Unaufklärbarer Autoschaden in Waschanlage

Gericht

OLG Hamm


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

12. 04. 2002


Aktenzeichen

12 U 170/01


Leitsatz des Gerichts

  1. Der Fahrzeugeigentümer, der den Betreiber einer Autowaschstraße auf Schadensersatz in Anspruch nimmt, weil sein Pkw beim Durchlaufen der Waschanlage beschädigt worden ist, muss zumindest darlegen und beweisen, dass die Schadensursache allein aus dem Verantwortungsbereich des Betreibers herrührt. Ist diese Feststellung nicht möglich, liegt das Risiko der Unaufklärbarkeit der Schadensursache beim Fahrzeugeigentümer.

  2. Der Waschstraßenbetreiber genügt grundsätzlich seiner Verkehrssicherungspflicht, wenn die von ihm betriebene Anlage den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht.

Tatbestand

Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. befuhr mit dem mittleren von drei Fahrzeugen die Waschstraße des Bekl. Während des Waschvorgangs, für den die Fahrer die Fahrzeuge verlassen, blieb das vor dem Kl. befindliche Fahrzeug des F aus ungeklärten Umständen in der Waschstraße stehen. Das Fahrzeug des Kl. wurde, durch die Schlepprolle der Führungsschiene befördert, aufgeschoben. Auch das hinter dem Kl. befindliche Fahrzeug wurde auf das Fahrzeug des Kl. aufgeschoben. Am Fahrzeug des Kl. entstand erheblicher Sachschaden. Der Kl. hat zunächst in einem Vorprozess den F als Fahrer des liegen gebliebenen Fahrzeugs sowie dessen Haftpflichtversicherung auf Schadensersatz in Anspruch genommen und in dem Verfahren dem Bekl. als Betreiber der Waschstraße den Streit verkündet. Das im Vorprozess zuständige AG hat die Klage unter Hinweis auf § 7 II StVG abgewiesen, nachdem ein Sachverständiger festgestellt hatte, dass ein Fehlverhalten des F nicht feststellbar sei. Der Sachverständige konnte jedoch nicht ausschließen, dass die Vorderachse des Fahrzeugs des F schräg gegen die Führungsschiene der Waschstraße gelaufen war und es dadurch zum Durchrutschen der Führungsrolle gekommen war. Der Kl. hat daraufhin im vorliegenden Prozess den Bekl. als Waschstraßenbetreiber auf Schadensersatz in Anspruch genommen.

Das LG Bochum (NJW-RR 2001, 1678) hat die Klage nach Einholung eines Ergänzungsgutachtens abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein objektiv pflichtwidriges Verhalten des Bekl. sei nicht feststellbar. Es habe sich während des Prozesses nicht feststellen lassen, weshalb das vorausfahrende Fahrzeug in der Waschstraße zum Stehen gekommen sei. Dem Bekl. sei auch deshalb kein Vorwurf zu machen, weil die von ihm betriebene Anlage, wie der Sachverständige dargelegt habe, dem Stand der Technik entspreche. Da es sich um das erste Schadensereignis dieser Art gehandelt habe, habe auch noch kein Anlass bestanden, die vom Sachverständigen aufgezeigte Möglichkeit der Installation einer Videoanlage zu realisieren. Die hiergegen eingelegte Berufung des Kl. hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Auszüge aus den Gründen:

1. Eine Pflichtverletzung des Bekl. kann zunächst nicht aus einer Fehlfunktion der Waschanlage hergeleitet werden. Es ist nämlich nicht feststellbar, dass das Schadensereignis auf eine Fehlfunktion der Waschanlage zurückzuführen ist.

a) Grundsätzlich trägt der Gläubiger, hier der geschädigte Kl., die Beweislast dafür, dass der Schuldner objektiv eine ihm obliegende Pflicht verletzt hat und diese Pflichtverletzung den Schaden verursachte (Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl. [2002], § 282 Rdnr. 11 m.w. Nachw.). Eine unmittelbare Fehlfunktion der Waschstraße ist seitens des Kl. nicht dargestellt oder sonst erkennbar.

b) In Abweichung von der grundsätzlichen Beweislast des Geschädigten hat die Rechtsprechung anerkannt, dass ausnahmsweise von einer Schädigung auf eine Pflichtverletzung des Handelnden, hier des Bekl. als Waschstraßenbetreiber, geschlossen werden kann, wenn der Gläubiger dartut und beweist, dass die Schadensursache allein aus dem Verantwortungsbereich des Schuldners herrühren kann (BGH, NJW-RR 1993, 795; OLG Koblenz, NJW-RR 1995, 1135; OLG Hamburg, DAR 1984, 260; LG Bayreuth, NJW 1982, 1766).

