Heranziehung zu einem Straßenbeitrag

Gericht

OVG Münster


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

08. 10. 1999


Aktenzeichen

15 A 3305/96


Leitsatz des Gerichts

  1. Eine beitragsfähige Erneuerung kommt bei einer Straße mit Pflaster- oder Plattendecke nur in Betracht, wenn auch darunter liegende Schichten, etwa die Trag- oder Frostschutzschicht, von der Ausbaumaßnahme betroffen sind.

  2. Die Neuerstellung der Pflasterbettung ist eine nicht beitragsfähige Instandsetzungsmaßnahme.

  3. Die Verbesserung der Aufenthalts- und Kommunikationsfunktion einer Fußgängerzone ist keine Verbesserung im Sinne des Straßenbaubeitragsrechts.

Tatbestand

Auszüges aus dem Sachverhalt:

Die Stadt gestaltete im Rahmen eines Programms „Steigerung der Attraktivität der Innenstadtbereiche“ eine Fußgängerzone um. Dabei wurde auch der vorhandene Plattenbelag ausgetauscht und in einer neuen Bettung verlegt, während der sonstige Straßenoberbau (Tragschicht, Frostschutzschicht) unverändert blieb. Der bekl. Oberstadtdirektor zog die Anlieger für die als nachmalige Herstellung eingestufte Ausbaumaßnahme zu einem Straßenbaubeitrag heran. Eine dagegen erhobene Klage war in beiden Instanzen erfolgreich.

Entscheidungsgründe

Auszüge aus den Gründen:

Der angegriffene Beitragsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kl. in ihren Rechten, weil er keine Ermächtigungsgrundlage im hier allein in Betracht kommenden § 8 NWKAG findet.

Nach § 8 I 2, II 1 NWKAG sollen bei den dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen Beiträge erhoben werden zum Ersatz des Aufwandes für die Herstellung der Straßen oder deren Verbesserung, jedoch ohne die laufende Unterhaltung und Instandsetzung. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil die abgerechnete Maßnahme allenfalls eine solche der Instandsetzung ist.

Die Maßnahme stellt keine beitragsfähige nachmalige Herstellung (Erneuerung) dar. Diese liegt vor, wenn eine Straße, die infolge bestimmungsgemäßer Nutzung nach Ablauf der üblichen Nutzungszeit trotz ordnungsgemäßer Unterhaltung und Instandsetzung verschlissen ist, erneuert wird (vgl. OVG Münster, ZMR 1999, 515). Eine solche Erneuerung muss nicht die Straße in ihrem gesamten vertikalen Aufbau erfassen. Es reicht aus, wenn die Maßnahme sich auf Teile der Anlage erstreckt, denen nach herkömmlicher Betrachtungsweise eine gewisse Selbstständigkeit zukommt (vgl. OVG Münster, NVwZ-RR 1991, 267 = NWVBl 1991, 19). Die hier erfolgte Verlegung neuer Platten in einer neuen Bettung auf dem ansonsten unveränderten Straßenoberbau ist eine Instandsetzung. Nach in der Straßenbautechnik verbreiteter Auffassung ist Instandsetzung ein „Sammelbegriff für Maßnahmen, die deutlich über das Ausmaß einer Unterhaltungsmaßnahme hinausgehen und keine Erneuerung von Straßenbefestigungen darstellen (z.B. Oberflächenbehandlung, Erneuerung lediglich von Deckschichten in voller Fahrstreifenbreite mit und ohne Fräsen und ggf. einer Ausgleichsschicht, Spurrinnenbeseitigung in größeren zusammenhängenden Längen)“, während Unterhaltung ein „Sammelbegriff für Maßnahmen kleineren Umfangs und bauliche Sofortmaßnahmen zur Substanzerhaltung von Straßenbefestigungen (nicht über die volle Fahrstreifenbreite)“ ist (vgl. Forschungsstelle für Straßen- und Verkehrswesen, Arbeitsausschuss „Wirtschaftlichkeitsberechnung“, Begriffsbestimmungen Straßenbautechnik, Teil: Wirtschaftlichkeitsrechnung in der Straßenbautechnik [Stand: April 1982]). Unterhaltung, Instandsetzung und Erneuerung stehen daher in einem ansteigenden Stufenverhältnis der Umfangs und der Intensität der Baumaßnahme, wobei nur die Letzte beitragsfähig ist.

Die Besonderheit einer Pflaster- oder Plattendecke besteht darin, dass sie als solche in ihrer Gesamtheit bei ordnungsgemäßer Unterhaltung nicht verschleißt. Denn im Gegensatz zu einer bituminösen Decke, die sich verformt und nur durch Eingriff in ihre Substanz unterhalten und instandgesetzt werden kann, ist eine Pflaster- oder Plattendecke darauf angelegt, dass das einzelne beschädigte oder sonst wie abgenutzte Pflaster- oder Plattenstück im Wege der Unterhaltung ausgetauscht wird. Es findet also insoweit, wie der Bekl. richtig ausführt, im Laufe der Zeit eine „schleichende Erneuerung“ statt, die - weil ein abgenutzter Gesamtzustand nicht entsteht - als Kette von Unterhaltungsmaßnahmen insgesamt nicht beitragsfähig ist. Auch hier waren die im Rahmen der hier abgerechneten Maßnahme ausgetauschten Pflastersteine und Platten selbst nicht abgenutzt. Der Austausch erfolgte vielmehr aus ästhetisch-städtebaulichen Gründen. Eine beitragsfähige Erneuerung kommt deshalb bei einer Straße mit Pflaster- oder Plattendecke nur in Betracht, wenn auch darunter liegende Schichten, etwa die Trag- oder Frostschutzschicht, von der Ausbaumaßnahme betroffen sind.

