in K. ebenfalls einen Endverbrauchermarkt für Geräte der Unterhaltungselektronik und der Telekommunikation. Auf ihre Abmahnung hat die Beklagte folgende eingeschränkte Erklärung abgegeben:

"Die Firma P. verpflichtet sich gegenüber der Firma M. es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für die Videokamera 'Sony CCD TR-V 70' und das 'TV Gerät Royal TV 5199' zu werben, sofern diese am ersten Werktag nach dem Tag des Erscheinens der Werbung nicht vorrätig sind, und/oder

folgende Geräte der Telekommunikation 'Quix Basic 2, Handy AEG 9050, Handy Panasonic G 400, Handy Siemens S 3 Com' im Laden mit einem anderen Preis auszuzeichnen als mit dem Preis, mit dem sie in der Werbung beworben werden;

für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die o. g. Verpflichtung an die Unterlassungsgläubigerin eine Vertragsstrafe in Höhe von 10 000 DM zu zahlen."

Die Klägerin ist der Ansicht, die Unterlassungserklärung beseitige die Wiederholungsgefahr für die gerügten Wettbewerbsverstöße nicht. Sie verlangt eine Unterlassungserklärung für alle Geräte der Unterhaltungselektronik bzw. Telekommunikation sowie Auskunft über Werbemaßnahmen der beanstandeten Form und Feststellung der Schadensersatzpflicht. Das LG hat den Unterlassungsanträgen nur beschränkt auf die Filiale K. stattgegeben. Das Auskunftsbegehren hat es abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte teilweise Erfolg.

Entscheidungsgründe

Auszüge aus den Gründen:

I. 3. a) Der geltend gemachte Anspruch, es zu unterlassen, für Geräte der Unterhaltungselektronik (mit Ausnahme der Videokamera Sony CCD TR V-70 und des Fernsehers Royal TV 5199) zu werben, sofern diese nicht am ersten Werktag nach dem Tag des Erscheinens der Werbung vorrätig sind, ist begründet (§ 3 UWG).

(1) Die Klägerin ist bereits nach § 3 UWG befugt, Ansprüche gegen die Beklagte wegen des beanstandeten Wettbewerbsverstoßes geltend zu machen, weil sie durch diesen unmittelbar betroffen ist. Als unmittelbar von einer zu Wettbewerbszwecken begangenen Handlung betroffen sind grundsätzlich diejenigen Mitbewerber anzusehen, die zu dem Verletzer (oder dem von diesem Geförderten) in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen (vgl. BGH, Urt. v. 5. 3. 1998 - I ZR 229/95 - Fotovergrößerungen; Urt. v. 22. 4. 1999 I ZR 159/96 - Vitalkost; Urt. v. 15. 7. 1999 - I ZR 44/97 - EG-Neuwagen I). Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist bereits dann gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen. Die Voraussetzung ist im Streitfall gegeben.

(2) Eine Werbeankündigung ist grundsätzlich als irreführend zu beurteilen, wenn die beworbenen Waren, die - wie hier - zum persönlichen Gebrauch bestimmt sind, entgegen der Verbrauchererwartung zu dem angekündigten Zeitpunkt nicht oder nicht in gewünschter Menge vorrätig sind und von den Interessenten im Verkaufslokal erworben werden können (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 4. 2. 1999 - I ZR 71/97 - Werbebeilage). Aus den Feststellungen ergibt sich, dass dies hier der Fall war. Die Beklagte hat am 2. Oktober 1996 in Koblenz für eine Videokamera und ein Fernsehgerät geworben, ohne hinreichend dafür Sorge zu tragen, dass diese Geräte am 4. Oktober 1996, dem ersten Werktag danach, in ausreichender Zahl in ihrer Koblenzer Filiale vorrätig waren.

