Zustimmungspflicht des Ehegatten zum Antrag auf Zusammenveranlagung

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

12. 06. 2002


Aktenzeichen

XII ZR 288/00


Leitsatz des Gerichts

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Ehegatte verpflichtet ist, dem Antrag des anderen auf gemeinsame Veranlagung zur Einkommensteuer zuzustimmen, wenn in dem betreffenden Veranlagungszeitraum die eheliche Lebensgemeinschaft noch bestand und die Ehegatten in die Steuerklassen III bzw. V eingereiht waren.

Tatbestand

Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kläger (Kl.) verlangt von der Beklagten (Bekl.) Zustimmung zur Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer nach § 26b EStG für die Jahre 1994 bis 1996.

Die Parteien, die 1983 heirateten und seit März 1997 getrennt lebten, sind seit Juli 1999 geschieden. Sie bezogen in den Jahren 1994 bis 1996 beide Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Entsprechend einer von ihnen in den Vorjahren gemeinsam getroffenen Wahl erfolgte der Abzug der Lohnsteuer beim Verdienst des Kl. nach der Steuerklasse III, während vom Verdienst der Bekl. die Lohnsteuer nach der Steuerklasse V abgeführt wurde. In den genannten Jahren bezog der Kl. wesentlich höhere Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit als die Bekl. Er hatte 1996 zusätzlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im Juli 1997 beantragte die Bekl. bei dem für sie zuständigen FA, für die Jahre 1994 bis 1996 die getrennte Veranlagung nach § 26a EStG durchzuführen. Die Bekl. erhielt daraufhin für die genanten Jahre vom FA insgesamt 13 601,35 DM erstattet (für 1994: Einkommensteuer: 3 699 DM, Zinsen: 288 DM; für 1995: Einkommensteuer: 3 766 DM, Solidaritätszuschlag: 323,42 DM, Zinsen: 74 DM; für 1996: Einkommensteuer: 4 930 DM, Solidaritätszuschlag: 520,93 DM). Die Bescheide sind zwischenzeitlich bestandskräftig.

Daraufhin veranlagte das für den Kl. zuständige FA diesen ebenfalls getrennt zur Einkommensteuer. Nach den hierzu ergangenen Bescheiden hatte der Kl. für die Streitjahre insgesamt etwa 20.500 DM an Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Zinsen nachzuzahlen. Die Bescheide sind nicht bestandskräftig. Würden die Parteien für die Streitjahre gemeinsam veranlagt werden, so müsste der Kl. an Einkommensteuer einschließlich Solidaritätszuschlag noch 5 304,76 DM (1994: 814 DM, 1995: 1 248,06 DM; 1996: 3 242,70 DM) bezahlen. Dabei ist allerdings vorausgesetzt, dass der Erstattungsbetrag von 13 601,35 DM, den die Bekl. vom FA erhalten hat, zurückbezahlt wird.

Der Kl. verlangt von der Bekl. Zustimmung zur Zusammenveranlagung für die genannten Jahre. Er hat zu Protokoll erklärt, die Bekl. von der Steuerschuld freizustellen, soweit diese über die ihr bereits vom Lohn abgezogenen Beträge hinausgehe, also i. H. von 5 304,76 DM, nicht jedoch i. H. der weiteren, der Bekl. erstatteten 13 601,35 DM. Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat ihr auf die Berufung des Kl. stattgegeben. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision der Bekl., mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.

Entscheidungsgründe

Auszüge aus den Gründen:

Die Revision hat keinen Erfolg.

Rechtsschutzbedürfnis auf Zustimmung gegeben, da Zusammenveranlagungsbescheid noch ergehen kann

1. Zu Recht und von der Revision unbeanstandet hat das OLG das Rechtsschutzbedürfnis der Klage auf Zustimmung der Bekl. zur Zusammenveranlagung der Parteien bejaht. Zwar sind die gegen die Bekl. ergangenen Einzelveranlagungsbescheide bereits bestandskräftig. Dies trifft jedoch für die gegen den Kl. ergangenen Bescheide nicht zu. Den Parteien steht daher die Wahl der Veranlagung noch offen. Ein Zusammenveranlagungsbescheid, wie ihn der Kl. erstrebt, kann daher noch erlassen werden (BFHE 134, 412, 414).

Familienrechtliche Pflicht, einer vorteilhaften Zusammenveranlagung zuzustimmen

2. Weiter führt das Berufungsgericht aus, dass sich aus dem Wesen der Ehe grundsätzlich für beide Ehegatten die Verpflichtung ergebe, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne Verletzung eigener Interessen möglich sei. Eine hiernach begründete familienrechtliche Verpflichtung, der Zusammenveranlagung zuzustimmen, bleibe auch nach der Scheidung als Nachwirkung der Ehe bestehen. Diese Ausführungen des OLG stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH (v. 13. 10. 1976, IV ZR 104/74, FamRZ 1977, 38, 40) und werden von der Revision im Grundsatz auch nicht angegriffen.

