Verpflichtung zur Beitragszahlung bei Nichtnutzung des Fitness-Studios

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

23. 10. 1996


Aktenzeichen

XII ZR 55/95


Leitsatz des Gerichts

Die von dem Betreiber eines Sport- und Fitness-Studios in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen benutzte Klausel: „Der Beitrag ist auch dann regelmäßig zu zahlen, wenn das Mitglied die Einrichtungen nicht nutzt“, benachteiligt den Vertragspartner des Verwenders unangemessen und ist deshalb nach § 9 I AGBG unwirksam.

Tatbestand

Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kläger ist ein mit öffentlichen Mitteln geförderter Verein, der nach seiner Satzung das Ziel zu verfolgen hat, gegen unzulässige AGB vorzugehen, die gegenüber Nichtkaufleuten verwendet werden. Die Beklagten betreiben ein „Sport- und Fitness-Studio“. Sie schließen mit ihren Kunden auf vorgedruckten Formularen sog. Mitgliedsverträge ab, in denen den Kunden die Nutzung der Einrichtungen und Geräte des Sport- und Fitness Studios gegen Zahlung einer monatlichen Gebühr gestattet wird. Nach den Formularverträgen sind die von den Beklagten gestellten AGB Vertragsbestandteil.

Das BerGer. hat die Beklagten verurteilt, es bei Meidung von Ordnungsgeld zu unterlassen, in bezug auf Verträge „zur Nutzung der Geräte und Einrichtungen im Sport- und Fitness-Studio“ - ausgenommen gegenüber einem Kaufmann im Rahmen seines Handelsgewerbes - folgende AGB zu verwenden: „Der Beitrag ist auch dann regelmäßig zu zahlen, wenn das Mitglied die Einrichtungen nicht nutzt“ (Nr. 3 S. 2 AGB). Außerdem hat das BerGer. dem Kläger die Befugnis zugesprochen, die Urteilsformel mit der Bezeichnung des verurteilten Verwenders auf Kosten der Beklagten im Bundesanzeiger, im übrigen auf eigene Kosten bekannt zu machen. Mit der zugelassenen Revision verfolgten die Beklagten ihren Antrag weiter, die Klage abzuweisen, soweit mit ihr die Klausel Nr. 3 S. 2 AGB beanstandet worden ist.

Die Revision hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Auszüge aus den Gründen:

1. Das BerGer. führt aus, die in Nr. 3 S. 2 AGB der Bekl. enthaltene Klausel führe i.S. des § 9 I AGBG zu einer unangemessenen Benachteiligung der Kunden. Deshalb stehe dem Kl. nach den §§ 9 I, 13 I, II Nr. 1 AGBG der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu.

Die Wirksamkeit der Klausel sei an den §§ 9 ff. AGBG zu messen. Dem stehe nicht entgegen, dass der Inhalt der Klausel im wesentlichen der für Mietverträge geltenden gesetzlichen Regelung des § 552 S. 1 BGB entspreche. Diese Bestimmung des Mietrechts sei auf den von den Bekl. verwendeten Mitgliedsvertrag nicht anwendbar. Zwar sei dieser Vertragstyp der Miete stark angenähert, weil die entgeltliche Gebrauchsüberlassung der Räume und Sportgeräte im Vordergrund stehe. Dienstrechtliche Elemente, die darin bestehen könnten, dass die Bekl. verpflichtet seien, ihre Kunden zu beraten und zu beaufsichtigen und sie in den Gebrauch der Geräte einzuweisen, stellten lediglich Nebenpflichten dar. Der Vertragstyp unterscheide sich von einem Mietvertrag aber entscheidend in der Art und Weise der Gebrauchsüberlassung. Beim Mietvertrag werde der Mietgegenstand dem Mieter für die vereinbarte Vertragszeit zur alleinigen Nutzung überlassen. Nach den Mitgliedsverträgen der Bekl. stünden die Einrichtungen und Geräte des Sportstudios dagegen den Kunden nur zur gleichzeitigen Nutzung neben anderen Kunden zur Verfügung. Der Gesetzgeber gehe bei der in § 552 BGB enthaltenen Gesamtregelung erkennbar davon aus, dass die Nutzung der Mietsache während der Dauer des Mietverhältnisses dem Mieter ausschließlich zustehe und dass der Vermieter von jeder eigenen Verwertung ausgeschlossen sei. § 552 S. 1 BGB gelte deshalb für den Mitgliedsvertrag nicht. Somit enthalte die beanstandete Klausel auch nicht eine Regelung, die ohne die Klausel ohnehin anzuwenden wäre.

