Erschlossensein durch Wohnwege

Gericht

BVerwG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

01. 03. 1996


Aktenzeichen

8 C 26/94 (VG Münster)


Leitsatz des Gerichts

  1. Die Beantwortung der Frage, ob eine von einem unbefahrbaren Wohnweg abzweigende unbefahrbare Verkehrsanlage mit einer - in Nordrhein-Westfalen - nicht weiter als 50 m von der nächsten befahrbaren Straße entfernten Teilstrecke Bestandteile des Wohnwegs ist, richtet sich - ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise - nach dem durch die tatsächlichen Gegebenheiten geprägten Erscheinungsbild.

  2. Gegen die von § 242 IV 1 BauGB angeordnete Rückwirkung bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

  3. Ein Grundstück, das an eine Anbaustraße und einen diese Anbaustraße mit einer weiteren Anbaustraße verbindenden unbefahrbaren Wohnweg grenzt, wird durch diesen Wohnweg i.S. des § 131 I 1 BauGB erschlossen, sofern das Bebauungsrecht eine Erreichbarkeit in Form einer nur fußläufigen Zugänglichkeit für die Bebaubarkeit des Grundstücks ausreichen läßt.

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Der Kl. wendet sich gegen seine Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag. Er ist Eigentümer des im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 106 - Teilabschnitt X - gelegenen Grundstücks Flst. 592, das mit einem eingeschossigen Wohnhaus bebaut ist. Das Grundstück grenzt im Norden an den befahrbaren H.-Weg und im Osten an einen als Fußweg gewidmeten Weg auf dem Flst. 154, der zwischen dem H.-Weg und der etwa 60 m weiter südlich parallel verlaufenden Straße B.-Heide liegt. Etwa 95 m weiter östlich befinden sich - auch auf dem Flst. 154 - ein weiterer ausschließlich dem Fußgängerverkehr gewidmeter Weg zwischen den beiden genannten Straßen. Diese beiden Fußwege werden ihrerseits durch einen parallel zum H.-Weg und zur B.-Heide verlaufenden, ebenfalls als Fußweg gewidmeten Weg auf dem Flst. 154 verbunden. Dieser Verbindungsweg ist nördlich seiner Einmündung in den westlichen der beiden (zwischen dem H.-Weg und der Straße B.-Heide verlaufenden) Fußwege zu einem etwa 20 x 20 m großen Platz ausgeweitet. Hier stehen in jeweils 1 qm großen Pflanzbeeten neun Bäume. Die drei auf dem Flst. 154 angelegten Fußwege wurden bis zum Jahre 1975 endgültig hergestellt. Der Bekl. behandelte sie insgesamt als einen Wohnweg i.S. des § 127 II Nr. 2 BauGB und zog den Kl. durch Bescheid vom 24. 10. 1991 zu einem Erschließungsbeitrag von 6612,20 DM heran. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das VG abgewiesen. Die Revision des Kl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

1. Das VG geht davon aus, bei den beiden zwischen den Straßen H.-Weg im Norden und B.-Heide im Süden verlaufenden, ca. 60 m langen öffentlichen Wegen handele es sich ebenso wie bei dem zwischen diesen beiden Wegen liegenden, ca. 95 m langen öffentlichen Verbindungsweg um rechtlich - infolge ihrer eingeschränkten Widmung für den Fußgängerverkehr - nicht mit Kraftfahrzeugen befahrbare Verkehrsanlagen. Das ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Dagegen ist die weitere Annahme des VG nicht mit Bundesrecht vereinbar, der westliche der beiden zwischen den Straßen H.-Weg und B.-Heide verlaufenden Wege - im folgenden Weg A genannt - sei zusammen mit dem westlichen bis zu einer Tiefe von 50 m von einer dieser Straße entfernten Abschnitt des Verbindungswegs als ein Wohnweg i.S. des § 127 II Nr. 2 BauGB zu qualifizieren.

Auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen ist dem VG in der Ansicht zu folgen, der Weg A, an den das Grundstück des Kl. außer an die Straße H.-Weg grenzt, sei - jedenfalls in dem Bereich, in dem das Grundstück des Kl. liegt - als Wohnung i.S. des § 127 II Nr. 2 BauGB zu qualifizieren. Denn derartige Wohnwege sind - aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen - unbefahrbare öffentliche Verkehrsanlagen, an denen zulässigerweise Wohngebäude errichtet werden dürfen. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Nach dem einschlägigen Bebauungsplan und § 4 I Nr. 1 NWBauO dürfen auf den an den Weg A angrenzenden Grundstücken Wohngebäude (von geringer Höhe) gebaut werden. Bundesrechtlich ist auch nichts gegen die Auffassung des VGzu erinnern, der ca. 60 m lange Weg A könne aus der Sicht der Straße H.-Weg lediglich bis zu einer Länge von 50 m - und zwar gerechnet von seiner Einmündung in diese Straße - beitragsfähiger Wohnweg i.S. des § 127 II Nr. 2 BauGB sein, weil § 4 I Nr. 1 NWBauO die Errichtung von Wohngebäuden (geringer Höhe) an unbefahrbaren Verkehrsanlagen nur zulasse, wenn diese nicht länger als 50 m sind. Auf der Grundlage dieser für den Senat bindenden Auslegung des § 4 I Nr. 1 NWBauO geben in Nordrhein-Westfalen Verkehrsanlagen, die aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mit Kraftfahrzeugen befahrbar sind, in Verbindung mit der Anbaustraße, von der sie abzweigen, zur bauordnungsrechtlich hinreichenden Zugänglichkeit und damit zur Bebaubarkeit der an sie angrenzenden Grundstücke nur insoweit etwas her, als die nicht länger als 50 m sind. Die darüber hinausgehende Teilstrecke einer unbefahrbaren Verkehrsanlage trägt nichts zur zulässigen Bebaubarkeit der an sie angrenzenden Grundstücke bei; diese Grundstücke sind mangels Erfüllbarkeit des bauordnungsrechtlichen Zuwegungserfordernisses schlechthin nicht bebaubar, und zwar selbst dann, wenn sie in einem Bebauungsplan als Bauland ausgewiesen sind. Denn der Bebauungsplan kann sich hinsichtlich der Anforderungen an die Erreichbarkeit von Grundstücken nicht über das Bauordnungsrecht hinwegsetzen, er kann nicht die bauordnungsrechtlichen Zuwegungserfordernisse verdrängen. Der sich an die Länge von 50 m anschließenden Teilstrecke einer aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen mit Kraftfahrzeugen nicht befahrbaren Verkehrsanlage fehlt es in Nordrhein-Westfalen an der Qualität "Wohnweg", weil an ihr keine Wohngebäude errichtet werden dürfen. Die beitragsfähige Erschließungsanlage "Wohnweg" i.S. des § 127 II Nr. 2 BauGB endet mithin in Nordrhein-Westfalen im Abstand von 50 m. gerechnet von der Grenze der Anbaustraße, von der der Wohnweg abzweigt (BVerwG, Buchholz 406.11 § 127 BauGB Nr. 71, S. 104 (105f.) = NVwZ 1994, 912).

