Aufhebungsvertrag und Arbeitslosengeld
Gericht
BSG 7. Senat
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
04. 09. 2001
Aktenzeichen
B 7 AL 4/01 R
Zur Verhältnismäßigkeit der Sperrzeit- und Ruhensregelungen bei der Gewährung von Arbeitslosengeld.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Kl. begehrt Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. bis 11. 6. 1996; außerdem wendet er sich gegen eine Minderung seiner Arbeitslosengeld-Anspruchsdauer um insgesamt 178 Tage (wegen Eintritts einer Regelsperrzeit und Zahlung einer Abfindung) und verlangt deshalb für die Zeit vom 28. 1.bis 1. 7. 1998 die Zahlung von Arbeitslosengeld anstelle von Arbeitslosenhilfe.
Der 1946 geborene Kl. war vom 14. 6. 1976 bis 31. 1. 1996, zuletzt als Betonbauer, beschäftigt. Mit Schreiben vom 27. 11. 1995 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis wegen Arbeitsmangels zum 31. 5. 1996; sie übersandte dem Kl. jedoch einen Vorschlag zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags zum 31. 1. 1996 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 10000 DM. Später nahm sie ein Gegenangebot des Kl. auf Abschluss eines Aufhebungsvertrags - gleichfalls zum 31. 1. 1996 - gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 34000 DM an.
Der Kl. meldete sich zum 1. 2. 1996 arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld. Die bekl. Bundesanstalt für Arbeit erließ drei Bescheide:
1. über die Ablehnung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. 2.bis 24. 4. 1996 (Eintritt einer Sperrzeit) und über die Minderung der Anspruchsdauer um 169 Tage (wegen der eingetretenen Sperrzeit),
2. über die Ablehnung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. 2.bis 31. 5. 1996 (Ruhen des Arbeitslosengeld-Anspruchs wegen Zahlung einer Abfindung) und
3. über die Ablehnung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. bis 11. 6. 1996 (Ruhen des Arbeitslosengeld-Anspruchs wegen Zahlung der Abfindung und Eintritts einer Regelsperrzeit) sowie über die Minderung der Anspruchsdauer um weitere neun Tage (des Ruhenszeitraums).
Außerdem bewilligte die Bekl. dem Kl. mit Wirkung ab 12. 6. 1996 Arbeitslosengeld, das dieser in der Folgezeit bis 14. 10. 1997 und vom 29. 10. 1997 bis 27. 1. 1998 bezog; seit dem 28. 1. 1998 erhielt der Kl. Anschluss-Arbeitslosenhilfe (ohne Berücksichtigung von Einkommen bzw Vermögen).
Die Klage auf Zahlung von Arbeitslosengeld ab 1. 2. 1996 blieb erstinstanzlich erfolglos Nachdem der Kl. beim LSG seinen Klageantrag beschränkt hatte, hatte das LSG entsprechend dem beschränkten Antrag das Urteil des SG und die Bescheide der Bekl. vom 20. 2. 1996 aufgehoben, soweit sie Rechtsfolgen zu Lasten des Kl. für die Zeit über den 31. 5. 1996 hinaus beinhalten, und die Bekl. verurteilt, dem Kl. vom 1. bis 11. 6. 1996 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Zur Begründung seiner Entscheidung hatte das LSG ausgeführt, da der Kl. Arbeitslosengeld nur noch ab 1. 6. 1996 verlange, fehle es an der für den Sperrzeittatbestand erforderlichen Kausalität zwischen dem die Sperrzeit begründenden Ereignis und dem Eintritt der Arbeitslosigkeit; diese wäre ab 1. 6. 1996 wegen der bereits vor Abschluss des Aufhebungsvertrags ausgesprochenen Kündigung ohnedies eingetreten.
