Haustürwiderrufsgesetz bei Verbrauchermessen
Gericht
KG
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
09. 02. 1990
Aktenzeichen
5 U 5606/88
Die jährlich in Berlin (West) stattfindende „Grüne Woche“ ist keine Freizeitveranstaltung i. S. des § 1 I Nr. 2 HWiG.
Die Bekl. vertreibt Produkte, die zur Gesundheitspflege dienen. Auf der Grünen Woche, die Anfang 1988 in Berlin (West) auf dem Messegelände unter dem Funkturm stattfand, unterhielt sie einen Verkaufsstand. Dort schloß sie am 4. 2. 1988 mit einer Besucherin einen Kaufvertrag über einen „Biocomfort-Massator“ zum Preise von 671 DM. Die Käuferin sollte diese Summe innerhalb von 60 Tagen nach dem Empfang der Ware entrichten. Eine Belehrung über ein Recht zum Widerruf gem. §§ 1, 2 HWiG unterblieb. Der Kl. ist ein rechtsfähiger Verband zum Schutze der Verbraucher i. S. des § 13 II Nr. 3 UWG. Er beanstandet, die Beklagte habe gegen §§ 1, 2 HWiG verstoßen und damit auch § 1 UWG mißachtet. Sie hätte nämlich, so macht er geltend, ihre Kundin über das Widerrufsrecht belehren müssen, da die Grüne Woche eine Freizeitveranstaltung i. S. des § 1 I Nr. 2 HWiG sei. Die Klage hatte keinen Erfolg.
A. Wie schon das LG zutreffend erkannt hat, besteht der geltend gemachte, auf §§ 1, 13 UWG in Verbindung mit §§ 1, 2 HWiG gestützte Unterlassungsanspruch des Kl. gegen die Bekl. nicht.
I. Unterstellt man allerdings, die Grüne Woche sei eine „von der anderen Vertragspartei oder von einem Dritten zumindest auch in ihrem Interesse durchgeführte Freizeitveranstaltung“ i. S. des § 1 I Nr. 2 HWiG, dann wäre der Unterlassungsanspruch gegeben. Der Kl. ist auch befugt, ihn geltend zu machen.
1. In diesem Falle hätte der private Kunde, der auf der Grünen Woche eine Ware zum Preise von mehr als 80 DM kaufte und nicht gleich bezahlte, (regelmäßig) ein Widerrufsrecht nach § 1 HWiG, über das er gem. § 2 HWiG zu belehren wäre.
Unstreitig hat die Bekl. als Verkläuferin auf der Grünen Woche einen Vertrag dieser Art geschlossen, mag es dann auch Zweifel hinsichtlich der Person der Käuferin gegeben haben und der Vertrag später storniert worden sein. Fest steht außerdem, daß die Bekl. davon abgesehen hat, über ein Widerrufsrecht zu belehren.
Damit hätte sich die Bekl. - durch Ausnutzung der Rechtsunkenntnis des Kunden - einen möglichen Vorsprung im Wettbewerb verschafft, worin ein Verstoß gegen § 1 UWG läge (vgl. BGH, NJW 1990, 181, 182; OLG Frankfurt, NJW-RR 1989, 562; OLG Stuttgart, NJW 1988, 1986 (1987) und NJW-RR 1989, 1144; ferner zum insoweit vergleichbaren AbzG BGH, NJW 1987, 125 = GRUR 1986, 816 (818) - Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf; BGH, NJW 1987, 124 = GRUR 1986, 819 (820) - Zeitungsbestellkarte; Senat, NJW-RR 1988, 376 (377, 378)).
2. Hiergegen dürfte der Kl. vorgehen. Weil durch das Verhalten der Bekl. wesentliche Belange der Verbraucher berührt würden, hätte der Kl. bei diesem Sachverhalt einen Unterlassungsanspruch aus § 13 II Nr. 3 UWG i. V. mit § 1 UWG.
II. Die Frage der Freizeitveranstaltung wirft jedoch besondere Probleme auf. Besucht ein privater Endverbraucher die Grüne Woche, so gestaltet er hiermit zwar in der Regel seine Freizeit, indem er sich ein attraktives Erlebnis außerhalb seiner durch Beruf, Familie und Hausstand festgelegten Verpflichtungen schafft. Das bedeutet aber nicht ohne weiteres, daß die Grüne Woche eine Freizeitveranstaltung im Sinne des HWiG ist. Vielmehr bedarf dieser Begriff der Präzisierung; hierfür sind neben dem Gesetzeswortlaut die Motive des Gesetzgebers sowie die aus der Rechtsprechung und Literatur ersichtlichen Eingrenzungen zu beachten.
