Haftungsausschluß in AGB des Betriebes einer Autowaschanlage

Gericht

OLG Bamberg


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

08. 12. 1983


Aktenzeichen

1 U 22/83


Leitsatz des Gerichts

  1. Der in AGB enthaltene Haftungsausschluß des Betriebes einer Autowaschanlage ist wirksam, soweit er sich auf Schäden bezieht, die von Außenteilen des beschädigten Fahrzeuges verursacht worden sind.

  2. Dagegen verstößt der in AGB enthaltene Haftungsausschluß für Folgeschäden gegen die Bestimmung des § 9 AGB-Gesetz, soweit die Haftung für solche Folgekosten abbedungen wird, die in der Regel anfallen, um den auf die unmittelbaren Schäden bezogenen Ersatzanspruch mit Erfolg geltend machen zu können (z. B. Kosten eines Privatgutachtens).

Tatbestand

Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Bekl. betreibt eine Waschstraße für Pkw. An der Einfahrt in die Waschstraße ist ein Schild angebracht, auf dem sich die AGB für die Benutzung der Waschanlage befinden. Diese lauten in den hier wesentlichen Punkten wie folgt:

„(4) Bei Eintritt eines Schadens durch den Waschvorgang in der Waschanlage haftet der Waschanlagenunternehmer für den unmittelbaren Schaden. Folgeschäden werden nicht ersetzt, es sei denn, daß den Waschanlagenunternehmer eine Haftung aus grobem Verschulden trifft.

(5) Eine Haftung für Beschädigung der außen an der Karosserie angebrachten Teile wie z. B. Zierleisten, Spiegel, Antennen sowie für dadurch verursachte Lack- und Schrammschäden bleibt ausgeschlossen, es sei denn, daß den Waschanlagenunternehmer eine Haftung aus grobem Verschulden trifft."

An dem Pkw des Kl. entstand erheblicher Schaden. Ausweislich eines am 2. 4. 1981 erstellten Privatgutachtens wies der Pkw an der gesamten Oberfläche sowie an der linken Seite Kratzschäden im Lack auf; ferner waren die Heckscheibe und die Scheiben der linken Türfenster mit Kratzern versehen. Schließlich war die Zierrahmenleiste an der Heckscheibe eingedrückt. Das Fahrzeug befand sich vom 23. 3. bis zum 27. 3. 1981 zur Reparatur dieser Schäden in der Werkstatt. Die Beseitigungskosten beliefen sich auf 2587,41 DM. Für das Privatgutachten waren 282,25 DM zu bezahlen. Unter dem 23. 7. 1981 hat der Kl. den Bekl. aufgefordert, den Gesamtschaden von rund 3099 DM unter Einschluß von 200 DM für Nutzungsentgang während der Reparaturzeit sowie von 30 DM für allgemeine Unkosten zu begleichen. Der Bekl. hat vorgetragen, der Schaden an der Heckscheibe (580,93 DM Reparaturkosten) sei darauf zurückzuführen, daß die bereits gelockerte Dachzierleiste mit diesem Teil des Fahrzeugs in Berührung gekommen sei. Darüber hinaus würden sämtliche anderen Beschädigungen auf Vorgängen beruhen, die mit dem Benutzen der Waschanlage nichts zu tun hätten. Im übrigen beziehe er sich auf den Haftungsausschluß gem. Nrn. 4 und 5 der AGB.

Das LG hat der auf 3099 DM gerichteten Klage stattgegeben. Die Berufung des Bekl. war lediglich in Höhe von 580,93 DM erfolgreich.

Entscheidungsgründe

Auszüge aus den Gründen:

Der Senat legt unter 1 dar, daß sämtliche Schäden während des Waschvorganges entstanden sind.

