Unwirksame Klausel in Fitnessvertrag

Gericht

OLG Karlsruhe


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

09. 09. 1988


Aktenzeichen

10 U 62/88


Leitsatz des Gerichts

  1. Bietet ein Sport- und Fitness-Center in einem Formularvertrag die Gebrauchsüberlassung seiner Einrichtungen und daneben „Service-Leistungen“ auf freiwilliger und kostenloser Basis an, so liegt der Schwerpunkt eines derartigen gemischten Vertrages im Mietrecht mit der Folge, daß § 11 Nr. 12b AGB-Gesetz keine Anwendung findet.

  2. Die Klausel, wonach ein solcher auf 18 Monate geschlossener Vertrag sich jeweils um dieselbe Zeitdauer verlängert, wenn er nicht spätestens 3 Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt wird, verstößt gegen § 9 I AGB-Gesetz und ist daher unwirksam.

  3. Durch die Verlängerung des Dauerschuldverhältnisses im Zusammenhang mit der primären Laufzeitbestimmung erlangen die übrigen Rechte und Pflichten erst ihr eigentliches Gewicht. Eine formularmäßig schon bei Vertragsschluß festgelegte Verlängerungszeit muß in der Regel, um einen angemessenen Interessenausgleich zu bewirken, gerade bei längeren Primärlaufzeiten regelmäßig kürzer sein als die Erstlaufzeit.

  4. Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners kann mit dem sog. Preisargument, d. h. mit dem angeblich niedrigen Preis, nicht gerechtfertigt werden. Ausnahmen können allenfalls bei echter, dem Kunden vor Vertragsabschluß verdeutlichter Tarifwahl bestehen.

Tatbestand

Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. ist ein rechtsfähiger Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen. Die Bekl. betreibt ein Sport- und Fitness-Center. Die Bekl. bietet den Abschluß von Formularverträgen an, die u. a. folgenden Wortlaut enthalten:

1. Der Vertrag berechtigt, generell ohne Anspruch auf Teilnahme an bestimmten Kursen nach freier Wahl die Einrichtungen der GmbH zu benutzen. Die Einrichtungen werden lediglich mietweise zur Verfügung gestellt. Service-Leistungen erfolgen auf freiwilliger Basis und kostenlos.

2. Vertragsbeginn am ... Der Vertrag wird auf Dauer von 18 (...) Monaten abgeschlossen und verlängert sich jeweils um die selbe Zeitdauer, wenn er nicht spätestens 3 Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt wird ...

Der kl. Verein ist der Auffassung, die in Nr. 2 S. 2 enthaltene Verlängerungsklausel für einen Zeitraum von 18 Monaten verstoße gegen die Vorschriften des AGB-Gesetzes.

Die Untersagungsklage hatte in beiden Instanzen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Auszüge aus den Gründen:

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere entspricht der Klageantrag § 15 II AGB-Gesetz.

Es ist nicht zu beanstanden, daß der Klageantrag den vollständigen S. 2 der Nr. 2 des Formularvertrages umfaßt, wenngleich der Kl. in beiden Rechtszügen deutlich gemacht hat, daß er nicht die Vertragsdauerbestimmung von 18 Monaten, sondern lediglich den die Vertragsverlängerung um 18 Monate betreffenden Teil der Klausel angreift. Eine Beschränkung von Klageantrag und Urteilsformel auf die Teile der Klausel: „Der Vertrag ... verlängert sich jeweils um die selbe Zeitdauer, wenn er nicht spätestens 3 Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt wird." wäre aus sich heraus nicht verständlich. Insbesondere käme nicht zum Ausdruck, daß Gegenstand von Klage und Urteil die Verlängerungsklausel speziell für den Klauselregelfall ist, daß die Verlängerungszeit 18 Monate beträgt.

II. Die Klage ist in diesem abgesteckten Rahmen auch begründet.

1. Ein Verstoß gegen § 11 Nr. 12b AGB-Gesetz liegt zwar nicht vor, da diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut und der Gesetzgebungsgeschichte auf Mietverträge keine Anwendung findet. Die Auslegung des vom Bekl. angebotenen Formularvertrages ergibt indessen, daß im Vordergrund der Leistungen des Bekl. die Gebrauchsüberlassung von Räumen und Geräten an die Kunden stehen soll. In Nr. 1 des Formularvertrages wird betont, daß diese Einrichtungen mietweise zur Verfügung gestellt werden. Soweit Dienstleistungen, sog. „Service-Leistungen“ d. h. insbesondere die Beratung über die zweckentsprechende Benutzung der Geräte erwartet, in Aussicht gestellt und tatsächlich auch durch den Geschäftsführer der Bekl. oder einen angestellten Trainer bewirkt werden, handelt es sich um Leistungen von sekundärer Bedeutung. Dies versucht die Bekl. im Formularvertrag durch den Hinweis zu verdeutlichen, daß die „Service-Leistungen“ auf freiwilliger Basis und kostenlos erfolgen sollen (vgl. im übrigen zur Problematik der Anwendbarkeit von § 11 Nr. 12 AGB-Gesetz auf gemischte Verträge mit Gebrauchsüberlassungs- und Dienstleistungselementen Staudinger-Schlosser, BGB, 12. Aufl., § 11 Nr. 12 AGB-Gesetz Rdnr. 13; zur Anwendung von Mietrecht auf Gebrauchsüberlassungsverträge über Sport- oder Vergnügungsgeräte vgl. auch BGH, NJW 1962, 908; NJW 1964, 2020).

