Zumutbarkeit der Verwertung einer Lebensversicherung

Gericht

BSG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

24. 04. 1997


Aktenzeichen

11 RAr 23/96


Leitsatz des Gerichts

  1. Die Kapitalauszahlung aus sogenannten befreienden Lebensversicherungen führt nicht zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe.

  2. Zur Zumutbarkeit der Verwertung der Kapitalauszahlung aus befreienden Lebensversicherungen, die der Arbeitslose auf den Zeitpunkt der Vollendung seines 60. Lebensjahres abgeschlossen hat.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Rechtsstreit betrifft die Aufhebung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 1. 12. 1993 bis 14. 6. 1994 und die Rückforderung von Leistungen in Höhe von insgesamt 8869,10 DM.

Der am 28. 3. 1934 geborene Kl. ist seit 1. 1. 1968 von der gesetzlichen Versicherungspflicht befreit. Er hat mehrere (insgesamt acht) sog. befreiende Lebensversicherungen bei drei Versicherungsgesellschaften (Gerling-Konzern, Sparkassen-Verein und RV-Versicherungen) abgeschlossen. Die Auszahlung der Versicherungssummen war auf die Vollendung des 60. Lebensjahres ausgerichtet; die Ablaufleistungen (im Sinne der vereinbarten Versicherungssumme) betrugen nach den Angaben des Kl. insgesamt 201553,- DM. Bei Vollendung des 65. Lebensjahres kann der Kl. laut Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zusätzlich mit einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung von 868,88 DM monatlich rechnen.

Seit Juli 1990 bezog der Kl. Arbeitslosengeld (Alg) und ab Dezember 1990 Anschluß-Alhi, die ihm zuletzt mit Bescheid vom 16. 7. 1993 bis zum 30. 6. 1994 in Höhe von 613,80 DM bzw. (ab 1. 1. 1994) in Höhe von 591,- DM wöchentlich bewilligt wurde. Während des Leistungsbezugs trug die Bekl. nach § 166b Arbeitsförderungsgesetz (AFG) antragsgemäß die vom Kl. zu entrichtenden Beiträge zu den befreienden Lebensversicherungen (bis zu der sich gesetzlich ergebenden Höchstgrenze). Am 1. 12. 1993 gelangte ein Lebensversicherungsvertrag mit 23296,96 DM und am 1. 1. 1994 ein weiterer Vertrag mit einem Betrag von 31881,71 DM zur Auszahlung. Die Bekl. hob daraufhin mit Bescheid vom 14. 4. 1994 die Alhi-Bewilligung ab 1. 12. 1993 auf, weil der Kl. - bei Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens (abzüglich eines Freibetrags von 8000,- DM) durch das der Bemessung der Alhi zugrundeliegende Arbeitsentgelt (1640,- DM wöchentlich) - für 28 Wochen nicht bedürftig sei; ein Anspruch auf Alhi bestehe frühestens wieder ab 15. 6. 1994. Außerdem forderte die Bekl. die (bis 14. 3. 1994) überzahlte Alhi in Höhe von 8869,10 DM zurück. Der Widerspruch des Kl. blieb erfolglos.

Das SG hat antragsgemäß den Bescheid vom 14. 4. 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben. Auf die Berufung der Bekl. hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Revision des Kl. war teilweise erfolgreich.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Aufgrund der Revision des Kl. hat der Senat nur über den Bescheid vom 14. 4. 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. 5. 1994 zu entscheiden, mit dem die Bekl. u.a. die Bewilligung der Alhi ab 1. 12. 1993 aufgehoben hat. Der weitere Bescheid vom 15. 12. 1994, mit dem die erneut ab 15. 6. 1994 bewilligte Alhi ab 1. 12. 1994 aufgehoben worden ist, ist nicht Gegenstand der Revision. Denn unabhängig von der Frage, ob das LSG insoweit zu Recht eine Einbeziehung dieses Bescheides gemäß §§ 96, 153 I SGG abgelehnt hat, ist er der Prüfung im Revisionsverfahren entzogen. Eine gegebenenfalls fehlerhafte Nichteinbeziehung dieses Bescheides in das Verfahren vor dem Berufungsgericht und eine dementsprechende Verletzung des § 96 SGG wäre nur auf entsprechende Rüge hin zu beachten (vgl. BSGE 61, 45, 48 = SozR 4100 § 113 Nr. 5; SozR 3-4100 § 249e Nr. 5 mwN). Der Kl. hat jedoch keine solche Revisionsrüge erhoben. Er hat weder ausdrücklich noch sinngemäß einen Verstoß gegen § 96 SGG geltend gemacht. Sein Vorbringen, die Sachverhaltsdarstellung des LSG, wonach er gegen den Bescheid vom 15. 12. 1994 keinen Widerspruch eingelegt habe, sei unzutreffend, ergibt noch nicht die Rüge, daß das LSG wegen Nichteinbeziehung dieses Bescheides in den Rechtsstreit den Streitgegenstand verkannt habe. Folgerichtig beantragt der Kl. mit der Revision lediglich die Wiederherstellung des Urteils des SG und nicht zusätzlich die Aufhebung des Bescheides vom 15. 12. 1994.