2. Allerdings kann dem Erstgericht nicht gefolgt werden, soweit dieses den in den AGB des Bekl. unter Nr. 5 enthaltenen Haftungsausschluß insgesamt für unwirksam erachtet hat. In Anlehnung an die vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes praktizierte Rechtsprechung wird zwar überwiegend die Ansicht vertreten, daß bei sogenannten Kardinalpflichten eine Freizeichnung selbst für leichte Fahrlässigkeit aufgrund der Bestimmung des § 9 II Nr. 2 AGB-Gesetz ausgeschlossen sei (vgl. Wolf, NJW 1980, 2433 ff. m. w. Nachw.). Hierauf gestützt haben neben dem LG eine Reihe weiterer Gerichte gerade in dem hier zu beurteilenden Fall oder bei vergleichbarem Sachverhalt einen Haftungsausschluß auch bei nur leichter Fahrlässigkeit nicht zugelassen (vgl. AG Schweinfurt, DAR 1982, 293; LG Berlin, VersR 1983, 840; LG Düsseldorf, BB 1979, 1632). Dieser Ansicht vermag sich der Senat jedoch nicht anzuschließen, soweit sich der Haftungsausschluß - wie im vorliegenden Fall - auf Schäden bezieht, die von Außenteilen des beschädigten Fahrzeugs verursacht worden sind (ebenso OLG Düsseldorf, BB 1980, 388; LG Schweinfurt, DAR 1983, 166; Mehnle, DAR 1982, 49 ff.). Die in dem genannten Umfang festgelegte Einschränkung der Einstandspflicht des Verwenders der AGB hält sich noch im angemessenen Rahmen und ist deshalb mit der Regelung des § 9 AGB-Gesetz vereinbar. Da das mit der Benutzung einer Waschstraße verbundene Risiko des Eintritts solcher Schäden, die auf die maschinelle, automatisierte und nicht jederzeit kontrollierbare Tätigkeit der Waschanlage zurückzuführen sind, jedem Benutzer erkennbar ist, wird das Entstehen dieser Schäden nicht von der zentralen Leistungserwartung des Kunden umfaßt (vgl. OLG Düsseldorf, BB 1980, 388). Hinzu kommt, daß die Beseitigung der genannten Schäden in der Regel keine großen Kosten verursacht, so daß sich das Schadensrisiko in zumutbaren Grenzen hält. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, daß kein Kfz-Halter gezwungen ist, das von einer Waschanlage ausgehende Schadensrisiko auf sich zu nehmen; denn es steht in seinem freien Ermessen, ob er sein Fahrzeug maschinell oder von Hand waschen läßt. Macht er aber von der zuerst angeführten Möglichkeit Gebrauch und zwar in der Regel deshalb, weil er dabei nicht unerhebliche Kosten und längeren Zeitaufwand erspart, so erscheint es nicht unbillig, daß ihm die mit der getroffenen Wahl zwangsläufig verbundenen Risiken teilweise aufgebürdet werden. Dabei fällt weiter entscheidend ins Gewicht, daß der hier maßgebliche Haftungsausschluß durchaus im Einklang steht mit den von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätzen zur Einstandspflicht für solche Gefahren, die aus der eigenen Risikosphäre herrühren. Der Schluß auf objektiv pflichtwidriges Verhalten des Waschanlagenbetreibers läßt sich nämlich bei solchen Schäden am Pkw nicht ziehen, die an Außenteilen des Fahrzeuges oder deswegen entstehen, weil sich solche Teile gelöst und im Zusammenwirken mit dem Waschvorgang den Lack beschädigt haben. Erfahrungsgemäß beruhen Schäden dieser Art häufig darauf, daß die jeweiligen Außenteile nicht mehr in ausreichendem Maße mit den Fahrzeug verbunden waren und sich allein deshalb während des Waschvorgangs abgelöst haben. Die sonach von dem Zustand dieser Kraftfahrzeugteile ausgehende Gefahr eines Schadenseintritts während des Benutzens der Waschanlage ist aber zunächst und in erster Linie von dem jeweiligen Kunden zu beherrschen. Dies gilt zumindest dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - aufgrund des Betriebsablaufes klar zu erkennen ist, daß eine Kontrolle der Außenteile des Pkw auf festen Sitz hin durch den Betreiber der Waschanlage oder dessen Personal vor dem Einfahren in die Anlage nicht stattfindet.

Das bedeutet hier im Ergebnis, daß der Bekl. für die Schäden nicht einzustehen hat, die an der Heckscheibe des im Streite stehenden Kraftfahrzeuges entstanden sind; denn er hat unwidersprochen vorgetragen, die genannten Beschädigungen seien darauf zurückzuführen, daß die linke Dachzierleiste des Pkw in die Bürsten geraten sei und die angeführten Kratzer verursacht habe.

