Entgelt für Beseitigung von Tierkörpern
Gericht
BVerwG
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
25. 04. 1996
Aktenzeichen
3 C 8/95 (Münster)
Das Bundesrecht gewährt einem Unternehmer, dem die Tierkörperbeseitigungspflicht nach § 4 II TierKBG übertragen worden ist, keinen gesetzlichen Anspruch gegen die ursprünglich beseitigungspflichtige Körperschaft auf ein kostendeckendes Entgelt für die Beseitigung der Tierkörper von gefallenem Vieh im Sinne des Tierseuchengesetzes.
Die Kl. begehrt vom Bekl. den Ausgleich von Verlusten, die ihr bei der Abholung und Beseitigung der Tierkörper von Vieh im Sinne des Tierseuchengesetzes entstehen. Die Kl. betreibt eine Tierkörperbeseitigungsanstalt, die drei Viertel des Kreisgebietes des Bekl. entsorgt. Das restliche Viertel wird von der TBA entsorgt. Bis zum 31. 12. 1988 gehörte auch der nordwestliche Teil des Kreises zum Einzugsbereich der Kl. Die Tätigkeit der Kl. für den Bekl. beruhte bis zum 31. 12. 1988 auf einem im Juni 1984 geschlossenen Unternehmervertrag, in dem sich die Kl. gem. § 4 I 2 TierKBG vom 2. 9. 1975 (BGBl I, 2313) zur Erfüllung der dem Bekl. obliegenden Beseitigungspflicht verpflichtete. Der Vertrag bestimmte, daß die Kl. für die Abholung und Beseitigung von Tierkörpern vom Bekl. keine Zuschüsse erhielt. Der Vertrag enthielt eine Anpassungsklausel für den Fall einer wesentlichen Änderung der Vertragsgrundlagen. Seit August 1986 kam es zwischen den Parteien zu Verhandlungen über eine Änderung der Zuschußregelung. Die Kl. berief sich darauf, daß bei den von ihr hergestellten Produkten ein drastischer Preisverfall eingetreten sei, so daß ihr Unternehmen existenzgefährdende Verluste erwirtschafte. Sie verlangte vom Bekl. die anteilige Übernahme dieser Verluste nach Maßgabe des Materialanfalls in den von ihr entsorgten Gebieten. Für 1986 bezifferte sie ihre Forderung auf 773916 DM und für 1987 auf 422368 DM. Zu einer endgültigen Einigung kam es nicht. Am 6. 1. 1989 schlossen die Kl. und der Bekl. einen Vertrag mit dem Ziel, die Beseitigungspflicht auf die Kl. zu übertragen. Die Vertragspartner erklärten darin, sie strebten die Übertragung der dem Kreis obliegenden Pflicht zur Beseitigung von Tierkörpern, Tierkörperteilen und Erzeugnissen auf die Kl. gem. § 4 II TierKBG an. Hierzu werde die Kl. beim Regierungspräsidenten unverzüglich den erforderlichen Antrag stellen. Der Kreis werde im Anhörungsverfahren der Übertragung zustimmen. Bis zur Übertragung oder nach einem etwaigen Wegfall der Übertragung vor Beendigung der auf 20 Jahre festgelegten Vertragsdauer werde sich der Bekl. der Kl. weiterhin zur Erfüllung der dann ihm obliegenden Beseitigungspflicht bedienen. Die Kl. verpflichtete sich, alle innerhalb ihres Einzugsbereichs anfallenden, der Beseitigungspflicht unterliegenden Tierkörper, Tierkörperteile und Erzeugnisse abzuholen und ordnungsgemäß zu beseitigen. Ihr wurde das Recht eingeräumt, für die Abholung und Beseitigung von Hunden und Katzen sowie von Tieren, die nicht Vieh im Sinne des Tierseuchengesetzes seien, sowie für die Beseitigung von Tierkörperteilen und Erzeugnissen von den Besitzern ein Entgelt zu verlangen. Ergänzend heißt es im § 3 III des Vertrages:
§ 3. (3) Für die Abholung und Beseitigung von Tierkörpern von Vieh im Sinne des Tierkörperbeseitigungsgesetzes dürfen gem. § 8 IV Landestierkörperbeseitigungsgesetz von den Besitzern keine Entgelte erhoben werden.