1. Begründet ist die Revision des Kl. insoweit, als der angefochtene Bescheid vom 14. 4. 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. 5. 1994 die Alhi-Bewilligung für die Zeit ab 1. 12. 1993 bis 31. 3. 1994 aufgehoben und die entsprechenden Leistungen zurückgefordert hat. Die Entziehung des Alhi-Anspruchs für den genannten Zeitraum steht nicht im Einklang mit der materiellen Rechtslage.

Ruhen des Anspruchs bei Leistungsbezug öffentlich-rechtlicher Art

a) Der Auffassung des LSG, der Anspruch auf Alhi ruhe ab 1. 12. 1993 entsprechend § 118 I Nr. 4 AFG, ist nicht zu folgen. Ob die Rüge des Kl. durchgreift, das LSG habe im Hinblick auf die Anwendbarkeit dieser Vorschrift ihm das rechtliche Gehör verweigert, bedarf daher keiner Entscheidung.

Nach § 118 I Nr. 4 AFG in der hier maßgebenden Fassung des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18. 12. 1989 (BGBl I 2291), in Kraft ab 1. 1. 1992, ruht der Anspruch auf Alg während der Zeit, für die dem Arbeitslosen eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art zuerkannt ist. Diese Vorschrift gilt gemäß § 134 IV 1 und 3 AFG für den Anspruch auf Alhi entsprechend. Die dem Kl. ab 1. 12. 1993 ausgezahlten Leistungen aus den befreienden Lebensversicherungen sind nicht, wie das LSG angenommen hat, „ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art„.

Ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art sind solche Leistungen, die die gleichen gemeinsamen und typischen Merkmale aufweisen wie die ausdrücklich in § 118 I Nr. 4 AFG genannte Altersrente oder Ausgleichsleistung für eine Zeit vor Vollendung des 65. Lebensjahres; denn nach Vollendung des 65. Lebensjahres kann Alg bzw. Alhi nicht beansprucht werden (vgl. § 100 II i.V. mit § 134 IV AFG). Wie das BSG wiederholt entschieden hat, kommen dabei nur Leistungen in Betracht, die von einem öffentlichen Träger aus öffentlichen Mitteln gezahlt werden (vgl. BSG SozR 4100 § 118 Nr. 9 mwN; BSG SozR 3-4100 § 118 Nr. 2; BSGE 73, 10, 15 = SozR 3-4100 § 118 Nr. 4). Zumindest an dieser Voraussetzung fehlt es bei den an den Kl. ausbezahlten Versicherungsleistungen. § 118 I Nr. 4 AFG beruht auf der Überlegung, daß die Sicherstellung des Lebensunterhalts durch Leistungen der Arbeitslosenversicherung bei der dort genannten Altersrente und Ausgleichsleistung entbehrlich ist. Sie ist es aber auch dort, wo die öffentliche Hand außerhalb der Sozialversicherung gleichartige Leistungen mit Lohnersatzfunktion gewährt. Daher hat der Gesetzgeber „ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art„ in § 118 I Nr. 4 AFG einbezogen. Der Zweck der Vorschrift geht also nicht allein dahin, eine Doppelversorgung aus der Sozialversicherung zu vermeiden; vielmehr sollen allgemein zwei gleichzeitige Leistungen mit Lohnersatzfunktion „aus öffentlichen Kassen„ verhindert werden (BSG SozR 4100 § 118 Nr. 9 mwN). Von diesem Zweck her ist es unerheblich, ob die Bezüge auf öffentlichem oder privatem Recht beruhen. Bedeutsam ist vielmehr, ob die Bezüge aus öffentlichen Mitteln stammen, dh aus Mitteln gezahlt werden, die für öffentliche Aufgaben vorgesehen sind (vgl. BSG SozR 4100 § 118 Nr. 9; BSGE 73, 10, 15 = SozR 3-4100 § 118 Nr. 4).

