Mitführen eines Hundes in Geländewagen-Gepäckraum ohne Sicherungsnetz/-gitter

Gericht

OLG Nürnberg


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

13. 02. 1997


Aktenzeichen

8 U 2819/96


Leitsatz des Gerichts

Die Vollkaskoversicherung wird wegen grob fahrlässiger Unfallverursachung von der Leistung frei, wenn das Geschehen darauf zurückzuführen ist, daß weder durch ein eingebautes Trenngitter zwischen Gepäck- und Fahrgastraum noch durch andere Sicherungsmaßnahmen verhindert wurde, daß ein im Fahrzeug mitgeführter Hund durch unkontrollierbares Verhalten auf den Betrieb des Kfz einwirken kann.

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Für den von der Kl. gehaltenen Pkw Typ Daimler Benz 500 GE besteht bei der Bekl. eine Fahrzeugvollversicherung. Die Parteien führen den Rechtsstreit darüber, ob die Bekl. der Kl. den dieser an ihrem Fahrzeug bei dem Unfall vom 7. 5. 1995 entstandenen Schaden i.H. von DM 94009,74 zu ersetzen hat. Das LG hat diese Frage verneint. Es hat dem Fahrzeuglenker F eine grob fahrlässige Unfallverursachung angelastet, weil er sich durch das Verhalten seines im Fahrzeug mitgeführten Hundes von einer ordnungsgemäßen Betrachtung der Fahrbahn habe ablenken lassen. Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung wendet sich die Kl. gegen die Einstufung des Verhaltens ihres Inhabers, des Fahrers F, als grob fahrlässig. Er habe sich nicht umgedreht, als er nach seinem im Fahrzeug befindlichen Hund gesehen habe, vielmehr habe er kurz in den Innenspiegel geblickt, um nach hinten zu schauen. Dieses habe nicht mehr Zeit in Anspruch genommen als ein üblicher Blick in den Rückspiegel erfordere. Es sei gewährleistet geblieben, die Fahrbahn vor ihm zu beobachten. Gegen ein unberechenbares tierisches Verhalten seines mitgeführten Hundes sei durch ein eingebautes Trenngitter hinreichend Vorsorge getroffen gewesen. Die Bekl. trägt vor, die Kl. habe ihren Vortrag in der Berufungsinstanz erneut geändert; die unterschiedlichen Schilderungen seien schon deshalb nicht glaubhaft. Der neue Vortrag in der Berufungsbegründung, F habe nur kurz in den Rückspiegel gesehen, sei außerdem nicht nachzuvollziehen. Darüber hinaus sei die Einlassung des Inhabers der Kl. durch den Rückspiegel den Hund beobachtet zu haben, angesichts der unstreitig herrschenden Dunkelheit und der üblichen Einstellung des Innenrückspiegels auf die rückwärtige Fahrbahn nicht verständlich. Ein suchendes Beobachten des Hundes im Fahrzeugrückraum sei in einer Baustelle mit verengter Fahrbahn bei einem auf 80 km/h eingestellten Tempomaten als grob fahrlässig zu werten. Vorsorglich wendet die Bekl. ein, gem. § 7 I Nr. 2 AKB, § 6 III VVG leistungsfrei zu sein, weil der Inhaber der Kl. mit der Schadensmeldung gegenüber den anderen Darstellungen bewußt falsche Angaben gemacht habe.

Die Berufung des Kl. hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Auch das BerGer. gelangt aufgrund der im Berufungsverfahren erhobenen Beweise zu der Überzeugung, daß der Inhaber der Kl. als deren Repräsentant (vgl. BGH, VersR 1967, 990) das Schadensereignis und damit den Versicherungsfall vom 7. 5. 1995 schuldhaft grob fahrlässig herbeigeführt hat. Gem. § 61 VVG ist deshalb die Bekl. von der Verpflichtung zur Leistung frei.