Die Klausel benachteilige den Kunden unangemessen, weil er nach ihrem Wortlaut im Falle seiner persönlichen Verhinderung einschränkungslos und u.U. für lange Zeit verpflichtet bleibe, die monatliche Gebühr zu zahlen, also z.B. auch, wenn er wegen einer plötzlich eingetretenen Erkrankung auf Dauer gehindert sei, die Einrichtungen des Studios zu nutzen. Nach § 18 AGBG sei dem Kl. die Befugnis zuzusprechen, die Urteilsformel auf Kosten des Bekl. im Bundesanzeiger, im übrigen auf eigene Kosten bekannt zu machen.

Gegen diese Ausführungen des BerGer. wendet sich die Revision ohne Erfolg. Sie lassen einen Rechtsfehler zum Nachteil der Bekl. nicht erkennen.

2. Die Ausführungen des BerGer. zur Wirksamkeit der beanstandeten Klausel sind in der Revisionsinstanz auch insoweit uneingeschränkt nachprüfbar, als sie auf einer Auslegung des vorformulierten Mitgliedsvertrags und der AGB der Bekl. beruhen. Die vorformulierten Regelungen werden auch außerhalb des Bezirks des BerGer. in derselben oder zumindest in ähnlicher Fassung und mit sachlich gleichem Inhalt benutzt (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1992, 242; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1992, 55; Heidemann, AGB d. Sportstudios u. Fitnesscenter - eine Rechtsprechungsübersicht, VuR 5/188). Daraus ergibt sich, dass der Senat sie frei auslegen kann (st. Rspr. des BGH, NJW 1979, 2199 m. Nachw.; BGHZ 105, 24 (27); Ulmer/Bandner/Hensen, AGBG, 7. Aufl., § 5 Rdnr. 11).

3. Die Revision meint, es verstoße gegen die Bindung der Gerichte an das Gesetz, wenn das BerGer. einerseits ausführe, der Mitgliedsbeitrag sei entscheidend von mietvertraglichen Regelungen geprägt und deshalb seien die Vorschriften des BGB über den Mietvertrag weitgehend entsprechend anwendbar, andererseits aber die ihm im konkreten Fall als unpassend erscheinende Regelung des § 552 BGB aus dieser Analogie ausklammere. Eine solche „selektive Anwendung" des Mietrechtsbestimmungen sei unzulässig. § 552 S. 1 BGB bestimme, dass der Mieter den vereinbarten Mietzins auch dann weiterzahlen müsse, wenn er durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Ausübung des ihm zustehenden Gebrauchsrechts verhindert werde. Auch diese Bestimmung müsse auf den Mitgliedsvertrag angewendet werden. Das bedeute, dass die beanstandete Klausel nur das wiederhole, was ohnehin im Gesetz stehe. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

a) Nach § 8 AGBG sind Regelungen in AGB nur dann einer Inhaltskontrolle nach den §§ 9 bis 11 AGBG zu unterziehen, wenn sie von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen. Es hätte auch keinen Sinn, deklaratorische Klauseln, die eine gesetzliche Vorschrift lediglich wiederholen, für unwirksam zu erklären. Im Falle ihrer Unwirksamkeit würde nämlich an ihre Stelle nach § 6 II AGBG die inhaltsgleiche gesetzliche Regelung treten (vgl. BGHZ 93, 29 (35). Der Revision ist deshalb einzuräumen, dass eine Inhaltskontrolle nach den §§ 9 bis 11 AGBG nicht stattzufinden hätte, wenn in der beanstandeten Klausel lediglich die Regelung des § 552 S. 1 BGB wiederholt würde und diese Bestimmung auf den vorliegenden Mitgliedsvertrag anwendbar wäre. Das ist jedoch nicht der Fall.

