Halteverpflichtungsklausel für neuen Ferrari

Gericht

OLG Hamburg


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

29. 05. 2002


Aktenzeichen

5 U 170/01


Leitsatz des Gerichts

Allgemeine Geschäftsbedingungen, nach denen dem Käufer eines fabrikneuen Ferrari bei Meidung einer Vertragsstrafe von 50000 DM verboten wird, das Fahrzeug innerhalb von zwölf Monaten nach Übergabe weiter zu veräußern, verstoßen gegen § 9 I , II Nr. 1 AGBG (seit 1. 1. 2002: § 307 BGB).

Tatbestand

Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Bekl. erwarb Anfang Januar 2001 einen Ferrari vom Typ F 360 Modena bei der Kl. Der Geschäftsführer der Bekl. unterzeichnete bei dieser Gelegenheit eine Vereinbarung u.a. folgenden Wortlauts: „Ich C (Firma H-GmbH) ... habe bei der S-GmbH ... das Fahrzeug Ferrari F 360 Modena F 1 ... zur eigenen Verwendung gekauft. Ich werde daher das Fahrzeug zugelassen auf meine Anschrift übernehmen und versichere, dass ich das Fahrzeug nicht weiterverkauft habe und auch vor Ablauf von zwölf Monaten ab Übergabe nicht weiterverkaufe. Im Falle eines Verstoßes gegen die Verpflichtung werde ich an die S-GmbH eine Vertragsstrafe von 50000 DM zahlen. Für den Fall, dass ich aus wirtschaftlichen Gründen vor Ablauf von zwölf Monaten, gerechnet ab dem Übergabedatum, mein Fahrzeug veräußern muss, übertrage ich dessen Vermarktung an die S. Die S wird einen maximalen Verkaufspreis für mich erzielen, wobei 5% des Verkaufspreises als Vertriebsprovision der S zustehen. Im Falle eines Fahrzeugankaufs durch die S gilt als Preisbasis die zuvor genannte Regelung, es sei denn, ich erkläre mich mit dem von S genannten Ankaufspreis einverstanden.“ Am 6. 2. 2001 wurde der Ferrari zugelassen und der Bekl. übergeben. Nach Behauptung der Kl. sah ihr Geschäftsführer bereits am 8. 2. 2001 den Ferrari auf einem Transporter der C-Leasing- und Handelsgesellschaft stehen. Die Kl. forderte die Bekl. daraufhin unter dem 9. 2. 2001 erfolglos zur Vorführung des Fahrzeugs bei ihr auf, da der Verdacht bestehe, dass der Ferrari unter Verstoß gegen die übernommene Halteverpflichtung weiterveräußert worden sei.

Das LG hat die Bekl. zur Zahlung verurteilt, die Berufung der Bekl. hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe

Auszüge aus den Gründen:

... 2. Das strafbewehrte Veräußerungsverbot in der Haltefristvereinbarung vom 29. 1. 2001 verstößt gegen § 9 I , II Nr. 1 AGBG, da der Fahrzeugkäufer durch die Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt wird. Betroffen sind hier die freie Verfügungsbefugnis und der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Zwar ist nicht jede in AGB enthaltene zeitweilige Beschränkung freier Vertragsabschlüsse unwirksam (z.B. Alleinauftrag an einen Makler). Verfügungsunterlassungsverträge widersprechen aber dem verkehrstypischen Leitbild des Kaufvertrags, der auf unbeschränkte Rechtsverschaffung gerichtet ist. Derartige Verträge sind deshalb nach § 9 II Nr. 1, 2 AGBG grundsätzlich unwirksam, sofern nicht besondere berechtigte Interessen des Verwenders eine Ausnahme rechtfertigen (Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl., § 9 Rdnr. V 2).

Der BGH hat auf Grund eines derartigen berechtigten Interesses eine Weiterverkaufsklausel in Geschäftsbedingungen eines Autohändlers nicht als eine von vornherein unangemessene Beschränkung angesehen, da das Kfz typischerweise zum eigenen Gebrauch und nicht zur Weiterveräußerung erworben werde (BGH, NJW 1981, 117 [119]; NJW 1982, 178 [180]). Der BGH hat die Frage der Unangemessenheit danach geprüft, ob der Kfz-Händler mit der entsprechenden Formulierung der Klausel nur seine eigenen Interessen im Auge hat und keine hinreichende Rücksicht auf diejenigen des Vertragspartners nimmt.