Herrn F, dem Inhaber der Kl., war nach dem Inhalt seiner Anhörung bekannt, daß sich sein Hund, ein Deutscher Kurzhaar mit einer Schulterhöhe von etwa 45 cm und eine Brustbreite von ca. 20 cm im Gepäckteil seines Fahrzeugs befand. Ihm als Jagdausübenden und Pächter von zwei Jagdrevieren war bekannt, daß ein in der Fahrgastinnenzelle mitgeführter Hund beim Betrieb eines Kfz eine dringende Gefahr (vgl. BGH, VersR 1984, 25) darstellt, weil tiergemäße Verhaltensweisen oder Reaktionen des Hundes auf den Fahrbetrieb, wie z.B. bei heftigem Bremsen, zur Folge haben können, daß durch das Tier auf die sichere Führung des Fahrzeugs eingewirkt wird (vgl. LG Karlsruhe, ZfSch 1982, 306 (307); OLG Nürnberg, ZfSch 1994, 95). Die Kenntnis dieser Gefahrenlage folgt daraus, daß er im Pkw eine ausziehbare Rückhaltevorrichtung im Bereich zwischen Gepäck- und Fahrgastraum hatte anbringen lassen, die aus einem Netzgitter ohne Rahmen bestand ... Der Senat ist aufgrund der Beweisaufnahme davon überzeugt, daß der Gepäckteil des Pkw-Geländewagens nicht gegen ein Verlassen dieses Fahrzeugteils durch den Hund und ein Eindringen in den Passagier- und Fahrzeugbereich gesichert war. (Wird ausgeführt.)

Bei Würdigung aller Umstände gelangt das BerGer. zu der Überzeugung, daß der mitgeführte Hund, der nicht von einem Trenngitter zurückgehalten wurde, in den Fahrgastraum gewechselt und dem Inhaber der Kl. ins Lenkrad gesprungen ist, wobei die Lenkung des Pkw beeinflußt und plötzlich die Fahrrichtung gegen die Behelfsleitplanke gerichtet wurde. Der Umstand, daß das Fahrzeug mit der unverminderten Geschwindigkeit von 80 km/h, auf die der Tempomat unstreitig eingestellt war, in die Planken fuhr, ist ein weiteres Indiz für ein unvermitteltes, den Fahrzeuglenker überraschendes Geschehen, infolge dessen dieser es verabsäumte, den durch einfachtes Antippen des Bremspedals abzuschaltenden Tempomat außer Funktion zu setzen.

Durch sein Verhalten hat der Inhaber der Kl. die erforderliche Sorgfalt durch ein auch subjektiv unentschuldbares Verhalten in hohem Maße außer acht gelassen (vgl. BGH, NJW 1985, 2648), weil er weder die eingebaute Rückhaltevorrichtung zwischen Gepäck- und Fahrgastraum ordnungsgemäß in Funktion gesetzt hatte, noch durch andere Sicherungsmaßnahmen, z.B. mit Leine und Brustgeschirr, verhindert hatte, daß sein Hund durch ein unkontrolliertes Verhalten auf den Fahrbetrieb einwirkte (vgl. OLG Nürnberg, NZV 1990, 315, und Urt. v. 27. 4. 1995 - 8 U 4035/94). Solche Sicherungsmaßnahmen hat Herr F in Kenntnis der potentiellen Gefährlichkeit des Hundes für den Fahrbetrieb unterlassen, obwohl hierdurch der Eintritt eines Versicherungsfalls in dem Bereich der praktisch unmittelbar in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten gerückt war (vgl. BGH, NJW 1986, 2838 = VersR 1986, 963).

Es liegt auch kein Augenblickversagen vor, weil der Inhaber der Kl. den gefahrträchtigen Zustand über eine nach seiner Darstellung längere Zeit von 15-30 Min. beibehielt. Der Inhaber der Kl. beruft sich nicht darauf, daß das Betätigen der Schutzvorrichtung entschuldbar vergessen worden sei.

Rechtsgebiete

Versicherungsrecht

Normen

VVG § 61