Klage auf Schadensersatz wegen verweigerter Zustimmung zur gemeinsamen Veranlagung
Gericht
OLG Hamm
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
22. 08. 1989
Aktenzeichen
7 UF 217/89
Ein getrennt lebender Ehegatte ist nur dann verpflichtet an der gemeinsamen Steuerveranlagung mitzuwirken, wenn ihm durch die Zusammenveranlagung keine steuerlichen Nachteile entstehen und die Zusammenveranlagung die Ehegatten insgesamt steuerlich günstiger stellt.
Schadensersatz wegen Verweigerung der Mitwirkung an der gemeinsamen Veranlagung kann vom getrennt lebenden Ehegatten nur verlangt werden, wenn ihm angeboten wurde, ihn im Innenverhältnis so zu stellen, wie er bei Durchführung der getrennten Veranlagung tatsächlich stehen würde.
Die Parteien, deren Ehe inzwischen rechtskräftig geschieden ist, lebten seit dem 30. 9. 1981 getrennt. Die Bekl. war sowohl vor als auch noch für einige Zeit nach der Trennung im Betrieb des Kl. beschäftigt und bezog außer ihrem Arbeitseinkommen, welches dem üblichen Lohnsteuerabzugsverfahren unterlag, nach der Trennung vom Kl. Unterhalt. Sie betreut daneben das gemeinsame, noch minderjährige Kind der Parteien. Außerdem verfügt sie über Einkünfte aus der Vermietung von Wohnungen in einem ihr gehörigen Haus. Bis einschließlich 1979 erfolgte die Veranlagung zur Einkommen- und Kirchensteuer aufgrund entsprechender Anträge der Parteien gemeinschaftlich. Weil für 1980 eine Steuererklärung nicht abgegeben wurde, erging ein - wiederum gemeinsamer - Steuerbescheid, dessen Grundlagen das Finanzamt geschätzt hatte. Hiergegen legten beide Parteien Einspruch ein. Zuvor war sie für den Fall, dass weiterhin eine gemeinsame Veranlagung erfolgen solle, vergeblich um die Erklärung gebeten worden, dass sie die Steuererklärung für 1980 mit unterzeichnen werde. Nach Einlegung des Einspruchs wandte sich der Steuerberater des Kl. unter dem 4. 11. 1982 erneut an die Bekl. und bat unter Hinweis darauf, dass auch für 1980 noch eine Zusammenveranlagung möglich sei, um Mitteilung ihrer Einkünfte aus Vermietung und ihrer Zinserträge. Beide Aufforderungen beantwortete die Bekl. nicht. Vielmehr wählte sie im Verlaufe des sich hinziehenden Einspruchsverfahrens die getrennte Veranlagung und erhielt für 1980 insgesamt 8544 DM Lohnsteuer sowie 796 DM Kirchensteuer und für 1981 insgesamt 4454 DM Steuern erstattet. Die getrennte Veranlagung hatte für 1980 und 1981 für den Kl. ungünstige steuerliche Auswirkungen. Er schätzt den ihm als Folge der getrennten Veranlagung entstandenen Steuermehrbetrag für 1980 auf rund 10500 DM und für 1981 auf ca. 4300 DM. Der Kl. hat gemeint, die Bekl. sei verpflichtet gewesen, an der gemeinschaftlichen Veranlagung mitzuwirken. Da die genaue Höhe des zu ersetzenden Schadens vom Inhalt der Steuererklärungen der Bekl. und der gegen sie ergangenen Steuerbescheide für die Jahre 1980 und 1981 abhänge, hat er mit einer im Spätherbst 1988 erhobenen Stufenklage seine Schadensersatzansprüche zunächst unbeziffert geltend gemacht, in der mündlichen Verhandlung vor dem AG jedoch nur (erste Stufe) beantragt, die Bekl. zu verurteilen, dem Kl. ihre Steuerbescheide einschließlich der Steuererklärungen für 1980 und 1981 auszuhändigen. Die Bekl. hat gemeint, sie sei zur Zustimmung zur gemeinschaftlichen Veranlagung nicht verpflichtet gewesen. Überdies seien eventuelle Ersatzansprüche verjährt, zumindest aber verwirkt.
