Musikwiedergabe in Werkstatträumen eines Fahrradladens - GEMA-Gebühr
Gericht
AG Erfurt
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
25. 01. 2002
Aktenzeichen
28 C 3559/01
Wird Musik von einem Radiogerät in einem Nebenraum einer Werkstatt, der der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist, abgespielt, so kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Musik auch für Kunden im Verkaufsraum i.S. des § 15 III UrhG „bestimmt“ ist, auch wenn die Kunden die Musik zufällig wahrnehmen.
Die Kl. begehrt von dem Bekl. die Zahlung von Schadensersatz bzw. einer Lizenzgebühr für die öffentliche Wiedergabe von Musik in den Geschäftsräumen des Bekl. Der Bekl. betrieb einen Fahrradladen in N. Im Juli 1998 besuchte der Mitarbeiter der Kl., der Zeuge F die Gewerberäume des Bekl. Zu diesem Zeitpunkt wurde in den Geschäftsräumen Radiomusik über mehrere Boxen wiedergegeben. Zum Abschluss eines Lizenzvertrages kam es in der Folge nicht. Nochmals suchte der Zeuge F 1999 die Geschäftsräume des Bekl. auf. Ob ein Radiogerät zu diesem Zeitpunkt in Betrieb war, ist zwischen den Parteien streitig. Die Kl. hat beantragt, den Bekl. zur Zahlung einer Lizenzgebühr zu verurteilen.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Die Kl. hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch gegen den Bekl. auf Schadensersatz bzw. auf Zahlung einer Lizenzgebühr, insbesondere nicht aus §§ 97 I, 15 III UrhG und aus § 812 BGB. Es liegt keine öffentliche Wiedergabe eines der Kl. zustehenden Verwertungsrechtes vor. …
Nach der Legaldefinition in § 15 III UrhG ist die Wiedergabe eines Werkes öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Personen bestimmt ist, es sei denn, dass der Kreis dieser Personen bestimmt abgegrenzt ist und sie durch gegenseitige Beziehungen oder Beziehungen zum Veranstalter persönlich untereinander verbunden sind. Von dieser Legaldefinition ausgehend, stellt die höchstrichterliche Rechtsprechung im Anschluss an die schon zur früheren Rechtslage ergangenen Entscheidungen in ständiger Rechtsprechung an die vergütungsfreie Nichtöffentlichkeit von Werkwiedergaben strenge Anforderungen (BGH, NJW 1996, 3084; LG Leipzig, NJW-RR 1999, 551 m.w. Nachw.). Dieser Öffentlichkeitsbegriff ist nicht erfüllt, da vorliegend davon auszugehen ist, dass die Radiomusik in der Werkstatt des Bekl. nicht für eine Mehrzahl von Personen „bestimmt“ war. Das Tatbestandsmerkmal „Bestimmtsein“ hat eindeutig ein subjektives Element insoweit, als der Veranstalter der Sendungen dieses für eine Zielgruppe wiedergibt. Es kommt gerade nicht darauf an, dass zufällig auch andere Personen die Musik wahrnehmen (so aber: AG Kassel, NJW-RR 2000, 493; AG Leipzig, Urt. v. 12. 3. 1998 - 1 C 13874/97; AG Bochum, Urt. v. 28. 1. 1999 - 44 C 543/98). Der Begriff „Bestimmtsein“ setzt vom Wortsinn geradezu voraus, dass es durchaus Wiedergaben eines urheberrechtlich geschützten Werkes gibt, die einer Mehrzahl von Personen zugänglich ist. Das soll aber nach der gesetzlichen Legaldefinition eben gerade nicht reichen. Objektive bzw. tatsächliche Elemente haben vorliegend nur insoweit Bedeutung, dass bei ihrer Feststellung auf das subjektive Element „Bestimmtsein“ geschlossen werden kann. Grundsätzlich kann jedoch bei der Wiedergabe von Radiomusik in einem Nebenraum, der nicht der Öffentlichkeit zugänglich ist, nicht davon ausgegangen werden, dass die Radiomusik auch für die Kunden des Bekl. „bestimmt“ war. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die Quelle der Radiomusik in der Weise aufgestellt wurde, dass darauf zu schließen ist, dass der Verkaufsraum auch beschallt werden sollte. Hierzu wurde jedoch seitens der darlegungsbelasteten Kl. nicht vorgetragen. Etwas anderes kann auch gelten, wenn die Lautstärke der aus dem Nebenraum kommenden Musik so groß ist und dieser Umstand mehrmals in einem kurzen Zeitraum von der Kl. festgestellt wurde, dass aus diesen Umständen geschlossen werden kann, dass die Musik auch die Kunden erreichen soll. Aber auch hierzu hat die Kl. nicht vorgetragen und der Zeuge F konnte im Rahmen seiner Einvernahme keine Angaben zur Lautstärke der Radiomusik machen. Schließlich hat die Kl. lediglich zweimal das Ladengeschäft des Bekl. aufgesucht, so dass sich keine Schlüsse ziehen lassen hinsichtlich eines dauerhaften Verhaltens durch Abspielen von Musiksendungen aus dem Werkstattbereich in den Ladenbereich hinein. Auch psychologische Umstände (gedämpfte Musik in einer Zahnarztpraxis zur Beruhigung der Patienten oder Unterhaltungsmusik in einem Kaufhaus zur Unterstützung des Wohlbefindens der Kunden usw.) lassen sich nicht feststellen. Der Aufenthalt in einem Fahrradgeschäft ist gerichtsbekanntermaßen eher von kürzerer Dauer und im Rahmen eines Beratungsgespräches beim Kauf eines Fahrrades eher störend.
Das Gericht ist sich bewusst, dass sich bei Anwendung dieser Rechtsauffassung Probleme bei der Feststellung einer Urheberrechtsverletzung ergeben können. Die bislang anscheinend von der Mehrzahl der AGe vertretene Rechtsauffassung führt jedoch dazu, dass es darauf ankommt, dass eine Verbindungstür ständig geschlossen ist bzw. beim Öffnen sofort wieder geschlossen wird (s. AG Kassel, NJW-RR 2000, 493). Wird das Verschließen einmal vergessen, so wäre nach dieser Rechtsauffassung der Ladeninhaber stets vergütungspflichtig. Der Arbeitgeber müsste dann beständig seine Arbeitnehmer beaufsichtigen und darauf achten, dass das eingeschaltete Radiogerät keinesfalls im Ladenraum zu hören ist. Das kann schlechterdings nicht verlangt werden. Ansonsten wäre, wenn es nur auf die öffentliche Wahrnehmung ankäme und dies für den primären Nutzer erkennbar wäre, auch Radiomusik an einer Baustelle im öffentlichen Verkehrsraum, in einem Büroraum oder einer Amtsstube mit Publikumsverkehr als Wiedergabe eines Werkes, das für die Öffentlichkeit „bestimmt“ ist, anzusehen. Diese Ansicht wird bislang nicht vertreten. Das Hören von Radiomusik am Arbeitsplatz wird lediglich durch eine Vergütungspflicht nach dem Rundfunk-Staatsvertrag erfasst.
Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH © 2020
Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen