Steuerfreistellung der Stellenzulage für Tätigkeit im Beitrittsgebiet nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG verfassungswidrig

Gericht

BVerfG


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

11. 11. 1998


Aktenzeichen

2 BvL 10/95


Tatbestand

Sachverhalt:

A. Die Vorlage betrifft die Frage, ob die Regelung über die Steuerfreiheit von Aufwandsentschädigungen aus öffentlichen Kassen in § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, soweit die Entschädigung aufgrund einer Festsetzung der Bundesregierung an Bundesbedienstete im Jahre 1993 für ihre Tätigkeit im Gebiet der früheren DDR gezahlt worden ist.

Gesetzeshistorie

I. 1. Das Bestreben, bei öffentlich Bediensteten den zur Bestreitung des Dienstaufwands bestimmten Teil des Diensteinkommens steuerfrei zu belassen, geht bereits auf § 15 Abs. 3 des Preußischen Einkommensteuergesetzes vom 24. 6. 1891 zurück (Preußische Gesetzes-Sammlung 1891, 175, 182). In den folgenden einkommensteuergesetzlichen Regelungen wurde dieser Grundgedanke aufgegriffen und fortgeführt; Entschädigungen aus öffentlichen Kassen für tatsächlich entstandenen Dienstaufwand konnten steuerfrei gestellt werden, unterlagen jedoch zugleich einer Nachprüfung durch die Finanzämter (vgl. im einzelnen Koether, Die Steuerbefreiungen von Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, Diss. 1972, S. 71ff.).

2. Die 1957 eingeführte Regelung des § 3 Nr. 12 EStG hat unverändert bis heute folgende Fassung:

„Steuerfrei sind…12. aus einer Bundeskasse oder Landeskasse gezahlte Bezüge, die in einem Bundesgesetz oder Landesgesetz oder einer auf bundesgesetzlicher oder landesgesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung oder von der Bundesregierung oder einer Landesregierung als Aufwandsentschädigung festgesetzt sind und als Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan ausgewiesen werden. Das gleiche gilt für andere Bezüge, die als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende Personen gezahlt werden, soweit nicht festgestellt wird, daß sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigen;…“

Im Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen wird diese Vorschrift als Klarstellung bisherigen Rechts gedeutet: Nach den jetzt geltenden Vorschriften sind die aus öffentlichen Kassen gezahlten Aufwandsentschädigungen und Reisekosten einkommensteuerfrei. Diese Bestimmungen mußten klarer gefaßt werden. … Diese Vorschriften gelten der rechtlichen Klarstellung einiger jetzt bestehender Zweifelsfälle (Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen, 2. Wahlperiode, zu BT-Drs. 3510, 8).

Besoldungsrechtlich dürfen Aufwandsentschädigungen nur nach Maßgabe des § 17 BBesG gezahlt werden. Die Vorschrift lautet:

„Aufwandsentschädigungen dürfen nur gewährt werden, wenn aus dienstlicher Veranlassung Aufwendungen entstehen, deren Übernahme dem Beamten, Richter oder Soldaten nicht zugemutet werden kann, und der Haushaltsplan Mittel dafür zur Verfügung stellt.“

3. Die Empfänger einer Aufwandsentschädigung sind in § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG nicht bezeichnet. In der Vergangenheit lag ein wichtiger Anwendungsbereich bei den Ministerialzulagen, die eher Stellenzulage als Aufwandsentschädigung waren (zur historischen Entwicklung der Ministerialzulage: Koether, Systemwidrige Behandlung der Aufwandsentschädigung im Einkommensteuerrecht, in: StuW 1972, 45, 50f. m.w.N.).

Bedeutung erlangte die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG erneut im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung. Auf der Grundlage des § 17 BBesG wurden im Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1990 (Nachtragshaushaltsgesetz 1990) vom 23. 5. 1990 (BGBl I, 944) bei Kapitel 6004 Titel 54701 erstmals Mittel für eine Aufwandsentschädigung an Bundesbedienstete für eine dienstliche Tätigkeit im Gebiet der früheren DDR veranschlagt. Mit Schreiben vom 10. 10. 1990 wurde eine Richtlinie des Bundesministers des Innern bekanntgegeben (BB 1991, 674f.), durch die eine zuvor ergangene Richtlinie vom 4. 7. 1990 neu gefaßt wurde. Die Richtlinie vom 10. 10. 1990 enthält folgendes:

„I. Besoldungsempfänger des Bundes

1. Besoldungsempfänger des Bundes, denen für mindestens vier Wochen im Bundesinteresse eine dienstliche Tätigkeit von vorübergehender Dauer bei einer Dienststelle im Beitrittsgebiet übertragen ist und die einer Dienststelle des Bundes im übrigen Bundesgebiet angehören, erhalten wegen der mit dem Aufenthalt im Beitrittsgebiet verbundenen besonderen Aufwendungen im Rahmen der Zweckbestimmung der bei Kap. 6004 Titel 54701 veranschlagten Mittel eine pauschalierte monatliche Aufwandsentschädigung … Soweit dabei die Voraussetzungen für die Gewährung von Trennungsgeld (s. § 3 TGV) erfüllt sind, ergeben sich die Beträge aus Spalte 1 der Anlage 1, in den anderen Fällen aus Spalte 2.