Bestimmungen über Zuschüsse des Bekl. enthält der Vertrag nicht. Bei Übersendung des Vertragsentwurfs hatte der Bekl. mit Schreiben vom 22. 12. 1988 darauf hingewiesen, daß der Kreisausschuß dem Vertrag nur unter folgenden Maßgaben zugestimmt habe: Der Kreis erkenne keine Forderungen an, die mit dem Wegfall des Einzugsbereichs im Kreis zusammenhingen. Die Forderungen nach einem Verlustausgleich für die Jahre 1986, 1987 und 1988 könnten nicht akzeptiert werden. Für die Bezuschussung ab 1. 1. 1989 werde eine Regelung auf der Basis vergleichbarer Nachbarkreise angestrebt. Dazu verwies der Bekl. auf eine Vereinbarung zwischen dem Kreis und der TBA, wonach der Kreis jährlich eine Pauschale von 90000 DM als Zuschuß zahle. Mit Bescheid vom 8. 5. 1989 übertrug der Regierungspräsident der Kl. auf deren Antrag die Beseitigungspflicht für alle in ihrem Einzugsgebiet anfallenden Tierkörper, Tierkörperteile und Erzeugnisse befristet bis zum 31. 12. 2008 unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs. Der Bekl. zahlte in den Jahren 1989 und 1990 einen Zuschuß von 67500 DM; 1991 zahlte er 73120 DM, 1992 78695 DM und 1993 75000 DM. Bereits seit Anfang 1991 hatte die Kl. vom Bekl. nachdrücklich die volle Übernahme der in ihrem Betrieb entstehenden Verluste, zumindest aber die Übernahme der durch die Abholung und Beseitigung der Tierkörper von Vieh im Sinne des Tierseuchengesetzes entstehenden Verluste verlangt. Der Bekl. lehnte dies unter Hinweis auf die für die TBA geltende Regelung ab. Daraufhin hat die Kl. am 1. 8. 1991 Klage auf Feststellung erhoben, daß der Bekl. verpflichtet sei, ihr für die Abholung und Beseitigung von Tierkörpern von Vieh im Sinne des Viehseuchengesetzes ein angemessenes, mindestens kostendeckendes Entgelt zu zahlen. Das VG hat die Klage als unbegründet abgewiesen, weil es für das Begehren der Kl. keine Anspruchsgrundlage gebe.
Mit ihrer hiergegen eingelegten Berufung hat die Kl. ihr Feststellungsbegehren weiterverfolgt. Hilfsweise hat sie den Bekl. auf Zahlung eines Betrages von 300000 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit in Anspruch genommen. Nach erfolgloser Berufung hatte die Revision der Kl. teilweise Erfolg.
Die Revision ist teilweise begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht, soweit es die in erster Linie erhobene Feststellungsklage als unzulässig abgewiesen hat; insoweit erweist sich das Urteil aber im Ergebnis aus anderen Gründen als zutreffend (§ 144 IV VwGO) Auch die Abweisung des hilfsweise geltend gemachten Zahlungsbegehrens beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht. Da die tatsächlichen Feststellungen des BerGer. hierzu eine abschließende Entscheidung nicht zulassen, ist die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
1. Das BerGer. hat den Antrag, die Verpflichtung des Bekl. zur Zahlung eines angemessenen, mindestens kostendeckenden Entgelts für die Beseitigung der Tierkörper von Vieh im Sinne des Tierseuchengesetzes (TierSG) festzustellen, zu Unrecht nach § 43 VwGO als unzulässig angesehen.
Es hat zwar nicht verkannt, daß die Voraussetzungen für die Erhebung einer Feststellungsklage nach § 43 I VwGO erfüllt sind. Zwischen den Parteien besteht aufgrund des Vertrages vom 6. 1. 1989 über die Übertragung der Beseitigungspflicht nach dem Tierkörperbeseitigungsgesetz ein öffentlichrechtliches Rechtsverhältnis, aus dem die Kl. Ansprüche herleitet, die vom Bekl. bestritten werden. Da diese Ansprüche für die Kl. von existentieller Bedeutung sind, hat sie ein berechtigtes Interesse an ihrer baldigen Feststellung.