Dies trifft auf die Leistungen aus einer privaten Lebensversicherung nicht zu. Abgesehen davon, daß es sich bei den Versicherungsgesellschaften nicht um öffentliche Träger handelt, stammen die Leistungen auch nicht aus öffentlichen Mitteln. Dem läßt sich nicht - wie das LSG gemeint hat - entgegenhalten, daß die Altersversorgung der von der Versicherungspflicht befreiten Angestellten im öffentlichen Interesse liege. Zwar trifft es zu, daß eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach Art. 2 § 1 I Buchst. b Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG) idF des Finanzänderungsgesetzes 1967 vom 21. 12. 1967 (BGBl 1 1259) nur erfolgen durfte, wenn die Angestellten „mit einem öffentlichen oder privaten Versicherungsunternehmen für sich und ihre Hinterbliebenen einen Versicherungsvertrag für den Fall des Todes und des Erlebens des 65. oder eines niedrigeren Lebensjahres„ abgeschlossen und für diese Versicherung mindestens ebensoviel aufzuwenden hatten, wie für sie Beiträge zur Angestelltenversicherung zu zahlen gewesen wären. Es kann hier offenbleiben, ob und inwieweit nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ein die Befreiung von der Versicherungspflicht rechtfertigender Lebensversicherungsvertrag voraussetzt, daß die insgesamt während der Laufzeit zu zahlenden Prämien ausreichen, um daraus im Todes- oder Erlebensfall Leistungen zu gewähren, die denen der gesetzlichen Rentenversicherung gleichwertig sind oder jedenfalls noch den Namen einer Hinterbliebenen- und Altersversicherung verdienen (vgl. BSG SozR 5755 Art. 2 § 1 Nr. 5). Jedenfalls hat es der Gesetzgeber den unter die genannte Vorschrift fallenden Angestellten überlassen, „die Vorsorge für den Fall des Alters und des Todes in eigener Verantwortung zu gestalten„ (BSGE 23, 241, 244 = SozR Nr. 3 zu Art. 2 § 1 AnVNG). Die befreiten Angestellten - wie der Kl. - werden mit dem Befreiungsbescheid aus dem öffentlichen System der Alterssicherung entlassen, auch im Hinblick auf den Pfändungsschutz ihrer Alterssicherung (BFHE 164, 399, 402 = Breithaupt 1993, 946, 948). Dies äußert sich darin, daß ab dem Befreiungsbescheid der Kl. in eigener Verantwortung und ohne entprechende Kontrolle seitens des Rentenversicherungsträgers die Beiträge an das gewählte Versicherungsunternehmen aus eigenen Mitteln zu finanzieren hatte. Dazu steht nicht im Widerspruch, daß die Bekl. - nach Eintritt der Arbeitslosigkeit des Kl. - die an die Lebensversicherungen zu zahlenden Beiträge bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze teilweise übernommen hat (§ 166b AFG). Nach § 166b I 2 AFG wird der Kl. zwar insoweit von der Verpflichtung befreit, Beiträge zum Versicherungsunternehmen zu entrichten. Dieser Schuldnerwechsel (vgl. BSG SozR 3-4100 § 166b Nr. 1) bedeutet jedoch lediglich, daß für die fragliche Zeit die Bekl. anstelle des Kl. Beiträge zum Versicherungsunternehmen zu entrichten hat, er ändert jedoch nichts daran, daß die ausgezahlten Versicherungsleistungen aus privaten Mitteln stammen. Im übrigen zeigt gerade die in § 118 I Nr. 4 AFG genannte Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, daß es für die Zuordnung als Leistung öffentlich-rechtlicher Art nicht darauf ankommt, ob die Beiträge aus - wie in der Regel - privaten oder öffentlichen Mitteln gezahlt werden.