Die Aufwandsentschädigung ist nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfrei.…5. Reisekostenrechtliche Leistungen bleiben durch die Aufwandsentschädigung unberührt.…“

Anlage 1 der Richtlinie lautet:

„Höhe der monatlichen pauschalierten Aufwandsentschädigung in DM bei einer vorübergehenden dienstlichen Tätigkeit im Beitrittsgebiet“
Besoldungsgruppen 1 2
A 1 - A 9 1217 457
A 10 1349 506
A 11 1462 549
A 12 1609 604
A 13 und höhersowie B, C und R 1748 656
Im Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1991 (Haushaltsgesetz 1991) vom 27. 6. 1991 (BGBl I, 1354) sind bei Kapitel 6003 Titel 54701 die entsprechenden zweckbestimmten Mittel veranschlagt. Zur Erläuterung ist folgendes ausgeführt:

„Im Interesse einer schnellen Harmonisierung der Verwaltungen in den neuen Bundesländern mit den Verwaltungen im bisherigen Bundesgebiet ist es erforderlich, Bundesbedienstete und Bundesbedienstete im Ruhestand in das in Art. 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet zu entsenden.

Die entsandten Bundesbediensteten und Bundesbediensteten im Ruhestand erhalten Leistungen entsprechend dem Schreiben des Bundesministers des Innern vom 17. 4. 1991, einschließlich einer Aufwandsentschädigung entsprechend den Richtlinien vom 17. 4. 1991…“

Das Schreiben vom 17. 4. 1991 stimmt inhaltlich mit der Richtlinie vom 10. 10. 1990 überein.

Die Begründungen bei Kapitel 6003 Titel 54701 waren in den folgenden Haushaltsgesetzen - mit Hinweis auf die jeweils gültigen Richtlinien des Bundesministers des Innern - identisch, so auch in dem für dieses Verfahren erheblichen Streitjahr 1993 (Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1993 (Haushaltsgesetz 1993) v. 21. 12. 1992, BGBl I, 2229). In den Folgejahren wurde die Aufwandsentschädigung stetig reduziert.

Die (alten) Bundesländer übernahmen diese Regelungen in den Grundzügen für die Landesbediensteten, wenn auch zum Teil mit veränderten Pauschbeträgen und Geltungszeiten. Sie verwiesen insbesondere auf die Steuerfreiheit der Aufwandsentschädigung nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG. Zuletzt wurde die Aufwandsentschädigung meist nur noch für die Tätigkeit in speziellen Ermittlungsgruppen zur Verfolgung von Regierungskriminalität der ehemaligen DDR in Berlin gewährt (vgl. I. 5. der Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 3. 12. 1996, FMBl 1996, 468).

Sachverhalt des Ausgangsverfahrens

II. 1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens (Kl.) - damals wie heute Bundesbeamtin - wurde im Jahre 1991 an die Oberfinanzdirektion Cottbus versetzt. Sie erhielt für ihre dortige Tätigkeit durch das BMF im Streitjahr 1993 eine unversteuerte Aufwandsentschädigung i.H. von 27 600 DM.

Nach Erlaß eines Teilurteils ist beim vorlegenden Gericht nur noch die Anerkennung der für das Streitjahr 1993 verbleibenden Werbungskosten, u.a. für Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, anhängig.

2. Das FG hat das Verfahren ausgesetzt und dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.

a) Die Regelung in § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG begünstige Bedienstete des öffentlichen Dienstes ohne sachlich rechtfertigenden Grund und verletze deshalb Art. 3 Abs. 1 GG. Die vom Arbeitgeber der Kl., dem Bund, gewährte Aufwandsentschädigung sei eine Einnahme, nicht Auslagenersatz. Es handele sich zum überwiegenden Teil um eine reine Alimentation im Sinne einer Leistungs- oder Erschwerniszulage. § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG erlaube damit, allein durch die Einhaltung formeller Erfordernisse eine echte Alimentation an Angehörige des öffentlichen Dienstes steuerfrei zu belassen, obwohl nach der Systematik des Einkommensteuerrechts Gehalt und Alimentation als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG besteuert werden müßten.

Die Regelung des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG begegne seit langem verfassungsrechtlichen Zweifeln. Soweit in der Rechtsprechung (Verweis auf: BFH in BStBl III 1965, 144, 147; BStBl II 1976, 418, 420; FG Münster, EFG 1995, 366, 367) die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung bejaht werde, würden vor allem haushaltsrechtliche Gesichtspunkte genannt; bei einer Steuerpflicht müsse der Staat als Arbeitgeber die Alimentation um die entsprechende Lohnsteuer erhöhen. Mit dieser Argumentation könnten indes die gesamten dem öffentlichen Dienst zufließenden Bezüge steuerfrei gestellt werden.
Die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit stehe der steuerneutralen Abgeltung tatsächlich angefallenen Aufwands - auch in pauschalierter Form - zwar nicht entgegen. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen Mehraufwendungen aufgrund der Versetzung nicht entstünden, verbleibe dem Empfänger jedoch ein echter Nettoverdienst von 27 600 DM im Jahr, der nach Grundsätzen der Steuergleichheit besteuert werden müsse. Im übrigen sei auch nicht ersichtlich, weshalb gerade die Angehörigen des öffentlichen Dienstes gegenüber den am gleichen Ort tätigen privaten Arbeitnehmern bevorzugt werden sollten.

Die gleichheitswidrige Begünstigung des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG könne auch nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung vermieden werden, da der Wille des Gesetzgebers, die Steuerfreiheit aufgrund einer Festsetzung und Ausweisung im Haushaltsplan eintreten zu lassen, in einem klaren und eindeutigen Wortlaut zum Ausdruck gekommen sei.

b) Die Gültigkeit der Norm sei auch entscheidungserheblich. Bei Verfassungsmäßigkeit hätte die Klage im verbliebenen Umfang Erfolg, während bei einer Nichtigerklärung den zu berücksichtigenden Werbungskosten steuerpflichtige Einnahmen - nämlich die Aufwandsentschädigung - in gleicher Höhe entgegenstünden.

