Aufwendungsersatz aus culpa in contrahendo bei Abbruch von Grundstücksverkaufsverhandlungen
Gericht
OLG Koblenz
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
25. 02. 1997
Aktenzeichen
3 U 477/96
Wer über einen Grundstückskauf verhandelt und in Erwartung dessen Aufwendungen macht, tut dies grundsätzlich auf eigene Gefahr. Der Grundstückseigentümer darf, selbst wenn er den Vertragsabschluß mündlich schon als sicher hingestellt hat, diesen auch ohne triftigen Grund ablehnen.
Ausnahmen können nur bei schweren regelmäßig schon als vorsätzlich pflichtwidrig zu wertenden Verstößen gegen das Gebot zu redlichem Verhalten bei Vertragsverhandlungen anerkannt werden.
Die Bekl. ist Eigentümerin des Gaststättenanwesens B, welches sie an die Brauerei S verpachtet hat. Diese hat es seit Jahren an die Kl. unterverpachtet. 1993 wollte die Bekl. das Anwesen verkaufen. In einem Gespräch am 22. 9. 1993 erklärte sie sich „bereit, das Anwesen an die Kl. zu einem Kaufpreis von ca. 350000 DM + 10000 DM für Inventar zu verkaufen; der Kauf sollte Anfang 1994 erfolgen“. Die Kl. klärte in der Folgezeit ab, ob sie einen solchen Kauf finanzieren könne. Nachdem sie nach ihren Angaben eine entsprechende Finanzierungszusage erhalten hatte, fand – auf Veranlassung der Bekl. – am 14. 3. 1994 ein Gespräch beim Notar statt. Dabei wurde ein Vertragsentwurf gefertigt, der einen Kaufpreis von 350000 DM für das Grundstück und 10000 DM für das Inventar auswies. Der endgültige Beurkundungstermin war für April 1994 vorgesehen. Er fand aber nicht statt, weil die Bekl. der Kl. vorher mitgeteilt hatte, daß sie einen höheren Kaufpreis verlange, nämlich 430000 DM. Die Kl. nimmt die Bekl. auf Ersatz der Aufwendungen in Anspruch, welche sie im Vertrauen auf den ihr angeblich für einen Preis von 360000 DM als sicher zugesagten Vertragsabschluß gemacht haben will (Kosten für Grundstücksgutachten sowie Vorbereitung und Vermittlung der Finanzierung in Höhe von insgesamt 13012,10 DM).
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kl. war erfolglos.
I. Eine Haftung der Bekl. auf Ersatz der von der Kl. im Hinblick auf den gescheiterten Grundstückskauf gemachten Aufwendungen wegen Verschuldens bei Vertragsschluß (culpa in contrahendo) besteht nicht.
1. Ein solches Verschulden kann einmal darin bestehen, daß der eine Teil schuldhaft – etwa dadurch, daß er eine in Wirklichkeit fehlende Entschlossenheit zum Vertragsschluß zum Ausdruck bringt oder gegen Aufklärungspflichten verstößt – im anderen Teil das Vertrauen auf das bevorstehende Zustandekommen eines später nicht abgeschlossenen Vertrags erweckt und ihn dadurch zu Aufwendungen veranlaßt (BGH, DtZ 1996, 113 = DB 1996, 777). Derartige Umstände sind von der Kl. weder behauptet worden noch sonst ersichtlich. Die Bekl. war ursprünglich bereit, einem Vertragsabschluß auf der Grundlage eines Preises von ca. 360000 DM näherzutreten; sie hat es ca. sechs Monate später sogar veranlaßt, daß ein notarieller Kaufvertragsentwurf mit dieser Preisangabe erstellt wurde. Einen Vertrag zu diesem Preis hat sie letztlich nur deshalb nicht abgeschlossen, weil ihr der Preis zu niedrig erschien. Das allein begründete bei den hier vorliegenden Umständen kein Verschulden gegenüber der Kl., sondern hielt sich im Rahmen einer zulässigen Wahrung des Eigeninteresses (s.u.).