Das beantwortet indes noch nicht die Frage, ob zu dem hier maßgebenden Wohnweg i.S. des § 127 II Nr. 2 BauGB auch der westliche Abschnitt des östlich vom Weg A abzweigenden Verbindungswegs gehört, und zwar insoweit, als er nicht weiter als 50 m von der Anbaustraße H.-Weg bzw. den Anbaustraße B.-Heide entfernt ist. Das ist entgegen der Ansicht des VG zu verneinen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG (vgl. statt vieler BVerwGE 95, 176 (185) = NVwZ 1994, 913) stellt der Begriff der beitragsfähigen Erschließungsanlage i.S. des § 127 II BauGB und damit auch der Begriff des Wohnwegs im Rahmen der zuvor bezeichneten rechtlichen Beschränkung auf eine "natürliche Betrachtungsweise" ab; maßgebend ist danach insoweit das durch die tatsächlichen Gegebenheiten geprägte Erscheinungsbild. Diese Betrachtungsweise gebietet sich auch, wenn zu entscheiden ist, welche Fläche zu einer bestimmten beitragsfähigen Erschließungsanlage - hier: dem westlichen der beiden zwischen den Straßen H.-Weg und B.-Heide verlaufenden Wohnwege - gehört (vgl. in diesem Zusammenhang u.a. BVerwGE 88, 53 (56) = NVwZ 1991, 1094) und ob eine von ihr abzweigende Verkehrsanlage als ihr "Anhängsel" und damit als ihr Bestandteil zu qualifizieren ist (vgl. zu diesem Ansatz u.a. BVerwG Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 59, S. 78 (80) m.w. Nachw.). Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des VG handelt es sich aus der insoweit maßgebenden Sicht eines unbefangenen Beobachters sowohl bei dem Weg A als auch bei dem von ihm nach Osten abzweigenden, ca. 95 m langen Verbindungsweg um eigenständige (unbefahrbare) Verkehrsanlagen; danach sind keine tatsächlichen Gegebenheiten ersichtlich, die den Eindruck begründen könnten, eine - aus dem Bereich der Einmündung in den Weg A gesehen - bestimmte Teilstrecke des Verbindungswegs könnte als Bestandteil dem Weg A zuzurechnen sein. Eine davon abweichende Beurteilung läßt sich entgegen der Annahme des VG nicht mit der Erwägung rechtfertigen, das eine oder andere an dem Verbindungsweg gelegene Grundstück sei - da nicht weiter als 50 m von der Anbaustraße H.-Weg bzw. B.-Heide entfernt - dieser Straße wegen bebaubar; die Straße vermittele ihm die für seine Bebaubarkeit erforderliche Primär- und der Weg A die ebenfalls erforderliche Sekundärerschließung. Soweit das zutrifft, hat das lediglich zur Folge, daß das betreffende Grundstück zu den sowohl durch die jeweilige Erschließungsstraße als auch durch den Weg A i.S. des § 131 I 1 BauGB erschlossenen Grundstücken zählt, ist aber ohne Bedeutung für die Beantwortung der einem anderen Zusammenhang, nämlich dem erschließungsbeitragsrechtlichen Anlagenbegriff, zuzuordnenden Frage, was an Fläche zu einer bestimmten beitragsfähigen Erschließungsanlage gehört. Anderenfalls müßte auch ein bestimmter Abschnitt des westlich vom Weg A abzweigenden, zur K.-Straße führenden Fußwegs Bestandteil des beitragsfähigen Wohnwegs sein, was das VG jedoch zu Recht verneint hat.

Das VG hat - vor dem Hintergrund seiner Rechtsansicht verständlicherweise - keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen, welcher beitragsfähige Erschließungsaufwand für die erstmalige endgültige Herstellung des abrechenbaren Wohnwegs ohne den westlichen Abschnitt des Verbindungswegs entstanden ist. Aus diesem Grunde kann gegenwärtig die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Heranziehungsbescheids nicht abschließend beurteilt werden. Deshalb ist das angegriffene Urteil aufzuheben und die Sache an das VG zurückzuverweisen, um ihm Gelegenheit zu geben, die erforderlichen Feststellungen nachzuholen.

2. Eine Zurückverweisung wäre entbehrlich, wenn aus anderen Gründen zugunsten oder zu Lasten des Kl. durchentschieden werden könnte. Das ist indes nicht der Fall. Für eine Durchentscheidung zu Lasten des Kl. fehlt es an dies rechtfertigenden Anhaltspunkten. Eine Entscheidung zugunsten des Kl. käme nur in Betracht, wenn anzunehmen sein sollte, entgegen der Auffassung des VG sei entweder die im Jahre 1975 erfolgte Herstellung des in Rede stehenden unbefahrbaren Wohnwegs nicht geeignet, eine Erschließungsbeitragspflicht auszulösen, oder das Grundstück des Kl. werde durch diesen Wohnweg nicht i.S. des § 131 I 1 BauGB erschlossen. Beides trifft jedoch nicht zu.
a) Das VG meint, der Wohnweg sei von § 127 II Nr. 2 BauGB ungeachtet dessen erfaßt, daß diese Vorschrift erst mit Inkrafttreten des Baugesetzbuchs am 1. 7. 1987 in das Erschließungsbeitragsrecht Eingang gefunden hat und der Weg schon im Jahre 1975 technisch endgültig hergestellt worden ist. Denn § 242 IV 1 BauGB ordne eine Anwendung des § 127 II Nr. 2 BauGB auch auf solche unbefahrbaren Verkehrsanlagen an, die vor dem 1. 7. 1987 endgültig hergestellt worden seien. Da einerseits mangels Vorliegens einer einschlägigen Straßenbaubeitragssatzung für den Wohnweg keine Beitragspflicht nach Landesrecht entstanden sei (§ 242 IV 2 BauGB) und da andererseits keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Rückwirkungsanordnung des § 242 IV 1 BauGB bestünden, stehe der Zeitpunkt der Herstellung des Wohnwegs dem Entstehen sachlicher Erschließungsbeitragspflichten nicht entgegen. Dagegen ist aus der Sicht des Bundesrechts nichts zu erinnern.

Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer gesetzlichen Rückwirkungsanordnung ist nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG (vgl. etwa BVerfGE 50, 177 (193) = NJW 1979, 1649 m.w. Nachw.) nach Rechtssätzen zu beurteilen, die aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleiten sind. Zu den wesentlichen Elementen des Rechtsstaatsprinzips gehört die Rechtssicherheit, die für den Bürger in erster Linie Vertrauensschutz bedeutet. Allerdings kann ein einer Rückwirkungsanordnung entgegenstehender Vertrauensschutz nicht in Frage kommen, wo das Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt ist. So ist ein Vertrauen u.a. dann nicht schutzwürdig, wenn der Bürger nach der rechtlichen Situation in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge vom Gesetz zurückbezogen wird, mit dieser Regelung rechnen mußte (vgl. BVerfGE 13, 261 (272) = NJW 1962, 291 m.w. Nachw.). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Seit Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes im Jahre 1961 mußte jeder Grundstückseigentümer damit rechnen, daß die Gemeinde ihm das, was für die Bebaubarkeit seines Grundstücks an wegemäßiger Erschließung erforderlich ist, nicht beitragsfrei zur Verfügung stellt (vgl. etwa VGH Kassel KStZ 1991, 215). Dementsprechend ist die von der seinerzeitigen Rechtsprechung gedeckte Verwaltungspraxis bis zur Entscheidung des BVerwG vom 3. 6. 1983 (BVerwGE 67, 216ff. = NVwZ 1984, 170) stets davon ausgegangen, nicht befahrbare Wohnwege seien als Anlagen, die eine solche wegemäßige Erschließung und in der Folge - soweit davon abhängig - eine Bebaubarkeit vermitteln, gem. § 127 II Nr. 1 BBauG beitragsfähig (vgl. im einzelnen Begründung des Entwurfs eines Gesetzes über das Baugesetzbuch, BT-Dr 10/4630, S. 161). Selbst das genannte Urteil des BVerwG war nicht geeignet, ein schutzwürdiges Vertrauen dahin zu begründen, jedenfalls in Zukunft würden für unbefahrbare Wohnwege schlechthin keine Erschließungsbeiträge erhoben werden. Angesichts der unmittelbar nach Bekanntwerden dieses Urteils einsetzenden Kritik insbesondere aus dem (kommunal-)politischen Raum, konnte und mußte nämlich erwartet werden, daß der Gesetzgeber alsbald die Voraussetzungen für eine erschließungsbeitragsrechtliche Abrechenbarkeit unbefahrbarer Wohnwege schaffen würde, und zwar - nicht nur zur Vermeidung von Beitragsausfällen auf Seiten der Gemeinden, sondern auch im Interesse einer möglichst weitgehenden Gleichbehandlung aller betroffenen Grundstückseigentümer - rückwirkend schaffen würde.

b) Das VG ist der Ansicht, das Grundstück des Kl. werde durch den unbefahrbaren Wohnweg erschlossen (§ 131 I 1 BauGB). Zwar nimmt es mit Blick auf die Anbaustraße H.-Weg, an die das Grundstück des Kl. ebenso wie an den Wohnweg angrenzt, in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerwG (vgl. Buchholz 406.11 § 127 BauGB Nr. 71, S. 104 (107ff.) = NVwZ 1994, 912) an, das Grundstück werde allein durch den H.-Weg, nicht aber auch durch den unbefahrbaren Wohnweg i.S. des § 131 I 1 BauGB erschlossen. Etwas anderes gelte jedoch mit Blick auf die Anbaustraße B.-Heide; diese weniger als 50 m vom Grundstück des Kl. entfernte Straße vermittelte diesem Grundstück im Zusammenwirken mit dem unbefahrbaren Wohnweg ebenfalls die Bebaubarkeit und deshalb sei das Grundstück nicht nur durch den H.-Weg, sondern überdies durch die Straße B.-Heide und zusätzlich durch den unbefahrbaren Wohnweg erschlossen. Auch dem ist beizupflichten.