Stellungnahmen des BMF und des BFH

III. Zu dem Vorlagebeschluß haben der Bundesminister der Finanzen namens der Bundesregierung und der Präsident des BFH Stellung genommen.

1. Nach Auffassung der Bundesregierung ist die Vorlage unzulässig und unbegründet.

a) Die Vorlage sei wegen fehlender ausreichender Darstellung der Entscheidungserheblichkeit unzulässig. Das vorlegende Gericht habe die Frage einer verfassungskonformen Auslegung des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG nicht behandelt, sondern insoweit lediglich auf Ausführungen des BFH in dessen Beschluß vom 21. 10. 1994 verwiesen.

Mit der Annahme, § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG zwinge zu seiner verfassungswidrigen Anwendung, habe das Gericht seinen Entscheidungsauftrag und damit die Entscheidungserheblichkeit verkannt. Maßgebend für die Steuerfreiheit sei das Merkmal „Aufwandsentschädigung“ i.S. von § 3 Nr. 12 EStG, das nur Aufwendungen erfasse, die steuerlich Werbungskosten oder Betriebsausgaben seien. Diese Einschätzung werde durch den Hinweis auf die Regelungsvarianten in Satz 1 und Satz 2 des § 3 Nr. 12 EStG nicht in Frage gestellt. Das unterschiedliche Maß der Überprüfungsmöglichkeit bei den aus Bundes- und Landeskassen gezahlten Aufwandsentschädigungen einerseits und bei Zahlungen aus anderen öffentlichen Kassen andererseits könne unschwer aus der dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung zuerkannten Autorität erklärt werden. Bei Einschaltung dieser Prüfstellen sei, anders als bei Zahlungen, die deren Kontrolle nicht unterlägen, grundsätzlich gewährleistet, daß die einfach-rechtliche Zulässigkeit steuerfrei gestellter Aufwandsentschädigungen und die Verfassungsmäßigkeit der Steuerfreistellung geprüft worden seien.

b) Materiell stehe die Steuerfreiheit mit den Grundrechten, insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz, in Einklang. Die im Haushaltsplan als Aufwandsentschädigung bezeichneten Leistungen sollten generalisierend besondere Aufwendungen abdecken, die den Beschäftigten durch ihre Entsendung in die neuen Bundesländer entstünden. Dem besonderen Charakter der Aufwandsentschädigungen sei schließlich durch deren Anpassung an die veränderten tatsächlichen Verhältnisse Rechnung getragen worden. Seit 1992 habe die Bundesregierung die Sätze der Aufwandsentschädigung wegen der sich normalisierenden Verhältnisse alljährlich herabgesetzt. Ab 1996 werde die Zahlung vollständig eingestellt.

2. Der Präsident des BFH hat Stellungnahmen des VI. und VIII. Senats vorgelegt. Der VI. Senat verweist auf seinen Vorlagebeschluß vom 21. 10. 1994 (2 BvL 18/94).

Der VIII. Senat ist in seinem Urteil vom 29. 3. 1983 (BStBl II, 601) zu dem Ergebnis gekommen, daß bei pauschalen Aufwandsentschädigungen gemäß § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG der Abzug jeglicher dienstbedingter Aufwendungen als Werbungskosten ausgeschlossen sei. Der VIII. Senat teilt mit, er sei dabei davon ausgegangen, daß die Aufwendungen steuerfrei ersetzt werden könnten. Gegen eine sachlich begründete Pauschalierung der Aufwandsentschädigung bestünden keine Bedenken (Hinweis auf BVerfGE 40, 296, 328).

Die Rechtsprechung des Senats beruhe auf einer verfassungskonformen und am System des EStG orientierten Auslegung des sowohl in § 3 Nr. 12 Satz 1 als auch in § 3 Nr. 12 Satz 2 und in § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffs der „Aufwandsentschädigung“. Sie sei deshalb nicht nur bei der Beurteilung der von § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG, sondern auch bei der Beurteilung der von § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG erfaßten Fälle anwendbar. Dies entspreche der Rechtsprechung des BVerfG (Hinweis auf BVerfGE 40, 296, 327f.). Der Begriff der Aufwandsentschädigung umfasse deshalb bei der gebotenen restriktiven Auslegung lediglich die schon nicht als Arbeitslohn steuerbaren Ersatzleistungen; insoweit überschneide sich die Vorschrift mit den spezielleren Regelungen des § 3 Nr. 50 EStG oder etwa des § 3 Nr. 13 EStG.

Gehe man von dieser Auslegung des § 3 Nr. 12 EStG aus, stelle sich nur noch die Frage, ob ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluß der Bediensteten im privaten Dienst vorliege, weil diese durch die Zuordnung ihrer Aufwendungsersatzleistungen zum Werbungskostenersatz den Arbeitnehmerpauschbetrag verlören. Insoweit könnten diese Bediensteten wohl keine Ungleichheit in den Belastungsfolgen geltend machen. Es könne aber davon ausgegangen werden, daß bei deren Einkünften Werbungskosten berücksichtigt worden seien, die über dem Arbeitnehmerpauschbetrag liegen. Dann aber wirke sich die begehrte Steuerbefreiung der Aufwandsentschädigung auf die Höhe der Steuerschuld nicht aus.

Entscheidungsgründe

Gründe:

Zulässigkeit der Vorlage

B. I. Die Vorlage ist zulässig.

1. Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich. Das vorlegende Gericht hat vertretbar und deshalb für das BVerfG bindend dargelegt, daß es bei Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm der Klage im verbliebenen Umfang stattgeben, sie bei Ungültigkeit jedoch abweisen müßte, da den zu berücksichtigenden Werbungskosten dann steuerpflichtige Einnahmen - die Aufwandsentschädigung - in gleicher Höhe gegenüberstünden.