Die Neuerstellung der Pflasterbettung führt ebenfalls nicht dazu, dass die Maßnahme schon als Erneuerung anzusehen wäre. Allerdings ist hier im Gegensatz zur Pflaster- oder Plattendecke ein Verschleiß in ihrer Gesamtheit möglich. Jedoch stellt deren Neuerstellung nur eine Maßnahme der Instandsetzung dar und ist somit nicht beitragsfähig. Die Bettung ist die „auf der Tragschichtoberfläche hergestellte Schicht aus Sand, Splitt oder einem Brechsand-Splitt-Gemisch, ggf. unter Einschlämmen von Mörtel“ und stellt „die untere Schicht einer Pflasterdecke oder eines Plattenbelags“ dar (vgl. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Arbeitsausschuss „Begriffsbestimmungen - Straßenbautechnik“, Begriffsbestimmungen, Teil: Straßenbautechnik - Ausgabe 1990). Sie dient allein der Fixierung der verlegten Pflastersteine oder Platten. Damit weist sie nicht die nötige Selbstständigkeit auf, um eine Neuerstellung dieser Schicht schon als Erneuerung einstufen zu können. Es widerspräche dem allgemeinen Sprachgebrauch, die bloße Neuverlegung eines (ansonsten unveränderten) Pflaster- oder Plattenbelages in einer neuen Bettung als (nachmalige) Herstellung einer Straße statt als deren Instandsetzung anzusehen.

Die Maßnahme ist auch keine beitragsfähige Verbesserung. Eine solche liegt nur vor, wenn durch die Maßnahme die Ausstattung der Anlage entsprechend ihrer bisherigen verkehrstechnischen Konzeption hinsichtlich der räumlichen Ausdehnung (Erweiterung), hinsichtlich der funktionalen Aufteilung der Gesamtfläche oder hinsichtlich der Art der Befestigung vorteilhaft verändert wird (OVG Münster, Gemhlt 1997, 63). Diese vorteilhafte Veränderung ist unter verkehrstechnischen Gesichtspunkten zu beurteilen. Maßgebend ist also, ob der Verkehr bei Zugrundelegung der bisherigen verkehrstechnischen Konzeption (Trennsystem, Mischfläche, Fußgängerstraße) auf der neu gestalteten Anlage zügiger, geordneter, unbehinderter oder reibungsloser abgewickelt werden kann als vorher (vgl. OVG Münster, Gemhlt 1989, 284). Demnach wird eine Fußgängerzone verbessert, wenn an ihr bauliche Veränderungen vorgenommen werden, die die Abwicklung des Fußgängerverkehrs erleichtern. Eine Verbesserung liegt somit vor, wenn der ursprüngliche Ausbauzustand der Straße durch eine bessere Art der Befestigung oder durch eine größere räumliche Ausdehnung verändert wird (vgl. OVG Münster, KStZ 1981, 72 [74f.]). Eine solche Verbesserung liegt hier nicht vor, weil die Straße nicht nach verkehrstechnischen, sondern städtebaulichen Gesichtspunkten umgestaltet worden ist und die neue Befestigung gegenüber der alten zu keiner verkehrlichen Verbesserung führte.

Die im Straßenrecht insbesondere für Fußgängerzonen festzustellende Erweiterung des Verkehrsbegriffs von einem auf Bewegungsvorgänge zwischen zwei Orten beschränkten zu einem auch den Aufenthalt und die Kommunikation umfassenden Begriff (vgl. dazu Fickert, NWStraßenR, 3. Aufl., § 14 Rdnrn. 1, 31, 32; Walprecht/Neutzer/Wichary, NWStraßen- und WegeG, 2. Aufl., § 14 Rdnrn. 126, 127; Kodal/Krämer, StraßenR, 5. Aufl., Kap. 24 Rdnr. 65) ändert nichts an der fehlenden Beitragsfähigkeit der Maßnahme unter dem Gesichtspunkt der Verbesserung, selbst wenn die Verhältnisse für diese erweiterte Verkehrsfunktion verbessert worden sind.

Die Verbesserung löst nämlich eine Beitragspflicht aus, weil den Eigentümern der anliegenden Grundstücke durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der verbesserten Straße wirtschaftliche Vorteile geboten werden (§ 8 II 2 NWKAG). Daher kommt es beitragsrechtlich darauf an, ob die verkehrliche Erschließung der Anliegergrundstücke vorteilhaft verändert wird. Das ist bei einer Verbesserung der Aufenthalts- und Kommunikationsfunktion einer Fußgängerzone nicht der Fall. Derartige Maßnahmen verbessern nur die Attraktivität von Stadtkernen in städtebaulicher Hinsicht.

Der Umstand, dass dadurch die Chance für die Eigentümer der anliegenden Grundstücke erhöht wird, auf ein größeres Publikum (etwa durch Schaufensterwerbung) dahin einzuwirken, dass es in Geschäftskontakte zu ihnen tritt, ist keine - beitragsrechtlich relevante - Folge verbesserter Erschließung, sondern die Folge einer verbesserten Lage der Grundstücke, wie sie auch sonst durch als solche nicht beitragsfähige Maßnahmen städtebaulicher Umfeldverbesserung bewirkt wird.

Rechtsgebiete

Verwaltungsrecht