Nicht zu folgen ist aber der Auffassung des OVG, der Zulässigkeit stehe die Subsidiarität der Feststellungsklage nach § 43 II VwGO entgegen, weil die Kl. ihr Begehren auch im Wege der - allgemeinen - Leistungsklage geltend machen könne. Mit der Rechtsprechung des BVerwG steht diese Auffassung schon deshalb nicht im Einklang, weil danach die in § 43 II 1 VwGO angeordnete Subsidiarität der Feststellungsklage in Verfahren gegen eine öffentlichrechtliche Körperschaft nur dort eingreift, wo ohne sie die für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden Sonderregeln unterlaufen würden (vgl. BVerwGE 40, 323 (328); BVerwGE 51, 69 (75) = NJW 1976, 1648). Diese Rechtsprechung ist allerdings nicht unumstritten (vgl. Kopp, VwGO, 10. Aufl. (1994), § 43 Rdnrn. 28f.). Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung, weiter auf diese Problematik einzugehen, weil die Subsidiarität der Feststellungsklage hier ohnehin nicht zum Tragen kommen kann.
Unzweifelhaft ist nämlich, daß ein Kl. nur dann auf die Möglichkeit der Leistungsklage verwiesen werden kann, wenn der ihm dadurch gewährte Rechtsschutz in Reichweite und Effektivität der Feststellungsklage mindestens gleichwertig ist (vgl. BVerwGE 32, 333 (335); Kopp, § 43 Rdnr. 26). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. Die Kl. möchte durch ihre Klage geklärt wissen, ob der Bekl. während der gesamten noch bis zum 31. 12. 2008 dauernden Laufzeit des Vertrages verpflichtet ist, ihr ein kostendeckendes Entgelt für die Beseitigung der Tierkörper von Vieh im Sinne des Tierseuchengesetzes zu zahlen. Mit der ihr vom BerGer. angesonnenen Leistungsklage für ein in der Vergangenheit liegendes Jahr kann die Kl. diese Gewißheit schon deshalb nicht mit der nötigen Sicherheit erlangen, weil sowohl die von der Kl. erwirtschafteten Verluste als auch die tatsächlich vom Bekl. gezahlten Zuschüsse von Jahr zu Jahr schwanken. Es ist daher nicht auszuschließen, daß eine auf ein bestimmtes Jahr bezogene Leistungsklage im Ergebnis ohne Erfolg bliebe, ohne daß dazu eine Klärung der grundsätzlichen Streitfrage erforderlich wäre. Im übrigen greift hier auch der mit der Subsidiarität der Feststellungsklage verfolgte Zweck der Konzentration des Rechtsschutzes in einem einzigen Verfahren nicht ein. Ein auf ein Jahr bezogenes Leistungsurteil würde die Kl. nicht davon befreien, gegebenenfalls für jedes einzelne Folgejahr einen weiteren Rechtsstreit anhängig machen zu müssen. Die vom BerGer. angenommene Konzentrationswirkung könnte nur eintreten, wenn das Begehren der Kl. dem Grunde nach für unberechtigt gehalten würde. Eine solche auf ein bestimmtes Ergebnis abstellende Betrachtung kann jedoch der Beurteilung der Zulässigkeit einer Klage nicht zugrunde gelegt werden.
2. Die Revision bleibt jedoch in Bezug auf das Feststellungsbegehren ohne Erfolg, weil diese Klage unbegründet ist. Nach § 144 IV VwGO ist die Revision gegen ein die Klage zu Unrecht als unzulässig verwerfendes Urteil zurückzuweisen, wenn sie sich aufgrund der im Berufungsurteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen als unbegründet erweist (vgl. BVerwGE 54, 99 (101)). Insoweit kann hier von den Feststellungen ausgegangen werden, die das BerGer. bei der Entscheidung über den Hilfsantrag getroffen hat, weil es in diesem Rahmen das Bestehen des von der Kl. geltend gemachten Anspruchs dem Grunde nach geprüft und verneint hat. Auf dieser Grundlage ergibt sich, daß der Kl. kein Anspruch auf ein mindestens kostendeckendes Entgelt für die Beseitigung gefallenen Viehs im Sinne des Tierseuchengesetzes zusteht.
