Unterhaltsanspruch während der Wehrdienstzeit

Gericht

OLG Hamm


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

03. 04. 1986


Aktenzeichen

4 UF 671/85


Leitsatz des Gerichts

Ob ein Unterhaltsberechtigter während der Zeit der Ableistung der Wehrpflicht noch unterhaltsbedürftig ist, richtet sich nach den konkreten Verhältnissen des Einzelfalls. Wer als Unterhaltsabhängiger - falls er nicht die Wehrpflicht ableisten würde - Anspruch auf gehobene Unterhaltszuwendungen hätte, braucht sich nicht darauf verweisen zu lassen, sich für seine Lebensbedürfnisse mit den Leistungen der Bundeswehr, die nach Art und Umfang an eher durchschnittlichen Maßstäben orientiert sind, zu begnügen.

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Der am 21. 7. 1967 geborene Kl. ist ein eheliches Kind des am 10. 3. 1950 geborenen Bekl. Dessen Ehe mit der Mutter des Kl. ist geschieden. Der Bekl. ist seit 1983 wiederverheiratet. Er ist als Angestellter bei der Stadt D. berufstätig. Die Mutter des Kl. ist ebenfalls vollschichtig bei der Stadt D. angestellt. Der Kl. hat bis zum Abschluß des Schuljahres 1984/85 die Realsschule besucht und anschließend bis September 1985 eine Höhere Handelsschule, weil er einen Berufsausbildungsplatz nicht hatte finden können. Am 1. 10. 1985 begann er einen vom Arbeitsamt D. geförderten Grundausbildungslehrgang für moderne Bürowirtschaft. Seit dem 2. 1. 1986 leistet er als Soldat der Bundeswehr seine Wehrdienstpflicht ab. Der Bekl. hat seit 1982 für den Kl. monatlichen Unterhalt in Höhe von 400 DM geleistet. Mit der Klage hat der Kl. höheren Unterhalt begehrt, nämlich für die Zeit vom 8. 5. 1985 bis zum 6. 8. 1985 monatlich 660 DM und für die Zeit ab 7. 8. 1985 monatlich 765 DM. Der Bekl. hat einen monatlichen Unterhaltsanspruch von 400 DM anerkannt und im übrigen Klageabweisung beantragt. Das AG hat den Bekl. durch Urteil vom 25. 11. 1985 - daß der Kl. am 2. 1. 1986 zur Bundeswehr eingezogen wurde, war zur Zeit der mündlichen Verhandlung vor dem AG noch nicht bekannt - zu folgenden Unterhaltsleistungen verurteilt: monatlich 500 DM für die Zeit vom 8. 5. 1985 bis zum 20. 7. 1985; monatlich 585 DM für die Zeit ab 21. 7. 1985 (Eintritt der Volljährigkeit des Kl.). Den zugesprochenen Unterhalt hat das AG an anrechenbaren monatlichen Einkünften des Bekl. in Höhe von 3500 DM orientiert. Mit der Berufung begehrt der Bekl. die volle Abweisung der Klage für die Zeit ab 2. 1. 1986, dem Tage, an dem der Kl. seinen Bundeswehrdienst angetreten hat. Der Bekl. vertritt die Auffassung, daß seither der Unterhaltsbedarf des Kl. durch Natural- und Bargeldleistungen der Bundeswehr voll gedeckt sei. Demgegenüber meint der Kl., daß der Bekl. ihm ab 2. 1. 1986 noch einen Unterhaltsbeitrag von monatlich 100 DM schulde. Soweit ihm durch das angefochtene Urteil für die Zeit ab 2. 1. 1986 höherer Unterhalt zuerkannt worden ist, haben er und der Bekl. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Er trägt die Auffassung vor, daß sein Unterhaltsbedarf mit den Leistungen der Bundeswehr allein nicht gedeckt sei. Vielmehr müsse der Bekl. angesichts seiner guten Einkommensverhältnisse wenigstens 100 DM monatlich an zusätzlichem Unterhalt aufbringen. Die Mutter komme ihrer Unterhaltspflicht dadurch nach, daß sie ihn, den Kl., an den Wochenenden versorge und für ihn in ihrer Mietwohnung ein Zimmer bereithalte und so eine höhere Mietzinslast trage, als dies der Fall wäre, wenn sie nur eine Wohnung für sich allein brauchte.

