Änderungskündigung durch Arbeitgeber zur Entgeltreduzierung aufgrund schlechter wirtschaftlicher Lage
Gericht
BAG
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
27. 09. 2001
Aktenzeichen
2 AZR 236/00
Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG (Auszug):
...
Bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung zur Entgeltsenkung ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber nachhaltig in das arbeitsvertraglich vereinbarte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung eingreift. Die Dringlichkeit eines schwerwiegenden Eingriffs in das Leistungs-/Lohngefüge, wie es die Änderungskündigung zur Durchsetzung einer erheblichen Lohnsenkung darstellt, ist deshalb nur dann begründet, wenn bei einer Aufrechterhaltung der bisherigen Personalkostenstruktur weitere, betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstehen, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebs führen. Regelmäßig setzt deshalb eine solche Situation einen umfassenden Sanierungsplan voraus, der alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpft.
Zu den Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers für den zu fordernden Sanierungsplan im Einzelfall.
Auszüge aus den Gründen:
Die Sache war an das LAG zur anderweiten VerhandIung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 565 I 1 ZPO), weil mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen noch nicht feststeht, ob die Änderungskündigung der Bekl. vom 22. 12. 1998 sozial gerechtfertigt ist.
...
III. Die Revision erweist sich jedoch im Hinblick auf die Rüge der fehlenden sozialen Rechtfertigung der Änderungskündigung gem. §§ 2 S. 1, 1 II 1 KSchG als begründet.
1. Für eine betriebsbedingte Änderungskündigung nach § 2 S. 1 KSchG müssen hinsichtlich ihrer sozialen Rechtfertigung die Voraussetzungen nach § 1 II 1 bis 3 KSchG vorliegen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (zuletzt Senat [1. 7. 1999], NZA 1999, 1336 = NJW 2000, 756 = AP KSchG 1969 § 2 Nr. 53 = EzA KSchG § 2 Nr. 35; Senat [23. 11. 2000], NZA 2001, 492 = AP KSchG 1969 § 2 Nr. 52 = EzA KSchG § 2 Nr. 40) ist bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung zunächst das Änderungsangebot des Arbeitgebers daran zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse gem. § 1 II KSchG es bedingen und ob sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennentswerten Anlass zur Änderungskündigung darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss.
a) Die Unrentabilität des Betriebs kann einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu unveränderten Bedingungen des Arbeitsvertrags entgegenstehen und ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Änderung der Arbeitsbedingungen sein, wenn durch die Senkung der Personalkosten die Stilllegung des Betriebs oder die Reduzierung der Belegschaft verhindert werden kann und die Kosten durch andere Maßnahmen nicht zu senken sind (vgl. Senat [26. 1. 1995], BAGE 79, 159 = NZA 1995, 626; Senat [20. 8. 1998], NZA 1999, 255 = NJW 1999, 1735 L = All KSchG 1969 § 2 Nr. 50 = EzA KSchG § 2 Nr. 31; Senat [12. 11. 1998], BAGE 90, 182 = NZA 1999, 471 = NJW 1999, 3577 L; Senat, NZA 1999, 1336 = NJW 2000, 756 = All KSchG 1969 § 2 Nr. 53 = EzA KSchG § 2 Nr. 35; Rost, in: KR, 5. Aufl., § 2 Rdnr. 107 a). Eine betriebsbedingte Änderungskündigung, die eine aus wirtschaftlichen Gründen sonst erforderlich werdende Beendigungskündigung vermeidet, ist danach grundsätzlich zulässig. Sie ist oft das einzige dem Arbeitgeber zur Verfügung stehende Mittel. So kommt etwa bei einem durch die hohe Vergütung wirtschaftlich für den Betrieb nicht mehr tragbaren Arbeitnehmer nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit keine Beendigungs-, sondern nur eine Änderungskündigung in Betracht. Das bedeutet allerdings nicht, dass die dringenden betrieblichen Erfordernisse schon im Zeitpunkt der Kündigung einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb dergestalt entgegenstehen müssen, dass der Arbeitgeber mit dem Ausspruch einer Änderungskündigung warten muss, bis sein Ruin unmittelbar bevorsteht. Prüfungsmaßstab ist, ob die schlechte Geschäftslage einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu unveränderten Bedingungen entgegensteht (zuletzt Senat, NZA 1999, 1336).