2. Auch eine verfassungskonforme Auslegung der als verfassungswidrig angesehenen Norm hat das vorlegende Gericht durch den Hinweis auf den Vorlagebeschluß des BFH vom 21. 10. 1994 (BStBl II 1995, 142) ausreichend geprüft. Dabei konnten die Ausführungen knapp gehalten werden, da einzig eine Auslegung des Begriffs „Aufwand“ i.S. von Betriebsausgaben oder Werbungskosten in Betracht kommt. Die Bezugnahme auf den Beschluß des BFH ist hier ausreichend, da er bereits seit mehreren Monaten beim BVerfG anhängig und in der Fachpresse veröffentlicht worden ist (vgl. BVerfGE 90, 145, 167).

II. Das vorlegende Gericht begehrt in seiner Vorlagefrage zwar die Entscheidung darüber, „ob § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist“. Die Begründung der Vorlagefrage zeigt jedoch, daß seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit nur Aufwandsentschädigungen der in der Entscheidungsformel bezeichneten Art betrifft. Die Vorlage qualifiziert die durch eine Tätigkeit in dem in Art. 3 EVtr genannten Gebiet veranlaßte Aufwandsentschädigung als Werbungskostenersatz und überwiegend als Alimentation im Sinne einer Leistungs- oder Erschwerniszulage und beanstandet die Steuerfreiheit dieser Erwerbseinnahmen. Soweit § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG die Steuerfreiheit anderer Aufwandsentschädigungen regelt, kommt es auf die Gültigkeit dieser Vorschrift im Ausgangsverfahren nicht an. Deshalb ist der als gleichheitswidrig beanstandete Entlastungsgrund allein in § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG in seinem Zusammenwirken mit den Rechtsgrundlagen für die Aufwandsentschädigung wegen dienstlicher Tätigkeiten in dem in Art. 3 EVtr genannten Gebiet zu sehen. Die Vorlage ist dementsprechend einzuschränken (zur Beschränkung von Vorlagen vgl. BVerfGE 69, 373, 377; 78, 104, 116; st. Rspr.).

Eingeschränkte Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG

C. § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG ist mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, soweit er eine an Bundesbedienstete im Jahre 1993 gezahlte Aufwandsentschädigung für ihre Tätigkeit in dem in Art. 3 EVtr genannten Gebiet steuerfrei stellt.

I. 1. Art. 3 Abs. 1 GG fordert steuerliche Lastengleichheit, eine gleiche Besteuerung des gesetzlich bestimmten Steuergegenstandes im Belastungserfolg (vgl. BVerfGE 84, 239, 271; 96, 1, 6).

Hat der Gesetzgeber den Steuergegenstand ausgewählt und in einer Bemessungsgrundlage definiert, so hat er die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne dieser Belastungsgleichheit umzusetzen (vgl. BVerfGE 93, 121, 136). Die Bemessungsgrundlage muß - in Einnahmen und Aufwand - den wirtschaftlichen Vorgang sachgerecht aufnehmen und realitätsgerecht abbilden (vgl. BVerfGE 93, 121, 136).

2. Jede gesetzliche Regelung muß notwendigerweise verallgemeinern (vgl. BVerfGE 82, 126, 151; 96, 1, 6). Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt (vgl. BVerfGE 78, 214, 227). Auf dieser Grundlage darf er generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfGE 84, 348, 359; 96, 1, 6). Dabei hat der Gesetzgeber einfache, für die Betroffenen verständliche Regelungen zu wählen, die verläßlich und effizient vollzogen werden können (vgl. BVerfGE 96, 1, 7). In diesem Rahmen ist auch eine pauschalierte Erfassung eines tatsächlichen Aufwands grundsätzlich zulässig (vgl. BVerfGE 40, 296, 317; 96, 1, 6).

II. Nach diesen Maßstäben ist die Steuerfreiheit der Aufwandsentschädigung im Jahre 1993 für Tätigkeiten von Bundesbediensteten in dem in Art. 3 EVtr genannten Gebiet gemäß § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.

1. Einnahmen und Aufwendungen, die durch eine Erwerbstätigkeit veranlaßt sind und deshalb durch § 2 Abs. 1 und Abs. 2 EStG in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage einbezogen werden, bilden den Ausgangstatbestand der Einkommensteuer. Abweichungen von diesem Tatbestand bedürfen eines besonderen, sachlich rechtfertigenden Grundes.

a) Der Einkommensteuer liegt das sog. „Nettoprinzip“ zugrunde, nach dem nur das „Nettoeinkommen“ - die Erwerbseinnahmen abzüglich der Erwerbsaufwendungen und der existenzsichernden Aufwendungen - besteuert wird. Aufwendungen für die Erwerbstätigkeit sind steuerlich absetzbar (§§ 4 und 9 EStG), Aufwendungen für die Lebensführung hingegen mindern die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage nicht (§ 12 Nr. 1 EStG). Dies gilt auch, wenn die Lebensführungskosten der Förderung der Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen dienen (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG).

b) Zahlt ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Zulagen oder Zuschläge für Zwecke der allgemeinen Lebensführung oder der Repräsentation, so unterliegen auch diese Erwerbseinnahmen als Bestandteile des Arbeitnehmerlohns der Einkommensteuer. Gleiches gilt grundsätzlich für Erschwerniszulagen, die eine besonders schwierige Tätigkeit des Arbeitnehmers ausgleichen, und für Stellenzulagen, die einen Anreiz für die Übernahme einer bestimmten Tätigkeit bieten. Auch diese Erwerbseinnahmen unterliegen der Regelbesteuerung, die das Einkommensteuergesetz jeweils bestimmt.

