Unzulässigkeit der Zustellung von Wurfsendungen bei Erklärung der Annahmeverweigerung am Hausbriefkasten
Gericht
VG Stuttgart
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
11. 01. 1989
Aktenzeichen
3 K 795/88
Die Post ist nicht berechtigt, bei eindeutig durch Aufschrift oder Aufkleber am Hausbriefkasten erklärter Annahmeverweigerung Wurfsendungen zuzustellen.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Kl. verlangt bereits seit dem Herbst 1986 ohne Erfolg von der bekl. Behörde, es in Zukunft zu unterlassen, ihm wie bisher im Rahmen der Briefzustellung durch Postboten auch sogenannte „Wurfsendungen“ durch Auslieferung in seinen Hausbriefkasten zuzustellen, bei denen es sich um Werbemittel handele, die - weil nicht persönlich adressiert und kuvertiert - eindeutig und auf den ersten Blick als „Werbematerial“ zu erkennen seien. Er hatte nach seinem von der Bekl. nicht bestrittenen Vorbringen an seinem Hausbriefkasten eine Vignette angebracht, mit der er sich mit dem Hinweis „unerwünschtes Werbematerial belastet die Umwelt“ den Einwurf von Werbung in den Briefkasten verbat. Bereits im Herbst 1986 und erneut mit Schreiben vom 12. 4. 1987 forderte er darüber hinaus das Postamt auf, die Austräger anzuweisen, diesen Aufkleber zu respektieren. Ihm wurde vom Postamt mit Schreiben vom 17. 9. 1986 und vom 23. 4. 1987 mitgeteilt, im Hinblick auf das zwischen der Post und dem Absender bestehende Postbenutzungsverhältnis sei die Post gehalten, diese Postsendungen wie übrigens alle anderen auch zu befördern und an den Empfänger auszuhändigen. Nach § 59 II PostO könnten der Empfänger, sein Ehegatte oder auch der Postbevollmächtigte die Annahme einzelner Postsendungen verweigern und dieses auf die einzelne Sendung bezogen ausdrücklich erklären. Es wurde der Bekl. schließlich eine Frist bis zum 20. 8. 1987 gesetzt und eine Unterlassungsklage angedroht. Hierauf antwortete die Oberpostdirektion wie bereits das Postamt abschlägig. Auf seine Klage hat das LG den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und entsprechend einem Antrag des Kl. das Verfahren an das VG Stuttgart verwiesen.
Seine Klage hatte mit dem Antrag festzustellen, daß die Bekl. nicht berechtigt ist, ihm bei eindeutig durch Aufschrift oder Aufkleber am Hausbriefkasten erklärter Annahmeverweigerung Wurfsendungen aller Art zuzustellen, Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
Die Kammer kann im Einverständnis der Beteiligten ohne erneute mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 II VwGO).
1. Die Feststellungsklage ist zulässig.
1.1 Für die Feststellungsklage, die der Kl. nach zulässiger Änderung (§ 91 VwGO) der zunächst als Unterlassungsklage erhobenen allgemeinen Leistungsklage fortführt, ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet, weil über eine öffentlichrechtliche Streitigkeit zu entscheiden ist, wovon wohl auch das LG in seinem Verweisungsbeschluß ausgegangen ist.
Gegenstand dieses Rechtsstreits sind Rechtsbeziehungen der Bet. auf dem Gebiet des Postwesens, die insoweit keinem anderen Gericht zugewiesen sind (§ 26 I PostG). Es handelt sich hier um eine Haupttätigkeit der Bekl., um die Postbeförderung i. S. des Gesetzes über das Postwesen (PostG), des Gesetzes über die Verwaltung der Deutschen Bundespost (PostVerwG) sowie der hiernach erlassenen Benutzungsordnungen des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen (Postordnung und Postgebührenordnung, beide geändert am 10. 8. 1988, BGBl I, 1573 und 1575), und nicht um eine sog. „wirtschaftliche Nebentätigkeit“ wie bei der Postgirowerbung (Beipack zu den Kontoauszügen, vgl. OVG Lüneburg, NJW 1988, 1867) oder bei den Werbebeilagen zu den Telephonrechnungen.