(3) Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht auf den räumlich umgrenzten Markt beschränkt, auf dem sich die Parteien als Wettbewerber begegnen. Der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch des Mitbewerbers ist grundsätzlich nicht entsprechend seinem eigenen Tätigkeitsbereich räumlich beschränkt, sondern für das gesamte Bundesgebiet gegeben und auch - selbst bei nur räumlich beschränkter Betroffenheit - bundesweit durchsetzbar. Dies hat seinen entscheidenden Grund darin, dass der Anspruch dem Wettbewerber nicht nur zum Schutz seiner Individualinteressen, sondern auch im Interesse der anderen Marktbeteiligten und der Allgemeinheit zuerkannt wird (BGH, Urt. v. 10. 12. 1998 - I ZR 141/96 - Vorratslücken).

(4) Die Klägerin war nicht gehalten, ihren Klageantrag auf die konkrete Verletzungsform zu beschränken. Bei der Fassung eines Unterlassungsantrags sind im Interesse eines hinreichenden Rechtsschutzes gewisse Verallgemeinerungen zulässig, sofern auch in dieser Form das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt. Dies hat seinen Grund darin, dass eine Verletzungshandlung die Vermutung der Begehungsgefahr nicht nur für die identische Verletzungsform begründet, sondern auch für alte im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 15. 12.1999 - I ZR 159/97 - Preisknaller).

aa) Der Unterlassungsantrag verallgemeinert in unbedenklicher Weise, soweit er sich allgemein auf Geräte der Unterhaltungselektronik bezieht (vgl. BGH, Urt. v. 29. 2. 1996 - I ZR 6/94 - Setpreis).

bb) Der Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte, ein Einzelhandelsunternehmen mit einer Reihe von Filialen, ist auch ohne räumliche Beschränkung auf die konkrete Filiale, die irreführend geworben hat, begründet. Dabei kann das bestrittene Vorbringen der Beklagten unterstellt werden, dass die irreführende Werbung und die entsprechende Warenvorratshaltung von der örtlichen Filiale der Beklagten in K. selbstständig veranlasst und organisiert worden ist. Derartige Umstände können nicht als charakteristische Besonderheiten, die den konkret begangenen Verstoß kennzeichnen, behandelt werden. Denn nach § 13 Abs. 4 UWG richtet sich der Unterlassungsanspruch wegen aller in einem Unternehmen von Angestellten begangenen wettbewerbswidrigen Handlungen ohne Entlastungsmöglichkeit auch gegen den Inhaber des Unternehmens (vgl. auch Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbs-recht, 21. Aufl., § 13 UWG Rdn. 60). Dieser kann sich nicht darauf berufen, dass er dem handelnden Angestellten in dem betreffenden Bereich Entscheidungsfreiheit zugestanden hat. Ein Wettbewerbsverstoß eines Angestellten begründet dementsprechend grundsätzlich für das Inland eine räumlich nicht beschränkte Begehungsgefahr auch für den Inhaber des Unternehmens selbst. Der Umstand, dass eine irreführende Werbung auf Fehlverhalten des Leiters eines abgrenzbaren Unternehmensteils beruht, steht danach der Begründetheit eines gegen das Gesamtunternehmen geltend gemachten Unterlassungsanspruchs nicht entgegen. Für Unterlassungsansprüche wegen wettbewerbswidriger Handlungen, die in einer rechtlich unselbstständigen Filiale eines Einzelhandelsunternehmens begangen worden sind, kann in dieser Beziehung nichts anderes gelten als für sonstige Wettbewerbsverstöße von Angestellten. Soweit der Senatsentscheidung "Kabinettwein" (Urt. v. 22.1. 1987 - I ZR 211/84) hinsichtlich dieser Frage etwas anderes entnommen werden kann, wird daran nicht festgehalten. Umstände, aus denen sich ergeben könnte, dass das Charakteristische des beanstandeten Wettbewerbsverstoßes aus anderen Gründen ausnahmsweise gerade in seinem örtlichen Bezug liegt, ergeben sich aus dem Vorbringen der Parteien nicht.

b) Der Antrag zu verbieten, Geräte der Telekommunikation im Laden mit einem anderen Preis auszuzeichnen als mit dem Preis, mit dem sie in der Werbung beworben werden, ist ebenfalls zuzuerkennen. Die Beklagte hat dadurch irreführend geworben, dass sie in der Werbung für einen Funkempfänger und verschiedene Mobiltelefongeräte niedrigere Preise angegeben hat, als für diese Geräte an demselben Tag nach der Preisauszeichnung im Laden gefordert wurden.