Nach § 3 Nr. 12 Satz 1 festgesetzte Zahlungen gelten nach unwiderlegbarer Vermutung als Aufwandsentschädigungen

2. § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG enthält die unwiderlegbare Vermutung, daß die nach dieser Vorschrift festgesetzten Zahlungen als Aufwandsentschädigungen gelten, wenn die gesetzlich benannten Voraussetzungen der Festsetzung eingehalten worden sind (von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn, EStG, 45. EL Juli 1993, § 3 Rn. B 12/13; Carl, Aufwandsentschädigungen aus öffentlichen Kassen im Einkommensteuerrecht, FR 1991, 125). Ein Vergleich der Sätze 1 und 2 zeigt, daß bei den Aufwandsentschädigungen nach Satz 1 keine, bei denen nach Satz 2 jedoch eine (begrenzte) Überprüfung durch die Finanzbehörden möglich ist (BFH in BStBl III 1962, 425). Satz 1 schließt die finanzbehördliche Kontrolle aus; die Steuerfreiheit hängt allein von der Richtlinie der Regierung und vom Haushaltsplan ab. Sie kann damit unabhängig vom steuergesetzlichen Tatbestand des Aufwands, seiner Nachweisbarkeit und Verifikation zugesprochen werden. Damit bevorzugt § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG die Empfänger von Zuwendungen aus einer Bundes- oder Landeskasse im Vergleich zur Allgemeinheit der Einkommensteuerpflichtigen und zu den Empfängern von Zuwendungen aus anderen - insbesondere privaten - Kassen.

a) Bei den Empfängern von Zuwendungen aus einer Bundes- oder Landeskasse sind die Zahlungen unter den in § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG genannten Voraussetzungen ohne Nachweispflicht für entstandene Aufwendungen steuerfrei, während die Empfänger von Zuwendungen aus sonstigen Kassen entweder einem - nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG eingeschränkten - Nachprüfungsrecht durch die Finanzbehörden unterliegen oder - insbesondere bei Zahlungen aus privaten Kassen - die Entschädigung gemäß §§ 8, 19 EStG als Erwerbseinnahme zu versteuern haben und einen Werbungskostenabzug nur geltend machen können, wenn die Voraussetzungen des § 9 EStG erfüllt sind und der Werbungskostenpauschbetrag i.H. von 2 000 DM (§ 9a Satz 1 Nr. 1a EStG) überschritten ist.

Die Steuerfreiheit des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG bliebe nur dann eine unbedenkliche vereinfachende Verrechnung von Erwerbseinnahmen und Erwerbsaufwendungen, wenn der Tatbestand der „Aufwandsentschädigung“ sicherstellte, daß von der Steuerfreiheit nur Bezüge zum Ausgleich von einkommensteuerlich absetzbaren Erwerbsaufwendungen erfaßt würden. Dieses ist jedoch nicht gewährleistet, weil der Tatbestand des „Aufwands“ absetzbare und nicht absetzbare Vermögensabflüsse umfaßt.

aa) Der Begriff des Aufwands bezeichnet im EStG lediglich den Vermögensabfluß, ohne den Grund dieses Abflusses in einer Erwerbshandlung einerseits oder in der Lebensführung andererseits anzudeuten. § 12 Nr. 1 spricht von „Aufwendungen für die Lebensführung“, § 4 Abs. 4 und § 9 Abs. 1 handeln von „Aufwendungen“, die der Erzielung von Einkommen dienen (vgl. im einzelnen Tipke/Lang, Steuerrecht, 16. Aufl. 1998, § 9 Rn. 227ff.).

bb) § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG verdeutlicht den Tatbestand des Aufwands allerdings dadurch, daß er von „Bezügen“ handelt, die als Aufwands„entschädigung“ festgesetzt und ausgewiesen werden. Dieser Tatbestand der „Bezüge“ wird gelegentlich im Sinne von Zahlungen im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses, die „Entschädigung“ sodann als Ausgleich für den von dem Bediensteten im Rahmen dieses Dienstverhältnisses veranlaßten Vermögensabfluß gedeutet. In dieser Sichtweise liegt es nahe, unter dem Begriff des Aufwands i.S. des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG nur erwerbsdienliche, als Werbungskosten oder Betriebsausgaben berücksichtigungsfähige Ausgaben zu verstehen (so z.B. BVerfGE 40, 296, 351 - abweichende Meinung Seuffert -; Altehoefer, in: Lademann/Lenski/Brockhoff, EStG, Nachtrag 100, Juli 1993, § 3 Rn. 109).

