Kettenarbeitsverträge

Gericht

BOSchG


Art der Entscheidung

Schiedsspruch


Datum

13. 04. 1981


Aktenzeichen

OSch. 6/80


Leitsatz des Gerichts

Mehrere aufeinanderfolgende Gastspielverträge mit einem Bühnenkünstler machen diese noch nicht zu einem unerlaubten Kettenarbeitsvertrag.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. ist Mitglied der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger. Von 1946 bis 1954 war er an der Bayer. Staatsoper auf der Grundlage des Normalvertrags-Solo als Sänger beschäftigt. Von 1955 an bis zum Ende der Spielzeit 1976/77 schlossen die Parteien schriftlich jeweils befristete Dienstverträge ab, die als Gastspielverträge bezeichnet wurden. Nach diesen Gastspielverträgen war der Kl. zu je 40 Auftritten an der Bayer. Staatsoper in von vornherein bestimmten Partien bzw. aus einem bestimmten Repertoire verpflichtet. Darüber hinaus erklärte er sich bereit, auf Anforderung der Intendanz auch über 40 Abende zu singen (vgl. z. B. § 12 des Vertrages vom 13. 4. 1973). Nach § 8 dieser Verträge war die Geltung der Bestimmungen des Mitteilungspflichtabkommens vom 10. 10. 1947 vereinbart.

Für die Spielzeiten 1977/78 und 1978/79 schlossen die Parteien wiederum einen im Vertragsformular als Gastspielvertrag bezeichneten Vertrag. Der Kl. sollte jedoch nur noch in jeweils 20 Vorstellungen auftreten. Unter § 12 des Vertrages verpflichtete er sich, auf Anforderung der Intendanz auch an mehr als 20 Abenden zu singen und an den Münchener Festspielen mitzuwirken.

§ 8 erhielt nach Durchstreichung des Vordruckes und maschinenschriftl. Ergänzung folgende Fassung:

"Dieser Vertrag endet am 31. 8. 1979, ohne daß es einer weiteren Mitteilung bedarf. Die Bestimmungen des Mitteilungspflichtabkommens vom 10. 10. 1947 finden auf diesen Vertrag keine Anwendung."

Auf diese Änderung des § 8 wurde der Kl. von der Intendanz der Bayerischen Staatsoper nicht ausdrückl. hingewiesen.

Ab Januar 1979 führten die Parteien Vertragsverhandlungen, die jedoch nicht zum Abschluß eines neuen Vertrages führten.

Der Kl. hat behauptet, er habe die Änderung des § 8 in der Vertragsurkunde nicht gelesen. Er hat weiter gemeint, mit ihm seien keine echten Gastspielverträge vereinbart worden. Mindestens sei die Vereinbarung von Kettengastspielverträgen unzulässig. Das Vertragsverhältnis der Parteien bestehe aber auch schon deswegen fort, weil durch den Bekl. keine Nichtverlängerungsmitteilung erfolgt sei.

Der Kl. hat daher beantragt festzustellen, daß das Vertragsverhältnis der Streitteile gemäß Vertrag vom 27. 6. 1977 über den 31. 8. 1979 wenigstens bis zum 31. 1. 1981 hinaus fortbesteht.

Der Bekl. hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, daß das Vertragsverhältnis am 31. 8. 1979 geendet hat.

Die Berufung des Kl. blieb erfolglos.

Entscheidungsgründe


Aus den Gründen:

Für das Bühnenoberschiedsgericht besteht kein Zweifel daran, daß es sich bei dem Vertrag vom 27./28. 6. 1977 um einen Gastspielvertrag i. S. des § 20 Nr. 2. NV-Solo handelt, denn er erfüllt alle Voraussetzungen dieser tarifvertragl. Vorschrift. Der Kl. ist von der Bayer. Staatsoper zur Ergänzung ihres ständigen Personals und zur Ausgestaltung ihres Spielplans in der Weise engagiert worden, daß er nicht als ständiges Mitglied angestellt, sondern nur zur Mitwirkung in einer bestimmten Anzahl von Aufführungen, nämlich mindestens 20, während einer Spielzeit verpflichtet wurde. Auch der Gastspielvertrag ist ein Dienstvertrag, der den Bühnenkünstler, wenn auch nur für bestimmte Aufführungen, zur Leistung ganz bestimmter Arbeit unter Eingliederung in den Bühnenbetrieb verpflichtet. Nach § 20 Nr. 1. NV-Solo finden auf den Gastspielvertrag die §§ 1 bis 19 NV-Solo keine Anwendung. Im übrigen kommen aber alle tarifl. Vorschriften des Bühnenrechts, soweit sie nicht dem Wesen des Gastspielvertrages widersprechen, zum Zuge.

Der Abschluß mehrerer aufeinander folgender Gastspielverträge mit Bühnenkünstlern macht diese genauso wenig zu unzulässigen Kettenarbeitsverträgen wie der Abschluß befristeter Dienstverträge nach dem Normalvertrag-Solo. Im Bühnenbereich ist der Abschluß befristeter Arbeitsverträge zwischen den Bühnen einerseits und Schauspielern oder Sängern andererseits allgemein üblich und zulässig. Dies entspricht der jahrzehntelangen ständigen Rechtspr. des Bühnenoberschiedsgerichts und des BAG, worauf das angefochtene Urt. mit Recht hingewiesen hat, und die durch die Entscheidung des BAG vom 21. 5. 1981 - 2 AZR 1117/78 - AP Nr. 15 zu § 611 BGB Bühnenengagementsvertrag - wiederum bestätigt worden ist.

Mit Recht hat das Bezirksbühnenschiedsgericht M. in dem angefochtenen Schiedsspruch auch darauf hingewiesen, daß der Abschluß von Gastspielverträgen oftmals durchaus im Interesse des Bühnenkünstlers und besonders eines so prominenten Künstlers wie dem Kl., liegt. Dies wird im Falle des Kl. eindeutig bestätigt, der seit 1955 mit dem Bekl. nur noch Gastspielverträge abgeschlossen hat, um seine künstlerische Begabung und seine Arbeitskraft in vielfältigen Engagements optimal einsetzen zu können.

Geht man aber bei dem zwischen den Parteien am 27. /28. 6. 1977 abgeschlossenen Vertrag grundsätzl. von einem rechtl. zulässigen Gastspielvertrag i. S. des § 20 Ziff. 2 NV-Solo aus, so könnte die Rechtswirksamkeit des Vertrages nur daran scheitern, daß sich der Bekl. bei seinem Abschluß einer schweren Fürsorgepflichtsverletzung gegenüber dem Kl. schuldig gemacht hätte, die eine Berufung auf die Bestimmungen des Vertrages als rechtsmißbräuchl. erscheinen ließe. Mit dem angefochtenen Schiedsspruch ist das Bühnenoberschiedsgericht der Ansicht, daß der Intendanz der Bayer. Staatsoper eine solche Fürsorgepflichtverletzung nicht vorgeworfen werden kann.

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BGB §§ 611, 620