Nicht zu überzeugen vermag schließlich auch das weitere Argument des LSG, wonach im Hinblick auf die in Art. 2 § 1 S. 1 Buchst. b AnVNG bestimmte Wahlmöglichkeit zwischen einem Versicherungsvertrag mit einem öffentlichen oder privaten Versicherungsunternehmen die Zufälligkeit dieser Wahl nicht zu unterschiedlichen Rechtsfolgen bei der Anwendung des § 118 I Nr. 4 AFG führen dürfe. Denn allein die Rechtsform, in der das Versicherungsunternehmen betrieben wird, ist nicht entscheidend für die Anwendung des § 118 I Nr. 4 AFG.

Die Aufhebung der Alhi-Bewilligung kann somit nicht auf den Ruhenstatbestand des § 118 I Nr. 4 AFG gestützt werden.

Bedürftigkeit

b) Die Entscheidung des LSG ist für den Zeitraum ab 1. 12. 1993 bis 31. 3. 1994 auch nicht aus anderen Gründen richtig (§ 170 I 2 SGG). Denn für diesen Zeitraum hat die Bekl. zu Unrecht die Anspruchsvoraussetzung der Bedürftigkeit (§ 134 I 1 Nr. 3 AFG) verneint. Die vom Kl. bezogenen Leistungen in Höhe von rd. 55000,- DM aus seinen beiden befreienden Lebensversicherungen durften bis zum 31. 3. 1994 weder als Einkommen noch als Vermögen angerechnet werden.

Nicht bedürftig ist nach § 137 II AFG ein Arbeitsloser, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen die Gewährung von Alhi offenbar nicht gerechtfertigt ist.

Unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, konkretisieren die §§ 6ff. der Alhi-Verordnung (AlhiV) (vom 7. 8. 1974 - BGBl I 1929 - idF des Gesetzes vom 18. 12. 1992 - BGBl I 2044), die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 137 III AFG beruhen. Danach ist Vermögen des Arbeitslosen zu berücksichtigen, soweit es verwertbar und die Verwertung - nach Abzug eines Freibetrages von 8000,- DM - zumutbar ist (§ 6 I AlhiV).

Die ausbezahlten Versicherungsleistungen stellen in diesem Sinn verwertbares Vermögen dar. Nach den - nicht angegriffenen und daher bindenden (§ 163 SGG) - Feststellungen des LSG verfügte der Kl. am 1. 12. 1993 über einen Geldbetrag in Höhe von 23296,96 DM und am 1. 1. 1994 über einen weiteren Betrag in Höhe von 31881,71 DM. Diese Auszahlungsbeträge aus den beiden Lebensversicherungen sind als Vermögen i.S. des § 137 AFG zu qualifizieren (vgl. BSG SozR 4100 § 138 Nr. 25 mwN). Dieses Vermögen war auch verbrauchbar und damit verwertbar (§ 6 II AlhiV).

Ob und in welchem Umfang dies dem Kl. auch zumutbar war, richtet sich nach § 6 III AlhiV. Nach Satz 1 dieser Bestimmung ist die Verwertung eines Vermögens dann zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen billigerweise erwartet werden kann. Satz 2 derselben Vorschrift zählt unter Nrn. 1 bis 7 Regelbeispiele auf, bei deren Vorliegen insbesondere von Unzumutbarkeit der Vermögensverwertung auszugehen ist. Dazu gehört, soweit hier von Belang, die Verwertung von Vermögen, das zum Aufbau oder zur Sicherung einer angemessenen Lebensgrundlage oder zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt ist (Nr. 3 Varianten 2 und 3).

Wie der 7. Senat des BSG (SozR 3-4100 § 137 Nr. 7) und ihm insoweit folgend der erkennende Senat in seinem Urt. v. 29. 1. 1997 (11 RAr 21/96, NZS 1997, 491) in diesem Zusammenhang speziell zu kapitalbildenden Lebensversicherungsverträgen ausgeführt haben, läßt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen die beiden jeweiligen Zweckbestimmungen zu bejahen sind, nicht abstrakt, sondern nur unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles sowie von Sinn und Zweck der Alhi-Bestimmungen beantworten. Ausgangspunkt der Prüfung sind danach die vom Arbeitslosen (subjektiv) getroffene Zweckbestimmung und die objektiven Begleitumstände (beispielsweise Vertragsgestaltung, Alter des Versicherten, Familienverhältnisse).