Auf die Revision der Bekl. hat das BSG das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen, weil der Ansicht des LSG zur fehlenden Kausalität nicht zu folgen sei. Dass der Kl. Arbeitslosengeld erst für einen Zeitpunkt beanspruche, zu dem er ohnedies aufgrund der dem Aufhebungsvertrag vorausgegangenen Kündigung seiner Arbeitgeberin arbeitslos gewesen wäre, habe keinen Einfluss auf die von § 119 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG geforderte Kausalität. Vielmehr sei eine Sperrzeit ab 1. 2. 1996 eingetreten, falls der Kl. für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses keinen wichtigen Grund gehabt habe. Der Arbeitslose könne zwar durch eine spätere Antragstellung die unmittelbaren Rechtsfolgen des Ruhens seines Arbeitslosengeld-Anspruchs vermeiden, nicht jedoch den Eintritt einer Sperrzeit und das kalendermäßige Ablaufen dieser Sperrzeit verhindern. Allerdings habe das LSG das Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S. des § 119 Abs. 1 Satz 1 AFG und einer besonderen Härte i.S. des Abs. 2 Satz 1 - ausgehend von seiner Rechtsauffassung - nicht geprüft; insoweit fehle es an Tatsachenfeststellungen.
Das LSG hat die Bekl. nunmehr verurteilt, dem Kl. für die Zeit vom 1. 6. 1996 bis 11. 6. 1996 Arbeitslosengeld sowie für die Zeit vom 28. 1. 1998 bis 1. 7. 1998 Arbeitslosengeld anstelle von Arbeitslosenhilfe in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Auszüge aus den Gründen:
II.
Die Revision der Bekl. führte zur Zurückverweisung der Sache an das LSG. Für eine endgültige Entscheidung durch den Senat fehlen ausreichende tatsächliche Feststellungen, die das LSG - von seiner Rechtsansicht ausgehend folgerichtig - nicht getroffen hat.
Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide der Bekl. hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen für die Zeit ab 1. 6. 1996 (Leistungsablehnung für die Zeit vom 1. bis 11. 6. 1996, Minderung der Anspruchsdauer um insgesamt 178 Tage). Da der Kl. nach der ersten Zurückverweisung der Sache beim LSG unter zulässiger Erweiterung der Klage eine Verurteilung der Bekl. zur Leistung von Arbeitslosengeld anstelle von Arbeitslosenhilfe ab 28. 1. 1998 beantragt hat, ist Gegenstand des Revisionsverfahrens auch der die Bewilligung von Anschluss-Arbeitslosenhilfe betreffende Bescheid geworden, soweit die Bekl. damit gleichzeitig die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab 28. 1. 1998 abgelehnt hat. Bei seiner erneuten Entscheidung wird das LSG außerdem zu prüfen haben, ob ein Bescheid über die Beendigung der Arbeitslosengeld-Zahlung ergangen ist, der gemäß § 96 SGG in die Entscheidung einzubeziehen ist. Ob dies der Senat in der Revisionsinstanz ohne Rüge zu beachten hätte, kann dahinstehen; denn die Sache ist ohnedies aus anderen Gründen an das LSG zurückzuverweisen.
Nach den für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG liegen Anhaltspunkte für einen wichtigen Grund i.S. des § 119 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG nicht vor (vgl. zur Auslegung des Terminus "wichtiger Grund" BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 16 S. 72f m.w.N.); unter Berücksichtigung der in der zurückverweisenden Entscheidung des Senats dargelegten Gründe ist mithin eine Sperrzeit eingetreten.