Öffentlichrechtlich ist in dem hier zu entscheidenden Fall nicht nur das zwischen der Post und dem Absender der Wurfsendungen begründete Postbenutzungsverhältnis. Vielmehr sind nach Auffassung der Kammer auch die den Gegenstand der Feststellungsklage bildenden Rechtsbeziehungen der Post zum Kl. als dem Empfänger der Wurfsendungen dem öffentlichen Recht zuzuordnen ...
Dabei kann es die Kammer offen lassen, ob es sich hierbei nur um eine „sekundäre Rechtsbeziehung“ handelt (so noch BVerwG, NJW 1985, 2436 = JZ 1985, 792 mit Hinweis auf BVerwGE 29, 318 = NJW 1968, 1394 f.) oder nicht eher ebenfalls um ein gleichgeordnetes Postbenutzungsverhältnis wie zwischen der Post und dem Absender (vgl. hierzu einmal bereits BVerfGE 18, 310, ferner neuerdings die weiterführenden Ausführungen hierzu in BVerwG, NJW 1986, 1702 m. w. Nachw.).
Immerhin enthält die Postordnung, auf die sich die Bekl. zur Begründung ihres Standpunkts beruft, erlassen auf Grund § 14 PostVerwG vom 24. 7. 1953, im VI. Abschnitt ("Auslieferung“, vgl. §§ 45 ff. PostO) auch zahlreiche Regelungen über die Postzustellung (Zustellung in Form der Auslieferung, Abholung, Nachsendung usw.) an Empfänger, aus denen im Zusammenhang mit anderen postrechtlichen Vorschriften - etwa der PostGebührenordnung - u. a. sogar Leistungspflichten der Empfänger hergeleitet worden sind (vgl. für die Paketzustellgebühr BVerwG, NJW 1986, 1702, für die Nachgebühr bei nicht ausreichend freigemachten Sendungen schon BVerwG, Buchholz 442.05 § 51 Postordnung Nr. 1, zum Erstattungsanspruch gegenüber dem rechtsgrundlosen Empfänger einer Postanweisung BVerwG, NJW 1985, 2436; zur Gültigkeit des § 14 PostVerwG als Ermächtigungsvorschrift neben der Rechtsprechung des BVerwG in einigen der angeführten Entscheidungen vor allem das BVerfG, BVerfGE 28, 66 = NJW 1970, 892 und NJW 1984, 1871).
An dieser Zuordnung der Rechtsbeziehungen aus einem Benutzungsverhältnis des Kl. als Empfänger von Postsendungen zu der Bekl. zum öffentlichen Recht ändert sich angesichts der im übrigen geltenden rechtlichen Ausgestaltung der Beförderung von Briefen und anderen Sendungen durch die Deutsche Bundespost auch nicht dadurch etwas, daß in der Kommentarliteratur der Standpunkt vertreten wird, „aufschriftslose Wurfsendungen" unterlägen grundsätzlich nicht dem Beförderungsvorbehalt nach § 2 PostG, weil sie unbeaufschriftet seien und schon deshalb nicht unter den Tatbestand des § 2 I PostG fielen (so z. B. Florian-Weigert, PostO, Teil 1, 1986, § 23 PostO Anm. 1, Altmannsperger, PostG, § 2 Rdnr. 40), so daß sie auch von Privatbeförderungsanstalten verteilt werden könnten.
1.2 Das VG Stuttgart ist auch örtlich zuständig.
1.3 Als Rechtsverhältnis, das den Gegenstand der nunmehr zu bescheidenden Feststellungsklage nach § 43 I VwGO bildet, sind die rechtlichen Beziehungen anzusehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlichrechtlichen Norm für das Verhältnis der Bet. zueinander ergeben (vgl. BVerwG, Beschl. vom 12. 11. 1987, Buchholz, 310 § 43 VwGO Nr. 97 m. w. Nachw.). Hier handelt es sich um das Postbenutzungsverhältnis der Beteiligten - für diesen Teilbereich näher ausgestaltet durch das Postgesetz, das Postverwaltungsgesetz und die Postordnung - und die sich hieraus für die Bet. ergebenden Obliegenheiten und Berechtigungen im Rahmen der Beförderung und Auslieferung von Wurfsendungen i. S. von § 23 PostO. Diese rechtlichen Beziehungen haben sich auch schon hinreichend konkretisiert, weil die Anwendung des § 59 II Nr. 1 PostO auf den Fall der Annahmeverweigerung von Wurfsendungen zwischen den Beteiligten seit Jahren streitig ist.
