Fehlerhafte Zweckverbände
Gericht
BVerfG
Art der Entscheidung
Pressemitteilung
Datum
08. 08. 2002
Aktenzeichen
74/2002
Pressemitteilung Nr. 74/2002 vom 08. August 2002
Dazu Beschluss vom 23. Juli 2002 - 2 BvL 14/98 -
Mit Beschluss vom 23. Juli 2002 hat die 3. Kammer des Zweiten Senats einen Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts (VG) Halle für unzulässig erklärt, der die rückwirkende Heilung von Verfahrensfehlern bei der Gründung von Abwasserzweckverbänden in Sachsen-Anhalt betrifft.
Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung hatten sich viele der kleinen Gemeinden in den neuen Ländern zu Abwasserzweckverbänden zusammengeschlossen. Viele dieser Zweckverbände investierten in überdimensionierte Kläranlagen und Kanalnetze. Die damit verbundenen finanziellen Risiken blieben zunächst unerkannt. Im Ausgangsverfahren begehrten drei Gemeinden die Feststellung, nicht Mitglied eines im Herbst 1991 gegründeten Abwasserzweckverbandes zu sein. Bei dem Zusammenschluss zu Abwasserverbänden kam es häufig zu Gründungsfehlern mit der Folge, dass die Mehrzahl der Zweckverbände in Sachsen-Anhalt als rechtlich unwirksam angesehen wurde. Nachdem ein sog. Erstes Heilungsgesetz diesen Zustand nur begrenzt beheben konnte, erließ der Landesgesetzgeber ein sog. Zweites Heilungsgesetz. Danach gelten auch vor dem 16. Oktober 1992 fehlerhaft gegründete Zweckverbände als wirksam gegründet.
Das VG hält das Zweite Heilungsgesetz für verfassungswidrig. Es ist u. a. der Auffassung, das Zweite Heilungsgesetz verstoße gegen das demokratische Prinzip kommunaler Selbstverwaltung, weil die Gemeindeparlamente hierdurch von ihren gesetzlichen Mitwirkungsrechten bei der Bildung von Zweckverbänden ausgeschlossen würden. Daneben verletze die rückwirkende Heilung fehlerhafter Zweckverbände das schutzwürdige Vertrauen der Gemeinden in die Unwirksamkeit der Verbandsgründung und sei daher wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip verfassungswidrig.
Die 3. Kammer hat die Unzulässigkeit der Vorlage festgestellt. Es ist nicht in der gebotenen Weise dargetan, dass es auf die Gültigkeit des Zweiten Heilungsgesetzes für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens ankommt. Das VG hätte insbesondere prüfen müssen, ob die von den Gemeinden gegenüber dem Abwasserzweckverband erklärten Austritte und Kündigungen rechtlich wirksam waren und die Gemeinden schon deswegen den Verband verlassen haben, ohne dass das später in Kraft getretene Zweite Heilungsgesetz hieran noch etwas ändern konnte. Darüber hinaus hat das VG nicht erörtert, ob die genehmigungsbedürftige Kündigung der Mitgliedschaft nicht aufgrund der damals in der Gemeindeordnung von Sachsen-Anhalt enthaltenen Genehmigungsfiktion wirksam war.
Wie die 3. Kammer ergänzend ausführt, hat das Verwaltungsgericht auch nicht die Verfassungsmäßigkeit des Zweiten Heilungsgesetzes hinreichend geprüft. Im Ausgangsverfahren hatten sich alle Gemeindevertretungen für den Beitritt zum Abwasserzweckverband ausgesprochen. Das Verwaltungsgericht legt nicht dar, warum es darüber hinaus von Verfassungs wegen geboten sein soll, dass der Gemeinderat auch über das Statut des Zweckverbandes abstimmen muss. Nicht belegt ist ferner die Behauptung des Verwaltungsgerichts, die Gemeinden hätten berechtigterweise auf die Unwirksamkeit der Zweckverbandsgründung vertrauen dürfen. Vielmehr spricht die anfänglich einvernehmliche Verbandsgründung für ein Vertrauen der Gemeinden in deren Rechtswirksamkeit. Nach Bekanntwerden der Gründungsfehler hat sich ein gefestigtes und damit schutzwürdiges Vertrauen in die Beständigkeit eines bestimmten Rechtszustandes kaum entwickeln können.
Beschluss vom 23. Juli 2002 Az. - 2 BvL 14/98 -
Karlsruhe, den 8. August 2002
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