Eine Schadensursächlichkeit allein im Verantwortungsbereich des Bekl. ist indes nicht feststellbar. Der hier zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich nämlich dadurch von den typischen Waschstraßenfällen, dass das Fahrzeug des geschädigten Waschstraßennutzers nicht durch ein am Waschvorgang beteiligtes Teil der Waschstraße (z.B. eine Rotationsbürste), sondern durch ein weiteres Fahrzeug während des Waschvorgangs beschädigt wurde. Eine Schadensursächlichkeit im Verantwortungsbereich des bekl. Waschstraßenbetreibers wäre daher nur dadurch herleitbar, dass alle anderen - außerhalb dieses Verantwortungsbereichs - in Betracht kommenden Schadensursachen durch den Kl. positiv ausgeschlossen würden. Entgegen der Ansicht des Kl. ist nämlich bei einer Unaufklärbarkeit der Schadensursache nicht von einer Haftung des Bekl. auszugehen. Eine solche ergibt sich insbesondere nicht aus dem von ihm zitierten Urteil des BGH vom 23. 1. 1975 (NJW 1975, 685 = LM § 276 [Ci] BGB Nr. 26). In der vom BGH entschiedenen Konstellation stand nämlich einerseits fest, dass der Schaden durch die Waschstraße selber verursacht worden war und, sofern eine fehlerhafte Handhabung durch den Geschädigten vorlag, die Betreiberin auf dieses Risiko schuldhaft nicht hingewiesen hatte.

Ein Ausschluss jedweder anderer, außerhalb des Verantwortungsbereichs des Bekl. liegender Schadensursächlichkeit ist nicht möglich. Der Sachverständige hat nachvollziehbar dargestellt, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Vorderachse des vor dem Kl. befindlichen Fahrzeugs schräg gegen die seitliche Führungsschiene der Schleppkette lief und es dadurch bedingt zu einer Schrägstellung der Lenkung kam, was wiederum ein Durchrollen der Schlepprolle verursacht haben könnte.

Diese Möglichkeit ist weder auf Grund der Interventionswirkung der Streitverkündung gegenüber dem Bekl. im Vorprozess, noch im Wege der ergänzenden Beweisaufnahme auszuschließen.

aa) Die Interventionswirkung des Urteils im Vorprozess vermag diese mögliche Ursache des Schadensereignisses nicht auszuschließen. … Die Interventionswirkung der hier zulässigen Streitverkündung umfasst gem. §§ 74 III, 68 ZPO nämlich immer nur die tragenden Feststellungen des Ersturteils. Keine Bindungswirkungen entfalten dagegen so genannte überschießende Feststellungen. Das sind Feststellungen, die im Erstprozess nicht erheblich sind und von daher bei korrektem Verfahren im ersten Prozess gar nicht zu klären waren (Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 68 Rdnr. 10).

Soweit das AG im Urteil Ausführungen zu einer etwaigen Unabwendbarkeit für den dort bekl. F i.S. des § 7 II StVG gemacht hat, handelt es sich um überschießende Feststellungen, da die Voraussetzungen des § 7 I StVG und damit einer etwaigen Gefährdungshaftung bereits nicht vorlagen. Das Schadensereignis hat sich nämlich nicht „beim Betrieb des Kraftfahrzeugs“ ereignet, da das Fahrzeug ohne Motorkraft allein durch die Schlepprolle bewegt wurde. Dieser Vorgang lag außerhalb der Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs (vgl. KG, VersR 1977, 626 [627]; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl. [2001], § 7 StVG Rdnr. 9), da das Fahrzeug lediglich als sich nicht von selbst bewegender Gegenstand durch die Waschstraße befördert wurde.