Nach diesen Grundsätzen dienen die hier vom Kl. abgeschlossenen beiden Lebensversicherungsverträge ausschließlich der Zweckbestimmung „Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung„ (§ 6 III 2 Nr. 3 Variante 3 AlhiV). Dies folgt nicht nur aus dem eigenen Vorbringen des Kl., sondern bestätigt auch die Tatsache, daß es sich um sog. „befreiende„ Lebensversicherungen handelt, durch die die gesetzliche Rentenversicherung durch eine eigenverantwortliche private Vorsorge ersetzt werden soll. Daß diese Lebensversicherungen der Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung dienen sollten, zeigt sich ebenfalls daran, daß nicht nur die beiden in Rede stehenden Lebensversicherungen, sondern auch die anderen befreienden Lebensversicherungen - wie vom LSG bindend festgestellt - hinsichtlich der Auszahlung der Versicherungssummen auf die Vollendung des 60. Lebensjahres ausgerichtet waren. Die Ausrichtung des Vertragsendes einer Lebensversicherung auf einen Zeitpunkt, der in etwa mit einem möglichen Eintritt in das Rentenalter zusammentrifft, ist ein wesentliches Indiz für die Zweckbestimmung „Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung„ (SozR 3-4100 § 137 Nr. 7; vgl. auch DA der Bekl., Stand August 1994, 3.46, Ziff. 6 zu § 137).

Ihre Zweckbestimmung zur „Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung„ haben die hier in Rede stehenden beiden Lebensversicherungsverträge nicht dadurch verloren, daß die Versicherungsleistungen in Höhe von rd. 55000,- DM an den Kl. ausbezahlt wurden und damit frei verfügbar waren. Auch wenn hinsichtlich dieser beiden Verträge für ihn die sog. „Ansparphase„ beendet war, ist hier zu berücksichtigen, daß er zu diesem Zeitpunkt das 60. Lebensjahr, auf das auch die anderen befreienden Lebensversicherungen ausgerichtet waren, noch nicht vollendet hatte und im übrigen die Höhe der Kapitalauszahlung von rd. 55000,- DM keinesfalls - auch unter Berücksichtigung der zu erwartenden Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 868,- DM monatlich - als bereits für die von ihm angestrebte Sicherung einer angemessenen Altersversorgung ausreichend angesehen werden kann. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus sonstigen Umständen, insbesondere seinen Familienverhältnissen, wie den vom LSG in Bezug genommenen Verwaltungsakten der Bekl. zu entnehmen ist. Auch die Art der Verwertung dieser ausbezahlten Versicherungsleistungen spricht dafür, daß der Kl. an der Zweckbestimmung „Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung„ festgehalten hat. Denn nach seinem Vortrag hat er das Geld - er bezog damals noch Alhi - zunächst angelegt und erst später bis zu einem Teilbetrag von ca. 25000,- DM verbraucht.

Unter Berücksichtigung der subjektiven Zweckbestimmung und der objektiven Begleitumstände waren die am 1. 12. 1993 bzw. 1. 1. 1994 ausbezahlten Versicherungsleistungen in Höhe von rd. 55000,- DM im damaligen Zeitpunkt von der Verwertung ausgeschlossen, weil sie zweckbestimmt weiterhin der „Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung„ nach § 6 III 2 Nr. 3 Variante 3 AlhiV dienten.