Der Aufwandstatbestand in § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG ist jedoch weiter; er umfaßt auch Amts- und Stellenzulagen (so auch: von Beckerath, a.a.O., § 3 Rn. B 12/6; Erhard, in: Blümich, EStG, 55. EL Feb. 1997, § 3 Rn. 79). Dies zeigt insbesondere § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG, der Aufwandsentschädigungen von der Steuerfreiheit ausnimmt, wenn festgestellt wird, „daß sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden …“. Die Notwendigkeit dieser Ausnahme bestätigt, daß der Tatbestand „Aufwand“ grundsätzlich auch diese Zuwendungen umfaßt.

b) Der Tatbestand des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG ist somit in seinen einzelnen Merkmalen wenig konturenscharf; er begründet eine Qualifikationskompetenz der die Bezüge als Aufwandsentschädigung festsetzenden Staatsorgane, im Streitfall also der Bundesregierung und des Haushaltsgesetzgebers.

aa) Diese Regelung der Steuerfreiheit in § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG entspricht nicht herkömmlicher Tatbestandlichkeit, bei der das Gesetz Sachverhalte aufnimmt und in ihrer Rechtserheblichkeit definiert. Vielmehr bietet die Vereinfachungsnorm des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG die Steuerbefreiung schon unter der Voraussetzung an, daß die Zuwendungen anderweitig als Aufwandsentschädigungen qualifiziert worden sind. Diese Regelungstechnik erwartet von den die Aufwandsentschädigung festsetzenden Organen die Gewähr, daß nur tatsächlich entstandener, einkommensteuerlich absetzbarer Erwerbsaufwand entschädigt wird, ohne diesen steuerlichen Maßstab verbindlich vorzugeben. Die Bezüge des Bediensteten werden vielmehr nach den Maßstäben besoldungsrechtlicher Alimentation und Angemessenheit sowie haushaltsrechtlicher Finanzierbarkeit festgesetzt, also nach Kriterien bemessen, die Rechtsgrundlage für das Erzielen steuerbarer Erwerbseinnahmen sind, nicht aber vom absetzbaren Erwerbsaufwand handeln.

Dementsprechend gleichen Aufwandsentschädigungen traditionell auch Zeitaufwand, Verdienstausfall und Arbeitsleistung aus (vgl. von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn, a.a.O., 41. EL Feb. 1993, § 3 Rn. A 585).

bb) Steuerfreie Aufwandsentschädigungen i.S. des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG werden im vorliegenden Fall aufgrund der Ermächtigung in § 17 BBesG festgesetzt, der nur die Entschädigung von Aufwendungen aus dienstlicher Veranlassung zuläßt, deren Übernahme dem Beamten nicht zugemutet werden kann. Weitere Voraussetzung dieser Aufwandsentschädigung ist die Ermächtigung im Haushaltsplan. Auf dieser Grundlage werden seit langem auch Repräsentationsausgleich (vgl. Grundsätze für die Gewährung und Bemessung von Dienstaufwandsentschädigungen im Inland 1975 in: Schwegmann/Summer, BBesG, § 17 Rn. 1a), Stellenzulagen und Verdienstausfallentschädigungen gezahlt. Die Ermächtigung des § 17 BBesG ist demnach nicht geeignet, den Anwendungsbereich des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG einkommensteuergerecht zu begrenzen.

c) Im Ergebnis stellt § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG in der hier zu beurteilenden Fallgruppe Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von der Einkommensteuer frei, ohne daß diese steuerliche Entlastung durch den Tatbestand abziehbarer Erwerbsaufwendungen gerechtfertigt wäre. Die Bezieher dieser Aufwandsentschädigungen brauchen den Finanzbehörden einen entsprechenden Erwerbsaufwand nicht nachzuweisen, können derartige Aufwendungen vielmehr, soweit sie den Werbungskostenpauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nr. 1 EStG) übersteigen, zusätzlich neben der Steuerfreiheit des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG absetzen. Diese Sonderregelung begünstigt nur die Empfänger von Aufwandsentschädigungen aus der Bundeskasse oder einer Landeskasse, begründet somit eine Belastungsungleichheit gegenüber der Allgemeinheit der Einkommensteuerzahler und gegenüber den Empfängern von Aufwandsentschädigungen aus anderen Kassen.

Hier fehlt Grund für die Privilegierung der Empfänger der Aufwandsentschädigung

3. Für diese Privilegierung der Empfänger einer nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG festgesetzten Aufwandsentschädigung fehlt es an einem besonderen, die Ausnahme sachlich rechtfertigenden Grund.

Strittige Zahlungen überwiegend Stellenzulage und damit Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit

a) Die hier zu beurteilende Zuwendung für eine dienstliche Tätigkeit „bei einer Dienststelle im Beitrittsgebiet“ ist jedenfalls überwiegend eine Stellenzulage. Die Aufwandsentschädigung betrug in der Besoldungsgruppe R teilweise bis zu 2 500 DM monatlich; reisekosten- und trennungsgeldrechtliche Leistungen wurden zusätzlich gezahlt (vgl. A.I.5. der Richtlinie des Bundesministers des Innern v. 10. 10. 1990 in BB 1991, 674).

Die an die Kl. des Ausgangsverfahrens im Streitjahr 1993 gezahlte, unversteuerte Aufwandsentschädigung i.H. von 27 600 DM glich im Kern nicht tatsächlich entstandenen Erwerbsaufwand aus, sondern bot einen finanziellen Anreiz für die Übernahme der Stelle in Cottbus. Sie erhöht also das Gehalt der Kl., ist damit Bestandteil ihrer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und unterliegt folglich nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG der Einkommensteuer.

b) Der Gesetzgeber hat im Einkommensteuerrecht die Belastungsentscheidung getroffen, die Markteinnahmen abzüglich des erwerbssichernden und des existenzsichernden Aufwands zu besteuern. Die Steuerfreiheit für Stellenzulagen als Lohnbestandteile gemäß § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG widerspricht diesem gesetzlichen Belastungsprinzip und schafft bereits grundsätzlich ein gleichheitswidriges Steuerprivileg (vgl. BVerfGE 18, 315, 334; 84, 239, 271; 87, 153, 170; 93, 121, 136).