1. Vom Begriff der Freizeitveranstaltung nach § 1 I Nr. 2 HWiG werden gewerbliche Veranstaltungen erfaßt, bei denen der gewerbliche Charakter zunächst verschleiert oder wenigstens verdrängt wird, indem mit der eigentlichen gewerblichen Absicht nicht im Zusammenhang stehende attraktive Leistungen in den Vordergrund gerückt werden. Diese sollen den Kunden über den Hauptzweck der Veranstaltung hinwegsehen lassen und ihn den Verkaufsabsichten gewogen machen, wobei es ihm regelmäßig durch die entsprechende Auswahl von Zeit und Ort der Veranstaltung erschwert wird, sich den Verkaufsbemühungen zu entziehen. Vereinfachend gesagt, geht es um eine Kombination aus Verschleierung/Verdrängung und Überrumpelung.
Was diesen Ausgangspunkt betrifft, so ist man sich im wesentlichen einig. Solche und ähnliche Formulierungen sind mit zahlreichen Fundstellen zu belegen (Begründung des Gesetzgebers in BT-Dr 10/2876, S. 11; OLG Hamm, NJW-RR 1989, 117 (118); OLG Stuttgart, Urt. v. 12. 9. 1989 - 6 U 102/89; LG Kleve, NJW-RR 1988, 825 (826); LG Würzburg, NJW-RR 1988, 1324; LG Bremen, NJW-RR 1988, 1325; LG Heilbronn, NJW-RR 1989, 1145 (1146); Soergel-Wolf, BGB, 12. Aufl. (1988), § 1 HWiG Rdnr. 19; Ulmer, in: MünchKomm, BGB, 2. Aufl. (1988), § 1 HWiG Rdnr. 24; Palandt-Putzo, BGB, 49. Aufl. (1990), § 1 HWiG Anm. 4 b; Huff, VuR 1988, 306 (307, 308); Kaiser, WRP 1989, 222 (223)).
2. Diese Merkmale sind etwa zu bejahen bei sogenannten Kaffeefahrten (vgl. BT-Dr 10/2876, S. 11), aber auch bei ähnlichen Veranstaltungen mit der kostenlosen Ausgabe von Kaffee und Kuchen oder von Abendessen und Wein (Beispiele aus der Rechtsprechung: OLG Hamm, NJW-RR 1989, 117; OLG Frankfurt, NJW-RR 1989, 562; OLG Stuttgart, NJW-RR 1989, 1144; LG Braunschweig, NJW-RR 1989, 1147; AG Altenkirchen, MDR 1989, 357).
Ebenso können Fahrten zu Sportveranstaltungen, mehrtägige Reisen, aber auch Einladungen zu Filmvorführungen oder Tanzveranstaltungen am Ort zu beurteilen sein, in deren Verlauf dann Waren oder Leistungen angeboten werden (BT-Dr 10/2876, S. 11).
3. Verbraucherausstellungen mit Einkaufsmöglichkeiten sind hingegen nach der überwiegenden Meinung keine Freizeitveranstaltungen i. S. des § 1 I Nr. 2 HWiG (so LG Kleve, NJW-RR 1988, 825 - „7. Niederrheinschau“; LG Heilbronn, NJW-RR 1989, 1145 - „Unterlandschau“; LG Bremen, NJW-RR 1988, 1325 - „Hafa (Ausstellung für Hauswirtschaft und Familie)"; LG Hechingen, Urt. v. 16. 3. 1988 - 2 S 132/87 - Ausstellung „Schwäbischer Fleiß"; Palandt-Putzo, § 1 HWiG Anm. 4 b; vgl. ferner die Zusammenstellung bei Kaiser, WRP 1989, 222 (225, 227); stark differenzierend ders. WRP 1989, 222 (227, 228) und NJW 1989, 1717 (1719)).
Das muß insbesondere dann gelten, wenn diese Ausstellungen mit einem marktähnlichen Betrieb verbunden sind. Der Gesetzgeber sieht in der Möglichkeit, daß das Publikum auf Märkten, Festwiesen oder von Verkaufsständen aus persönlich angesprochen wird, nämlich keine Gefahr der Überrumpelung und verneint hier ein Schutzbedürfnis, das die Anwendung des HWiG rechtfertigen könnte (BT-Dr 10/2876, S. 12; darauf weist Kaiser, WRP 1989, 222 (227) und NJW 1989, 1717 (1719) besonders hin).
