Währungsumstellung von Guthaben in Mark der DDR

Gericht

BVerfG (2. Kammer des Ersten Senats)


Art der Entscheidung

Beschluss über Verfassungsbeschwerde


Datum

26. 02. 1991


Aktenzeichen

1 BvR 1450/90


Leitsatz des Gerichts

Es ist nicht verfassungswidrig, dass nach dem 31.12.1989 entstandenen Guthaben in Mark der DDR von Personen, die außerhalb der DDR wohnten im Verhältnis von 3:1 umgestellt wurden.

Tatbestand

Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Bf. mit Wohnsitz außerhalb der DDR erbte am 19. 1. 1990 ein auf Mark der DDR lautendes Sparguthaben ihrer in der DDR verstorbenen Mutter. Das am 1. 7. 1990 bestehende Guthaben wurde im Verhältnis 3:1 auf Deutsche Mark umgestellt. Mit ihrer gegen Art. 1 des Gesetzes vom 25. 6. 1990 zu dem Vertrag vom 18. 5. 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR i. V. mit Art. 6 III 2 der Anl. I zu Art. 3 S. 1 des 1. StaatsV gerichteten Verfassungsbeschwerde macht sie geltend, der Umstellungskurs von 3:1 verletzte ihre Grundrechte aus Art. 3 I und Art. 14 I GG. Die Verfassungsbeschwerde wurde mangels hinreichender Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung angenommen.

Entscheidungsgründe

Auszüge aus den Gründen:

... 1. Die angegriffene Regelung verstößt nicht gegen Art. 3 I GG.

a) Soweit die angegriffene Regelung nach dem 31. 12. 1989 entstandene Guthaben von Personen, deren Wohnsitz sich außerhalb der DDR befindet, durch den Umstellungskurs von 3:1 schlechter stellt als entsprechende Guthaben von Personen, deren Wohnsitz sich innerhalb der DDR befindet und deren Guthaben grundsätzlich im Verhältnis 2:1 umgestellt wurde (Art. 6 I, II der Anl. I des Vertrages), liegt eine gruppenbezogene Ungleichbehandlung vor. Eine derartige Ungleichbehandlung hat nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG vor Art. 3 I GG nur dann Bestand, wenn zwischen den beiden Gruppen von Normadressaten Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72 (88) = NJW 1981, 271; BVerfGE 79, 87 (98) = NZA 1989, 406).

Die durch Art. 6 III 2 der Anl. I des Vertrages insoweit bewirkte Ungleichbehandlung ist jedoch hinreichend durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Die Umstellungsregelung entspricht dem ab dem 1. 1. 1990 geltenden Umtauschkurs von Deutsche Mark in Mark der DDR und dient insbesondere der Verhinderung von nicht gerechtfertigten Gewinnen im Zusammenhang mit der Umstellung auf Deutsche Mark (vgl. Denkschrift zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zu dem Vertrag vom 18. 5. 1990, BT-Dr 11/7350, S. 118 f.). Im Hinblick auf diesen Zweck der Regelung unterschieden sich die von der Währungsumstellung betroffener Gruppen jedoch erheblich. Denn im Unterschied zu Personen mit Wohnsitz außerhalb der DDR war es Personen mit Wohnsitz innerhalb der DDR nach den devisenrechtlichen Bestimmungen der DDR grundsätzlich nicht möglich, in nennenswertem Umfang Devisen in Mark der DDR einzutauschen, um im Zusammenhang mit der erwarteten späteren Umstellung derartiger Guthaben auf Deutsche Mark Gewinne zu erzielen. Dieser Unterschied zwischen den genannten Personengruppen ist von solcher Art und solchem Gewicht, daß er die mit der angegriffenen Regelung bewirkte Ungleichbehandlung von Personen mit Wohnsitz außerhalb der DDR hinreichend rechtfertigt.

b) Soweit die angegriffene Regelung nur Guthaben in Mark der DDR betrifft, die nach dem Stichtag 31. 12. 1989 entstanden sind, bewirkt die Regelung eine Schlechterstellung gegenüber bis zum Stichtag entstandenen Guthaben. Bei dieser Ungleichbehandlung handelt es sich nicht um eine gruppenbezogene Ungleichbehandlung, weil die Differenzierung nicht nach der Zugehörigkeit zu der einen oder der anderen Gruppe von Normadressaten erfolgt, sondern nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Guthaben für Personen mit Wohnsitz außerhalb der DDR. Ausßerhalb des oben genannten Verbots einer ungerechtfertigten Verschiedenbehandlung mehrerer Personengruppen läßt der allgemeine Gleichheitssatz dem Gesetzgeber jedoch weitgehende Freiheit, Lebenssachverhalte je nach Regelungszusammenhang verschieden zu behandeln. Insoweit setzt ihm allerdings das Willkürverbot als fundamentales Rechtsprinzip gewisse äußerste Grenzen. Diese Grenzen überschreitet der Gesetzgeber nicht schon dann, wenn er unter mehreren Lösungen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste wählt, sondern erst dann, wenn sich ein sachgerechter Grund für die Ungleichbehandlung nicht finden läßt (st. Rspr.; vgl. BVerfGE, 55, 72 (89) = NJW 1981, 271).

