Grobe Fahrlässigkeit bei Zurücklassen der EC-Karte in Pkw

Gericht

LG Hamburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

23. 11. 2001


Aktenzeichen

313 S 116/01


Leitsatz des Gerichts

Das versehentliche Zurücklassen einer Handtasche im Kraftfahrzeug, in der sich eine EC-Karte befindet, begründet den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit, so dass der Kontoinhaber den aus dem Missbrauch der EC-Karte entstandenen Schaden zu tragen hat. In diesem Fall stellt das Vergessen der EC-Karte ein „grobes Versehen“ dar und rechtfertigt nicht, den subjektiven Schuldvorwurf der groben Fahrlässigkeit herabzustufen.

Tatbestand

Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. unterhält bei der Bekl. ein Girokonto. Hierfür hatte die Kl. eine EC-Karte, zu deren Einsatz an Geldautomaten ihr auch eine Geheimzahl (PIN) zugeteilt worden war. Der Vertragsverbindung der Parteien liegen die branchenüblichen Bedingungen der Bekl. für die EC-Karte zu Grunde. Darin heißt es u.a.:

II. 7.2. Sorgfältiges und getrenntes Aufbewahren der EC-Karte und der Euroscheckvordrucke. EC-Karte und Eurocheque-Vordrucke sind getrennt voneinander und jeweils mit besonderer Sorgfalt aufzubewahren (...). Sie dürfen insbesondere nicht unbeaufsichtigt im Kraftfahrzeug aufbewahrt werden. (...) Ebenso kann die EC-Karte allein (...) missbräuchlich eingesetzt (...) werden.

III. 2.5. Haftung für Schäden durch missbräuchliche Verwendung der EC-Karte an Geldautomaten und automatisierten Kassen (...) Hat die Bank ihre Verpflichtungen erfüllt und der Karteninhaber seine Pflichten grob fahrlässig verletzt, trägt der Kontoinhaber den entstandenen Schaden in vollem Umfang. (...)

Am 2. 6. 2000 etwa gegen 15 Uhr wurde das Auto der Kl. aufgebrochen und aus diesem ihre Handtasche, in welcher sich die EC-Karte befand, entwendet. Die Kl. erstattete am 2. 6. gegen 17.15 Uhr Strafanzeige bei der Polizei und ließ die Karte am 4. 6. um ca 14 Uhr über den zentralen Sperrannahmedienst sperren. Das Konto der Kl. wurde mit diversen Abhebungen/Verfügungen belastet, die in den Zeitraum zwischen Diebstahl und Kartensperre fielen. Die Kl. verlangt Erstattung der beanstandeten Belastungsbuchungen in Höhe von 2459,09 DM.

Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kl. hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Auszüge aus den Gründen:

Die Kl. hat keinen Anspruch gegen die Bekl. auf Rückbuchung und Auszahlung der beanstandeten Belastungsbuchungen. Gem. Teil III. Nr. 2.5 der EC-Karten-Bedingungen der Bekl. hat die Kl. den entstandenen Schaden in vollem Umfang selbst zu tragen. Die Kl. hat ihre vertraglichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Verwahrung der EC-Karte grob fahrlässig verletzt. Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste, wobei auch subjektiven Umständen Rechnung zu tragen ist (Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl. [2001], § 277 Rdnr. 2 m.w. Nachw.).

Insoweit hat das AG zutreffend ausgeführt, dass die Kl. entgegen Teil II. Nr. 7.2 der EC-Karten-Bedingungen ihre EC-Karte nicht mit der ihr auferlegten Sorgfalt aufbewahrt, diese vielmehr unbeaufsichtigt im Kraftfahrzeug liegen lassen und dadurch den Diebstahl der Karte und deren unbefugten Einsatz dem Täter vertragswidrig unnötig leicht gemacht habe. Dass die Kl. ihrem eigenen Vortrag zu Folge die Handtasche, in welcher sich die Karte befunden habe, nicht bewusst in ihrem Pkw zurückgelassen habe, mindere den Grad ihres Verschuldens nicht. Die genannte Vertragsklausel solle dem Kunden gerade vor Augen führen, dass er die EC-Karte nicht im Auto „vergessen“ dürfe und sich demzufolge einen Reflex anzutrainieren habe, seine EC-Karte immer und überall gegen Abhandenkommen zu sichern. Indem die Kl. dies nicht getan habe, habe sie die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt.

Diese Einschätzung wird von der Kammer geteilt. Das versehentliche Zurücklassen einer Handtasche im Kraftfahrzeug, in der sich die EC-Karte befindet, begründet nach Auffassung der Kammer den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit, so dass der Kontoinhaber den aus dem Missbrauch der EC-Karte entstandenen Schaden zu tragen hat. Auch in subjektiver Hinsicht trifft die Kl. ein schweres Verschulden. Im Hinblick auf zahlreiche Einbruchsdiebstähle in Kraftfahrzeugen kann es als Allgemeinwissen angesehen werden, dass Wertgegenstände, Geld oder Bankkarten nicht unbeaufsichtigt in einem Fahrzeug zurückgelassen werden dürfen (so auch AG Spandau, WM 2001, 856 und LG Essen, WM 1993, 546 [548]). Darüber hinaus hat die Bekl. in ihren EC-Karten-Bedingungen auf die besondere Gefahrenlage im Kraftfahrzeug ausdrücklich hingewiesen und auch darauf, dass die EC-Karte allein missbräuchlich eingesetzt werden könne.

In diesem Fall stellt das Vergessen der Karte nach Auffassung der Kammer ein „grobes Versehen“ dar und rechtfertigt nicht, den Schuldvorwurf der groben Fahrlässigkeit herabzustufen. Eine „kurzfristige Geistesabwesenheit“ ist keine ausreichende entschuldigende Begründung für das Außerachtlassen der notwendigen Sorgfalt. Vielmehr müssen weitere, in der Person des Handelnden liegende besondere Umstände hinzukommen, die den Grund des momentanen Versagens erkennen und in einem milderen Licht erscheinen lassen (BGHZ 119, 147 [150]). Dies ist im vorliegenden Fall indessen nicht erkennbar. Damit werden auch keine unzumutbaren Anforderungen an den Karteninhaber gestellt, wie etwa einen lückenlosen Diebstahlsschutz zu gewährleisten. Der Karteninhaber ist lediglich gehalten, seine EC-Karte in erkennbaren Gefährdungssituationen gegen Abhandenkommen zu sichern.

Rechtsgebiete

Verbraucherschutzrecht