Außerordentliche Änderungskündigung - Kein Anspruch auf Beschäftigung zu bisherigen Bedingungen

Gericht

LAG Nürnberg


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

13. 03. 2001


Aktenzeichen

6 Sa 768/00


Leitsatz des Gerichts

Auch bei einer außerordentlichen Änderungskündigung besteht bis zum Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens einzelvertraglich kein Anspruch auf Beschäftigung zu den bisherigen Bedingungen, wenn der Arbeitnehmer die Kündigung unter Vorbehalt angenommen hat.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Verfügungskl. ist bei der Verfügungsbekl. seit 1971 beschäftigt. Seit 1977 leitete sie die allgemeine chirurgische Station Mä/Fr. Die Verfügungsbekl. hat die Verfügungskl. mit Schreiben vom 15. 8. 2000 mit Wirkung ab 1. 9. 2000 von der Tätigkeit als Stationsleitung entbunden. Mit weiterem Schreiben vom 28. 8. 2000 teilte die Verfügungsbekl. der Verfügungskl. mit, dass sie ab 1. 9. 2000 als Krankenschwester auf die Station 1 A versetzt wird. Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verlangt die Kl., weiterhin auf der Station 1 B als Stationsleitung beschäftigt zu werden. Der Betriebsrat hatte am 24. 8. 2000 beschlossen, dass der Verfügungskl. eine angemessene Frist zu setzen sei, die Missstände abzustellen. Wenn die gesetzten Ziele weitgehend nicht erreicht werden, sei sie als Stationsleitung abzulösen und zu versetzen. Zwischenzeitlich hat die Verfügungsbekl. die Versetzung als vorläufige personelle Maßnahme durchgeführt. Ein entsprechendes Beschlussverfahren ist anhängig.

Das ArbG Nürnberg hat mit Endurteil vom 27. 9. 2000 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Gegen das Endurteil legte die Kl. am 30. 10. 2000 Berufung ein. Am 27. 9. 2000 hat die Verfügungsbekl. gegenüber der Verfügungskl. eine Änderungskündigung zum 31. 3. 2001 ausgesprochen, die von der Verfügungskl. am 11. 10. 2000 unter dem Vorbehalt der Wirksamkeit angenommen wurde. Die Verfügungskl. hat ihre vor dem ArbG Nürnberg anhängige Klage gegen die Versetzung um die Kündigungsschutzklage erweitert. Der Betriebsrat hatte der Änderungskündigung nicht zugestimmt. Die Berufung der Kl. blieb ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstands statthaft (§ 64 II ArbGG) und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§ 64 VI ArbGG, §§ 516, 518, 519 ZPO, § 66 I 1 ArbGG). Die Berufungsbegründung entspricht noch den Anforderungen des § 519 III 2 ZPO. Sie setzt sich zwar nur im geringen Teil mit den Gründen des Ersturteils auseinander insoweit, wie die Parallele zum zitierten Urteil des LAG Köln gezogen wird und das Ersturteil sich nicht mit der Frage der ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrats auseinandergesetzt habe; die Ausführungen des Verfügungsgrundes bilden aber, auch wenn dies auch nicht ausdrücklich erwähnt wird, eine Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil, da die Berufungskl. nunmehr angesichts der Rüge des Erstgerichts, ein Verfügungsgrund sei nicht dargetan, umfangreiche Ausführungen zum Verfügungsgrund macht. Gerade in den Fällen, in denen die Berufung auf neue Tatsachen gestützt werden soll, tritt die Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil zurück.

II. Die Berufung ist unbegründet. Für den Zeitraum ab 1. 4. 2001 fehlt es an einem Verfügungsanspruch, für die Zwischenzeit an einem Verfügungsgrund.

1. Die Kl. kann nach Ablauf der Auslauffrist der Änderungskündigung, also nach dem 31. 3. 2001, nicht verlangen, in ihrer bisherigen Position als Stationsleiterin weiterbeschäftigt zu werden. Im vorliegenden Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Verfügung braucht nicht entschieden zu werden, ob der Ausschluss des Beschäftigungsanspruchs bis zum Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens gilt oder ob gegebenenfalls ein solcher Anspruch auch bestehen kann, wenn im parallelen Beschlussverfahren festgestellt wird, dass die Maßnahme nach § 100 I BetrVG nicht aus sachlichen Gründen dringend geboten war bzw. die betrieblichen Gründe verneint werden. Jedenfalls besteht ab 1. 4. 2001 zunächst kein Anspruch der Kl. auf Beschäftigung in der bisherigen Position.

Die Kl. hat die außerordentliche Änderungskündigung unter Vorbehalt angenommen. Das BAG hat mit Urteil vom 18. 1. 1990 (BAGE 64, 24 [32] = NZA 1990, 734 = AP Nr. 27 zu § 2 KSchG1969) entschieden, dass kein Beschäftigungsanspruch besteht, wenn der Arbeitnehmer die neuen Arbeitsbedingungen unter Vorbehalt angenommen hat. Das BAG stellt einmal auf die Entstehungsgeschichte des Gesetzes ab. Weiter führt es aus, dass die Rechtslage auch nicht im Hinblick auf die Entscheidung des Großen Senats vom 27. 2. 1985 (BAGE 48, 122 = NZA 1985, 702 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) anders zu beurteilen ist. Der Anspruch auf Weiterbeschäftigung wurde letztlich aus § 242 BGB unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen der Art. 1 und 2 GG über die sich aus dem Persönlichkeitsrecht ergebende arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht hergeleitet. Diese Argumentation greift dann nicht, wenn im Falle einer Änderungsschutzklage der Arbeitnehmer die geänderten Bedingungen unter Vorbehalt angenommen hat; denn hier wird der Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist tatsächlich weiterbeschäftigt. Dem Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers ist damit zunächst gedient.

Die außerordentliche Änderungskündigung ist insoweit nicht anders zu betrachten als die ordentliche Änderungskündigung. Auch wenn das Kündigungsschutzgesetz nur die ordentliche Änderungskündigung regelt, da der Gesetzgeber offenbar übersehen hat, dass die Problematik des § 2 KSchG auch im Rahmen einer außerordentlichen Kündigung auftreten kann, ist jedoch § 2 KSchG entsprechend anwendbar (BAG, AP Nr. 16 zu § 2 KSchG1969; BAG, NZA 1988, 737 = AP Nr. 20 zu § 2 KSchG1969).

2. Für den Zeitraum vom 13. 3. 2001 bis 31. 3. 2001 fehlt es an dem nach § 940 ZPO notwendigen Verfügungsgrund. Es liegt zwar ein gewisser Wertungswiderspruch darin, dass die Verfügungsbekl. der Verfügungskl. eine soziale Auslaufsfrist einräumt, diese in Wahrheit durch die schon vollzogene Versetzung aber nicht einräumt. Berücksichtigt man aber, dass die einstweilige Verfügung erst wirksam ist, wenn sie vollzogen ist, so ergeben sich nur noch wenige Tage, innerhalb derer der Anspruch durchzusetzen wäre. Für eine solche zweimalige Umorganisation bei der Verfügungsbekl. in einem kurzen Zeitraum besteht kein Anlass.

Vorinstanzen

ArbG Nürnberg, 2 Ga 76/00, 27.9.2000

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

KSchG § 2