1.4 Dem Kl. ist auch nicht das für diese Klage erforderliche Interesse an einer baldigen Feststellung des streitigen Rechtsverhältnisses im Sinne eines Rechtsschutzbedürfnisses abzusprechen. Denn die Bekl. stellt sich ihm gegenüber nach wie vor auf den Standpunkt, sie sei nach § 59 II 1 PostO nur gehalten, eine auf einzelne zur Auslieferung angebotene oder bereits ausgelieferte Wurfsendungen bezogene Annahmeverweigerung zu beachten und habe deshalb ungeachtet des allgemeinen Hinweises am Hausbriefkasten auch künftig ohne Einschränkungen Wurfsendungen an den Kl. auszuliefern. Da die Bekl. diese Auffassung auch gegenüber der in der mündlichen Verhandlung auf alle Wurfsendungen erweiterten Annahmeverweigerung aufrechterhält, bedurfte es zur Annahme eines Feststellungsinteresses nicht eines gesonderten außergerichtlichen Vorgehens des Kl.
1.5 Der Feststellungsklage steht auch nicht der Subsidiaritätsgrundsatz des § 43 II VwGO entgegen, wonach eine Feststellung nicht begehrt werden kann, soweit der Kl. seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Denn es ist zu erwarten, daß die Bekl. eine rechtskräftige gerichtliche Feststellung auch ohne den Vollstreckungsdruck eines auf eine Unterlassungsklage ergehenden Urteils respektiert (vgl. Bosch-Schmidt, Praktische Einführung in das verwaltungsgerichtliche Verfahren, 4. Aufl. (1988), S. 151 und S. 152/153 m. w. Nachw.; zu Fragen der Subsidiarität und des Feststellungsinteresse vgl. ergänzend BVerwG, Buchholz 418.32 AMG Nr. 16; 418.711 LMBG Nrn. 16, 17).
Deshalb hat die Kammer im übrigen angeregt, die sicherlich auch zulässige Unterlassungsklage in eine Feststellungsklage umzustellen.
2. Die Feststellungsklage ist auch begründet.
Entsprechend dem Begehren des Kl. ist festzustellen, daß die Bekl. verpflichtet ist, künftig eine für ihre Bediensteten bei der Auslieferung an den Kl. durch Aufschrift oder Aufkleber eindeutig erklärte allgemeine Verweigerung der Annahme hinsichtlich sämtlicher Wurfsendungen i. S. von § 23 PostO zu beachten. Das bedeutet in der Praxis, daß sie während der Dauer einer solchen generell erklärten Annahmeverweigerung entsprechende Auslieferungsversuche zu unterlassen hat.
Diese Auffassung folgt nach Überzeugung der Kammer bereits aus dem Postbenutzungsverhältnis des Kl. zur Bekl., hier durch Auslegung des § 59 II Nr. 1 PostO, die sich den Gegebenheiten der Wurfsendungen i. S. von § 23 PostO als Gegenstand einer Massenabfertigung, den schutzwürdigen Belangen des Kl. und der Bekl. sowie am rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientiert (vgl. Hesse, Grundzüge des VerfR der BRep. Dtschld., 14. Aufl. (1984), Rdnr. 185). Eines Rückgriffs auf den Schutz des Eigentums, oder Besitzes oder des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Kl. bedarf es hierfür nach Auffassung der Kammer jedenfalls nicht. Deshalb braucht sich die Kammer auch nicht mit der ihr bekannten Rechtsprechung der Zivilgerichte und der Verwaltungsgerichte zu unerwünschter Werbung auseinanderzusetzen ...
Der VI. Abschnitt der Postordnung enthält ebenso wie andere Abschnitte Vorschriften über die Auslieferung und regelt neben allgemeinen Vorschriften die Zustellung, die Abholung, die Nachsendung und die Unzustellbarkeit von Sendungen. Nach § 59 II Nr. 1 PostO gelten u. a. solche Sendungen als unzustellbar, wenn der Empfänger, sein Ehegatte, der Postbevollmächtigte oder der Postempfangsbeauftragte die Annahme der Sendung verweigern. Nach § 60 II Nr. 4 PostO werden unzustellbare Wurfsendungen nicht an den Absender zurückgesandt. Ohne daß dieses in § 61 PostO ausdrücklich so geregelt ist, kann angenommen werden, daß Wurfsendungen anschließend wie wertlose vom Absender nicht zurückgenommene Sachen behandelt, nämlich - zumindest nach Zeitablauf - vernichtet werden.
