Kein Hindernis i.S. von § 32 StVO durch Einbau von Fahrbahnverengungen

Gericht

OLG Düsseldorf


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

26. 10. 1995


Aktenzeichen

18 U 15/95


Leitsatz des Gerichts

Der nachträgliche Einbau von Fahrbahnverengungen ist kein Hindernis i.S. von § 32 StVO. Ihre Ausführung unterliegt aber der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht des Baulastträgers.

Tatbestand

Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Berufung des Kl. gegen das Urteil des LG wurde zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Auszüge aus den Gründen:

Alleinige Rechtsgrundlage für den Klageanspruch ist § 839 BGB i.V. mit Art. 34 GG. Im Land Nordrhein-Westfalen sind die mit der Erhaltung der Verkehrssicherheit auf öffentlichen Straßen zusammenhängenden Aufgaben den Bediensteten der damit befaßten Körperschaften - hier der Bekl. - als Amtspflicht in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit übertragen (§ 9a NWStrWG). Der Inhalt der Verkehrssicherungspflicht bestimmt sich nach der Art und dem Umfang der Benutzung der Straße oder des Weges. Sie umfaßt die notwendigen Maßnahmen zur Herbeiführung und Erhaltung eines für den Straßenbenutzer hinreichend sicheren Straßenzustandes. Grundsätzlich muß sich jeder Straßenbenutzer den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet. Der Verkehrssicherungspflichtige muß in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten läßt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind, und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag.

Ausgehend von diesen Grundsätzen läßt sich auch bei Zugrundelegung des Vorbringens des Kl. nicht feststellen, daß die Bekl. ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht genügt hätte.

Wie das LG zutreffend ausgeführt hat, hat die Bekl. ihre Amtspflicht nicht schon dadurch verletzt, daß sie mit den Einbuchtungen ein Hindernis i.S. von § 32 StVO in den Straßenraum verbracht hätte. Unter Hindernis i.S. dieser Vorschrift fallen nicht solche Maßnahmen, die sich als "Umbaumaßnahmen" i.S. von § 9 NWStrWG darstellen. Zu diesen Umbaumaßnahmen zählt auch der sogenannte Rückbau durch Verringerung des Querschnitts der für den Kraftfahrzeugverkehr bestimmten Fahrbahn (vgl. Fickert, StraßenR in Nordrhein-Westfalen, 3. Aufl., § 9 Rdnr. 14 und § 2 Rdnr. 52), insbesondere im Rahmen der Einrichtung von geschwindigkeitsbegrenzten Zonen, wobei es keine maßgebliche Rolle spielt, ob diese Verengung durch eine Baumaßnahme im herkömmlichen Sinne, d.h. einem verändernden Eingriff in die Substanz des Straßenkörpers erfolgt, oder durch das Aufstellen von dem gleichen Zweck dienenden sonstigen Anlagen, die dem Zubehörbegriff des § 2 II Nr. 3 NWStrWG unterfallen (vgl. Fickert, § 18 Rdnr. 42).

Wie der Kl. zutreffend ausführt, dürfen aber auch derartige im Rahmen der Verkehrsberuhigung erfolgenden Maßnahmen nur unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht durchgeführt werden, d.h. sie dürfen nicht ihrerseits eine neue nicht oder nicht rechtzeitig erkennbare Gefahrenstelle bilden oder vor dieser Gefahr muß rechtzeitig gewarnt werden. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist der Bekl. aber keine Amtspflichtverletzung anzulasten:

Unstreitig befinden sich die Engstelle innerhalb einer durch Verkehrszeichen 274.1/274.2 ausgeschilderten 30 km/h-Zone. Dies bedeutet, daß ein Kraftfahrzeug bei einer mittleren Bremsverzögerung von 7 m/sec<^2< unter Berücksichtigung einer Reaktionszeit von 1 Sekunde nach spätestens 14 m zum Stillstand kommt. Umgekehrt folgt daraus, daß das Hindernis auf der Straße aus mindestens 14 m Entfernung erkennbar sein muß. Dies ist bei Tageslicht bei der hier betroffenen Einbuchtung unzweifelhaft der Fall. Dies gilt aber auch bei Dunkelheit. Das Abblendlicht eines Kraftfahrzeugs leuchtet einen Raum von wesentlich mehr als 24 m aus. Auf eine etwaige Sichtbehinderung durch Regen kommt es dabei nicht an, weil § 3 I 2 StVO eine entsprechende Anpassung der Geschwindigkeit an die geringere Sichtweite erfordert. Darüber hinaus hat die Bekl. hier zudem auf die Engstelle durch Verkehrszeichen 120 ca. 40 bis 50 m vor derselben aufmerksam gemacht, so daß sich der Fahrzeugverkehr auf die Fahrbahnverengung jedenfalls rechtzeitig einstellen kann, ohne daß es zusätzlicher Markierungen/Warnzeichen bedarf. Daß das Verkehrszeichen zu weit entfernt von der Engstelle aufgestellt wäre, d.h. nach der Behauptung des Kl. in etwa 100 m Entfernung, kann schon deswegen nicht angenommen werden, weil die Entfernung zwischen der Engstelle und der Einmündung der S.-Straße, hinter der das Verkehrszeichen unstreitig aufgestellt ist, wie auch die vom Kl. selbst eingereichten Lichtbilder belegen, nach der von der Bekl. eingereichten Skizze allenfalls ca. 50 m beträgt. Der Richtigkeit der in dieser Skizze enthaltenen Maßnahmen hat der Kl. nicht widersprochen.