2.1. Eine Grundlage für den geltend gemachten Anspruch hat die Kl. in den Vorinstanzen in erster Linie unmittelbar in § 8 IV NWTierKBG gesehen. Danach sind für die Beseitigung von Tierkörpern von Vieh im Sinne des Viehseuchengesetzes, ausgenommen Hunde und Katzen, Entgelte nicht zu erheben. Die Kl. hat die Auffassung vertreten, diese den Regelungsvorbehalt des § 16 TierKBG nutzende Regelung beinhalte die Verpflichtung der tierkörperbeseitigungspflichtigen Körperschaft, in jedem Falle - also auch bei einer Übertragung der Beseitigungspflicht nach § 4 II TierKBG auf den Inhaber einer Tierkörperbeseitigungsanstalt - die Kosten der Tierkörperbeseitigung der dort angesprochenen Tiere zu tragen. Dieser Auffassung ist durch das Berufungsurteil die Grundlage entzogen. Das BerGer. hat in revisionsrechtlich unangreifbarer Weise die landesrechtliche Bestimmung des § 8 IV NWTierKBG dahin ausgelegt, daß sie nur das Verhältnis des Beseitigungspflichtigen zum Tierbesitzer regele und in diesem Verhältnis die Forderung eines Entgelts für die Abholung und Beseitigung des Tierkörpers verbiete.
2.2. Ebenfalls bindend für das RevGer. hat das BerGer. festgestellt, daß der Vertrag vom 6. 1. 1989 keine Vereinbarung enthält, die der Kl. einen Anspruch gegen den Bekl. auf Zahlung eines Entgelts für die Abholung und Beseitigung von gefallenem Vieh einräumen würde. Diese Feststellung wird mit Revisionsrügen nicht angegriffen.
2.3. Zu Unrecht hat die Kl. in den Vorinstanzen als Anspruchsgrundlage weiterhin die §§ 612, 632 und 670 BGB herangezogen. Damit hat sie, wie das BerGer. zutreffend ausgeführt hat, den Charakter des mit dem Bekl. geschlossenen Vertrages verkannt, soweit er hier von Bedeutung ist. Gegenstand des Vertrages ist das gemeinsame Bemühen der Vertragspartner, die nach § 4 I TierKBG i.V. mit § 1 I NWTierKBG dem Bekl. obliegende Pflicht zur Tierkörperbeseitigung durch den zuständigen Regierungspräsidenten gem. § 4 II TierKBG auf die Kl. übertragen zu lassen. Mit der Übertragung wurde die Kl. nach § 4 IV TierKBG selbst Beseitigungspflichtige im Sinne des Tierkörperbeseitigungsgesetzes, während der Bekl. im gleichen Umfang von der Beseitigungspflicht entbunden wurde. Von diesem Zeitpunkt an erfüllt die Kl. mit der Tierkörperbeseitigung ausschließlich eine ihr selbst obliegende Rechtspflicht. Die Abholung und Beseitigung der Tierkörper ist mithin keine Leistung, die sie dem Bekl. erbringt. Die vertraglich erklärte Bereitschaft der Kl., die Beseitigungspflicht des Bekl. zu übernehmen, beinhaltet daher weder einen Dienstvertrag i.S. des § 611 BGB noch einen Werkvertrag nach § 631 BGB noch auch einen Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 BGB. Es handelt sich um einen öffentlichrechtlichen Vertrag eigener Art, für den das Zivilrecht einen vergleichbaren Vertragstyp nicht bereithält.
2.4. Im Ergebnis zu Recht hat es das BerGer. abgelehnt, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gem. § 62 VwVfG i.V. mit § 157 BGB aus den von den Parteien geschlossenen Vereinbarungen eine Grundlage für den von der Kl. mit dem Hauptantrag geltend gemachten Anspruch herzuleiten. Eine solche ergänzende Vertragsauslegung ist zwar auch bei öffentlichrechtlichen Verträgen zulässig (vgl. BVerwG, NJW 1980, 2826 (2828); Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 4. Aufl. (1993), § 54 Rdnr. 14). Sie setzt in erster Linie das Bestehen einer vertraglichen Regelungslücke voraus. Es ist erforderlich, daß die Vertragspartner einen regelungsbedürftigen Punkt nicht geregelt haben, wobei unerheblich ist, aus welchem Grund dieser Punkt offengeblieben ist. Es spielt keine Rolle, ob die Vertragschließenden eine Regelung lediglich versehentlich unterlassen haben oder ob sie einen bestimmten Punkt bewußt offengelassen haben in der Erwartung, ihn später einvernehmlich klären zu können (vgl. BGH, NJW 1975, 1116f. und BGHZ 84, 1 = NJW 1982, 2184 = NVwZ 1982, 579 L = LM § 6b UWG Nr. 9 = DVBl 1982, 1089; Stelkens/Bonk/Leonhardt, § 54 Rdnr. 14).
