Bemessung des Schadensersatzes bei Verweigerung der Zustimmung zur gemeinsamen Veranlagung
Gericht
LG Köln
Art der Entscheidung
Beschluss über Beschwerde
Datum
02. 10. 1989
Aktenzeichen
34 T 31/89
Zur Höhe des Schadensersatzes bei pflichtwidrig verweigerter Mitwirkung an der gemeinsamen Veranlagung
Die Ehe der Parteien ist seit dem 26.9.1988 geschieden. Mit der Klage nimmt der Kl. die Bekl. wegen pflichtwidrig verweigerter Mitwirkung bei der gemeinsamen Steuerveranlagung für 1987 in Anspruch. Er verlangt von der Bekl. im Hauptantrag Zurücknahme ihres Antrags auf steuerliche Getrenntveranlagung gegenüber dem Finanzamt, hilfsweise Schadensersatz in Höhe von 2483 DM. Diesen Betrag hatte der Kl. gemäß Steuerbescheid vom 23. 11. 1988 aufgrund der tatsächlich durchgeführten Getrenntveranlagung nachzahlen müssen, während die Bekl. eine Steuererstattung erhalten hatte, die der Kl. auf ca. 3000-4000 DM beziffert. Eine gemeinsame Veranlagung der Parteien hätte nach dem Vorbringen des Kl. zu einer insgesamt günstigeren Steuerbelastung beider Parteien und für beide Parteien zu einem Steuerguthaben geführt.
Das AG hat Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht versagt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Kl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand kann die Erfolgsaussicht der Klage nicht verneint werden.
Das angerufene AG - Prozessgericht - ist zur Entscheidung über Ansprüche wegen Verweigerung der Mitwirkung bei steuerlicher Zusammenveranlagung sachlich zuständig (so auch überwiegende Rspr., OLG München, FamRZ 1983, 614; OLG Düsseldorf, FamRZ 1984, 805; OLG Koblenz, FamRZ 1982, 942; sowie Tiedtke, FamRZ 1978, 385). Der Kl. hat auch die Voraussetzungen für die Mitwirkungspflicht der Bekl. bei einer gemeinsamen Steuerveranlagung schlüssig dargelegt.
Unbeschadet der öffentlichrechtlichen Befugnis, gem. § 26 EStG die getrennte Veranlagung frei wählen zu dürfen, ergibt sich aus § 1353 BGB im Verhältnis der Ehegatten zueinander die familienrechtliche Verpflichtung, die gemeinsame steuerliche Veranlagung zu wählen und an dieser mitzuwirken, wenn diese Form der Veranlagung für die Ehegatten die steuerliche Gesamtbelastung verringert (Soergel-Lange, BGB, 12. Aufl. (1988), § 1353 Rdnr. 26; Palandt-Diederichsen, BGB, 48. Aufl. (1988), § 1353 Anm. 2b dd; BGH, NJW 1977, 378). Die Zustimmungspflicht bleibt auch nach der Ehescheidung als Nachwirkung der Ehe bestehen; die Verletzung der Pflicht begründet Schadensersatzansprüche (BGH, NJW 1977, 378).
Für die Parteien bestand gem. §§ 26, 26b EStG für 1987 die Möglichkeit der Zusammenveranlagung. Nach dem - von der Bekl. auch nicht bestrittenen - Vorbringen des Kl. hätte eine steuerliche gemeinsame Veranlagung der Parteien zu einer insgesamt geringeren Steuerbelastung geführt als dies bei getrennter Veranlagung der Fall war. Dies entspricht auch dem Regelfall, da die Grundsätze der Zusammenveranlagung im Ergebnis die Progressionswirkung des Einkommensteuertarifs abschwächen (Sonnenschein, NJW 1980, 257; Schmidt-Glanegger, EStG, 7. Aufl. (1988), § 26 Anm. 8).
Die nach diesen Voraussetzungen grundsätzlich bestehende Zustimmungspflicht der Bekl. kann dann entfallen, wenn ihr durch die gemeinsame Veranlagung zunächst nicht ganz unerhebliche steuerliche Nachteile erwachsen wären und der Innenausgleich für sie voraussichtlich mit Schwierigkeiten verbunden und unsicher gewesen wäre (vgl. Soergel-Lange, § 1353 Rdnr. 26). Hiervon kann indes nach dem Vortrag des Kl. nicht ausgegangen werden. Seinem Behaupten zufolge hat sich der Kl. vielmehr in einem Gespräch über die gemeinsame Steuerveranlagung ausdrücklich gegenüber der Bekl. bereit erklärt, ihr ihren Anteil am Erstattungsbetrag zu überlassen. Der hiervon abweichende Vortrag der Bekl. berührt die Schlüssigkeit und damit die Erfolgsaussicht der Klage nicht, da die Bekl. insofern darlegungs- und beweispflichtig ist.
Soweit der Kl. aus der Mitwirkungspflicht bei der gemeinsamen Steuerveranlagung mit seinem Hauptantrag einen Anspruch auf Rücknahme des Antrags auf Getrenntveranlagung gegenüber dem Finanzamt herleitet, hat die Klage keine Erfolgsaussicht. Mit dem Abschluss der getrennten Veranlagungen der Ehegatten ist einer gemeinsamen Veranlagung die Grundlage entzogen worden. Die nachträgliche Änderung der gewählten Veranlagungsart ist nämlich nur so lange möglich, als die Einzelveranlagungsbescheide nicht bestandskräftig sind (Schmidt-Glanegger, EStG, § 26 Anm. 11). Vorliegend ist von der Bestandskraft beider Einzelveranlagungsbescheide der Parteien auszugehen.