Zusätzliche Maßnahmen sind entgegen der Auffassung des Kl. auch nicht etwa deswegen erforderlich, weil es sich nicht nur um eine, sondern nach seiner Meinung um zwei aufeinanderfolgende Engstellen handelt. Wie schon das LG zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei natürlicher Betrachtungsweise nicht um zwei, sondern um eine Engstelle, deren Beginn und Ende jeweils durch die in den Fahrbahnbereich hineingezogenen Betonkantensteine begrenzt wird. Zwischen diesen Einbuchtungen ist es angesichts des Abstandes von nur 3 m keinem Kraftfahrzeug möglich, im normalen Fahrbetrieb nach Umfahrung der ersten Einbuchtung wieder vollständig nach rechts einzuschwenken und erst nachfolgend erneut nach links vor der zweiten Einbuchtung auszuweichen. Vielmehr hat die Ehefrau des Kl., obwohl sie sich noch innerhalb der von ihr als solche erkannten Engstelle befand - unstreitig hat sie die erste Einbuchtung umfahren -, ihr Fahrzeug wieder nach rechts gelenkt, ohne sich davon überzeugt zu haben, daß sie die von ihr erkannte Engstelle bereits vollständig passiert hatte. Daß die Engstelle noch fortbestand, war für die Ehefrau des Kl. angesichts der zweiten Einbuchtung mit Betonkantenabgrenzung und Bepflanzung grundsätzlich ebenso erkennbar wie die den Beginn der Engstelle markierende erste Einbuchtung.

Schließlich vermag der Senat auch nicht der Darstellung des Kl. zu folgen, infolge einer durch den Regen begünstigten Ansammlung von Laub und Wasser im Bereich vor der zweiten Einbuchtung der Engstelle sei diese als solche nicht mehr erkennbar gewesen, vielmehr habe sich der Eindruck einer ebenen Fläche ergeben. Dies ist physikalisch ausgeschlossen angesichts der Höhe der Betonsteinkante und der diese noch überragenden Bepflanzung. Dann müßte im gesamten Bereich auf der Straße Wasser in Höhe von mehr als 15 cm gestanden haben, so daß auch der angrenzende Bürgersteig nebst Grünanlagen überflutet gewesen wäre. Dies behauptet der Kl. selbst nicht. War der Wasserstand aber niedriger, so ragte zumindest ein Laubwall mit darunter eventuell verborgenen Betonsteinkanten sowie die vorhandene Bepflanzung aus der Wasserfläche erkennbar heraus. Ist aber innerhalb einer Wasserfläche ein möglicherweise durch Anschwemmung entstandener Laubhügel erkennbar, spricht wiederum alles dafür, daß sich diese Ansammlung an einem darunter verborgenen Hindernis gebildet hat, da sich ohne ein solches erfahrungsgemäß keine höhere Laubansammlung bilden kann. Jeder besonnene Kraftfahrzeugführer hätte daher in der erkennbaren Laubansammlung eine potentielle Gefahr gesehen und dieselbe umfahren, wäre daher unter den gegebenen Umständen davon ausgegangen, daß die durch die erkannte erste Einbuchtung bewirkte Engstelle noch fortdauerte.

Im übrigen hat das LG zutreffend ausgeführt, daß die Verkehrssicherungspflicht der Kommunen oder sonstiger Straßenbaulastträger überspannt würde, wollte man von ihnen im Herbst verlangen, jederzeit dafür zu sorgen, daß sich nirgendwo witterungsbedingt Laub ansammelt bzw. daß dasselbe unverzüglich entfernt wird. In gleicher Weise stellt es eine Überspannung der Verkehrssicherungspflicht dar, wenn auf Hindernisse innerhalb einer Kommune in stets gleicher Weise aufmerksam gemacht werden soll. Gleichartige - oder hier zusätzliche - Hinweise auf die Engstelle mögen zwar wünschenswert sein und der Sicherheit des Verkehrs dienen; sie sind - wie ausgeführt - aber nicht erforderlich, so daß ihr Fehlen auch keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht darstellt.

Rechtsgebiete

Verwaltungsrecht