Als Wurfsendung können aufschriftlose Drucksachen oder Warensendungen mit gleichem Inhalt versandt werden, die an alle Haushaltungen zu verteilen sind (§ 23 I PostO). Die wirtschaftliche Bedeutung der Wurfsendung, die es seit 1920 mit Unterbrechung nach 1939 gibt, liegt darin, daß mit dieser Sendungsart die Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik oder Teile davon bis zu einem Zustellbezirk schnell und mit geringem Kostenaufwand angesprochen werden können (vgl. hierzu die Postgebührenordnung). Die gegenüber den anderen Briefsendungen vereinfachte Verteilung der Wurfsendungen - heute nur noch an eine Empfängergruppe, keine Aufschrift - erübrigt im Regelfall eine Umhüllung. Wurfsendungen dürfen daher im allgemeinen lose eingeliefert werden. Sie sind nur dann mit einer Umhüllung oder einem Streifband zu versehen, wenn sie aus mehreren Teilen bestehen. Die Auslieferung der Wurfsendungen soll möglichst über Hausbriefkästen oder über die Postfächer geschehen. Wurfsendungen werden nicht angenommen, wenn durch die Verteilung Störungen des Postbetriebs zu erwarten sind (vgl. § 23 II-VII PostO; für die Einzelheiten und die bisherige Entwicklung dieser Sendungsart in ihrer mehrfach wechselnden Handhabung durch die Deutsche Bundepost vgl. Florian-Weigert, PostO I, §§ 1 bis 38 , Anm. zu § 23 PostO).
Daß der Kl. als Empfänger die Annahme von Wurfsendungen wie auch von anderen Sendungen grundsätzlich verweigern kann, ist selbstverständlich und wird auch von der Bekl. nicht in Abrede gestellt.
Die durch Einzug des Kl. in Haus/Wohnung begründete allgemeine Möglichkeit für die Post, Aufgaben auf Grund einzelner Postbenutzungsverhältnisse zu erfüllen - z. B. Postsendungen an den Kl. auszuliefern - (vgl. zur Unterscheidung von Einzel- und Dauerbenutzungsverhältnissen bei Altmannsperger, Gesetz über das Postwesen, § 7 Rdnr. 20; Eidenmüller, PostG, § 7 Anm. 5) - ist durch die Anbringung des Hausbriefkastens auch rein äußerlich gegenüber den Bediensteten der Bekl. kenntlich gemacht. Belange aus solchen Postbenutzungsverhältnissen - hier zwischen der Post und dem Kl. - sind dabei in dem hier zu entscheidenen Fall nur betroffen, soweit der Kl. als Empfänger von der Bekl. verlangt, seine zunächst auf Werbung mit Wurfsendungen beschränkte und im gerichtlichen Verfahren auf alle Wurfsendungen ausgedehnte Annahmeverweigerung zu beachten. Wie die Bekl. mit diesen Sendungen nach erklärter Annahmeverweigerung durch ihn verfährt, berührt sein Postbenutzungsverhältnis zur Bekl. nicht.
Die Kammer vertritt hierzu die Auffassung, daß der Kl. angesichts des Massengeschäfts der Wurfsendungen, die jeden individualisierten Bezug zu ihm als Empfänger vermissen lassen, nicht gehalten ist, in jedem Einzelfall eine hierauf gerichtete Annahmeverweigerung auszusprechen, zumal hierfür eine Begründung nicht vorausgesetzt wird.
Dabei kommt es - worauf bereits hingewiesen worden ist -, nicht darauf an, ob der Kl. die ihm unverlangt zugehenden Sendungen zu Recht als eine erhebliche Belästigung empfindet. Schon deshalb erübrigt sich in dem hier zu entscheidenden Fall eine besondere Güterabwägung widerstreitender Belange - etwa der werbenden Unternehmer bezüglich ihrer Gewinnerwartungen oder der Schwierigkeiten der betrieblichen Organisation oder der Post im Hinblick auf Gebühreneinnahmen sowie des Kl. als Empfänger unerwünschter Sendungen -, die in der Rechtsprechung zu unerwünschter Werbung wiederholt vorgenommen worden ist, denn das Recht zur Annahmeverweigerung als solches wird dem Kl. im Prinzip von der Bekl. gar nicht streitig gemacht.