Entgegen der Ansicht des LSG stellt die Sperrzeit von zwölf Wochen (§ 119 Abs. 2 Satz 1 i.V. mit § 119a Nr. 1 AFG; jetzt § 144 Abs. 3 Satz 1 SGB III) nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen für den Kl. auch keine besondere Härte dar; die Sperrzeit umfasst deshalb zwölf Wochen (Regelsperrzeit). Damit finden auch § 117a AFG und § 110 Satz 1 Nr. 1a und 2 AFG (vgl. zu Nr. 2 jetzt § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III) mit der Folge Anwendung, dass die Dauer des Arbeitslosengeld-Anspruchs gemindert wird, und zwar im Rahmen des § 110 Satz 1 Nr. 2 AFG um ein Viertel der Anspruchsdauer (vgl. zur maßgeblichen Fassung der Normen die zurückverweisende Entscheidung des Senats vom 5. 8. 1999, BSG 84, 225, 228 = SozR 3-4100 § 119 Nr. 17).
Zur Beurteilung der Frage, ob der Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit nach den für ihren Eintritt maßgeblichen Tatsachen für den Arbeitslosen eine besondere Härte bedeutet, sind die Gesamtumstände des Einzelfalls zu bewerten. Die Annahme einer besonderen Härte ist gerechtfertigt, wenn nach diesen Gesamtumständen der Eintritt einer Sperrzeit mit der Regeldauer (zwölf Wochen) im Hinblick auf die für ihren Eintritt maßgebenden Tatsachen objektiv als unverhältnismäßig anzusehen ist (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 14 S. 60 unter Hinweis auf BSG SozR 4100 § 119 Nr. 32 und SozR 3-4100 § 119 Nr. 11). Dem Gesetzeswortlaut zufolge beurteilt sich dabei die Frage, ob sich die Regelsperrzeit wegen Vorliegens einer besonderen Härte (§ 119 Abs. 2 Satz 1, § 119a Nr. 1 AFG) auf die Hälfte reduziert, allein nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen; außerhalb des Sperrzeittatbestandes liegende sowie nach Eintritt des sperrzeitbegründenden Ereignisses eintretende Umstände können grundsätzlich keine Berücksichtigung finden (BSG 77, 61, 63 = SozR 3-4100 § 119a Nr. 3; BSG 64, 202, 208 = SozR 4100 § 119 Nr. 34). Zwar sind nach der Rechtsprechung des Senats auch die rechtlichen Folgewirkungen, die mit dem Eintritt einer Regelsperrzeit verbunden sind, mitzubedenken (BSG 77, 61, 65 = SozR 3-4100 § 119a Nr. 3) und die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbots zu beachten (BSG 77, 61, 64 = SozR 3-4100 § 119a Nr. 3); jedoch ist vorliegend dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Genüge getan: Besondere Härteumstände, die nicht gerade in den gesetzlichen Rechtsfolgen selbst zu sehen sind, hat das LSG nicht festgestellt; die gesetzlichen Rechtsfolgen alleine treffen den Kl. nicht in unverhältnismäßiger Weise (Art. 20 Abs. 3 GG).
Wie der Senat im vorliegenden Verfahren in seiner zurückverweisenden Entscheidung vom 5. 8. 1999 ausführlich dargelegt hat, ist es Sinn der Sperrzeitregelung des § 119 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG und der daraus resultierenden Regelung über die Minderung der Anspruchsdauer des § 110 Satz 1 Nr. 2 AFG um ein Viertel des Gesamtanspruchs, die Versichertengemeinschaft typisierend gegen Risikofälle zu schützen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat. Die Rechtsfolgen einer Sperrzeit stellen also keine Vertragsstrafe und keinen pauschalierten Schadensausgleich dar, sondern sie verfolgen das Ziel, die Mitwirkung des Arbeitnehmers an der Herbeiführung des Versicherungsfalls zu verhindern, wenn hierfür kein wichtiger Grund vorliegt. Insoweit ist die Neuregelung des § 110 Satz 1 Nr. 2 AFG durch das Gesetz zur Änderung von Förderungsvoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen vom 18. 