Der gegen diese irreführende Preiswerbung gerichtete Unterlassungsantrag ist in zulässiger Weise auf Geräte der Telekommunikation verallgemeinert. Der beanstandete Wettbewerbsverstoß durch die Angabe von Preisen in der Werbung, die unter den im Laden verlangten Preisen lagen, war nicht gerade dadurch charakterisiert, dass dabei bestimmte Geräte der Telekommunikation beworben worden sind. Anderes hat auch die Beklagte nicht vorgetragen.


II. 2. b) Das Berufungsgericht hat das Klagebegehren zu Recht als unbegründet angesehen, soweit es darauf abzielt, dass die Beklagte auch zur Auskunftserteilung über andere Wettbewerbsverstöße als die konkret beanstandete Werbeaktion für die Filiale in K. verurteilt wird. Der Klägerin kann ein Anspruch auf Auskunftserteilung nur zustehen als ein Hilfsanspruch zur Durchsetzung des wegen dieser Wettbewerbsverstöße gegebenen Schadensersatzanspruchs (vgl. BGHZ 125, 322, 329 - Cartier-Armreif). Ein solcher Anspruch ist aber in seinem Umfang begrenzt auf diejenigen zur Anspruchsdurchsetzung erforderlichen Informationen, die der Gläubiger selbst nicht anders erlangen kann und deren Erteilung dem Schuldner unschwer möglich und zumutbar ist (vgl. BGH, Urt. v. 2. 2. 1999 - KZR 11/97 Preisbindung durch Franchisegeber, insoweit nicht in BGHZ 140, 342). Ein Anspruch auf Auskunftserteilung darüber, ob der Verletzer ähnliche Handlungen begangen hat, die neue Schadensersatzansprüche rechtfertigen könnten, besteht nicht (vgl. BGH, Urt. v. 8. 7. 1980 - VI ZR 159/78 - Das Medizinsyndikat III, insoweit nicht in BGHZ 78, 9; Baumbach/Hefermehl a.a.O. Einl. UWG Rdn. 404; Teplitzky a.a.O. Kap. 38 Rdn. 7). Die Schadensersatzansprüche, um deren Durchsetzung es allein gehen kann, beruhen hier darauf, dass in der lokalen Werbung vom 2. 10. 1996 für die Filiale der Beklagten in K. bestimmte Geräte beworben wurden, die am ersten folgenden Werktag nicht vorrätig waren oder in diesem Laden mit höheren Preisen ausgezeichnet waren, als in der Werbung angegeben worden war. Umstände, aus denen sich ergibt, dass die Werbemaßnahmen in K. vom 2. 10. 1996 Teil einer überörtlichen Werbeaktion waren, die in gleicher Weise auch bei anderen Filialen der Beklagten zur Irreführung geeignet war, hat die Klägerin nicht dargelegt. Der geltend gemachte Anspruch darauf, auch Auskunft zu erhalten über irgendwelche anderen Wettbewerbsverstöße der in den Unterlassungsanträgen umschriebenen Art, die aber den konkret beanstandeten Wettbewerbsverstößen allenfalls ähnlich sind, aber an anderen Orten und unter wesentlich veränderten Umständen, gegebenenfalls auch zu anderen Zeiten, begangen worden sind, steht der Klägerin jedoch nicht zu. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, wie die Klägerin als ein nur für den Raum K. tätiges Einzelhandelsunternehmen durch etwaige Wettbewerbsverstöße geschädigt worden sein könnte, die außerhalb ihres Einzugsbereichs von anderen Filialen der Beklagten begangen worden sind.

3. Das Berufungsgericht hat dementsprechend zu Recht auch den Klageantrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten als unbegründet angesehen, soweit dieser allgemein Wettbewerbshandlungen, wie sie in den Unterlassungsanträgen umschrieben sind, betrifft.

Rechtsgebiete

Verbraucherschutzrecht