Letztlich ist aber auch die Streitverkündung im amtsgerichtlichen Verfahren vom Ansatz her nicht geeignet, auf Grund der Interventionswirkung positiv festzustellen, dass die Schadensursächlichkeit allein im Verantwortungsbereich des Waschstraßenbetreibers lag. Die hierfür erforderliche Feststellung eines Ausschlusses sämtlicher anderer - außerhalb dieses Verantwortungsbereichs - in Betracht kommender Schadensursachen konnte nämlich keine tragende Feststellung im amtsgerichtlichen Verfahren sein. Die dort ausgesprochene Klageabweisung basiert notwendigerweise allein darauf, dass ein Fehlverhalten des F nicht feststellbar ist.

bb) Es stehen auch keinerlei weitere Erkenntnismöglichkeiten zur Verfügung, kraft derer die vorstehend aufgezeigte Möglichkeit eines schrägen Anlaufens der Vorderräder gegen die seitliche Führungsschiene als Ursache des Schadensereignisses ausgeschlossen werden könnte. Der Sachverständige hat detailliert dargestellt, dass diese Möglichkeit aus sachverständiger Sicht nicht ausgeschlossen werden könne. Weitere Erkenntnisquellen zum Ausschluss dieser Möglichkeit sind nicht dargestellt oder erkennbar.

2. Eine Pflichtverletzung des Bekl. kann auch nicht aus einer Verkehrssicherungspflichtverletzung hergeleitet werden. Zwar trifft den Bekl. als Waschstraßenbetreiber die Obhutspflicht, die Fahrzeuge seiner Kunden vor Schäden zu bewahren. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass der Bekl. diese Pflicht verletzt hätte.

Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen entsprach die Waschanlage dem Stand der Technik. Der Senat teilt insoweit die Auffassung des OLG München (OLGZ 1982, 382), dass der Betreiber einer Autowaschanlage seiner Verkehrssicherungspflicht genügt, wenn die von ihm betriebene Anlage den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die bis dato praktizierte Technik zur Vermeidung von Schäden an Kundenfahrzeugen nicht ausreicht. Derartige Umstände, die vom Kl. darzulegen und zu beweisen wären, sind vor dem Schadensfall jedoch nicht erkennbar gewesen, da die Waschstraße zuvor seit 26 Jahren betrieben wurde, ohne dass ein derartiger Schadensfall aufgetreten ist.

Aus Sicht des Senats sind die eher theoretischen Vorschläge des Sachverständigen zur Schadensvermeidung nicht praktikabel bzw. unverhältnismäßig. Eine etwaige Überwachung mittels Sensoren scheitert bereits daran, dass derartige Sensoren von den Waschstraßenherstellern nicht angeboten werden. Auch eine Überwachung mittels Videokamera erscheint, unabhängig von dem hiermit verbundenen Kostenfaktor für Personal und Material, unpraktikabel. Auf der gesamten Strecke der Waschstraße wäre eine Vielzahl von Kameras anzubringen, die gleichzeitig überwacht werden müssten. Diese technisch aufwendige und personalintensive Lösung, die noch dazu angesichts der regelmäßig eingeschränkten Aufmerksamkeit einer Überwachungsperson nur geringe Aussicht auf Erfolg besitzt, erscheint angesichts eines Schadensfalls in 26 Jahren und einer insofern offensichtlich nicht drängenden Problemstellung für die Waschstraßenhersteller unverhältnismäßig. Dies gilt insbesondere deshalb, weil Schadensereignisse der vorliegenden Art mit Kollisionsgeschwindigkeiten von ca. 0,5 km/h allenfalls geringe Sachschäden verursachen, deren Vermeidung den notwendigen Personal- und Materialeinsatz nicht rechtfertigt. Selbst ein eher hoher Schaden der vorliegenden Art entspricht bei grob überschlägiger Schätzung dem Personalaufwand für einen Monat der Überwachung, was angesichts eines Schadensfalls in 26 Jahren nicht zu rechtfertigen ist.

Rechtsgebiete

Verbraucherschutzrecht