Dieser Verwertungsausschluß ist hier allerdings nicht zeitlich unbegrenzt, sondern gilt nur bis zum Ende des Kalendermonats, in dem der Kl. das 60. Lebensjahr vollendet hat, d.h. bis 31. 3. 1994. Denn auf den Zeitpunkt der Vollendung des 60. Lebensjahres hat der Kl. nicht nur die beiden vorliegenden Lebensversicherungsverträge abgeschlossen, sondern auch die anderen befreienden Lebensversicherungsverträge waren - wie vom LSG bindend festgestellt - auf diesen Zeitpunkt ausgerichtet. Aus dieser zeitlichen Fixierung, die auch im Einklang mit der gesetzlichen Befreiungsvorschrift steht (vgl. Art. 2 § 1 I Buchst. b AnVNG), ist zu schließen, daß der Kl. das 60. Lebensjahr als Zeitpunkt des Eintritts des Ruhestandes gewählt hat. Dieser Zeitpunkt deckt sich auch mit dem Zeitpunkt, ab dem einem Versicherten eine (vorzeitige) Altersrente wegen Arbeitslosigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung gewährt werden kann (§ 38 I SGB VI). Nach § 99 I 1 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung frühestens von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind. Entsprechend der Ausrichtung der Lebensversicherungsverträge auf die Vollendung des 60. Lebensjahres sind deshalb die schon vorher dem Kl. ausbezahlten Versicherungsleistungen - in Anlehnung an die Regelung bei der vorzeitigen Altersrente - bis zum Zeitpunkt, zu dem er vorzeitige Altersrente beziehen könnte, d.h. bis 31. 3. 1994, von der Verwertung ausgeschlossen.

Mangels einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse war die Bekl. deshalb nicht gemäß § 48 I SGB X berechtigt, die im Juli 1993 ausgesprochene Alhi-Bewilligung für die Zeit vom 1. 12. 1993 bis 31. 3. 1994 aufzuheben. Hat der Aufhebungsbescheid keinen Bestand, entfällt nach § 50 I SGB X auch die Erstattung der nur bis zum 14. 3. 1994 ausgezahlten Alhi. Insoweit war daher das Urteil des SG wiederherzustellen.

Zumutbare Verwertung

2. Unbegründet ist die Revision dagegen, soweit die Alhi-Bewilligung für die Zeit vom 1. 4. bis 14. 6. 1994 aufgehoben worden ist. Für diesen Zeitraum ist das angefochtene Urteil aus anderen als den vom LSG angeführten Gründen richtig (§ 170 I 2 SGG). Der Kl. war in dieser Zeit mit Rücksicht auf sein Vermögen nicht bedürftig (§ 134 I Nr. 3, § 137 II AFG), weil nunmehr die Verwertung der aus den beiden Lebensversicherungen stammenden 55000,- DM billigerweise erwartet werden kann.

a) Ab 1. 4. 1994 liegen die Voraussetzungen des § 6 III 2 Nr. 3 Variante 3 AlhiV nicht mehr vor. Denn die Lebenszeit, für die durch Abschluß der Lebensversicherungsverträge vorgesorgt werden sollte, war nunmehr erreicht; das aus den Versicherungsverträgen stammende Vermögen kann jetzt dem vorgesehenen Zweck, dem Lebensunterhalt im Alter zu dienen, zugeführt werden. Dem kann der Kl. nicht entgegenhalten, er habe die an ihn ausbezahlten Beträge erneut anlegen wollen, um sie sich bei Erreichen des 65. Lebensjahres auszahlen zu lassen. Denn er hat bei Abschluß der befreienden Lebensversicherungsverträge die Altersgrenze selbst bestimmt und bis zur Auszahlung der Versicherungsleistungen nicht geändert. Insofern ist seine Situation nicht vergleichbar mit den Fallgestaltungen, die den Entscheidungen des 7. Senats (SozR 3-4100 § 137 Nr. 7) und des erkennenden Senats vom 29. 1. 1997 (11 RAr 21/96) zugrunde lagen. Denn abgesehen davon, daß die dortigen Lebensversicherungen keine sog. befreienden Lebensversicherungen waren, befanden sich die Versicherten jeweils noch in der Ansparphase, so daß nach den objektiven Gegebenheiten ein - in der Entscheidung des 7. Senats diskutierter - Wechsel der Zweckbestimmung der Lebensversicherung bzw. eine Realisierung der geplanten Alterssicherung in mehreren Schritten hintereinander noch möglich war. Die Situation des Kl. ist vielmehr - wie im folgenden noch näher ausgeführt wird - vergleichbar mit derjenigen des Versicherten, der auf seinen Antrag eine vorzeitige Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht.

b) Auch ein Verwertungsausschluß nach dem Grundtatbestand des § 6 III 1 AlhiV kommt bei dem Kl. für die Zeit ab 1. 4. 1994 nicht in Betracht. Dieser bleibt dann zu prüfen, wenn die Voraussetzungen eines Verwertungsausschlusses nach § 6 III 2 Nr. 3 Variante 3 AlhiV nicht gegeben sind. Nach dem Grundtatbestand ist die Verwertung zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen billigerweise erwartet werden kann.