Nach diesem Maßstab ist die angegriffene Regelung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die unterschiedliche Umstellung von vor bzw. nach dem Stichtag entstandenen Guthaben in Mark der DDR ist nämlich dadurch gerechtfertigt, daß im Hinblick auf den Stand des Umbruchs in der damaligen DDR für vor dem Stichtag entstandene Guthaben grundsätzlich ausgeschlossen werden konnte, daß diese zum Zwecke der Erzielung von Gewinnen aus einer Währungsumstellung angelegt worden sind. Nach der Öffnung der innerdeutschen Grenze und der sich damit alsbald abzeichnenden wirtschafts-, währungs- und sozialrechtlichen Annäherung beider deutscher Staaten bestand diese Gewähr jedenfalls für nach dem Stichtag angelegte Guthaben in Mark der DDR nicht mehr. Denn die damalige Regierung der Deutschen Demokratischen Republik hatte bereits mit Wirkung zum 1. 1. 1990 den bis dahin angeordneten Umtauschkurs von 1:1 auf 1:3 geändert und so selbst die Anlage größerer Beträge in Mark der DDR ermöglicht. . Demgemäß ist sowohl die Bestimmung des Stichtages auf den 1. 1. 1990 als auch die Änderung des Umstellungssatzes für derartige Guthaben auf 3:1 im Hinblick auf die bei der Umstellung gebotene Wahrung der Geldwertstabilität der Deutschen Mark und die Notwendigkeit der Verhinderung ungerechtfertigter Gewinne aus der Währungsumstellung als sachgerecht zu beurteilen.

c) Die angegriffene Regelung verstößt schließlich auch nicht dadurch gegen das Willkürverbot, daß sie keine Ausnahme für Guthaben vorsieht, die nachweisbar nicht in der Absicht ungerechtfertigter Gewinnerzielung nach dem 31. 12. 1989 entstanden sind. Das aus Art. 3 I GG abgeleitete Willkürverbot verbietet dem Gesetzgeber die Ungleichbehandlung gleicher bzw. die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte, wenn die Gleichheit bzw. Ungleichheit der zu regelnden Sachverhalte wesentlich ist und sich ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung bzw. Gleichbehandlung nicht mehr finden läßt (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfGE 55, 72 (90) = NJW 1981, 271).

Eine in diesem Sinne willkürliche Gleichbehandlung von Guthaben, die nach dem 31. 12. 1989 nachweisbar nicht in der Absicht entstanden sind, aus einer sich abzeichnenden Währungsumstellung Gewinne zu erzielen, mit solchen Guthaben, bei denen dies nicht auszuschließen und auf die die angegriffene Regelung hauptsächlich zugeschnitten ist, stellt die angegriffene Regelung jedoch nicht dar. Denn die Einbeziehung auch spekulationsneutraler Guthaben in die generelle Umstellungsregel des Art. 6 III 2 der Anl. I des Vertrages ist dadurch sachlich gerechtfertigt, daß der Anfall derartiger Guthaben in der kurzen Zeit zwischen dem 1. 1. und dem 30. 6. 1990 als seltener Ausnahmefall angesehen werden konnte, dessen gesonderte Berücksichtigung durch die Kreditinstitute der DDR im Rahmen der Durchführung der Umstellung der Währungsverhältnisse im hinzutretenden Währungsgebiet praktisch nicht geleistet werden konnte. Die insoweit von der generalisierenden Regelung in Kauf genommene Benachteiligung einzelner Kontoinhaber war unter diesen Umständen auch zumutbar, weil die in der Anwendung des Umstellungssatzes von 3:1 liegende Benachteiligung jedenfalls dem ab 1. 1. 1990 ohnehin seitens der DDR angeordneten Umtauschkurs entsprach und eine Unterbewertung dieser Guthaben im Rahmen der Umstellung als ausgeschlossen angesehen werden konnte.

2. Die angegriffene Regelung verstößt nicht gegen Art. 14 I GG. Dieses Grundrecht greift hier nicht in seiner primären Funktion als Garantie des Bestandes der durch die Rechtsordnung anerkannten einzelnen Vermögensrechte gegenüber Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ein. denn der von der Regelung angeordnete Umstellungssatz von 3:1 betrifft den Wert des Eigentums an Mark der DDR. Aus der Gewährleistung des Art. 14 III GG, der die Entschädigung als eine verfassungsrechtlich selbstverständliche Folge des rechtmäßigen Eigentumsentzuges versteht (vgl. BVerfGE 38, 175 (184 f) = NJW 1975, 37), ergibt sich, daß Art. 14 I 1 GG auch den Schutz des Wertes des konkreten Eigentums umfaßt.

Gegen die so verstandene materielle Wertgarantie verstößt die angegriffene Regelung nicht. Die Umstellung im Verhältnis von 3:1 bewirkt keine Minderung des Wertes, der durch das Eigentum an Guthaben in Mark der DDR verkörpert war. Der Umstellungssatz von 3:1 entsprach ab dem 1. 1. 1990 dem von der Regierung der DDR angeordneten Umtauschkurs. Legt man den aus Wechselstubenkursen ermittelten Mittelkurs für den Umtausch von Deutsche Mark in Mark der DDR zugrunde, so betrug dieser im Dezember 1989 nur 14:100, im Januar 1990 14,2 : 100 und im Juni 1990 35 : 100 (vgl. Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Juli 1990, S. 14 (24)). Von einer Beeinträchtigung des in der Kaufkraft und Konvertibilität der Mark der DDR zum Ausdruck gelangten Wertes dieser Währung durch den Umstellungssatz von 3:1 kann mithin nicht die Rede sein.

Rechtsgebiete

Verbraucherschutzrecht