Der Wortlaut des § 59 II Nr. 1 PostO - und nur bei der Postordnung und nicht bei Ausführungsvorschriften handelt es sich um eine i. S. von § 7 PostG und § 14 PostVerwG verbindliche Regelung des Postbenutzungsverhältnisses - steht dem Begehren des Kl. nicht entgegen. Während die Deutsche Bundespost im Laufe der Zeit die Sendungsart Wurfsendung jeweils so ausgestaltet hat, wie es ihren Bedürfnissen in ökonomischer und organisatorischer Hinsicht entsprach, nimmt sie bei ihrer Auslegung des § 59 II Nr. 1 PostO nicht genügend Rücksicht auf die Belange des Kl. Dem ist nicht zu folgen.
Auf das Benutzungsverhältnis zum Absender kann die Bekl. ihre Auslieferungspflicht mangels einer auf die jeweilige Wurfsendung bezogenen Annahmeverweigerung jedenfalls nicht stützen, zumal es für den Absender keinen gewichtigen Unterschied bedeutet, ob der Kl. von vornherein oder erst nach Einlieferung in den Hausbriefkasten die Verweigerung der Annahme erklärt. Im übrigen haben bereits die Absender der Wurfsendungen in Rechnung zu stellen, daß sie ihre Wurfsendungen der Bekl. unter Berücksichtigung des Umstandes zur Postbeförderung übergeben, daß diese Sendungen nur solchen Empfängern ausgefolgt werden, die nicht der Zustellung der Sendung widersprechen.
Die Auslegung des § 59 II Nr. 1 PostO durch die Kammer führt bei der eindeutig erklärten Annahmeverweigerung durch den Kl. auch nicht zu Beeinträchtigungen des Betriebs der Bekl. Es tritt bei der Bekl. im Rahmen der Postauslieferung weder ein Kosten- noch ein Zeitaufwand ein. Auf die Postzusteller kommen besondere Belastungen durch die geforderte Unterlassung nicht zu. Erfahrungsgemäß wären sie vielmehr gegenüber der bisherigen Übung der Bekl. alsbald in der Lage, die Zahl solcher Verweigerungen im voraus abzuschätzen und schon vor der Verteilung (Aufnahme, Transport, Auslieferung) zu berücksichtigen. Es werden insbesondere keine Listen oder sonstigen Verzeichnisse erforderlich. Allenfalls könnte die Bekl. gehalten sein, künftig auf Anfrage von Absendern bei der Bezifferung der Empfängerzahlen für Wurfsendungen die Zahlen über Haushaltungen, für die eine generelle Annahmeverweigerung ausgesprochen worden ist, in Rechnung zu stellen. Es ist davon auszugehen, daß schon die bisher genannten Zahlen auf Schätzungen beruhen und darin im übrigen ebenfalls eine gewisse Zahl unzustellbarer Exemplare von Wurfsendungen berücksichtigt ist. Ob sich das angesichts der von der Bekl. selbst angesprochenen geringen Zahl genereller Weigerungen wie im Falle des Kl. überhaupt auf ihren Postbetrieb - etwa auf das Tarifgefüge und die Gewinnerwartungen - merkbar auswirken wird, erscheint schon zweifelhaft, kann hier aber außer Betracht bleiben.
Demgegenüber führt die Auslegung der Kammer - insbesondere mit Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - zu einer vernünftigen Wahrung der Belange des Kl., künftig der Notwendigkeit enthoben zu sein, die Annahme jeder einzelnen Wurfsendung verweigern zu müssen. Der Aufwand für die Annahmeverweigerung, dem der Kl. nach den Vorstellungen der Bekl. gegebenenfalls ausgesetzt wäre, stünde in keinem Verhältnis zur Bedeutung der Sache und läßt sich vernünftigerweise nicht rechtfertigen.
Diese Entscheidung steht naturgemäß unter dem Vorbehalt, daß die Pflicht der Bekl. nur solange besteht, wie die Annahmeverweigerung für die bekl. Post durch eine eindeutig gefaßte und leicht erkennbare Kennzeichnung am Hausbriefkasten des Kl. ohne jede Mühewaltung festzustellen ist; die Post wäre nicht gehalten, bei einer auch nur zeitweisen Entfernung von Aufschriften oder Aufklebern Ermittlungen beim Kl. anzustellen, ob dieser dennoch weiterhin generell die Annahme von Wurfsendungen verweigert.
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