Es braucht in diesem Zusammenhang nicht entschieden zu werden, ob - wie das BerGer. meint - die dienstrechtlichen Elemente des Mitgliedsvertrags tatsächlich eine so untergeordnete Rolle spielen, dass sie den Gesamtcharakter nicht neben den mietrechtlichen Elementen entscheidend mitprägen. Auch soweit der Mitgliedsvertrag eine entgeltliche Gebrauchsüberlassung vorsieht, enthält er - gerade hinsichtlich der Art und Weise der Gebrauchsüberlassung - Regelungen, die von dem gesetzlichen Leitbild des Mietvertrags erheblich abweichen und deshalb atypisch sind. Bei der nach § 8 AGBG anzustellenden Prüfung, ob die beanstandete Klausel lediglich eine Regelung des dispositiven Rechts wiederholt, können nur solche Bestimmungen des dispositiven Rechts herangezogen werden, die mit den atypischen Besonderheiten des Vertrags in Einklang zu bringen sind. Auch wenn nämlich ein Vertrag den allgemeinen begrifflichen Merkmalen eines durch dispositive Rechtsvorschriften geregelten Vertragstyps (hier: eines Mietvertrags) im wesentlichen entspricht und die Klausel sich inhaltlich mit dem für diesen Vertragstyp geltenden dispositiven Recht deckt, liegt keine rein deklaratorische Klausel vor und ist die Wirksamkeit der Klausel an den §§ 9 bis 11 AGBG zu messen, wenn die Vereinbarung der Parteien aufgrund der besonderen Umstände des Falls von dem Vorstellungsbild des Gesetzgebers abweicht (so zutreffend Kötz, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 8 AGBG Rdnr. 1). Ein Vertrag kann so ausgestaltet sein, dass einzelne dispositive Normen von vornherein nicht anwendbar sind; dann sind diese Normen im Rahmen der nach § 8 AGBG anzustellenden Prüfung nicht zu berücksichtigen ( BGHZ 91, 55 (58). Im vorliegenden Fall schließt die Gesamtgestaltung des Mitgliedsvertrags die Anwendung des § 552 S. 1 BGB aus.

b) Nach dem Mietrecht schuldet der Vermieter lediglich die Gebrauchsgewährung. Der Mieter trägt, wenn ihm der Gebrauch gewährt wird, nach § 552 S. 1 BGB im Grundsatz uneingeschränkt das Verwendungsrisiko (vgl. Wolf/Eckert, Hdb. d. gewerblichen Miet-, Pacht- u. LeasingR, 7. Aufl., Rdnrn. 534f.). Wie das BerGer. zutreffend ausführt, ist aber bei der typischen Fallgestaltung des Mietrechts dem Mieter oder einer Mietergemeinschaft für die vereinbarte Vertragszeit regelmäßig der alleinige Gebrauch der Mietsache zu gewähren. Bei dem im BGB geregelten Vertragstyp Mietvertrag steht von vornherein im einzelnen fest, welcher Gebrauch der Mietsache dem Mieter eingeräumt werden soll. Dies erleichtert die Übernahme des Verwendungsrisikos, weil dieses Risiko auch bei langfristigen Verträgen dann in etwa kalkulierbar ist. Im vorliegenden Mitgliedsvertrag wird dem Kunden lediglich die Möglichkeit eingeräumt, mit einer Vielzahl von anderen, im voraus nicht bekannten Kunden gemeinsam die Einrichtungen und Geräte des Studios zu nutzen. Es ist davon auszugehen, dass die Geräte und Einrichtungen nicht in beliebiger Anzahl zur Verfügung stehen und dass ein Gerät nur von einer Person oder von einer bestimmten Anzahl von Personen gleichzeitig benutzt werden kann. Regelungen hierüber enthält der Vertrag nicht. In dem Vertrag ist deshalb nicht sichergestellt, dass der Kunde regelmäßig die Geräte und Einrichtungen nutzen kann, die er gerade nutzen möchte. Art und Umfang des zu gewährenden Gebrauchs stehen somit bei Abschluss des Vertrags noch nicht eindeutig fest. Unter diesen Umständen hätte die Übernahme des vollen Verwendungsrisikos durch den Kunden entsprechend § 552 S. 1 BGB eine grundlegend andere Qualität als bei einem typischen Mietvertrag. Jedenfalls hinsichtlich der Regelung des Verwendungsrisikos stellt deshalb der von den Bekl. gestellte Mitgliedsvertrag einen eigenständigen Vertragstyp dar, für den es zu diesem Punkt keine Regelung des dispositiven Rechts gibt.

4. Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Annahme des BerGer., die beanstandete Klausel benachteilige entgegen den Geboten von Treu und Glauben die Vertragspartner des Verwenders unangemessen und sei deshalb nach § 9 I AGBG unwirksam. Das Verbot unangemessener Benachteiligung soll einen angemessenen Interessenausgleich sicherstellen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH liegt deshalb eine unangemessene Benachteiligung i.S. des § 9 I AGBG vor, wenn der Verwender der Klausel einseitig seine eigenen Interessen durchsetzt, ohne die Belange seines Vertragspartners angemessen zu berücksichtigen ( BGHZ 96, 182 (192); Ulmer/Brandner/Hensen, § 9 Rdnr. 70 m. w. Nachw.). Die beanstandete Klausel orientiert sich ohne jede Rücksichtnahme auf den Vertragspartner an den Interessen des Verwenders.