Es wird aber auch die Ansicht vertreten, (manche) Verbraucherausstellungen mit Einkaufsgelegenheiten seien unter § 1 I Nr. 2 HWiG zu rechnen (OLG Stuttgart, NJW-RR 1988, 1323 (1324) - Ausstellung „für die Familie“, als „Grenzfall“ bezeichnet; OLG Stuttgart, Urt. v. 12. 9. 1989 - 6 U 102/89 Verbraucherausstellung „HAFA“; AG Wedding, Urt. v. 6. 11. 1987 - 16 C 244/87 „Grüne Woche“ Berlin; stark verallgemeinernd Huff VuR 1988, 306 (309, 310)).
III. Orientiert man sich an den oben umrissenen Beurteilungskriterien und beachtet man dabei das Gesamtgepräge der Veranstaltung im Einzelfall (zu diesem Erfordernis vgl. etwa LG Heilbronn, NJW-RR 1989, 1145 (1146)), dann zeigt sich, daß die Grüne Woche keine Freizeitveranstaltung im Sinne des HWiG ist. Bemerkt sei hierzu, daß die tatsächlichen Feststellungen des Senats über die Eigenheiten der Grünen Woche auf den Darlegungen der Parteien, dem von der Bekl. eingereichten Katalog zur Grünen Woche 1987 und den in Berlin (West) allgemein bekannten, für das Gericht offenkundigen Mitteilungen und Erfahrungen - betreffend die Grüne Woche - beruhen.
1. Es geht um die Internationale Grüne Woche. Diese findet jährlich in Berlin (West) auf dem Messegelände unter dem Funkturm statt und dient - als Ausstellung für Ernährungswirtschaft, Landwirtschaft und Gartenbau - dem Leistungsvergleich der deutschen und der ausländischen Agrarwirtschaft. Sie wird nicht nur von den gewerblichen Interessenten geschätzt, sondern zieht vor allem und weit überwiegend auch das breite Publikum an. Regelmäßig erscheinen (obwohl Eintrittsgeld zu zahlen ist) Hunderttausende von Besuchern; großer Andrang vor und in den Veranstaltungsräumen ist typisch.
Jede Grüne Woche dient sowohl der Ausstellung als auch dem Verkauf; rund 25 große Hallen mit einer reinen Ausstellungsfläche von etwa 45000 qm stehen dafür zur Verfügung. Den Besuchern werden Produktionsvorgänge, Tierhaltung, Blumenarrangements, Gartenanlagen, Schaukästen und ähnlichen Dinge in ansprechender Aufmachung präsentiert. Außerdem sind auf der Grünen Wochen Maschinen, Geräte und Hilfsmittel für die Landwirtschaft, den Gartenbau und den Haushalt zu finden, ferner landwirtschaftliche Erzeugnisse, Nahrungs- und Genußmittel aller Art sowie der Gesundheit dienende Produkte.
Auf jeder Grünen Woche sind Hunderte von Ausstellern aus Deutschland und vielen anderen Staaten der ganzen Welt vertreten. Sie betreiben zahlreiche Stände in den Messehallen; dort legen sie - zumeist in gefälliger, ideenreicher Dekoration - ihre Waren vor. Regelmäßig wenden sich die Aussteller auch an die Menge der privaten Besucher. Vielfach überlassen sie ihnen Prospekt- und Informationsmaterial, manchmal auch Speisen und Getränke als kleine unentgeltliche Kostproben. Besonders sind sie jedoch am Verkauf interessiert. Dabei bieten sie dem Publikum die verschiedensten, meist landestypischen Lebensmittel zum sofortigen Verzehr oder zum Mitnehmen an, außerdem auch andere Artikel, die mehr oder weniger zu den Themen der Grünen Woche passen (Stichworte: Landwirtschaft, Gartenbau, Haushalt, Ernährung, Gesundheit).
2. Die genannten Merkmale der Grünen Woche bringen es mit sich, daß bereits das Element der Verschleierung oder Verdrängung entfällt, wie es für eine Freizeitveranstaltung im oben beschriebenen Sinne nötig ist.
