Beurteilung des Prüferverhaltens bei signifikant hoher Mißerfolgsquote

Gericht

BVerwG


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

06. 11. 1987


Aktenzeichen

7 B 198/87 (Lüneburg)


Leitsatz des Gerichts

Der Umstand, daß bei einem bestimmten Vorsitzenden einer Prüfungskommission die Mißerfolgsquote signifikant höher liegt als bei anderen, begründet für sich allein kein Indiz für ein fehlerhaftes Prüferverhalten.

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Der Kl. der 1984/85 das Wirtschaftsprüferexamen nicht bestanden hat, begehrt die erneute Zulassung zum mündlichen Teil der Prüfung. Er hält diesen Prüfungsteil u. a. deshalb für fehlerhaft, weil eines der drei ihm zur Wahl gestellten Vortragsthemen, nämlich das Thema "Die rechtlichen Strukturen der deutschen Wertpapierbörsen und die neueren Tendenzen", außerhalb der vorgeschriebenen Prüfungsgebiete gelegen habe. Außerdem - so hat er des weiteren geltend gemacht - führten die Prüfungen unter dem Vorsitz des Ministerialrats Dr. S regelmäßig - wie auch im vorliegenden Fall - zu signifikant schlechteren Ergebnissen als andere Prüfungen.

Klage und Berufung waren ohne Erfolg. Das OVG hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Auch die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde blieb erfolglos.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Das BerGer. hat ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen das vom Kl. beanstandete Vortragsthema dem Prüfungsgebiet Wirtschaftsrecht, und zwar den Rechtsgebieten Handelsrecht und Recht der Kapitalgesellschaften, zuzuordnen ist (vgl. § 5 Abschn. C Nrn. 2 und 3 der Prüfungsordnung für Wirtschaftsprüfer vom 31. 7. 1962, BGBl I, 529, i. d. F. der Verordnung vom 5. 12. 1975, BGBl I, 3007).

Die Beschwerde hält die Argumentation des BerGer. für "überprüfungsbedürftig und dementsprechend von grundsätzlicher Bedeutung". Sie greift dessen Rechtsauffassung an mit dem Vorwurf, durch unzulässige Erweiterung des Prüfungsstoffs den Grundsatz der Chancengleichheit zu verletzen. Ob das beanstandete Vortragsthema noch vom Prüfungsstoffkatalog des § 5 der Prüfungsordnung gedeckt ist, ist indessen eine Frage des vorliegenden Einzelfalles. Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG verlangt § 132 III 3 VwGO, daß in der Beschwerde eine konkrete Rechtsfrage formuliert und hierzu angegeben wird, worin ihre allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Daran fehlt es. Mit dem Hinweis auf den Grundsatz der Chancengleichheit wird die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan. Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern in einem Revisionsverfahren verallgemeinerungsfähige Erkenntnisse über die - jeweils im Einzelfall durch Rechtsauslegung vorzunehmende - Abgrenzung des zulässigen Prüfungsstoffs erwartet werden könnten.

Auch die behauptete Divergenz ist nicht dargelegt. Die Beschwerde meint, das OVG weiche mit seiner Entscheidung von der ständigen Rechtsprechung des BVerwG ab, daß Prüfungsstoff nur sein könne, was in der Prüfungsordnung als Prüfungsstoff bezeichnet sei. Sie verkennt dabei, daß eine Divergenz nur vorliegt, wenn das angefochtene Urteil von einem Rechtssatz ausgeht, der einem vom BVerwG aufgestellten Rechtssatz widerspricht. Das ist hier nicht der Fall. Das BerGer. hält das beanstandete Vortragsthema gerade deshalb für zulässig, weil es von dem in der Prüfungsordnung bezeichneten Rechtsgebiet umfaßt werde.

Die Beschwerde beanstandet ferner als Verstoß gegen die Aufklärungspflicht, daß das BerGer. den Vortrag des Kl. die Mißerfolgsquote bei Prüfungen unter dem Vorsitz des Ministerialrats Dr. S sei signifikant höher als bei anderen Prüfungen, als zu unsubstantiiert angesehen und nicht zum Anlaß weiterer Ermittlungen genommen hat. Hiermit wird indessen ein Verfahrensmangel nicht ausreichend bezeichnet. Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG erfordert die Bezeichnung eines Aufklärungsmangels, daß nicht nur angegeben wird, welche vom BerGer. unberücksichtigt gebliebenen Beweise angetreten worden sind oder welche Ermittlungen sich dem BerGer. hätten aufdrängen müssen, sondern daß auch dargetan wird, welches mutmaßliche Ergebnis die Beweisaufnahme gehabt hätte und inwiefern deren Ergebnis zu einer dem Kl. günstigen Entscheidung hätte führen können. Es ist nicht dargelegt und nicht ersichtlich, inwiefern eine Ermittlung der Mißerfolgsquote in den von Ministerialrat Dr. S geleiteten Prüfungen die Klage hätte zum Erfolg führen können. Selbst wenn durch statistische Erhebungen feststellbar wäre, daß bestimmte Prüfer "schärfer", andere "milder" bewerten, ließen sich daraus keine Schlüsse auf die Fehlerhaftigkeit der Prüfung ziehen. Daß prüfungsrechtliche Beurteilungen auch von der Persönlichkeit des jeweiligen Prüfers geprägt sind, gehört zu deren Wesensmerkmalen, dem das Prüfungsrecht durch Einräumung eines innerhalb seiner Grenzen gerichtlich nicht überprüfbaren Beurteilungsspielraums Rechnung trägt. Eine "Gleichschaltung" der Prüfer ist tatsächlich nicht möglich und rechtlich nicht geboten. Die Behauptung unterschiedlicher Mißerfolgsquoten ist deshalb kein Indiz für Prüfungsfehler, dem das Gericht hätte nachgehen müssen. Anlaß zu weiterer Aufklärung hätte nur bestanden, wenn substantiiert vorgetragen worden wäre, auf welches - den Beurteilungsspielraum überschreitende - fehlerhafte Prüferverhalten die behauptete auffällige Mißerfolgsquote zurückzuführen sei. So verhielt es sich übrigens auch in dem vom BerGer. angeführten, vom BFH entschiedenen Fall (BStBl 1967 III, 712), in dem der Kl. ausdrücklich erhebliche Mängel der Prüfung gerügt hatte.

Daß das BerGer. den Kl. nicht auf die mangelnde Substantiierung seines Vortrags aufmerksam gemacht hat, ist schließlich kein Verstoß gegen die "prozessuale Fürsorgepflicht" des Gerichts. Anhaltspunkte dafür, daß der Kl. zu einer Substantiierung seines Vortrags in der Lage sei, waren nicht vorhanden. Auch die Beschwerde trägt nicht vor, auf welche Prüfungsfehler sie die behauptete hohe Mißerfolgsquote der von Ministerialrat Dr. S geleiteten Prüfungskommission zurückführt. Das BerGer. konnte davon ausgehen, daß der Kl. etwa hierfür ursächliche Prüfungsmängel, wenn ihm denn solche bekannt waren, unaufgefordert vortragen würde.

Rechtsgebiete

Verwaltungsrecht

Normen

Prüfungsordnung für Wirtschaftsprüfer § 5; VwGO § 132 II, III