Die hierdurch umschriebene Zumutbarkeit ist zu bejahen. Es läßt sich nicht feststellen, daß die Verwertung der ausbezahlten Versicherungsleistungen oder - anders ausgedrückt - die Anrechnung dieser Versicherungsleistungen in Höhe von rd. 55000,- DM (abzüglich des Freibetrags von 8000,- DM) auf die Alhi nach § 9 AlhiV für die Zeit ab 1. 4. bis 14. 6. 1994 unbillig wäre: Der Kl. hat sich auf eigenen Wunsch 1968 von der gesetzlichen Rentenversicherung befreien lassen; er hat hierfür - wie dies die Befreiungsvorschrift (Art. 2 § 1 I Buchst. b AnVNG) voraussetzt - Lebensversicherungsverträge bezogen auf die Vollendung des 60. Lebensjahres mit einer Beitragsleistung abgeschlossen, die mindestens die Höhe der Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten erreichen mußte; er bzw. in den letzten Jahren teilweise auch die Bekl. hat diese Beiträge bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres (und darüber hinaus) geleistet; er konnte nach seinen eigenen Angaben bei Fälligkeit der Verträge allein Ablaufleistungen (Versicherungssummen) in Höhe von 201553,- DM beanspruchen, wobei - wie sich aus den vom LSG in Bezug genommenen Verwaltungsakten ergibt - die gesamten, im Jahre 1994 ausbezahlten Versicherungsleistungen (einschließlich der Überschußanteile) annähernd doppelt so hoch waren. Die Verwertung war auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich, denn - anders als bei einem Lebensversicherungsvertrag in der sog. Ansparphase, bei dem im allgemeinen nur der Rückkaufwert realisiert werden kann waren hier bereits die Versicherungsleistungen in Höhe von rd. 55000,- DM zur Auszahlung gelangt. Unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Kl. und seiner Angehörigen konnte von ihm billigerweise eine Verwertung dieses Vermögens erwartet werden; gegenteilige Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht aus den vom LSG in Bezug genommenen Verwaltungsakten der Bekl.. Dies gilt auch dann, wenn die Höhe der vom Kl. zu erwartenden Versicherungsleistungen aus den befreienden Lebensversicherungen zu der Höhe des der Bemessung seines Alhi-Anspruchs zugrundeliegenden Arbeitsentgelts von 1640,- DM wöchentlich (vgl. Bescheid vom 14. 4. 1994) in Beziehung gesetzt wird. Bei der Billigkeitsprüfung ist hier entscheidend zu berücksichtigen, daß auch der Arbeitslose, dem eine vorzeitige Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zuerkannt wird, allein auf diese Rente - ohne Rücksicht auf deren Höhe - verwiesen wird. Denn der Anspruch auf Alhi ruht bei Zuerkennung einer vorzeitigen Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 118 I Nr. 4 AFG i.V. mit § 134 IV 1, 3 AFG in vollem Umfang.

Wie oben ausgeführt, ist zwar eine Erweiterung der Ruhensvorschrift des § 118 I Nr. 4 AFG auf befreiende private Lebensversicherungen nicht möglich. Gleichwohl ist es sachlich gerechtfertigt, im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des Grundtatbestandes des § 6 III 1 AlhiV den Kl. dem Bezieher einer vorzeitigen Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gleichzustellen. Es besteht zwar ein Unterschied insoweit, als eine vorzeitige Altersrente bis zum Lebensende des Versicherten gezahlt wird, während es dem Kl. freisteht, wie schnell er die Beträge aus den ausgezahlten Lebensversicherungen verbraucht. Hieraus kann jedoch nicht der Schluß gezogen werden, daß nur eine Teilanrechnung der Lebensversicherung vorzunehmen ist, und zwar in Höhe des zu erwartenden monatlichen Rentenanspruchs, der sich bei Umwandlung des Kapitalbetrags in eine monatliche Rentenleistung unter Berücksichtigung der Lebenserwartung des Kl. (ab Vollendung des 60. Lebensjahres) ergäbe. Denn eine solche Teilanrechnung, die im übrigen nicht auf dem Weg über eine Vermögensanrechnung nach § 137 AFG, sondern als Einkommen nach § 138 I Nr. 1 AFG zu berücksichtigen wäre, scheidet im Rahmen der Billigkeitsprüfung schon deshalb aus, weil im Fall der Zuerkennung einer vorzeitigen Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Anspruch auf Alhi unabhängig von der Rentenhöhe in vollem Umfang ruhen würde. Außerdem wird spätestens mit Vollendung des 65. Lebensjahres (§ 100 II AFG) der Arbeitslose allein auf die private oder gesetzliche Alterssicherung verwiesen.