Zutreffend geht das VG davon aus, die damit aufgeworfene Frage sei durch das Urteil vom 10. 12. 1993 (BVerwG, Buchholz 406.11 § 127 BauGB Nr. 71, S. 104 = NVwZ 1994, 912) nicht schon in einem anderen Sinne entschieden. Denn der seinerzeit zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich von dem vorliegenden insbesondere dadurch, daß der damals maßgebende unbefahrbare Wohnweg anders als hier nicht zwei Anbaustraßen miteinander verband, sondern lediglich von einer Anbaustraße abzweigte und in einem unbefahrbaren Fußweg mündete. In der Entscheidung vom 10. 12. 1993 hat das BVerwG - wie bereits angedeutet - erkannt, an die Anbaustraße und zugleich den Wohnweg angrenzende Grundstücke seien einzig durch die Anbaustraße erschlossen. Ob hier das an die Anbaustraße H.-Weg sowie den unbefahrbaren Wohnweg angrenzende und mithin schon allein durch diese Anbaustraße erschlossene Grundstück des Kl. zusätzlich auch durch die Anbaustraße B.-Weg sowie den die beiden Anbaustraßen verbindenden unbefahrbaren Wohnweg erschlossen wird, hängt nach der Rechtsprechung des BVerwG (vgl. u.a. BVerwGE 79, 283 (288) = NVwZ 1988, 1134) davon ab, ob dieses Grundstück - die durch allein den H.-Weg vermittelte Bebaubarkeit hinweggedacht - wegen der durch die (nicht weiter als 50 m entfernte) Straße B.-Heide in Verbindung mit dem unbefahrbaren Wohnweg verschaffte verkehrsmäßige Erreichbarkeit nach Maßgabe der §§ 30ff. BauGB bebaubar ist. Er muß - mit anderen Worten - bei der Prüfung des Erschlossenseins durch die Straße B.-Heide in Verbindung mit dem unbefahrbaren Wohnweg die durch den H.-Weg vermittelte Bebaubarkeit "hinweggedacht werden" (BVerwGE 68, 41 (45) = NVwZ 1984, 172). Vor diesem Hintergrund ist auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellung, nach der das einschlägige Bebauungsrecht für die Bebaubarkeit des Grundstücks des Kl. eine fußläufige Erreichbarkeit ausreichen läßt, mit dem VG ein Erschlossensein sowohl durch die Straße B.-Heide als auch durch den unbefahrbaren Wohnweg zu bejahen.

Aus der Sicht der (nicht weiter als 50 m entfernten) Straße B.-Heide stellt das Grundstück des Kl. bei Hinwegdenken des H.-Wegs ein zufahrtsloses (Hinterlieger-)Grundstück dar, das einzig an dem von dem Bekl. abgerechneten unbefahrbaren Wohnweg liegt. Derartige unbefahrbaren Verkehrsanlagen sind ihrer Funktion nach dazu bestimmt, den einzig an sie angrenzenden zufahrtslosen Grundstücken eine Sekundärerschließung zu verschaffen, d.h. eine verkehrsmäßige Erschließung, auf die diese Grundstücke für ihre Bebaubarkeit nach §§ 30ff. BauGB zusätzlich zu der durch eine befahrbare Anbaustraße vermittelten Primärerschließung angewiesen sind.

Bei solchen zufahrtslosen Grundstücken führt nämlich zur Bebaubarkeit nach §§ 30ff. BauGB erst die Sekundärerschließung in Verbindung mit der Primärerschließung; ihre Bebaubarkeit setzt das Vorhandensein (bzw. verläßlich zu erwartende Vorhandensein) sowohl des unbefahrbaren Wegs als auch der befahrbaren Verkehrsanlage voraus, in die der Weg einmündet. Angesichts dessen vermitteln (hier) die Straße B.-Heide und der unbefahrbare Wohnweg dem - bei Hinwegdenken der Straße H.-Weg - zufahrtslosen (Hinterlieger-)Grundstück des Kl. mit der Folge die Bebaubarkeit, daß es als durch jede dieser beiden Verkehrsanlagen erschlossen i.S. des § 131 I 1 BauGB zu qualifizieren ist.

Rechtsgebiete

Verwaltungsrecht

Normen

BauGB §§ 127 II Nr. 2, 131 I 1, 242 IV