Das AG - FamG - hat die Klage insgesamt abgewiesen. Die Berufung des Kl. hatte hinsichtlich des Auskunftsantrages keinen Erfolg, im übrigen (noch nicht bezifferter Zahlungsantrag) führte sie zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I. Soweit das AG über den Rechtsstreit abschließend entschieden hat, liegt eine Verletzung des § 308 I ZPO vor. Zwar ist mit der Zustellung der Klageschrift vom 28. 10. 1988 auch der unbezifferte Leistungsanspruch rechtshängig geworden (BGH, LM § 254 ZPO Nr. 3). Er unterbricht trotz fehlender Bezifferung die Verjährung des streitigen Anspruchs (BAG, NJW 1986, 2527 = Betr 1986, 1931). Da in der mündlichen Verhandlung vom 21. 2. 1989 aber nur der Auskunftsantrag verlesen und nur über diesen verhandelt worden ist, durfte das AG auch nur ihn, und zwar durch Teilurteil, bescheiden (Stein-Jonas-Schumann, ZPO, 20. Aufl. (1986), § 254 Rdnr. 19 m. Nachw.). Das gilt auch dann, wenn es - wie hier - den geltend gemachten Hauptanspruche aus materiellrechtlichen Gründen für unbegründet hält (Stein-Jonas-Schumann, § 254 Rdnr. 27 und 29). Ob auf entsprechenden Antrag der Bekl. hin der Erlas eines Versäumnisurteils über den Hauptanspruch zulässig gewesen wäre, bedarf keiner Erörterung. Die von der Bekl. für ihre Auffassung, das AG habe gleichwohl die Klage insgesamt abweisen dürfen, angeführte Rechtsprechung betrifft Fälle, in denen auch der unbezifferte Leistungsantrag Gegenstand der streitigen Verhandlung gewesen ist. Da das angefochtene Urteil bezüglich des Klageantrages zu 2. auf einem wesentlichen Verfahrensmangel beruht, war es insoweit gem. § 539 ZPO aufzuheben und der Rechtsstreit bezüglich der zweiten Stufe an das AG zurückzuverweisen, da dem Kl. die Möglichkeit bleibt, seinen Anspruch nunmehr selbst zu beziffern und fortzuführen.
II. Dagegen wendet sich die Berufung ohne Erfolg gegen die Abweisung des Auskunftsbegehrens.
1. Der Auskunftsanspruch setzt voraus, dass der Hauptanspruch, dessen Durchsetzung mit dem Auskunftsbegehren vorbereitet werden soll, mindestens dem Grunde nach besteht. Der Hauptanspruch ist gerichtet auf Ersatz des Schadens, der dem Kl. dadurch entstanden sein soll, dass die Bekl. der gemeinsamen Veranlagung zur Einkommen- und Kirchensteuer für die Jahre 1980 und 1981 nicht zugestimmt bzw. daran nicht mitgewirkt habe. Ein solcher Schadensersatzanspruch steht dem Kl. jedoch nicht zu. Aus § 1353 BGB folgt zwar als Ausfluss der Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft unter anderem grundsätzlich auch die Pflicht beider Ehegatten zur Mitwirkung an einer gemeinsamen Steuerveranlagung, und zwar im Rahmen des steuerrechtlichen zulässigen zeitlichen Bereiches auch nach der Trennung der Ehegatten als Fortwirkung jener Rechtspflicht (BGH, NJW 1977, 378 = FamRZ 1977, 38 ff.; NJW 1988, 2032 = FamRZ 1988, 143; Diederichsen, NJW 1977, 219; Tiedtke, FamRZ 1977, 686 f.). Diese Pflicht unterliegt jedoch einschränkenden Voraussetzungen. Sie besteht nur, wenn die Zusammenveranlagung zur geringsten Steuerbelastung beider Ehegatten insgesamt führt (LG Zweibrücken, MDR 1976, 145), was zwar in der Regel, aber keineswegs ausnahmslos der Fall ist (zu den Ausnahmen vgl. Nebe, DStR 1970, 526). Die Bekl. war darüber hinaus nur dann zur Mitwirkung verpflichtet, wenn ihr selbst steuerlich keine Nachteile und dem Kl. aus der gemeinsamen Veranlagung nur Vorteile entstehen (BGH, NJW 1977, 378 = FamRZ 1977, 38 ff.; NJW 1988, 2032 = FamRZ 1988, 143).
2. a) Der Bekl. wären im Falle gemeinsamer Veranlagung zur Einkommen- und Kirchensteuer sowohl für 1980 als auch für 1981 jedoch erhebliche wirtschaftliche Nachteile entstanden, denn tatsächlich hat sie - wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig geworden ist - die im Lohnsteuerabzugsverfahren einbehaltenen Steuerbeträge aufgrund getrennter Veranlagung ganz oder doch zum größten Teile zurückerhalten. Das wäre bei Durchführung der gemeinsamen Veranlagung als Folge der Zusammenrechnung der steuerpflichtigen Einkünfte beider Parteien unstreitig nicht der Fall gewesen. Darüber hinaus hätte die Bekl. als Folge der gesamtschuldnerischen Haftung beider Ehegatten gem. § 26b EStG, § 44 AO auch für die Steuerschuld des Kl. dem Finanzamt gegenüber gehaftet. Sie hätte insoweit nur die Möglichkeit gehabt, dass gem. §§ 268, 270 AO durch einen entsprechenden Antrag die Vollstreckung der festgestellten gemeinsamen Steuerschuld auf denjenigen Teilbetrag begrenzt wird, für den sie bei getrennter Veranlagung selbst haften würde. Ein Anspruch auf Rückzahlung der bereits entrichteten, aber überzahlten Steuern, wie er als Folge getrennter Veranlagung eingetreten ist, ist damit jedoch nicht verbunden.