b) Stets müssen die betrieblichen Erfordernisse dringend sein. Bei der betriebsbedingten Änderungskündigung zur Entgeltsenkung ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber nachhaltig in das arbeitsvertraglich vereinbarte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung eingreift, wenn er die vereinbarte Vergütung reduziert (BAGE 79, 159 = NZA 1995, 626, und Senat, NZA 1999, 1336 = NJW 2000, 756). Grundsätzlich sind einmal geschlossene Verträge einzuhalten. Es ist allgemein anerkannt, dass Geldmangel den Schuldner nicht entlastet. Die Dringlichkeit eines schwerwiegenden Eingriffs in das Leistungs-/Lohngefüge, wie es die Änderungskündigung zur Durchsetzung einer erheblichen Lohnsenkung darstellt, ist deshalb nur dann begründet, wenn bei einer Aufrechterhaltung der bisherigen Personalkostenstruktur weitere, betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstehen, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebs führen. Regelmäßig setzt deshalb eine solche Situation einen umfassenden Sanierungsplan voraus, der alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpft (BAG, NZA 1999, 255, und BAGE 79,159 = NZA 1995, 626). Vom Arbeitgeber ist in diesem Zusammenhang zu verlangen, dass er die Finanzlage des Betriebs, den Anteil der Personalkosten, die Auswirkung der erstrebten Kostensenkungen für den Betrieb und für die Arbeitnehmer darstellt und ferner darlegt, warum andere Maßnahmen nicht in Betracht kommen (Rost, in: KR, § 2 Rdnr. 107 c).
2. Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs hält die Annahme des BerGer., die Änderungen der Arbeitsbedingungen des Kl. seien sozial gerechtfertigt, einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Bekl. hat bisher ein dringendes betriebliches Erfordernis zum Ausspruch ihrer Änderungskündigung nicht schlüssig dargetan. Insbesondere ist aus ihrem bisherigen Vorbringen nicht hinreichend ersichtlich, dass Beendigungskündigungen oder die Stillegung des Betriebs erforderlich werden würden, wenn es nicht zu einer Kürzung des Urlaubsgeldes und der Jahressonderzahlungen bei allen Mitarbeitern gekommen wäre.
Zwar hat die Bekl. bereits ein ganzes Bündel von Maßnahmen ergriffen, um den vorhandenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu begegnen. Dabei sind vor allem die durchgeführten Stilllegungsmaßnahmen, die eingetretene Personalreduzierung von 151 Arbeitnehmern im Jahr 1992 auf 33 Mitarbeiter Ende 1998 und die eigenen Sanierungsbeiträge ihrer Gesellschafter durch Übernahme einer selbstschuldnerischen Bürgschaft sowie das Einverständnis der Banken zur Tilgungsaussetzung zu nennen. Aus diesen Maßnahmen einerseits und den bisherigen Darstellungen der Bekl. zum Restrukturierungskonzept der Sozietät B andererseits ergibt sich jedoch noch nicht schlüssig, dass in dem für die Beurteilung maßgeblichen Kündigungszeitpunkt die geplante Entgeltreduzierung zur Sanierung des Betriebs notwendig war. Das Restrukturierungskonzept sieht eine Senkung der Personalkosten für Ende 1998 auf 2.843.000 DM (jährlich) vor. Demgegenüber sah der Gewinn- und Verlustplan der Wirtschaftsprüfergesellschaft K für das Jahr 1998 noch einen Personalkostenaufwand von 3.071.000 DM vor. Ob und warum diese Zahlen korrigiert worden sind bzw. werden mussten, hat die Bekl. bisher nicht dargelegt. Ferner hat sie nicht erläutert, welchen Personalkostenaufwand die Planungen für das Jahr 1999 vorgesehen haben. Gleiches gilt