12. 1992 (BGBl. I 2044), wonach sich bei Eintreten einer Regelsperrzeit die Anspruchsdauer um mindestens ein Viertel (statt wie zuvor nur um die Tage der Sperrzeit) mindert, im Hinblick darauf erfolgt, dass das Verhältnis der beitragspflichtigen Beschäftigung zur Anspruchsdauer bereits zuvor (ab 1. 7. 1987) herabgesetzt worden war und die Höchstdauer des Anspruchs von - bis Ende 1984 - 12 Monaten ab Vollendung des 42. Lebensjahrs je nach Lebensalter und Dauer der beitragspflichtigen Beschäftigung auf maximal 32 Monate angestiegen war (BT-Drucks. 503/92 Nr. 27 zu § 110; vgl vor der Änderung des § 106 AFG durch das Gesetz zur Verlängerung des Versicherungsschutzes bei Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit vom 27. 6. 1987 - BGBl. I 1542 - auch § 106a AFG). Diese Leistungsverbesserungen erforderten einen stärkeren Schutz der Arbeitslosenversicherung vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme von Leistungen. Der verlängerte Versicherungsschutz konnte einen nicht unerheblichen Anreiz darstellen, das Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund aufzugeben, und zwar insbesondere für ältere Arbeitnehmer, die auf Anraten des Arbeitgebers oder aus eigenem Entschluss aus dem Arbeitsleben ausschieden. Dem sollte die Gesetzesänderung entgegenwirken (BT-Drucks. a.a.O.); sie ist insoweit geeignet und erforderlich.
Die Regelung des § 110 Satz 1 Nr. 2 AFG trifft den Kl. auch nicht unangemessen oder in unzumutbarer Weise. Er hat das Ende des Beschäftigungsverhältnisses - und damit den Eintritt der Arbeitslosigkeit - durch die Vereinbarung über die Auflösung zum 31. 1. 1996 um mindestens vier Monate vorverlegt (wenn man von einer wirksamen Kündigung zum 31. 5. 1996 ausgeht). Verlängert aber der Gesetzgeber für über 42jährige Arbeitslose die Anspruchsdauer im Rahmen des § 106 AFG (bzw. im Rahmen des § 106a AFG a.F. für über 49jährige oder über 44jährige Arbeitslose), weil bei älteren Arbeitnehmern das Risiko einer längeren Arbeitslosigkeit eher als bei jüngeren Arbeitnehmern besteht (BT-Drucks. 11/198 S. 6), so ist es gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber gerade im Hinblick auf dieses erhöhte Risiko einer aktiven Beteiligung des Arbeitnehmers an der Herbeiführung des Versicherungsfalls verstärkt entgegenwirkt. Mit der Kürzung der Anspruchsdauer um mindestens ein Viertel bleibt die Regelung hierbei innerhalb des auch für jüngere Arbeitnehmer (unter 42) geltenden Rahmens. Denn auch bei diesen ergab sich schon vor Einführung der Kürzung um mindestens ein Viertel aus dem Eintritt der Regelsperrzeit eine Kürzung der Anspruchsdauer um die Tage der Sperrzeit, also um etwa ein Viertel. Hinzu kommt vorliegend, dass der Kl. im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld Anschluss-Arbeitslosenhilfe bezog, so dass seine individuelle Beeinträchtigung durch die Regelung des § 110 Satz 1 Nr. 2 AFG ohnedies erheblich abschwächt wurde; zudem liegt die Kürzung um 169 Tage (etwa 61/2 Monate) noch in der Größenordnung des Zeitraums, um den der Kl. das Ende des Beschäftigungsverhältnisses - ausgehend von der Kündigung zum 31. 5. 1996 - vorverlegt hat (mindestens vier Monate).