b) Zwar hätte die Bekl. bei Durchführung der gemeinsamen Veranlagung gegenüber dem Kl. einen internen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch gem. § 426 BGB erlangt. Dieser Anspruch ist jedoch der als Folge getrennter Veranlagung eingetretenen Stellung der Bekl. weder rechtlich noch gar wirtschaftlich vergleichbar. Abgesehen davon, dass die Bekl. im Falle eines Rechtsstreits hätte darlegen und beweisen müssen, dass der Grundsatz des § 426 BGB (hälftige Teilung) hier nicht eingreifen darf, sondern ein anderer (welcher?), musste sie mit der Möglichkeit rechnen, dass der Kl. im Wege einer Aufrechnung mit irgendwelchen Gegenansprüchen die Realisierung eines Ausgleichsanspruchs verhindern oder zumindest verzögern würde. Diese Risiken sind nicht nur theoretischer Natur, denn die Parteien sind seit Jahren in Prozesse um die wirtschaftlichen Folgen der Trennung und Scheidung ihrer Ehe verwickelt. Aber selbst wenn es der Bekl. gelungen wäre, einen - wie auch immer bemessenen - Ausgleichsanspruch gerichtlich durchzusetzen, wäre immer noch nicht gesichert gewesen, dass der Kl. ihn auch ohne zusätzliche Schwierigkeiten erfüllt hätte.
c) Die Wahl der getrennten Veranlagung seitens der Bekl. war auch nicht illoyal insofern, als die Parteien zuvor jahrelang die gemeinsame Veranlagung gewählt hatten (vgl. hierzu OLG Hamburg, MDR 1979, 581). Da der Kl. eine Steuererklärung für 1980 nicht abgegeben hatte, erfolgte seitens des Finanzamtes eine Schätzung der Einkünfte, die sodann zum Erlas eines gemeinschaftlichen Steuerbescheides für 1980 führte. Nachdem beide Parteien hiergegen Rechtsmittel eingelegt hatten und sich das Einspruchsverfahren hinzog (erst 1984 ergingen die endgültigen Bescheide bezüglich der Bekl.), kam es geraume Zeit nach der Trennung der Parteien zur Wahl der getrennten Veranlagung der Bekl. Unter diesen Umständen kann von einem illoyalen Verhalten gegenüber dem Kläger keine Rede sein.
3. Dem Kl. hätte unter den gegebenen Umständen gleichwohl ein Weg offengestanden, die Bekl. zur Mitwirkung an der gemeinsamen Veranlagung zu verpflichten. Er hätte sich Zug um Zug verpflichten müssen, dass die Bekl. im Innenverhältnis der Parteien so gestellt werden würde, wie sie bei Durchführung getrennter Veranlagung tatsächlich stand, also insbesondere unter Verzicht auf jegliche Aufrechnung oder Geltendmachung von Zurückbehaltungsrechten. Nur dann wäre der interne familienrechtliche Ausgleichsanspruch so gestaltet gewesen, dass er zu einer Stellung der Bekl. geführt hätte, die derjenigen bei getrennter Veranlagung rechtlich und wirtschaftlich gleichwertig war. Dieser für den Fall des § 10 I Nr. 1 EStG entwickelte Rechtsgedanke (BGH, NJW 1983, 1783 = FamRZ 1983, 576; NJW 1985, 195 = FamRZ 1984, 1211; NJW 1986, 254 = FamRZ 1985, 1232) enthält auch für die Lösung der vorliegenden Probleme eine zufriedenstellende, die Interessen beider Parteien angemessen berücksichtigende Grundlage. Ein solches Angebot hat der Kl. indessen unstreitig nie gemacht. Er hat stets lediglich die Bekl. um Auskünfte über bestimmte Einkommensarten gebeten, jedoch die Ausgleichsfrage nie angesprochen und auch im vorliegenden Rechtsstreit die Meinung vertreten, hierüber hätte erst nach Durchführung der gemeinschaftlichen Veranlagung gesprochen werden können.
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