2. Zwar kommt eine Schadensersatzpflicht grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn ein Verhandlungspartner bei der Gegenseite zurechenbar das aus deren Sicht berechtigte Vertrauen erweckt hat, der Vertrag werde mit Sicherheit zustandekommen, sodann aber die Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grund abbricht (BGH, DtZ 1996, 113 = DB 1996, 777; NJW 1975, 1774; NJW-RR 1989, 627). . Eine solche Haftung ohne vorangegangenes Verschulden ausschließlich wegen der letztlichen Verweigerung des Vertragsschlusses gilt aber dann nicht, wenn das Gesetz für die vertragliche Einigung eine Form vorschreibt, wie die notarielle Beurkundung in § 313 BGB, und diese Form nicht eingehalten ist. Denn der Schutzzweck der Formvorschrift, die auch den Grundstücksverkäufer vor Übereilung bewahren will, darf nicht unterlaufen werden, indem für den Fall des Nichtabschlusses des Grundstückskaufvertrages eine Verpflichtung zum Ersatz des Vertrauensschadens begründet wird; dies würde einen indirekten Zwang zum Vertragsabschluß bedeuten (vgl. BGH, NJW 1975, 43 (44); DNotZ 1983, 621 (623)). Wer in Erwartung eines Grundstückskaufvertrages Aufwendungen macht, tut dies grundsätzlich auf eigene Gefahr. Er muß, wenn er sich nicht durch notariellen Vertrag für einen bestimmten Zeitraum eine Kaufoption zu einem bestimmten Preis sichert, von vornherein berücksichtigen, daß er rechtlich bis zum Abschluß eines notariellen Vertrags ungeschützt ist. Insbesondere darf ein Grundstücksverkäufer, selbst wenn er den Vertragsabschluß mündlich schon als sicher hingestellt hat, diesen auch ohne triftigen Grund ablehnen. Ausnahmen können nur in ganz besonderen Fällen anerkannt werden, nämlich dann, wenn das Verhalten des „Abbrechenden“ einen schweren Verstoß gegen die Verpflichtung zu redlichem Verhalten bei den Vertragsverhandlungen bedeutet; dies erfordert in der Regel die Feststellung eines vorsätzlichen pflichtwidrigen Verhaltens (BGH, NJW 1996, 1884 (1885)).
3. Solche Ausnahmevoraussetzungen (etwa eine Existenzgefährdung der Kl. oder arglistiges Verhalten der Bekl.) liegen hier nicht vor. Es kann schon nicht festgestellt werden, daß die Bekl. der Kl. den Grundstücksverkauf für 360000 DM als sicher hingestellt hat. Auch hat sie von einem Verkauf auf dieser Preisbasis nicht ohne vernünftigen Grund abgesehen.
a) Nach der von der Kl. als zutreffend bezeichneten Aktennotiz des Zeugen K über das Gespräch der Parteien am 22. 9. 1993 hatte die Bekl. sich damals lediglich zum Verkauf des Grundstücks für „ca. 350000 DM + 10000 DM“ bereit erklärt. Schon diese Formulierung spricht dagegen, daß der Kl. ein fester Kaufpreis zugesagt war. Der Zeuge K hat bekundet, der Kaufpreis sei damals von der Bekl. „nicht als sicher dargestellt worden“. Die genannte Preisangabe sei „eine Vorstellung“ gewesen, auf die für die weiteren Gespräche habe aufgebaut werden sollen. Die Bekl. habe damals der Kl. auch – in Zusammenhang mit dem von dieser zunächst eigenmächtig aufgestellten Imbißstand – erklärt, wenn diese das Objekt kaufe, sei der Imbißstand kein Problem, wenn ein anderer kaufe, müsse er weg. Aufgrund dieser Erklärung war für die Kl. klar, daß weder ein Verkauf an sie noch der Preis „sicher“ waren.
Allerdings hat die Bekl. dann in dem von ihr veranlaßten notariellen Besprechungstermin vom 14. 3. 1994 gegen die Aufnahme eines Kaufpreises von 350000 DM + 10000 DM in den Vertrags entwurf keine Einwendungen erhoben. Daraus folgt aber nicht, insbesondere nicht rückbezogen auf den Zeitraum, in dem die Kl. ihre Aufwendungen getätigt haben will, daß ein solcher Vertragsabschluß sicher war und als verläßliche Vertrauensbasis für die Aufwendungen der Kl. gelten durfte. Eine echte Sicherheit gab es noch nicht einmal am 14. 3. 1994. Denn ein Vertrags entwurf ist – anders als etwa ein notariell beurkundetes Verkaufsangebot – völlig unverbindlich.
b) Zudem hat die Bekl. nicht ohne triftigen Grund, d.h. aus sachfremden Erwägungen die weiteren Vertragsverhandlungen auf einer Preisbasis von 360000 DM abgebrochen. Es kann keinem Grundstücksverkäufer verwehrt werden, bis zuletzt, nämlich bis zum notariellen Vertragsakt, seinen Preisvorteil zu wahren. Nichts anderes hat die Bekl. getan, als sie sich letztlich nur noch für einen Preis von 430000 DM zum Grundstücksverkauf bereit zeigte. ...
Der von der Kl. beauftragte Grundstücksgutachter hatte den Wert des zu verkaufenden Anwesens auf 490000 DM festgesetzt. Die letztliche Preisforderung der Bekl. lag noch deutlich unter diesem Betrag. Für ein sachfremdes oder gar unredliches Vorgehen der Bekl. im Rahmen der Vertragsverhandlungen fehlt daher jeder Anhalt.
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