Auch die Rechtsfolgen des § 117a AFG i.V. mit § 110 Satz 1 Nr. 1a AFG treffen den Kl. nicht unverhältnismäßig. Bereits in seinem zurückverweisenden Urteil vom 5. 8. 1999 hat der Senat darauf hingewiesen, dass § 117a AFG und § 110 Satz 1 Nr. 1a AFG in Ergänzung zu § 119 AFG i.V. mit § 110 Satz 1 Nr. 2 AFG der Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch den Arbeitnehmer entgegenwirken sollen; dabei hat der Gesetzgeber zu Recht typisierend angenommen, dass eine Abfindung, die wegen einer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitnehmer gezahlt wird oder zu beanspruchen ist, Beträge enthält, die dem Arbeitnehmer das Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes erleichtern sollen. Wenn aber der Arbeitgeber trotz Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitnehmer eine Abfindung zahlt, so kann angenommen werden, dass er sich mit einem Teil jener Abfindung die "Zustimmung" des Arbeitnehmers zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses erkauft. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers muss der Arbeitnehmer deshalb über § 117 Abs. 2 und 3 AFG hinaus einen weiteren Teil der Abfindung zur Deckung seines Lebensunterhalts nach Ablauf der Regelsperrzeit und des daneben laufenden Ruhenszeitraums des § 117 Abs. 2 und 3 AFG verwenden, soweit die Abfindung das nach § 117 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AFG fingierte entgangene Arbeitsentgelt übersteigt (BT-Drucks. 503/92 Nr. 32 zu § 117a). Gerade die Minderung des berücksichtigungsfähigen Abfindungsbetrags um das Arbeitsentgelt nach § 117 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AFG, das auf den Ruhenszeitraum dieser Vorschrift entfällt, verhindert in dem Falle, in dem neben § 117 AFG auch § 117a AFG eingreift, eine Doppelbelastung des Arbeitslosen. Demgemäß hat die Bekl. in Anwendung des § 117a AFG nur einen geringen Betrag der Abfindung berücksichtigt und Arbeitslosengeld nur für die Zeit vom 1. bis 11. 6. 1996 abgelehnt sowie eine Minderung der Anspruchsdauer um nur neun Tage verfügt, für diese neun Tage aber Arbeitslosenhilfe nach Ablauf des Arbeitslosengeld-Zahlungszeitraums gewährt. Auch die Kumulation der Rechtsfolgen der §§ 119, 119a, 117a, 110 AFG trifft den Kl. damit nicht unangemessen.
Da das LSG die Ruhenszeiträume nach § 117 Abs. 2 und 3 AFG bzw. § 117a AFG - ausgehend von seiner Rechtsansicht - auch in seiner Entscheidung vom 19. 9. 2000 nicht überprüfen musste, jedoch ausreichende tatsächliche Feststellungen für die erforderliche genaue Überprüfung durch den Senat fehlen, wird das LSG diese nunmehr nachzuholen haben. Das LSG wird für die Berechnung des Ruhenszeitraums nach § 117 Abs. 2 und 3 AFG zunächst die für die Arbeitgeberin des Kl. geltende ordentliche Kündigungsfrist zu ermitteln und zu beurteilen haben, ob diese eingehalten ist. In der Entscheidung des LSG ist hierzu nur ausgeführt, auf das Arbeitsverhältnis des Kl. habe der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Anwendung gefunden und die Kündigungsfrist sei bei Ausspruch der Kündigung eingehalten worden. Woraus sich die Anwendbarkeit dieses Tarifvertrags ergibt (wohl zumindest aufgrund Allgemeinverbindlicherklärung, die auch dieses Arbeitsverhältnis erfasst), wird jedoch nicht ausgeführt. Dabei scheint das LSG von der Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Monatsende durch das Kündigungsschreiben vom 27. 11. 1995 auszugehen, obwohl nicht festgestellt ist, wann der Kl. jenes Schreiben erhalten hat. Von der Dauer und der Einhaltung der Kündigungsfrist ist aber abhängig, ob § 117 Abs. 2 und 3 AFG überhaupt zur Anwendung kommt und wie lange der Arbeitslosengeld-Anspruch ab 1. 2. 1996 nach § 117 Abs. 2 und 3 AFG geruht hat. Sollte der Ruhenszeitraum vor dem Ende der 12wöchigen Sperrzeit enden, könnte sich für den Kl. daraus eine günstigere Rechtsfolge ergeben (§ 117a Abs. 1 Satz 1 i.V. mit Abs. 3 Satz 2 AFG).