c) Ein sachlich rechtfertigender Grund für diese bevorzugende Steuerentlastung liegt auch nicht in dem Erfordernis, die „Aufwandsentschädigung“ durch bestimmte Staatsorgane festzusetzen und zu überprüfen. Zwar wird für Zuwendungen im öffentlichen Dienst durch die Bestimmung der Entscheidungsgremien, den Haushaltsvorbehalt und eine Rechnungsprüfung Vorsorge für eine grundsätzlich rechtmäßige Entscheidung getroffen. Die beteiligten Organe, insbesondere die Regierung, das Parlament und der Rechnungshof folgen dabei jedoch den Maßstäben des Besoldungs- und Haushaltsrechts, nicht den Anforderungen des EStG. Insoweit verweist § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG mit der einkommensteuerrechtlich wirksamen Qualifikationskompetenz von Bundesregierung und Parlament auf nichtsteuerliche und insoweit sachfremde Maßstäbe. Vorabqualifikation und Kontrolle sichern deshalb nicht, daß die gezahlte „Aufwandsentschädigung“ steuerrechtlich ein Ausgleich für Erwerbsaufwendungen ist. Sie gewährleisten nicht einen die Steuerfreiheit rechtfertigenden Abzugstatbestand und erübrigen auch nicht die Überprüfung durch die Steuerbehörden im Einzelfall.

d) Die haushaltsrechtliche Erwägung, bei Besteuerung einer Stellenzulage müsse dieser Anreiz entsprechend der Steuerbelastung höher bemessen werden (so BFH in BStBl III 1965, 144), rechtfertigt die Steuerfreistellung nicht, weil die Gegenüberstellung von Steuerlast und Zulagenerhöhung schon haushaltsverfassungsrechtlich unzutreffend ist: Die Stellenzulage müßte in voller Höhe aus dem Bundeshaushalt gezahlt werden, während die Steuerfreiheit hälftig zu Lasten der Länderhaushalte gewährt wird (Art. 106 Abs. 3 Satz 1 und 2 GG). Im übrigen müßten diese Erwägungen für alle Bezüge öffentlicher Bediensteter gelten. Eine Steuerfreiheit nur einzelner Gehaltsbestandteile wäre dadurch nicht zu rechtfertigen.

e) Die Steuerfreiheit der „Aufwandsentschädigung“ kann auch nicht als Verschonungssubvention gerechtfertigt werden. Zwar schließt der Gleichheitssatz nicht jede steuerliche Verschonung aus, die das Verhalten des Steuerpflichtigen aus Gründen des Gemeinwohls fördern oder lenken will. Eine solche Intervention, die das Steuerrecht in den Dienst außerfiskalischer Verwaltungsziele stellt, setzt aber voraus, daß der Gesetzgeber Ziel und Grenze der Lenkung mit hinreichender Bestimmtheit tatbestandlich vorzeichnet und gleichheitsgerecht ausgestaltet (vgl. BVerfGE 93, 121, 148).

aa) Die unter der Bezeichnung „Aufwandsentschädigung“ gewährte Stellenzulage ist im Gesetz nicht als konkreter Anreiz, als Stellenzulage für bestimmte Tätigkeiten gekennzeichnet und begrenzt. Vielmehr ist sie als Entschädigung für die „mit dem Aufenthalt im Beitrittsgebiet verbundenen besonderen Aufwendungen“ (Richtlinie des Bundesministers des Innern vom 10. 10. 1990, BB 1991, 674) ausgestaltet. Die Zahlung der Stellenzulage unter der Bezeichnung „Aufwandsentschädigung“ macht deutlich, daß der einer Zulage innewohnende Lenkungszweck gesetzlich nicht einmal angedeutet, geschweige denn tatbestandlich vorgezeichnet ist. Die Frage, inwieweit eine einkommensteuerrechtliche Steuerfreiheit wiedervereinigungsbedingte Anreize und Subventionen überbringen darf, kann deshalb hier im Ergebnis offen bleiben.

bb) Darüber hinaus wäre eine solche Lenkungsbefreiung auch nicht verfassungsgemäß ausgestaltet. Die Steuerfreiheit des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG umschließt in ihrem bisherigen Tatbestand und dessen praktischer Handhabung Werbungskosten, Auslagenersatz und Kosten persönlicher Lebensführung. Dies gilt insbesondere für Repräsentationsaufwendungen und Stellenzulagen. Bei diesen fließenden Übergängen ist nicht erkennbar, wie weit die Vereinfachungsbefreiung reicht und wo die Subvention beginnt. Insoweit gewinnt der Anwender des Gesetzes keinen Gesetzesmaßstab für die Entscheidung, welche Werbungskosten durch die Aufwandsentschädigung abgegolten sind und welcher Betrag zusätzlich eine Subvention gewährt.

f) Die Begrenzung der Steuerfreiheit auf Bezüge, die aus einer Bundes- oder Landeskasse gezahlt werden, benachteiligt zudem die Bezieher von Aufwandsentschädigung aus sonstigen Kassen, insbesondere die privaten Arbeitnehmer. In beiden Fallgruppen werden die Zulagen zum Arbeitsentgelt gezahlt, um die Bereitschaft zu einer Tätigkeit in den neuen Bundesländern und zu veränderten Arbeitsbedingungen zu honorieren. Diese Besonderheiten sind für öffentliche wie für private Arbeitnehmer gleich. Insoweit gibt es keinen rechtfertigenden Grund, weswegen eine Stellen- oder Erschwerniszulage je nach Art des Arbeitsrechtsverhältnisses unterschiedlich besteuert werden dürfte.