2. Diese Art des Vertragsangebotes kann nicht als eine die Vorschriften des AGB-Gesetzes - insbesondere § 11 Nr. 12b - umgehende Gestaltung i. S. und mit den Folgen des § 7 AGB-Gesetz erachtet werden, zumal ihre Wirksamkeit unabhängig von der Anwendbarkeit des § 11 Nr. 12 AGB-Gesetz nach § 9 AGB-Gesetz zu beurteilen bleibt.

Ob die - gleich zu Beginn des Vertrages aufgenommene - Verlängerungsklausel eine überraschende Bestimmung im Sinne des § 3 AGB-Gesetz darstellt, ist nach der Rechtsprechung des BGH (NJW-RR 1987, 45 = WM 1986, 1253) und des Senats (NJW 1988, 74 = WM 1987, 1447) im Verbandsprozeß nach § 13 AGB-Gesetz nicht zu prüfen.

3. Die beanstandete Verlängerungsklausel verstößt gegen § 9 I AGB-Gesetz und ist daher unwirksam, weil sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen der Gebote von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.

a) Der durch § 9 AGB-Gesetz gesetzte Kontrollmaßstab beruht auf der dem Vertragsrecht immanenten Erwartung, daß der Vertrag widerstreitende Interessen durch eine ausgewogene Regelung zum angemessenen Ausgleich bringen soll - dem Prinzip der Vertragsgerechtigkeit (Ulmer-Brandner-Hensen, AGB-Gesetz, 5. Aufl., § 9 Rdnr. 56). Im Verhältnis zu §§ 10 und 11 AGB-Gesetz hat die Generalklausel des § 9 die Funktion einer Auffangvorschrift mit dem Zweck, in Verbindung mit dem Klauselkatalog einen lückenlosen Schutz vor unangemessenen AGB zu ermöglichen. Das Verbot unangemessener Benachteiligung ist auf das Ziel eines angemessenen Interessenausgleichs gerichtet. Es wird nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen verletzt, wenn der Verwender bei der Vertragsgestaltung seine eigenen Interessen durchzusetzen versucht, ohne die des Vertragspartners von vorneherein hinreichend zu berücksichtigen. Dieses Benachteiligungsverbot darf nicht abgeschwächt werden aus der Erwägung, daß der Vertragspartner des AGB-Verwenders seine Interessen selbst wahrnehmen könnte. Bei der Analyse und Abwägung der Interessen ist auf die typische Interessenlage der beteiligten Kreise abzustellen (BGH, NJW 1985, 2585 (2587)) und die Inhaltskontrolle ist an der Frage auszurichten, ob die AGB-Bestimmungen für diesen Personenkreis im allgemeinen eine billige und sachgerechte Regelung darstellt. Gerade im Verbandsprozeß ist für die Berücksichtigung von Einzelfallumständen und Individualinteressen kein Raum.

b) Die Bekl. rechtfertigt die Verwendung der angegriffenen Klausel mit ihrem Interesse, als auf Gewinnerzielung angelegtes Unternehmen langfristig disponieren und kalkulieren zu können. Die Bekl. vermochte jedoch nicht im einzelnen darzulegen, weshalb sie, um ihre Einrichtungen dem Kunden lediglich zum Gebrauch zu überlassen und nach einer Kurzanweisung nur gelegentlich völlig freiwillig und kostenlos einzelne Ratschläge zu erteilen, aus wirtschaftlichen, insbesondere aus organisatorischen Gründen gezwungen wäre, die Kunden nicht nur zunächst 18 Monate lang, sondern durch die Verlängerungsklausel auf weitere 18 Monate zu binden. Anders als bei Angeboten, bei denen die Dienstleistung, insbesondere die Unterrichtung im Vordergrund stehen (vgl. zur Vereinbarkeit eines sog. „Body-Shaping-Kurses“ mit dem AGB-Gesetz, LG Frankfurt, NJW 1985, 1717; zum Direktunterrichtsvertrag, OLG Karlsruhe, NJW 1981, 1676; zum Vertrag über fremdsprachlichen Direktunterricht BGHZ 90, 280 = NJW 1984, 1531; zur Kündigungsmöglichkeit von formularmäßig abgeschlossenen Internatsverträgen BGH, NJW 1985, 2585) und bei denen sowohl aus inhaltlichen, als auch aus organisatorischen Gründen nicht nur Mindestgrund-, sondern auch Verlängerungsfristen - aber auch nur in einem angemessenen Rahmen - geboten sein können, da ein vorzeitiger Abbruch des Unterrichtsbesuches durch einen Kunden eine Lücke schaffen kann, die durch neue Interessenten nicht ohne weiteres zu schließen ist, ist bei der vorliegenden Vertragsgestaltung weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, weshalb die ohnehin vorhandenen Einrichtungen, von denen der einzelne Kunde ganz nach seinem Geschmack häufig oder selten, regelmäßig oder unregelmäßig Gebrauch machen kann, seine langfristige Bindung erfordern würden.