Sicherlich geht es den Besuchern der Grünen Woche auch darum, attraktive Waren (ebenso wie Blumen und Tiere, Anlagen und Vorführungen) anzuschauen, ohne sie in jedem Falle zu kaufen. Gleichen Rang hat aber ihre Neigung, Einkäufe durchzuführen, sei es (bei Lebensmitteln) zum sofortigen Verzehr, sei es zum Mitnehmen. Wie in Berlin bekannt ist, betreten zahlreiche Besucher die Veranstaltungsräume schon mit dieser Absicht.
Wenigstens aber durchschaut das private Publikum, wenn es das Gelände der Grünen Woche erreicht hat, die dort vorherrschende marktähnliche Situation sofort. Daß Kauf und Verkauf, nämlich die Einkaufsmöglichkeiten für den Besucher und die Verkaufserwartungen der Anbieter, auf der Grünen Woche von zentraler Bedeutung sind, tritt von vornherein so deutlich hervor, daß Mißverständnisse kaum in Betracht kommen. Bei dieser Sachlage wird das Anliegen des Warenabsatzes nicht hinter anderen Attraktionen verborgen (mögen sie mit jener gewerblichen Absicht zusammenhängen oder nicht).
Daß ein starker Umsatz der Gewerbetreibenden im Geschäft mit dem breiten Publikum für die Grüne Woche charakteristisch ist und das Bild dieser Veranstaltung in vielen Jahren geprägt hat, findet seine Bestätigung in den Ereignissen der Grünen Woche 1990. Erstmals seit 1981 fanden sich private Besucher aus Berlin (Ost) und der DDR wieder in großer Menge ein. Allerdings fehlte ihnen zumeist das Geld, um sich ihre Kaufwünsche zu erfüllen. Dies blieb nicht etwa ohne Resonanz bei den Anbietern; vielmehr wurde (zumindest in den ersten Tagen der Grünen Woche) Beschwerde über deutliche Umsatzeinbußen im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren geführt. Das widerlegt die Auffassung des Kl., auf der Grünen Woche stünden die bloße Besichtigung der Produkte und die außerdem gebotenen Programmpunkte üblicherweise ganz im Vordergrund.
3. Ebenso fehlt es an dem oben angeführten Element der Überrumpelung, wie es für eine Freizeitveranstaltung im Sinne des HWiG kennzeichnend ist.
Auf der Grünen Woche wird es dem privaten Verbraucher nicht besonders schwer gemacht, sich den Verkaufsbemühungen der dort tätigen Händler - wenn sie ihm eigentlich unwillkommen sind - schnell zu entziehen. Das ergibt sich schon aus der Vielzahl der Verkaufsstände in den großen Hallen und der Masse der Besucher. Eine solche Situation erleichtert es dem Verbraucher, sich von einem bestimmten Anbieter - ohne daß es peinlich wirkt - einfach abzuwenden und wieder in der anonymen Menge des Publikums unterzutauchen. Für einen psychischen Kaufzwang (aus Dankbarkeit oder aus dem Gefühl einer gewissen persönlichen Beziehung zwischen Käufer und Verkäufer) läßt sich hier in aller Regel nicht sprechen.
Jedenfalls ist dieser Kaufdruck nicht stärker als auf Märkten und Festwiesen mit Verkaufsständen; insoweit soll das HWiG aber gerade nicht gelten, wie schon oben erwähnt worden ist. Auf die vom Kl. angesprochene „gelockerte Freizeitstimmung" kommt es nicht allein an.
4. Insgesamt zeigen diese Ausführungen, daß ein privater Besucher der Grünen Woche eher mit einem Interessenten zu vergleichen ist, der durch ein verlockend ausgestattetes Kaufhaus schlendert, als mit dem Teilnehmer an einer Kaffeefahrt, Filmvorführung, Tanzveranstaltung oder auch (um andere Beispiele des Kl. aufzugreifen) mit einem Besucher des Zoos oder des Botanischen Gartens, für den der „Kauf“-gesichtspunkt nicht aktuell ist, weil völlig andere Interessen im Vordergrund stehen. Das verbietet es, eine Verbraucherausstellung nach Art der Grünen Woche als Freizeitveranstaltung im eben beschriebenen Sinne zu bezeichnen.