Jeder Ehegatte trägt seine Steuerschulden grundsätzlich selbst

3. a) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe zwar erkannt, dass nach der Rechtsprechung des BGH im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft bürgerlich-rechtlich die jeweiligen Schulden getrennt seien und dadurch im Verhältnis der Ehegatten zueinander jeder von ihnen nur für die Steuern, die auf seine Einkünfte entfallen, selbst aufzukommen habe (BGHZ 73, 29, 38). Mit diesem Grundsatz habe sich das OLG jedoch mit seinen weiteren Ausführungen selbst in Widerspruch gesetzt, indem es davon ausgegangen sei, dass die Bekl. mit ihrem Freistellungsanspruch in Höhe des Erstattungsbetrags nichts anderes als die Rückforderung ihres Beitrags zum Familienunterhalt verlange. Bei den vom Lohn der Bekl. an das FA abgeführten Steuerbeträgen handele es sich außerdem nicht um Leistungen zum Familienunterhalt. Deshalb fordere die Bekl. auch keine Unterhaltsleistungen zurück. Vielmehr mache sie ihre Zustimmung zur Zusammenveranlagung nur davon abhängig, dass ihr gegenüber der getrennten Veranlagung keine Nachteile entstünden. Da der Kl. sie von der Rückforderung des FA in Höhe der erhaltenen Erstattungen nicht freistellen wolle und mangels finanzieller Möglichkeiten auch nicht könne, sei sie nicht verpflichtet, in die Zusammenveranlagung einzuwilligen.

Damit dringt die Revision nicht durch.

Pflicht zum internen Ausgleich bei Zusammenveranlagung nur, wenn keine andere Aufteilung vereinbart wurde

b) Die Bekl. kann ihre Zustimmung zur Zusammenveranlagung der Parteien nicht davon abhängig machen, dass der Kl. sie von der Rückzahlung des Erstattungsbetrages i. H. von 13 601,35 DM freistellt. Richtig ist zwar, dass der die Zustimmung verlangende Ehegatte regelmäßig zum internen Ausgleich verpflichtet ist, wenn sich bei dem anderen Ehegatten die Steuerschuld infolge der Zusammenveranlagung im Vergleich zur getrennten Veranlagung erhöht (BGH v. 13. 10. 1976, a. a. O., 41; v. 23. 3. 1983, IVb ZR 389/81, FamRZ 1983, 576, 577). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Ehegatten, wie hier, eine andere Aufteilung ihrer Steuerschulden konkludent vereinbart haben.

aa) Auszugehen ist zunächst davon, dass sich das Innenverhältnis der Parteien nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB richtet. Dies folgt daraus, dass die Parteien in den genannten Streitjahren bis zur Stellung des Antrags der Bekl. auf getrennte Veranlagung im Juli 1997 gemäß § 44 AO als Gesamtschuldner auf die Steuerschulden hafteten (Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 44 Rn. 16; Tipke/Kruse, AO, § 44 Rn. 13). Im Rahmen der vom Kl. angestrebten Zusammenveranlagung ist dies ebenso der Fall. Nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB haften Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Eine solche abweichende Bestimmung kann sich aus dem Gesetz, einer Vereinbarung, dem Inhalt und Zweck des Rechtsverhältnisses oder der Natur der Sache, mithin aus der besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens, ergeben (BGHZ 87, 265, 268; BGHZ 77, 55, 58; BGH v. 20. 3. 2002, XII ZR 176/00, FamRZ 2002, 739, 740 m. Anm. Wever; v. 30. 11. 1994, XII ZR 59/93, FamRZ 1995, 216, 217).

bb) Zu Recht weist das OLG darauf hin, dass sich die Notwendigkeit, die Aufteilung der Haftung abweichend von der Grundregel vorzunehmen, aus den güterrechtlichen Beziehungen der Ehegatten ergeben kann. Diese sind sowohl im Güterstand der Gütertrennung als auch im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft hinsichtlich ihres Vermögens und ihrer Schulden selbstständig. Deshalb hat im Verhältnis der Ehegatten zueinander grundsätzlich jeder von ihnen für die Steuer, die auf seine Einkünfte entfällt, selbst aufzukommen (BGHZ 73, a. a. O.; BGH v. 15. 11. 1989, IVb ZR 100/88, FamRZ 1990, 374, 376 und v. 20. 3. 2002, a. a. O., 740).

Andere Aufteilung hier konkludent durch Wahl der Steuerklassen III bzw. V getroffen

cc) Indessen kann auch dieser Maßstab von einer anderweitigen Bestimmung i. S. des § 426 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB überlagert werden. Das ist hier der Fall. Die Parteien haben nach ihrer bisherigen Handhabung konkludent eine solche anderweitige Bestimmung getroffen. Danach hat die Bekl. die Steuerschuld der Parteien insoweit zu tragen, als sie Lohnsteuer im Abzugsverfahren entrichtet hat. Der Kl. hingegen hat alleine die festgesetzten Mehrbeträge zu entrichten.

