Angemessene Versicherungsprämien bei Arbeitslosenhilfe voll absetzbar

Gericht

SG Berlin


Art der Entscheidung

Pressemitteilung


Datum

30. 08. 2002


Aktenzeichen

S 58 AL 2103/02


Entscheidungsgründe

Das Sozialgericht Berlin hat entschieden, dass bei der Berechnung der Arbeitslosenhilfe im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung die Aufwendungen für private Versicherungen in voller Höhe abzusetzen sind, sofern sie angemessen sind. Die in der Arbeitslosenhilfe-Verordnung 2002 enthaltene Begrenzung auf 3 Prozent des Einkommens des Ehegatten/Lebenspartners sei nicht ermächtigungskonform.

Der Entscheidung der 58. Kammer des Sozialgerichts liegt der Fall einer 55jährigen Bezieherin von Arbeitslosenhilfe zu Grunde, die im Bewilligungszeitraum Beiträge zu verschiedenen privaten Versicherungen in Höhe von 241,87 Euro leistete. Hiervon erkannte die Bundesanstalt für Arbeit lediglich 85,36 Euro an (= 3% des monatlichen Bruttoverdienstes des Ehemannes). Dies hatte zur Folge, dass der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosenhilfe abgelehnt wurde.

Die Begrenzung der absetzbaren Versicherungsbeiträge auf 3 % überschreitet nach Ansicht der 58. Kammer die Grenzen einer zulässigen Pauschalierung und verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Die Bedürftigkeitsprüfung müsse „möglichst genau auf die faktischen wirtschaftlichen Verhältnisse“ der Betroffenen, d.h. „auf die zur Bestreitung des Lebensunterhalts effektiv zur Verfügung stehenden Mittel“ abstellen. Zwar seien Pauschalierungen grundsätzlich zulässig, mit der 3 %-Pauschale gehe der Verordnungsgeber jedoch von Lebensverhältnissen aus, die allenfalls im Einzelfall anzutreffen sind und mache damit die Ausnahme zum Regelfall. Erhebungen zufolge habe ein 4-Personen-Haushalt mit mittlerem Einkommen Ende der 90er-Jahre 6,5 % des Nettoeinkommens für privaten Versicherungsschutz ausgegeben. Diese Durchschnittswerte seien für 2002 deutlich nach oben zu korrigieren – nicht zuletzt „wegen der Riester-Rente, wonach allein schon mindestens 4 % des Einkommens zum Ausgleich der Rentenkürzung aufzuwenden“ seien – so das Sozialgericht.

Bei der Prüfung der Bedürftigkeit sind nach Ansicht der 58. Kammer des Sozialgerichts daher die angemessenen Aufwendungen in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen. Im Falle der Klägerin wurden alle nachgewiesenen Versicherungsbeiträge (Hausrat-, Unfall-, Privat- und KFZ-Haftpflicht-, Rechtsschutz- sowie Lebensversicherung) in vollem Umfang berücksichtigt und ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe bejaht.

(Pressemitteilung des SG Berlin vom 09.09.2002, Urteil des SG Berlin vom 30.08.2003, Az.: S 58 AL 2103/02)

Rechtsgebiete

Sozialrecht