Durch die Verlängerung des Dauerschuldverhältnisses im Zusammenhang mit der primären Laufzeitbestimmung erlangen die übrigen vertraglichen Rechte und Pflichten erst ihr eigentliches Gewicht (Staudinger-Schlosser, § 11 Nr. 12 AGB-Gesetz Rdnr. 1). Die Entgeltzahlungspflicht führt bei einer langfristigen Laufzeit- und Verlängerungsregelung zu einer nicht unerheblichen Einschränkung des Kunden in seiner Dispositionsfreiheit. Der - bei Fitness-Centern nicht selten auch jüngere und geschäftlich unerfahrene - Kunde kann zunächst regelmäßig nur auf begrenzte Zeit überblicken, ob und inwieweit sein Bedarf und Interesse an den in Anspruch genommenen Leistungen des Verwenders erhalten bleiben wird. Mit Vertragsabschluß wird ihm für die verlängerte Vertragsdauer das Risiko eine Änderung nicht nur seiner zeitlichen, örtlichen und wirtschaftlichen, sondern gerade auch seiner körperlichen Verhältnisse und damit das Risiko der Verwertbarkeit der vertragsgegenständlichen (Gegen-) Leistung zugewiesen. Trotz der in der Praxis häufigen Verwendung von Vertragsklauseln zur Verlängerung von Dauerschuldverhältnissen werden doch gerade derartige Vertragsbestimmungen erfahrungsgemäß von den Kunden übersehen oder vergessen (vgl. BR-Dr 360/75 S. 37 - Gesetzesmaterialien zum AGB-Gesetz). Häufig hat der Kunde die an sich naheliegende Vorstellung, daß ein auf bestimmte Zeit eingegangenes Vertragsverhältnis nach dem Zeitablauf auch wirklich beendet sei und er versäumt deshalb die zur Verhinderung einer stillschweigenden Verlängerung erforderliche Kündigung.

Auch im Hinblick auf diese Gefahren stellt die stillschweigende Verlängerung um 18 Monate eine dem Kunden nicht zumutbare Belastung dar. Demgegenüber wird die Bekl. als Klauselverwenderin, wenn sie gezwungen ist, die Verlängerungsdauer auf einen kürzeren Zeitraum zu begrenzen, keinen unzumutbaren Schwierigkeiten ausgesetzt (vgl. dazu auch BT-Dr 7/5422 S. 9 - Gesetzesmaterialien zum AGB-Gesetz). Die formularmäßig schon bei Vertragsschluß festgelegte stillschweigende Verlängerungszeit muß in der Regel, um einen angemessenen Interessenausgleich zu bewirken, gerade bei längeren Primärlaufzeiten regelmäßig kürzer sein als die Erstlaufzeit.

c) An der unangemessenen Benachteiligung der Vertragspartner des bekl. Verwenders ändert auch dessen Behauptung nichts, die längerfristige Bindung werde gerade im Interesse der Kunden angeboten, da das von diesen zu entrichtende Entgelt nach unten gestaffelt sei, je länger die Vertragsbindung dauere. Nach zutreffender herrschender Meinung kann eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners mit dem sog. Preisargument, d. h. mit dem niedrigeren Preis, nicht gerechtfertigt werden (vgl. Ulmer-Brandner-Hensen, AGB-Gesetz, 5. Aufl., § 9 Rdnr. 79 m. w. Nachw.). Regelmäßig ist der mit dem Preisvorteil verbundene Nachteil für den Kunden - soweit überhaupt quantifizierbar - erheblich größer. Nur im Falle einer echten Tarifwahl in der Weise, daß der Preis in eine konkrete Beziehung zu einer bestimmten Vertragsregelung gebracht wird und dem Kunden die Wahl zwischen ungünstigen Konditionen - hier längere Vertragsverlängerungsdauer - zum niedrigeren Preis und der günstigeren Kondition - hier kurze Vertragsverlängerungsdauer - zu höherem Preis - deutlich gemacht wird, kann unter Umständen eine wirksame Regelung vorliegen. Voraussetzung hierfür wäre jedoch zumindest, daß diese Wahlalternativen offengelegt werden. Hierzu enthält indessen der vorgelegte Formularvertrag keinerlei Hinweise. Der Bekl. hat auch keine andere Form der Offenlegung der Alternativen für den Kunden vor oder bei Vertragsschluß dargelegt.

Rechtsgebiete

Verbraucherschutzrecht