Entgegen der Ansicht des BerGer. scheidet die ergänzende Vertragsauslegung hier nicht schon wegen Fehlens einer solchen Regelungslücke aus. Die hierzu festgestellten Tatsachen tragen den daraus vom BerGer. gezogenen Schluß nicht. Sie belegen vielmehr im Gegenteil eindeutig, daß die Parteien übereinstimmend die Frage der Zuschußgewährung für regelungsbedürftig gehalten haben, daß sie aber diese Frage einer späteren Regelung vorbehalten wollten.
Das BerGer. hat das Vorliegen einer Regelungslücke mit der Begründung verneint, der Bekl. habe sich stets hartnäckig geweigert, der Kl. eine volle Verlustübernahme zuzusagen. Die Weigerung des Bekl., eine bestimmte von der Kl. zunächst geforderte Regelung zu akzeptieren, besagt jedoch nichts über das Vorliegen oder Fehlen einer Regelungslücke. Das BerGer. unterscheidet insoweit nicht hinreichend zwischen der Frage, ob ein unter Berücksichtigung aller Umstände regelungsbedürftiger Punkt im Vertrag ungeregelt geblieben ist, und der weiteren Frage, ob und wie diese Lücke gefüllt werden kann. Konkret bedeutet dies hier die Unterscheidung zwischen der Frage, ob hinsichtlich der Zuschußgewährung des Bekl. ein Regelungsbedarf bestand, dem nicht entsprochen worden ist, und der Frage, ob eine Lösung gerade in Form der von der Kl. verlangten vollen Kostenübernahme für den Bereich der Tierkörperbeseitigung möglich ist. Die erstgenannte Frage läßt sich nicht damit beantworten, daß die Parteien bewußt den Vertrag vom 6. 1. 1989 abgeschlossen haben, ohne eine endgültige Entscheidung in der Frage der Zuschußgewährung herbeizuführen.
Der Vertragsabschluß ohne Vereinbarung über die Zuschußgewährung belegt nur, daß die Parteien ungeachtet der fehlenden Einigung über den Zuschußbedarf bereits einen unbedingten vertraglichen Bindungswillen besaßen. Sie wollten auf jeden Fall die Grundlage für die Übertragung der Tierkörperbeseitigungspflicht vom Bekl. auf die Kl. durch Verwaltungsakt des Regierungspräsidenten schaffen, ohne den Ausgang der Verhandlungen über den vom Bekl. zu leistenden Zuschuß abzuwarten. Das ändert aber nichts daran, daß nach den vom BerGer. getroffenen tatsächlichen Feststellungen die Parteien übereinstimmend die Zuschußgewährung als einen wesentlichen Punkt ihres durch den Vertrag vom 6. 1. 1989 geordneten Verhältnisses ansahen. So hat der Bekl. in den Jahren 1989 bis 1993 jeweils jährliche Zuschüsse zwischen 67500 DM und 78695 DM gezahlt. Zahlungen in solcher Größenordnung leistet eine öffentlichrechtliche Körperschaft nicht, wenn sie sich hierzu nicht als verpflichtet ansieht. Dementsprechend hat der Bekl. in den Vorinstanzen ausdrücklich hervorgehoben, daß er die Notwendigkeit einer Zuschußgewährung an die Kl. akzeptiere und zu einer langfristigen Regelung bereit sei, daß er sich aber zu der von der Kl. verlangten vollen Verlustübernahme nicht in der Lage sehe. Aus den vom BerGer. in Bezug genommenen Unterlagen, die die Verhandlungen der Parteien über diesen Punkt dokumentieren, geht hervor, daß der Bekl. selbst für das Jahr 1989 eine "vorläufige Regelung" vorgeschlagen und eine Vertragsergänzung in Aussicht gestellt hat, sobald über die langfristige Berechnung des zu zahlenden Zuschusses Einigkeit bestehe. Hinzuweisen ist schließlich darauf, daß die Parteien im Vertrag vom 6. 1. 1989 bewußt die Klausel des früheren Vertrages gestrichen haben, daß eine Zuschußgewährung seitens des Bekl. nicht erfolge.