3. a) Das LG hat schließlich zutreffend ausgeführt, daß sich der Bekl. nicht auf den in seinen AGB unter Nr. 4 enthaltenen Haftungsausschluß für Folgeschäden berufen kann. Eine solche Einschränkung der Einstandspflicht für den Fall leichter Fahrlässigkeit ist zwar grundsätzlich statthaft (vgl. Kötz, in: MünchKomm, § 11 AGB-Gesetz Rdnr. 62). Hier verstößt die maßgebliche Klausel jedoch gegen die Regelung des § 9 AGB-Gesetz, soweit die Haftung für solche Folgekosten abbedungen wird, die in der Regel anfallen, um den auf die unmittelbaren Schäden bezogenen Ersatzanspruch überhaupt mit Erfolg geltend machen zu können. Zu diesen Aufwendungen zählen üblicherweise die Kosten für eine Schadensbegutachtung; denn erfahrungsgemäß ist die Einholung eines solchen Gutachtens in der Mehrzahl der Fälle notwendig, um die verursachten Schäden beweisbar festzuhalten und die Angabe der Schadenshöhe zu ermöglichen. Deshalb geht es nicht an, das mit dem Unterlassen dieser Maßnahme verbundene Risiko, bei der Durchsetzung des Schadensersatzanspruches auf Schwierigkeiten zu stoßen, kostenmäßig auf den Geschädigten zu verlagern; denn diesem würde in der Regel zugemutet, entweder auf eigene Kosten Schritte zur erfolgreichen Geltendmachung solcher Schäden zu unternehmen, die eindeutig in den Verantwortungsbereich des anderen fallen, oder hierauf zu verzichten und dadurch Gefahr zu laufen, einen an sich begründeten Ersatzanspruch wegen Beweisschwierigkeiten nicht durchsetzen zu können. Dabei ist in diesem Zusammenhang an sich unerheblich, ob das vom Kl. eingeholte Privatgutachten unter den genannten Gesichtspunkten tatsächlich erforderlich war, um gegen den Bekl. mit Aussicht auf Erfolg vorgehen zu können; denn die Frage, ob eine Bestimmung in AGB gegen die Regelung des § 9 AGB-Gesetz verstößt, ist an Hand allgemeiner Kriterien zu beantworten, so daß es nicht darauf ankommt, ob sich im Einzelfall die der beanstandeten Klausel innewohnende unangemessene Benachteiligung auch tatsächlich ausgewirkt hat (vgl. BGH, NJW 1980, 1947). Hier war jedoch die Einschaltung eines Sachverständigen schon aus Gründen der Beweisführung notwendig. Dies bedeutet, daß der Kl. mit seinem Anspruch auf Erstattung der Gutachterkosten in Höhe von 282,25 DM nicht ausgeschlossen ist; eine anteilige Verminderung dieses Betrages mit Rücksicht darauf, daß der Bekl. für einen geringen Teil des im Gutachten ausgewiesenen Schadens nicht einzustehen hat, scheidet aus; denn es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Aufwendungen für das eingeholte Gutachten niedriger gewesen wären, wenn von diesem der kaum ins Gewicht fallende Schaden an der Heckscheibe nicht erfaßt worden wäre.

b) Dahinstehen kann, ob diese Überlegungen auch auf den für Nutzungsentgang beanspruchten Schadensbetrag von unstreitig 200 DM sowie auf die Schadenspauschale für allgemeine Unkosten von 30 DM zutreffen; denn hierauf kommt es nicht an. Nach anerkannter, auch vom BGH (NJW 1982, 2309) geteilter Auffassung ist es nämlich nicht Aufgabe der Rechtsprechung, einer nach § 9 AGB-Gesetz unwirksamen Klausel im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine Fassung zu geben, die einerseits dem Unternehmer möglichst günstig, andererseits aber gerade noch rechtlich zulässig ist. Diese Grenze zu ermitteln, ist vielmehr Sache des Klauselverwenders. Da sonach der auf die gesamten Folgeschäden bezogene Haftungsausschluß in den AGB des Bekl. unwirksam ist, hat dieser nach den Grundregeln der §§ 249 ff. BGB auch die oben genannte Summe von insgesamt 230 DM zu erstatten.

Rechtsgebiete

Verbraucherschutzrecht