Die Berufung hatte über die sich aus der Teilerledigung der Hauptsache für das angefochtene Urteil ergebenden Rechtsfolgen hinaus keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

... Der Bekl. schuldet dem Kl. auch für die Zeit seiner Zugehörigkeit zur Bundeswehr den von diesem zuletzt noch verlangten Unterhalt von monatlich 100 DM. Die Unterhaltspflicht ergibt sich aus den §§ 1601 ff. BGB. In der Auffassung, daß der Bedarf des Kl. vollauf durch die Unterhaltsleistungen der Bundeswehr gedeckt werde, konnte dem Bekl. nicht gefolgt werden. Da der Kl. vor Antritt des Wehrdienstes eine eigene, selbständige Lebensstellung noch nicht erreicht hatte, sondern als Schüler und sich in der Ausbildung befindlicher Jugendlicher ohne Einkommen war und von Unterhaltszuwendungen seiner Eltern abhängig war, kann sein Unterhaltsbedarf auch als Soldat der Bundeswehr nicht losgelöst von den Lebensverhältnissen und der finanziellen Leistungsfähigkeit der Eltern bestimmt werden, § 1610 I BGB (BGH, FamRZ 1983, 140; 1981, 543). Insbesondere kann bei der Bemessung des Bedarfs das gute Einkommen des Bekl. als Vater nicht außer Betracht bleiben. Wer als unterhaltsabhängiger junger Mann, wenn er nicht bei der Bundeswehr wäre, einen Anspruch auf gehobene Unterhaltszuwendungen hätte, braucht sich nicht darauf verweisen zu lassen, sich für seine Lebensbedürfnisse mit den Leistungen der Bundeswehr, die nach Art und Umfang an eher durchschnittlichen Maßstäben orientiert sind, zu begnügen. Er kann erwarten, daß er von dem ansonsten unterhaltspflichtigen Elternteil einen weiteren Unterhaltsbeitrag erhält, der ihn in die Lage versetzt, auch als Soldat den Lebensstandard nach der elterlichen Lebensstellung i. S. des § 1610 I BGB zu wahren. Das verkennen Wendel-Staudigl (Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 1986, S. 156), indem sie zu Unrecht von einem auf die kasernierte Bedarfssituation zugeschnittenen unterhaltsrechtlichen Einheitsstandard für alle Wehrpflichtigen ausgehen.

Angesichts der finanziellen Leistungsfähigkeit des Bekl. - das AG ist unwidersprochen von anrechenbaren durchschnittlichen Monatseinkünften von 3500 DM bei nur gegenüber dem Kl. bestehender Unterhaltspflicht ausgegangen - hält der Senat den vom Kl. für die Zeit ab 2. 1. 1986 noch geforderten Unterhaltsbeitrag des Bekl. von monatlich 100 DM für gerechtfertigt. Damit wird der Kl. in einer der Gesamtsituation entsprechenden Weise angemessen in die Lage versetzt, auch während seiner Bundeswehrzeit die an der Lebensstellung des Bekl. orientierten Lebensbedürfnisse zu befriedigen, deren Kosten über die von der Bundeswehr gewährleistete Grundversorgung hinausgehen, ohne daß der Bekl. in unzumutbarer Weise belastet würde. Auf eine solche Besserstellung hat der Kl. deshalb Anspruch, weil, wie bereits dargelegt, seine Lebensstellung noch in Abhängigkeit von den Lebensverhältnissen seiner Eltern gesehen werden muß. Insofern ist die Situation hier eine andere, als sie das OLG Düsseldorf in seinem Urteil vom 29. 6. 1984 (FamRZ 1984, 1136 (1139)) zu beurteilen hatte.

Darauf, daß er wegen eines Teils des hier streitigen Barunterhaltsbetrages von monatlich 100 DM die Mutter in Anspruch nehmen müsse, kann der Bekl. den Kl. nicht verweisen. Denn zum einen hat die Mutter ein erheblich geringeres Einkommen als der Bekl., und zum anderen wird sie ihrer Unterhaltspflicht in etwa gleichgewichtig dadurch gerecht, daß sie den Kl. in seiner Freizeit, insbesondere an den Wochenenden, betreut und ihm ein Zimmer in ihrer Wohnung zur Verfügung stellt. Darüber hinaus ist sie zu Barunterhaltsleistungen nicht verpflichtet.

Rechtsgebiete

Ehe- und Familienrecht

Normen

BGB § 1610 I