Das Berufungsurteil geht hiernach fehl, wenn es das Vorliegen einer Regelungslücke in bezug auf die vom Bekl. zu leistenden Zuschüsse verneint. Beide Seiten hielten Zuschüsse des Bekl. bei einem Übergang der Beseitigungspflicht auf die Kl. für notwendig; beide Seiten waren sich auch über das Erfordernis entsprechender Vereinbarungen einig.
2.5. Die hiernach bestehende Vertragslücke kann jedoch nicht in einer das Klagebegehren rechtfertigenden Weise geschlossen werden. Maßgeblich ist insoweit, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall entschieden hätten (vgl. BGHZ 84, 1 = NJW 1982, 2184 = LM § 6b UWG Nr. 9 = DVBl 1982, 1089f. = NVwZ 1982, 579 L; BVerwG, NJW 1980, 2826 (2828)).
Es liegt allerdings auf der Hand, daß eine derartige umfassende Interessenabwägung grundsätzlich eine dem Tatrichter obliegende Aufgabe ist. Ihr hat sich das BerGer. - auf der Grundlage seiner rechtlichen Erwägungen konsequent - nicht unterzogen, weil es schon das Vorliegen einer Vertragslücke verneint hat. Die im Berufungsurteil mitgeteilte Weigerung des Bekl., eine volle Verlustübernahme zuzusagen, reicht jedoch aus, um jedenfalls die mit dem Hauptantrag verlangte Lückenschließung im Sinne einer vollen Kostendeckung zu verneinen. Steht fest, daß eine Partei eine bestimmte Regelung keinesfalls akzeptiert haben würde, so steht dieser wirkliche Parteiwille der Annahme eines hypothetischen Parteiwillens prinzipiell entgegen (vgl. BGHZ 9, 273 (278) = NJW 1953, 937 = LM Nr. 2 zu § 157 BGB).
Die Feststellungen des BerGer. lassen keinen Zweifel am Vorliegen einer solchen Weigerung des Bekl. Dies wird durch die vom BerGer. in Bezug genommenen, dem Vertragsschluß vorausgegangenen umfangreichen Verhandlungen bestätigt. Vor allem das Schreiben des Bekl., mit dem der Vertragsentwurf übersandt wurde, belegt unzweifelhaft, daß der Bekl. zu einer vollen Kostenübernahme keinesfalls bereit war.
Die Kl. meint allerdings, eine solche Weigerung sei unbeachtlich, weil sie der Forderung des § 56 VwVfG widerspreche, koordinationsrechtliche Verträge müßten eine angemessene Gegenleistung zugunsten des Bürgers vorsehen. Diese Argumentation geht in mehrfacher Hinsicht fehl, ohne daß es einer Auseinandersetzung mit der Frage bedürfte, ob der für Austauschverträge geltende § 56 VwVfG auf den hier geschlossenen Vertrag über das gemeinsame Bemühen zur Übertragung der Tierkörperbeseitigungspflicht Anwendung findet. Die Rechtsfolge einer entgegen § 56 VwVfG vereinbarten unangemessenen Gegenleistung ist nämlich nicht die Festlegung einer angemessenen Gegenleistung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung. Vielmehr ist eine solche Vereinbarung gem. § 59 VwVfG unwirksam.