für die Frage, ob sie den Eckwert aus dem Gewinn- und Verlustplan der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft K für das Jahr 1999 zu Grunde legen will, der hier eine Stimme von 2.766.000 DM vorsah. Es kommt vor allem hinzu, dass das Restrukturierungskonzept der Sozietät B den Personalkostenaufwand auf der Basis von 35 Mitarbeitern berechnet. Insoweit fehlt ein näherer Sachvortrag, warum das Ziel nicht schon deshalb erreicht worden ist, weil bei der Bekl. zum Kündigungszeitpunkt bzw. zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist unstreitig nur noch 33 Mitarbeiter beschäftigt waren. Das gilt umso mehr, als die Bekl. selbst vorgetragen hat, bei Aufrechterhaltung der Sonderzahlungen hätte sie drei Mitarbeitern kündigen müssen. Hatte sich die Mitarbeiterzahl aber schon zum Kündigungszeitpunkt im Verhältnis zum Restrukturierungskonzept um zwei verringert, so ist - ohne nähere Erläuterung - nicht erkennbar, warum und in welcher Höhe bei den Personalkosten noch ein Einsparungsbetrag in der behaupteten Höhe vorlag. Es fehlt zum einen eine detaillierte Darstellung zum konkreten Personalkostenaufwand zum Kündigungszeitpunkt (Ist-Zustand) und zum anderen ein detaillierter Vortrag zur zukünftigen Entwicklung des Personals und des Personalkostenaufwands.
3. Ob die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt ist, lässt sich mangels ausreichender Feststellungen des LAG zum Restrukturierungsplan der Bekl. und der tatsächlichen Personal- und Personalkostenentwicklung nicht abschließend beurteilen. Die Sache ist daher - auch aus Gründen rechtlichen Gehörs - zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückzuverweisen, § 565 I ZPO.
Das LAG hat die Diskrepanz zwischen dem Restrukturierungsplan, der auf der Basis von 35 Arbeitnehmern die Personalkostenentwicklung plant, und der Beschäftigung von lediglich noch 33 Arbeitnehmern zum Kündigungszeitpunkt nicht berücksichtigt. Es wird aufzuklären haben, welche Auswirkungen diese Differenz auf die Personalkostenentwicklung hat und ob trotz des Wegfalls von zwei Arbeitsplätzen ein weiterer Beitrag zur Reduzierung der Personalkosten zum Erhalt von Arbeitsplätzen noch notwendig war. Dabei wird es gegebenenfalls auch zu prüfen haben, ob neben der Kürzung der Jahressonderzahlung auch eine Kürzung des Urlaubsgeldes erforderlich war und nicht bereits ein Maßnahmenteil nach dem Restrukturierungsplan ausreichte. Zu beachten ist insoweit auch, welchen konkreten Sachverhalt und welche konkreten Zahlen die Bekl. dein Betriebsrat mitgeteilt hat und ob die weiteren Erläuterungen deshalb für die Beurteilung des Kündigungssachverhalts überhaupt verwendbar sind. Ferner wird der Bekl. Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben sein, ob und welche konkreten Vorgaben die kreditgebenden Banken ihr gemacht haben. Unabhängig vom Vorliegen eines Gesamtsanierungskonzepts kann ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Abänderung der bisherigen Arbeitsbedingungen unter Umständen auch dann gegeben sein, wenn die Gewährung oder Verlängerung bestimmter Kreditverträge durch den Kreditgeber von Einsparungen zu einem bestimmten Zeitpunkt und in einer bestimmten Art und Weise abhängig gemacht werden (BAG [11. 10. 1989], RzK I 7 h Nr. 9). Der bloße allgemeine Hinweis der kreditgewährenden Bank nach einer rentablen Betriebsführung genügt allein jedoch nicht.
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