Zu Recht rügt allerdings die Revision in diesem Zusammenhang, dass sich dieses Ergebnis, wonach die Bekl. im Innenverhältnis der Parteien die ihr abgezogene Lohnsteuer voll zu tragen hat, nicht auf die unterhaltsrechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts und somit nicht auf § 1360b BGB stützen lässt. Entgegen der Meinung des OLG stellen nämlich die laufenden Zahlungen der Bekl. im Lohnsteuerabzugsverfahren keine regelmäßigen Leistungen zum Familienunterhalt gemäß § 1360a Abs. 2 Satz 1 BGB dar. Der durch das Gleichberechtigungsgesetz (BGBl I 1957, 609) eingeführte Begriff des Familienunterhalts (§ 1360, § 1360a BGB) umfasst zwar den gesamten Lebensbedarf der Familie, wozu einmal der Unterhalt im engeren Sinne für Ehegatten und gemeinsame Kinder und zum anderen die Kosten des Haushalts gehören. Hierzu können jedoch die Steuern, die auf die Einkünfte der Ehegatten entfallen und diese Bezüge mindern, nicht gerechnet werden (BGHZ 73, a. a. O., 37).

Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Parteien, auch wenn die Wahl der Steuerklassen die Höhe der nach Veranlagung sich ergebenden Steuer nicht beeinflusst, bewusst die Steuerklassen III/V gewählt haben, um damit monatlich mehr bare Geldmittel zur Verfügung zu haben, als dies bei einer Wahl der Steuerklassen IV/IV der Fall gewesen wäre. Dabei nahmen die Parteien in Kauf, dass das wesentlich höhere Einkommen des Kl. relativ niedrig und das niedrige Einkommen der Bekl. vergleichsweise hoch besteuert wurde. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Bekl. in der Zeit des Bestehens der ehelichen Lebensgemeinschaft der Parteien nicht beabsichtigt, einen Antrag auf getrennte Veranlagung zu stellen. Vielmehr hätten die Parteien, wenn sie sich nicht getrennt hätten, auch für die hier in Rede stehenden Jahre die Zusammenveranlagung beantragt. Dies hätte dem normalen Verlauf der Dinge entsprochen, da Ehegatten in intakter Ehe die Zusammenveranlagung wählen, wenn sie, wie im vorliegenden Fall, wegen der verschiedenen Höhe ihrer Einkommen auf Grund der Anwendung der Splittingtabelle eine wesentlich geringere gemeinsame Steuerlast als bei getrennter Veranlagung zu tragen haben. Dass sich die Bekl. für diesen Fall der Zusammenveranlagung einen Ausgleich vorbehalten hätte, ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt und wäre auch völlig fernliegend. Tatsächlich hat die Bekl. vom Kl. wegen der höheren Besteuerung ihrer Einkünfte weder einen Ausgleich gefordert noch erhalten. Es ist daher auf Grund der langjährigen entsprechenden Übung von einer konkludenten Vereinbarung der Parteien des Inhalts auszugehen, dass die Bekl. ihre Einkünfte nach der Lohnsteuerklasse V versteuert, ohne vom Kl., dessen Lohn dem Abzug nach der Steuerklasse III unterliegt, einen Ausgleich zu erhalten (BGH v. 20. 3. 2002, a. a. O., 740).

Kein Anspruch auf Ersatz des steuerlichen Mehrbetrages wegen Scheiterns der Ehe...

dd) Die Bekl. kann auch nicht wegen des Scheiterns der Ehe den Mehrbetrag, den sie wegen der Besteuerung ihres Einkommens nach der Lohnsteuerklasse V im Vergleich zur Besteuerung bei getrennter Veranlagung geleistet hat, vom Kl. ersetzt verlangen. Der ehelichen Lebensgemeinschaft liegt nämlich die Anschauung zu Grunde, mit den Einkommen der Ehegatten gemeinsam zu wirtschaften und finanzielle Mehrleistungen nicht auszugleichen. Es hätte daher einer besonderen Vereinbarung bedurft, wenn sich die Bekl. die Rückforderung dieser Mehrleistung für den Fall der Trennung hätte vorbehalten wollen (BGH v. 20. 3. 2002, a. a. O., 740) für den Fall der Erbringung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen durch einen Ehegatten). Eine derartige Vereinbarung ist indes von der Bekl. nicht dargelegt worden.

... oder wegen nicht eingezahlter Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf das gemeinsame Konto

ee) Entgegen der Revision ändert sich an diesem Ergebnis nichts deswegen, weil der Kl. 1996 neben seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. H. von 47 556 DM erzielte und diese nicht auf das gemeinsame Konto der Parteien einzahlte, sondern auf dem Geschäftskonto seines im September 1996 neu gegründeten Betriebes stehen ließ. Dadurch wurde die Vereinbarung der Parteien über die Tragung der Steuern für das Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit nicht hinfällig, da beide Parteien auch 1996 solche Einkommen in gleicher Höhe wie in den Vorjahren hatten, und der Kl., was er nie in Abrede gestellt hat, den Mehrbetrag an Steuern, die durch die Einkünfte aus Gewerbebetrieb anfallen, allein zu tragen hat.

Vorinstanzen

OLG Dresden; LG Leipzig

Rechtsgebiete

Steuerrecht