Die Bekl. haben ein an sich berechtigtes Interesse daran, Kunden langfristig an sich zu binden und von diesen Kunden regelmäßige Zahlungen zu erhalten, die für sie eine sichere Kalkulationsgrundlage darstellen. Dem steht das Interesse des Vertragspartners gegenüber, nicht zahlen zu müssen, wenn er das Studio nicht nutzt. Es mag sein, dass dieses Interesse des Vertragspartners zurückstehen muss, wenn er die Einrichtungen nicht genutzt hat, weil er vertragsreuig geworden ist und das Fitness-Studio nicht mehr nutzen will, weil er vorübergehend verhindert war oder weil Umstände, die er selbst beeinflussen kann, ihn von dem Besuch des Fitness-Studios abgehalten haben (zum Gesichtspunkt der sog. Risikobeherrschung bei der Prüfung der Unangemessenheit einer Klausel vgl. Kötz, in: MünchKomm, § 9 Rdnr. 10 m. Nachw.). Nach dem Wortlaut der Klausel, auf den es entscheidend ankommt, müsste der Vertragspartner die monatlichen Beiträge aber auch dann weiterbezahlen, wenn er aus Gründen, die er nicht beeinflussen kann, auf Dauer die Einrichtungen des Fitness-Studios nicht nutzen könnte. Er müsste sie z.B. auch dann weiterzahlen, wenn ihm wegen einer Krankheit oder einer Verletzung auf Dauer jede sportliche Betätigung verwehrt wäre. Die Klausel gilt auch für langfristig abgeschlossene Verträge (im vorliegenden fall war die Mindestlaufzeit des Vertrags ein Jahr). In einem Extremfall müsste der Vertragspartner, wenn er sich unmittelbar nach Abschluss des Vertrags verletzt, entgegen der Regelung des § 323 BGB - ein Jahr lang die vollen Beiträge bezahlen, ohne irgendeine Gegenleistung zu erhalten.

Eine solche Regelung führt nicht zu einem angemessenen Interessenausgleich. Sie stellt die Interessen des Verwenders der Klausel einseitig in den Vordergrund und enthält eine nicht zu rechtfertigende Benachteiligung seines Vertragspartners.

Es ist in diesem Zusammenhang unerheblich, ob die Bekl. in einem solchen Falle bereit wären, einen Kunden vorzeitig aus dem Vertragsverhältnis zu entlassen. Bei der Inhaltskontrolle nach § 9 I AGBG ist allein darauf abzustellen, ob die Klausel zu beanstanden ist. Die besonderen Verhältnisse des im Einzelfall beteiligten Vertragspartners blieben ebenso außer Betracht wie die Handhabung der Klausel durch den Verwender ( BGHZ 82, 121 (128); Ulmer/Brandner/Hensen, § 9 Rdnr. 78, jew. m. w. Nachw.).

5. In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte wird die Ansicht vertreten, die beanstandete Klausel sei noch aus einem weiteren Grunde unwirksam. Der Vertrag habe (entgegen der Annahme des BerGer.) ins Gewicht fallende dienstvertragliche Elemente, weil eine falsche Handhabung der Geräte mit erheblichen gesundheitlichen Risiken für die Kunden verbunden sei und weil deshalb die Einweisung der Kunden in die Handhabung und Bedienung der Geräte und die Beaufsichtigung des Trainings durch Fachkräfte des Fitness-Studios erhebliche Bedeutung habe (vgl. Graf v. Westphalen, VertragsR u. AGBG-Klauselwerke, Fitness- und Sportstudiovertrag (Stand: Mai 1994), Rdnr. 1). Dem Kunden müsse deshalb das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 BGB erhalten bleiben. Der Wortlaut der beanstandeten Klausel erfasse bei der zugrunde zu legenden kundenfeindlichsten Auslegung auch Fälle, in denen der Studioinhaber einen wichtigen Grund für ein außerordentliches Kündigungsrecht des Kunden gesetzt habe (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1992, 242; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 55; Ulmer/Brandner/Hensen, Anh. §§ 9 bis 11 Rdnr. 673 m. Nachw.; ähnl. Graf v. Westphalen, Fitness- und Sportstudiovertrag, Rdnr. 10). Ob dieser vom BerGer. abgelehnten Auffassung zu folgen ist, kann offen bleiben, da die Klausel jedenfalls aus den dargelegten Gründen unwirksam ist.

Rechtsgebiete

Verbraucherschutzrecht