Er hat zunächst mehrere schützenswerte Interessen des Kfz-Händlers festgestellt: den Schutz von erlaubten Vertriebsbindungen bzw. des damit verbundenen Vertriebssystems zur Verhinderung eines „grauen Marktes“ (Weiterveräußerung fabrikneuer Autos gegen höhere als die Lieferpreise) und die Verhinderung längerer Lieferzeiten durch spekulative Vorratsbestellungen sowie die zeitliche und finanzielle Gleichbehandlung aller Kunden. Diesen Interessen stünde kein schwerwiegendes Interesse der Käufer gegenüber, der das Kfz typischerweise zum eigenen Gebrauch erwerbe.

Dazu ist für den vorliegenden Fall Folgendes zu sagen: Heute wie damals bestehen - auch unter europäischen Gesichtspunkten - keine rechtlichen Bedenken gegen das Vertriebshändlersystem; das folgt u.a. aus der noch in Kraft befindlichen Regelung in der einschlägigen Verordnung (EG) Nr. 1475/95. Die vom BGH angeführten schützenswerten Verkäuferinteressen sind im vorliegenden Fall auch nicht deshalb bedeutungslos, weil sie im konkreten Fall bei Veräußerung an die Bekl. möglicherweise teilweise nicht vorgelegen haben, da gerade eine Ungleichbehandlung der Kunden erfolgt sein könnte, wie die Bekl. meint. Zum einen besteht weiterhin für die Kl. das gleichfalls anerkannte Interesse, einen „grauen Markt“ zu verhindern, zum anderen kommt es bei der AGB-Prüfung nicht auf den Einzelfall, sondern die typischerweise auftretende Situation an. Zu berücksichtigen ist aber die Wirksamkeitsprüfung, dass in den Fällen, die der BGH zu entscheiden hatte, eine andere Klausel als die vorliegende verwendet wurde: In dem einen Fall ging es um eine Klausel, die eine Veräußerung eines fabrikneuen, unzugelassenen Fahrzeugs an einen Wiederverkäufer („Personen oder Firmen, die gewerbsmäßig oder gelegentlich Kfz verkaufen“) verbot (BGH, NJW 1981, 117). In dem anderen Fall ging es um das Verbot, das Fahrzeug vor Erhalt nicht weiter zu verkaufen (BGH, NJW 1982, 178). Bei diesen Klauseln mag die Ablehnung einer unangemessenen Benachteiligung gerechtfertigt sein, weil in der Tat kein nennens- und schützenswertes Interesse des Käufers besteht, das Fahrzeug vor Erhalt weiter zu verkaufen oder an einen Wiederverkäufer zu veräußern. Ein Fahrzeug wird grundsätzlich nicht zum Weiterverkauf, sondern zum - zumindest vorübergehenden - eigenen Gebrauch erworben. Dies gilt auch für gewerbliche Kunden, sofern sie - wie die Bekl. - nicht zum Kfz-Handel gehören.

Im vorliegenden Fall wird aber der Bekl. ein Weiterverkauf innerhalb eines Jahres an jedermann - auch in gebrauchtem Zustand - verboten. Diese Klausel berücksichtigt nicht, dass zwar nicht vor Erhalt des Fahrzeugs, aber sehr wohl innerhalb eines Jahres nach dem Erwerb ein Interesse des Käufers bestehen kann, das Fahrzeug aus den unterschiedlichsten Gründen zu veräußern. Im Gegensatz zu den vom BGH entschiedenen Fällen ist hier somit ein schützenswertes Interesse gegeben. Es leuchtet nicht ein, dass man ein Kfz, das man nach z.B. einem halben Jahr und 10000 gefahrenen Kilometern - also nicht mehr neuwertig - verkaufen möchte, nur über den Händler veräußern können soll, und dies auch wiederum nur „aus wirtschaftlichen Gründen“. Das muss selbst dann gelten, wenn es sich wie hier um ein seltenes Fahrzeug handelt, das möglicherweise in geringerem Umfang genutzt wird als andere Fahrzeuge. Zwar besteht die Gefahr eines „grauen Marktes“, aber dies betrifft nur den Handel mit fabrikneuen Fahrzeugen und nicht den Gebrauchtwagenmarkt. Das Interesse an gebrauchten Ferraris ist nicht mit dem an neuwertigen identisch; dafür besteht ein anderer Markt.