Darüber hinaus trifft die Auffassung der Kl. nicht zu, daß jede andere Regelung als die volle Kostendeckung zumindest für den Bereich der Tierkörperbeseitigung gefallener Tiere unangemessen wäre. Richtig ist allerdings, daß die Auferlegung der vollen Unkosten dieser Tierkörperbeseitigung auf den Inhaber der Tierkörperbeseitigungsanstalt, dem die Beseitigungspflicht übertragen worden ist, verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt. Das BVerfG hat in mehreren Entscheidungen der Indienstnahme Privater zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben ohne eine Möglichkeit angemessener Kostendeckung im Hinblick auf das Grundrecht der freien Berufsausübung nach Art. 12 I GG Grenzen gezogen (vgl. BVerfGE 30, 292 (325ff.) = NJW 1971, 1255; BVerfGE 47, 285 (321f.)). Der Staat darf dem Bürger in diesem Rahmen keine unzumutbaren Lasten auferlegen. Es mag fraglich sein, ob der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber dies bei der Regelung des § 8 IV NWTierKBG bedacht hat. Diese Regelung, die der Tierkörperbeseitigungsanstalt verbietet, für die Abholung und Beseitigung gefallener Tiere ein Entgelt zu verlangen, beruht auf der Erwägung, die Seuchenbekämpfung stelle eine öffentliche Aufgabe dar, die auch mit öffentlichen Mitteln zu finanzieren sei (vgl. LT-Dr 8/1136, S. 12). Soweit die Tierkörperbeseitigung von den Kreisen und kreisfreien Städten durchgeführt wird, wirft dies keine Probleme auf, denn sie hat lediglich zur Folge, daß die entstehenden Ausfälle aus allgemeinen Haushaltsmitteln gedeckt werden müssen. Wird aber die Tierkörperbeseitigungspflicht auf einen privaten Unternehmer übertragen, so kann dieser aus den Erlösen für die aus den gefallenen Tieren hergestellten Produkte regelmäßig keine Kostendeckung erzielen (vgl. BT-Dr 7/3225, S. 19). Wird ihm die Möglichkeit versagt, die Deckungslücke durch ein Entgelt der Tierkörperbesitzer zu schließen, so wird ihm die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe ohne die Möglichkeit der Kostendeckung zugemutet.
Selbst wenn man dies zugrunde legt, bleibt festzuhalten, daß eine angemessene Regelung keinesfalls die von der Kl. verlangte volle Kostendeckung beinhaltet. Ob ein Unternehmen volle Kostendeckung erzielt, hängt von sehr vielen betriebswirtschaftlichen Faktoren ab. So ergibt sich, daß die Kl. auch in den Bereichen, für die sie nach § 8 I, II NWTierKBG Entgelte von den Besitzern verlangen kann, erhebliche Defizite erwirtschaftet. Von Verfassungs wegen käme aber allenfalls ein Ausgleich der Verluste in Betracht, die durch das Verbot der Entgelterhebung nach § 8 IV NWTierKBG entstehen.
Auch im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung kann daher keine Anspruchsgrundlage für die Forderung der Kl. nach kostendeckenden Entgelten des Bekl. für die Abholung und Beseitigung der Tierkörper von Vieh im Sinne des Tierseuchengesetzes gefunden werden.
3. Keinen Bestand kann das Berufungsurteil hingegen insoweit haben, als das BerGer. den Hilfsantrag auf Zahlung einer Summe von 300000 DM für die im Jahr 1990 entstandenen Verluste abgewiesen hat. Das BerGer. hat seine Entscheidung damit begründet, eine ergänzende Vertragsauslegung komme mangels einer Vertragslücke nicht in Betracht. Dies ist, wie oben dargelegt, nicht richtig. Die vollständige Abweisung der Zahlungsklage kann auch nicht darauf gestützt werden, daß eine vollständige Verlustübernahme im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nicht zu begründen sei. Es ist nämlich in Betracht zu ziehen, daß eine ergänzende Vertragsauslegung jedenfalls eine teilweise Verlustabdeckung rechtfertigen kann. Dazu fehlen im Berufungsurteil alle Erwägungen. Das RevGer. hat keine Möglichkeit, sie zu ersetzen.
In diesem Punkt erweist sich das Berufungsurteil auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als zutreffend. Insbesondere steht das Schriftformerfordernis des § 57 VwVfG der ergänzenden Vertragsauslegung nicht entgegen. Dieses Erfordernis besagt nicht, daß sich die von der Verwaltung zu erbringende Leistung eindeutig und zweifelsfrei allein aus dem Wortlaut der Vertragsurkunde ergeben muß; eine unklare oder mehrdeutige Formulierung des Vertragstextes schadet nicht, wenn die sich daraus ergebenden Zweifel im Wege der Auslegung behoben werden können (vgl. BVerwGE 84, 236 (244) = NVwZ 1990, 665 = NJW 1990, 2402 L). Ob die tatsächlichen Umstände, zu denen auch der Schriftverkehr im Zusammenhang mit dem Vertragsschluß gehört, hier eine hinreichende Grundlage für eine bestimmte, die festgestellte Vertragslücke schließende Auslegung bieten, unterliegt der Beurteilung durch das BerGer.
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