Dabei mag es sein, daß für die Grüne Woche auch das Schlagwort „Kaufhaus mit Volksfest“ (vgl. OLG Stuttgart, NJW-RR 1988, 1323) in gewisser Hinsicht zutreffend wäre. Wird nämlich - wie es auf der Grünen Woche vielfach geschieht - das Ungewöhnliche und Exotische verlockend aufbereitet, so unterhällt und amüsiert sich das Publikum; dann liegt der Vergleich mit einem Volksfest nicht fern. Dies läßt aber trotzdem nicht auf eine Freizeitveranstaltung im Sinne des HWiG schließen, wenn neben dem „Volksfest“-Gedanken ebenso auch der „Kaufhaus“-Aspekt klar, deutlich und mindestens gleichrangig zutage tritt. Gerade das kennzeichnet aber die Grüne Woche.
5. Das Ergebnis ändert sich auch nicht deswegen, weil es - wie der Kl. hervorhebt - nicht der typische Fall eines Kaufvertrages mit einem privaten Endverbraucher auf der Grünen Woche ist, wenn ein „Massator“ zum Preis von 671 DM abgesetzt wird.
Es mag sein, daß die weitaus meisten Verträge, die mit dem breiten Publikum auf der Grünen Woche geschlossen werden, andersartige Artikel zu einem niedrigeren Preis betreffen. Darauf kommt es aber nicht entscheidend an.
Ob die Grüne Woche eine Freizeitveranstaltung im Sinne des HWiG ist, muß nämlich in einer Gesamtwürdigung aller Umstände ermittelt und kann nur einheitlich bejaht oder verneint werden. Lehnt man es mit den obigen Erwägungen ab, die Grüne Woche so einzuordnen, dann geht es nicht an, bei einzelnen (unterstellt) ungewöhnlichen Geschäften doch wieder anders zu entscheiden. Vielmehr entfällt ein besonderes Schutzbedürfnis des Publikums auch hinsichtlich solcher (unterstellt) atypischer Verträge, wenn - wie hier - die Verkaufsabsicht der Anbieter insgesamt nicht verschleiert und das Publikum generell nicht überrumpelt wird.
Ergänzend sei noch bemerkt, daß es an jeglichem Vorbringen des Kl. darüber fehlt, inwiefern der zum Gegenstand des Prozesses gemachte Vertrag vom 4. 2. 1988 etwa in einer besonderen Drucksituation oder in sonstiger Weise durch mißbräuchliches Verhalten zustandegekommen sein soll. Unstreitig war die Beklagte auf der Grünen Woche 1987 (wie übrigens auch 1988) offiziell als Aussteller zugelassen. Ein „Massator“ soll der Gesundheitspflege dienen; entgegen der Ansicht des Kl. sind solche Geräte auf der Grünen Woche nicht als völlig artfremd zu bezeichnen. Im übrigen geht aus dem Kaufvertrag vom 4. 2. 1988 hervor, daß die Bekl. - durchaus im Einklang mit dem Anliegen der Grünen Woche - auch Massageöl, Kräutercreme und Fußbalsam anzubieten hatte.
B. Der Klageanspruch läßt sich auch nicht etwa aus §§ 1, 13 UWG i. V. mit § 2 HWiG und § 1 I Nr. 3 HWiG herleiten.
Nach der zuletzt genannten Regelung steht es einem Vertragsschluß anläßlich einer Freizeitveranstaltung allerdings gleich, wenn es dazu „im Anschluß an ein überraschendes Ansprechen ... im Bereich öffentlich zugänglicher Verkehrswege" gekommen ist. Um einen solchen Vorgang handelt es sich hier aber nicht.
Der „Bereich öffentlich zugänglicher Verkehrswege" erfaßt neben öffentlichen Straßen, Wegen, Plätzen und Parks auch die allgemein zugänglichen Privatwege und die Flächen, die dem öffentlichen Verkehr dienen (BT-Dr 10/2876, S. 11, 12; Palandt-Putzo, § 1 HWiG Anm. 4c bb). Das trifft auf die Messehallen unter dem Funkturm, die man nur mit einer gültigen Eintrittskarte betreten darf, nach Ansicht des Senats nicht zu.
Zumindest jedoch fehlt es an einem „überraschenden“ Ansprechen. Nochmals ist zu betonen, daß der Kunde mit diesem Tatbestandsmerkmal vor einer Überrumpelung geschützt werden soll; ein „Anreißen“ wäre nötig (BT-Dr 10/2876, S. 12). Davon kann aber keine Rede sein, wenn die Bekl. als Ausstellerin mit einem Verkaufsstand auf der Grünen Woche die hier üblichen Aktivitäten innerhalb der Messehalle entfaltet hat, um ihre Produkte abzusetzen. Zusätzliche, die Bekl. belastende Umstände hat der Kl. nicht dargetan.
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