Sowohl aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 I GG) als auch unter Billigkeitsgesichtspunkten kann von dem Kl. mit Ablauf des Monats der Vollendung des 60. Lebensjahres, d.h. ab 1. 4. 1994, die Verwertung der an ihn ausbezahlten Beträge aus den befreienden Lebensversicherungen für seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt seiner Angehörigen i.S. des § 6 III 1 AlhiV erwartet werden. Die Gewährung von Alhi über diesen Zeitpunkt hinaus ist nach § 137 II AFG „offenbar nicht gerechtfertigt„.

Da das zu berücksichtigende Vermögen nach Abzug des Freibetrags von 8000,- DM gemäß § 9 AlhiV unter Berücksichtigung des Arbeitsentgelts von 1640,- DM wöchentlich die Bedürftigkeit für 28 Wochen entfallen läßt, erfüllt der Kl. für die noch streitige Zeit vom 1. 4. bis 14. 6. 1994 nicht mehr die Anspruchsvoraussetzungen für Alhi. Nach § 48 SGB X war die Bekl. berechtigt, aufgrund dieses Sachverhalts ihre Alhi-Bewilligung ab 1. 4. 1994 aufzuheben.

Gemäß § 48 I 2 Nr. 3 SGB X sind Verwaltungsakte mit Dauerwirkung im Falle einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn nach Antragstellung oder Erlaß des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im Vergleich zu den Verhältnissen, die bei der Bewilligung der Alhi vorgelegen haben (Bescheid vom 16. 7. 1993), ist insofern eine Änderung eingetreten, als der Kl. am 1. 12. 1993 und am 1. 1. 1994 Versicherungsleistungen in Höhe von rd. 55000,- DM aus zwei befreienden Lebensversicherungen erhalten hat. Diese Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen war ab 1. 4. 1994 wesentlich, weil dieses Vermögen mit Ablauf des Monats der Vollendung des 60. Lebensjahres, d.h. ab 1. 4. 1994, gemäß § 137 II, III AFG i.V. mit § 6 I bis III AlhiV zu berücksichtigen war und dies zum Wegfall des Alhi-Anspruchs ab diesem Zeitpunkt führt. Auf die Bösgläubigkeit oder ein Verschulden des Kl. kommt es nach § 48 I 2 Nr. 3 SGB X nicht an.

Die Aufhebung der Leistungsbewilligung ab 1. 4. 1994 steht nicht im Ermessen der Bekl.. Vielmehr „ist„ gemäß § 152 III AFG idF des Gesetzes vom 21. 12. 1993 (BGBl I 2353) der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben. Diese Neuregelung ist zumindest auf alle sei dem 1. 1. 1994 ergangenen Aufhebungsbescheide anzuwenden (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 13). Da hier auch die Aufhebungsfristen (§§ 48 IV, 45 III und IV 2 SGB X) eingehalten sind, war sonach die Aufhebungsentscheidung der Bekl. rechtmäßig, soweit sie die Aufhebung der Alhi-Bewilligung für diese Zeit zum Inhalt hatte. Insoweit hat deshalb das LSG im Ergebnis zu Recht die Entscheidung des SG aufgehoben.

Vorinstanzen

LSG RhPf., L 1 Ar 4/95, 28.11.1995

Rechtsgebiete

Sozialrecht

Normen

AFG § 118 I Nr. 4, § 134 I 1 Nr. 3, § 137 II, III, § 152 III; AlhiV § 6 I, III 1, 2 Nr. 3; SGB X § 48 I 2 Nr. 3; SGG § 96