Auch das OLG Köln hat die Haltedauervereinbarung von einem Jahr für unzulässig erklärt (NJW-RR 1993, 824 [825]). Das Urteil gibt aber dennoch für die Beurteilung der zulässigen Länge der Haltedauer nichts her. Denn das Gericht hat sich dabei nicht auf die einjährige Bindung gestützt („mag trotz der relativ langfristigen Bindung des Käufers noch unbedenklich sein ...“), sondern die Unwirksamkeit auf die schematische Berechnung des Rückkaufpreises (1% Nutzungsentschädigung pro gefahrene 1000 Kilometer) mit der Gefahr des Unterwertverkaufs gestützt.

Im vorliegenden Fall wird aber das dem Verkäuferinteresse gegenüberstehende schützenswerte Interesse des Käufers am Weiterverkauf seines gebrauchten Fahrzeugs auch nicht ausreichend durch die Regelung kompensiert, dass die Veräußerung zum „maximalen Verkaufspreis“ durch die Vermarktung der Kl. oder den Ankauf durch die Kl. ermöglicht wird. Zwar wurde mit dieser flexiblen Regelung gerade dem hauptsächlichen Unwirksamkeitsargument des OLG Köln Rechnung getragen, bei einer pauschalierten Vereinbarung sei der Gegenbeweis eines höheren Zeitwerts nicht möglich, so dass der Kunde eventuell keinen angemessenen Gegenwert erhalte (bei dem Urteil des OLG Köln ging es ebenfalls um einen Ferrari). Zwar wird der Kfz-Händler - schon um das Ansehen zu wahren - das Fahrzeug nicht zu einem „Schleuderpreis“ verkaufen, so dass von einem angemessenen Gegenwert ausgegangen werden könnte. Allerdings begibt sich der Käufer mit der vorliegenden Vereinbarung letztlich doch in die Hände der Kl., die sich nicht um den Verkauf zu einem höchstmöglichen Preis bemühen muss, den der Käufer eventuell erzielen könnte. Der Käufer erlangt zudem auch bei Rückveräußerung schon deswegen nicht den „maximalen Verkaufspreis“, da die Provision abgezogen wird. Gerade auch die Vereinbarung der 5%igen Provision führt zu einer unangemessenen Benachteiligung, da auf diese Weise der Kunde, der schon durch die Haltefrist und die Vermarktung durch den Händler eingeschränkt ist, noch einmal durch einen Preisabschlag benachteiligt wird und der Händler, der bereits die Neuwagenprovision erhalten hat, über Gebühr bevorteilt wird. So erhält der Kunde letztlich doch nicht den tatsächlichen Gegenwert, den er auf dem freien Markt erhalten würde.

Hinzu kommt, dass eine Weiterveräußerung vor Ablauf von zwölf Monaten nur „aus wirtschaftlichen Gründen“ gestattet ist. Auch für diese Beschränkung der Dispositionsfreiheit des Käufers, welche dem gesetzlichen Leitbild der freien Verfügungsbefugnis des Käufers über die bezahlte Ware widerspricht, ist kein schützenswertes Interesse der Kl. erkennbar. Privatkunden mögen persönliche Gründe, gewerbliche Kunden wie die Bekl. die unterschiedlichsten sonstigen Gründe haben, sich von einem Luxuswagen wieder zu trennen (z.B. Wechsel der Geschäftsführung, der Außendarstellung des Unternehmens, Umstrukturierung des Fuhrparks, allgemeine organisatorische oder technische Gründe). Diese können ebenso gewichtig sein wie wirtschaftliche Gründe. Es benachteiligt den Fahrzeugkäufer unangemessen, hierüber dem Verkäufer Rechenschaft abgeben zu müssen und notfalls sogar über die Verkaufsberechtigung einen Rechtsstreit führen zu müssen, um der vereinbarten Vertragsstrafe zu entgehen.

Rechtsgebiete

Verbraucherschutzrecht