g) Im Ergebnis verletzt § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG in seiner Anwendung auf Zulagen für Besoldungsempfänger des Bundes wegen ihrer dienstlichen Tätigkeit bei einer Dienststelle in dem in Art. 3 EVtr genannten Gebiet den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil diese Zulagen überwiegend Erwerbseinkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind und deshalb als solche besteuert werden müssen. Auch die Begrenzung dieses Steuerprivilegs auf Bezüge aus einer Bundes- oder Landeskasse verletzt den Gleichheitssatz, weil er die sonstigen Arbeitnehmer von dieser Steuerfreiheit ausnimmt, obwohl sie unter in gleicher Weise veränderten Arbeitsbedingungen tätig sind. Schließlich verstößt § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG in dieser Anwendung auch insoweit gegen die Gleichheit „vor dem Gesetz“ (Art. 3 Abs. 1 GG), als die Belastungs- und Entlastungsgründe nicht im Steuergesetz mit hinreichender Bestimmtheit tatbestandlich vorgezeichnet und gleichheitsgerecht ausgestaltet sind.

Unvereinbarkeitserklärung

III. Der Verstoß einer Norm gegen das GG kann alternativ zur Nichtigerklärung nach § 78 BVerfGG oder dazu führen, daß das BVerfG die Verfassungswidrigkeit der Norm feststellt (vgl. § 31 Abs. 2, § 79 Abs. 1 BVerfGG). Eine bloße Erklärung der Verfassungswidrigkeit ist insbesondere geboten, wenn der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten hat, den Verfassungsverstoß zu beseitigen (vgl. BVerfGE 61, 43, 68).

Nach diesen Maßstäben kommt im vorliegenden Fall nur eine Unvereinbarerklärung in Betracht. Der Gesetzgeber könnte die hier festgestellte Gleichheitswidrigkeit des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG durch einen gänzlichen Verzicht auf diesen Tatbestand der Steuerfreiheit beseitigen, die Steuerfreiheit auf eine Entschädigung für tatsächlich entstandenen, nachweisbaren Erwerbsaufwand beschränken, den Erwerbsaufwand in der Steuerfreiheit pauschalierend beschränken oder andere Vereinfachungstatbestände zur Vermeidung oder Beschränkung von Nachweis- oder behördlichen Überprüfungspflichten vorsehen.

IV. 1. Werden Normen für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt, hat dies grundsätzlich zur Folge, daß sie in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden dürfen (vgl. BVerfGE 73, 40, 101 m.w.N.). Die Verpflichtung des Gesetzgebers, eine der Verfassung entsprechende Rechtslage herzustellen, erstreckt sich grundsätzlich auf den gesamten von der Unvereinbarerklärung betroffenen Zeitraum und erfaßt zumindest alle noch nicht bestandskräftigen Entscheidungen, die auf den für verfassungswidrig erklärten Regelungen beruhen (vgl. BVerfGE 87, 153, 178).

Rückwirkung wegen der besonderen Eigenarten des Ausgangsfalls nicht angezeigt

2. Die Verfassungswidrigkeit von § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG hätte nach diesen Grundsätzen zur Folge, daß diese Vorschrift bei allen noch anfechtbaren Steuerbescheiden von Bundesbediensteten für das Veranlagungsjahr 1993 auf die „Aufwandsentschädigung“ für ihre Tätigkeit in dem in Art. 3 EVtr genannten Gebiet nicht angewandt werden dürfte. Diese rückwirkende Folge ist jedoch wegen der besonderen Eigenarten des Ausgangsfalles sowie der möglicherweise noch betroffenen Fälle nicht angezeigt.

a) Eine rückwirkende Regelung ist unter dem Gesichtspunkt eines Vertrauensschutzes verfassungsrechtlich nicht angezeigt. Die Kl. des Ausgangsverfahrens hatte - wie andere, von einer rückwirkenden Neuregelung gegebenenfalls Betroffene - im Vertrauen auf die gewährte Steuerfreiheit der Aufwandsentschädigung die Tätigkeit in Cottbus übernommen. Eine rückwirkende Aufhebung der Steuerfreiheit würde ihr im Rahmen eines besonderen Dienst- und Treueverhältnisses zum Dienstherrn (Art. 33 Abs. 4 GG, §§ 79ff. BBG) eine Entscheidungsgrundlage nehmen, auf die sie, veranlaßt durch das Angebot ihres Dienstherrn, ihre Dispositionen durch Aufnahme der Diensttätigkeit in Cottbus bereits gestützt hat. Diese Rechtsfolge entspräche nicht dem Grundgedanken des BBesG, das in seinem § 12 Abs. 1 die Rückforderung von Dienstbezügen ausschließt, wenn sie durch den Gesetzgeber mit rückwirkender Kraft vermindert worden sind.

b) Auch die Erfordernisse der Rechtssicherheit (vgl. BVerfGE 97, 67, 78) stehen hier einer rückwirkenden Steuermehrbelastung entgegen. Bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheides darf nicht zu Ungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, daß das BVerfG die Nichtigkeit oder Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes feststellt, auf dem die bisherige Steuerfestsetzung beruht (§ 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO). Mag § 176 AO nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung auch während eines gerichtlichen Verfahrens keine Anwendung finden und dort nur eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO in Betracht kommen (Frotscher, in: Schwarz, AO, 66. EL. März 1994, § 176 Rn. 4a), so würden bei einer rückwirkenden Nichtanwendung des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG im vorliegenden Fall die Steuerpflichtigen unangemessen benachteiligt, die ein finanzgerichtliches Verfahren mit dem Ziel der Absetzbarkeit weiterer Werbungskosten betreiben.

Rechtsgebiete

Steuerrecht

Normen

EStG § 3 Nr. 12 Satz 1; EVtr. Art. 3; GG Art. 3 Abs. 1; BBesG § 17