Für die Berechnung des Ruhenszeitraums wird das LSG außerdem nach § 117 Abs. 3 Satz 4 und 5 AFG das bis 31. 1. 1996 abgerechnete Arbeitsentgelt genau zu ermitteln haben. Seine Ausführungen im Urteil zu den abgerechneten Verdiensten des Kl. "ohne einmalige Zuwendungen" sind in tatsächlicher Hinsicht nicht nachvollziehbar. Offenbar hat das LSG damit bestimmte Entgelte unberücksichtigt gelassen, ohne diese in tatsächlicher Hinsicht zu erläutern. Die Arbeitsbescheinigung für den Monat Dezember enthält Hinweise auf ein höheres Entgelt, als es vom LSG berücksichtigt worden ist. Dabei könnte zu beachten sein, dass nach dem Wortlaut des § 117 Abs. 3 Satz 5 AFG nur die einmaligen, nicht die wiederkehrenden Zuwendungen - anders bei § 112 Abs. 1 Satz 2 AFG (einmalige und wiederkehrende Zuwendungen) - außer Betracht bleiben. Darüber hinaus sei nur angemerkt, dass entgegen der nicht näher erläuterten Feststellung des LSG durchaus eine Abrechnung des Monats Januar erfolgt sein könnte, bevor der Kl. aus dem Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden ist. Ein höherer Verdienst vor dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis könnte zugunsten des Kl. zu einem kürzeren Ruhenszeitraum nach § 117 Abs. 2 und 3 AFG und damit zu einer Vorverlagerung des Ruhenszeitraums nach § 117a AFG führen. Die genaue Ermittlung des maßgeblichen Arbeitsentgelts ist aber auch für den Ruhenszeitraum nach § 117a AFG selbst von Bedeutung (§ 117a Abs. 3 AFG). Bei der Anwendung des § 110 AFG wird das LSG dann nach Satz 1 Nr. 1 zu berücksichtigen haben, inwieweit dem Kl. Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. bis 11. 6. 1996 zuzubilligen ist. Von Bedeutung könnte auch sein, wann dem Kl. die Kündigung der Arbeitgeberin vom 27. 11. 1995 zugegangen ist, weil sich daraus ggf. (bei geringerem Entgelt in den bis 31. 1. 1996 abgerechneten Lohnabrechnungszeiträumen der letzten sechs Monate) ein längerer Ruhenszeitraum nach § 117 Abs. 2 und 3 AFG (ohne Minderung der Anspruchsdauer) ergibt, an den sich erst der Ruhenszeitraum des § 117a AFG (mit Minderung der Anspruchsdauer) anschließt. Da andererseits die Bekl. bereits ab 12. 6. 1996 Arbeitslosengeld bewilligt hat und mit dem Bewilligungsbescheid möglicherweise den Endzeitpunkt des Ruhenszeitraums nach § 117a AFG "fixiert" hat, könnte sich u.U. hieraus eine geringere Minderung der Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld ergeben. Sollte sich insgesamt eine geringere Minderungsdauer ergeben, wäre jedoch zu ermitteln, weshalb dem Kl. vom 15. bis 28. 10. 1997 kein Arbeitslosengeld gezahlt worden ist; dies ist nämlich zur Beurteilung der Frage bedeutsam, ob nicht auch im Zusammenhang mit der Nichtzahlung dieser Leistung für den Zeitraum eine Minderung der Anspruchsdauer nach § 110 AFG (etwa Nr. 5) zu bejahen ist, die eine evtl. günstigere Berechnung kompensieren könnte.
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