Soweit der Kl. mit seinem Hilfsantrag Schadensersatz wegen unterbliebener Mitwirkung der Bekl. bei der gemeinsamen Veranlagung begehrt, hat er die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach schlüssig dargelegt; die Bekl. hat nach dem Vorbringen des Kl. pflichtwidrig die getrennte Steuerveranlagung durchgeführt. Die Höhe seines ersatzfähigen Schadens lässt sich dem Vortrag des Kl. nicht entnehmen. Soweit er seinen Schaden auf den Betrag seiner Steuernachzahlung im Rahmen der Einzelveranlagung beziffert, verkennt er die maßgebenden Grundsätze für die Schadensbemessung. Ausgehend von dem Grundsatz der Naturalrestitution (§ 249 BGB) kann der Kl. verlangen, von der Bekl. so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wenn eine gemeinsame Veranlagung der Parteien durchgeführt worden wäre. Der Schaden des Kl. beläuft sich auf den Teilbetrag der steuerlichen Besserstellung bei gemeinsamer Veranlagung, der ihm im Innenverhältnis zur Bekl. zugestanden hätte. Ausgangspunkt der Schadensberechnung ist damit die (fiktive) Gesamtsteuerlast beider Parteien bei gemeinsamer Veranlagung. Die Differenz zwischen der Gesamtsteuerlast beider Parteien bei der durchgeführten Getrenntveranlagung und der fiktiven Gesamtsteuerlast bei gemeinsamer Veranlagung ergibt die Steuervergünstigung, die eine gemeinsame Veranlagung für beide Parteien erbracht hätte. Zur Bemessung des Anteils, der dem Kl. aus dieser Steuervergünstigung im Verhältnis zur Bekl. gebührt, sind die Grundsätze des internen Steuerausgleichs von Ehegatten bei gemeinsamer Veranlagung heranzuziehen.
Ein Aufteilungsmaßstab ergibt sich vorliegend nicht aus einer vertraglichen Regelung der Parteien. Es ergibt sich insbesondere nicht aus der Behauptung des Kl., vor der Getrenntveranlagung mit der Bekl. die gemeinsame Veranlagung und die hälftige Aufteilung der Steuererstattung vereinbart zu haben, da die Zusammenveranlagung, für die die Absprache galt, tatsächlich nicht durchgeführt wurde. Fehlen vertragliche Vereinbarungen über die Aufteilung einer Steuervergünstigung bei Zusammenveranlagung, so sind nach den Grundsätzen des internen Steuerausgleichs von Ehegatten steuerliche Maßstäbe (insbesondere §§ 268 ff. AO) heranzuziehen (Soergel-Lange, § 1353 Rdnr. 26; Palandt-Diederichsen, § 1353 Anm. 2b dd; Sonnenschein, NJW 1980, 257; LG Essen, FamRZ 1987, 592). Hiernach bemisst sich der beiderseitige Anteil der Ehegatten an Steuervorteilen aus gemeinsamer Veranlagung nach dem Verhältnis der jeweils eigenen Steuerlast bei Getrenntveranlagung zur Gesamtsteuerbelastung beider Parteien bei Getrenntveranlagung. Dieser Aufteilungsmaßstab wird den jeweiligen Steueraufwendungen der Parteien und den in ihrer Person liegenden individuellen Steuermerkmalen gerecht (LG Essen, FamRZ 1987, 592; Sonnenschein, NJW 1980, 257).
Nach den aufgezeigten Kriterien der Schadensbemessung sind insoweit Faktoren zu berücksichtigen, die dem Klägervortrag bislang nicht zu entnehmen sind. Da der Kl. die tatsächlich und rechtlich schwierigen Grundsätze der Schadensberechnung offenbar verkannt hat, entspricht es der richterlichen Aufklärungspflicht aus § 139 ZPO, dem Kl. im Hinblick auf die aufgezeigten maßgebenden Gesichtspunkte und Berechnungsgrößen des ersatzfähigen Schadens Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag und zur Anpassung der Anträge zu geben.
Zur Darlegung und nachvollziehbaren Bezifferung des ersatzfähigen Schadens fehlen bislang Angaben über die Steuerschuld und die Grundlagen der tatsächlichen Besteuerung der Bekl. im Rahmen der vorgenommenen Getrenntveranlagung. Soweit dem Kl. diese Faktoren zur Berechnung seines Schadens unbekannt sind, ist ihm die Bekl. gem. § 242 BGB zur Auskunftserteilung verpflichtet. Sie ist unschwer in der Lage, dem Kl. anhand ihres Getrenntveranlagungsbescheids 1987 die zur Schadensbemessung notwendigen Angaben zu machen. Ein schützenswertes Interesse der Bekl. an der Geheimhaltung ihres Besteuerungsvorgangs 1987 ist nicht ersichtlich. Hätte nämlich die Bekl. entsprechend ihrer Verpflichtung bei der gemeinsamen Steuerveranlagung mitgewirkt, so wären die für ihre Besteuerung maßgebenden Umstände gleichermaßen zur Kenntnis des Kl. gelangt.
Sollte die Bekl. dem berechtigten Auskunftsverlangen des Kl. nicht freiwillig entsprechen, so käme eine Umstellung der Klage auf eine Stufenklage in Betracht, wobei nach jetzigem Sach- und Streitstand die Erfolgsaussicht des Auskunftsanspruchs nicht verneint werden könnte. Mit Rücksicht auf die noch erforderlichen Sachaufklärungsmaßnahmen ist das Verfahren ans AG zurückzuverweisen mit der Maßgabe, sodann unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer über das Prozesskostenhilfegesuch erneut zu entscheiden.
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