Rückerstattung des Kaufpreises bei Streichung elftägiger Busreise in Australien bei elftägigem Reiseurlaub

Gericht

LG Frankfurt am Main


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

17. 12. 2002


Aktenzeichen

2-19 O 233/02


Leitsatz des Gerichts

Fällt bei einem elftägigem Australienurlaub die elftägige Busrundreise ersatzlos aus, muss der gesamte Reisepreis zurückerstattet werden, da die Reise insgesamt wertlos geworden ist. Mit dem Angebot einer nur viertägigen Busrundreise hat der Reiseveranstalter keine zumutbare Abhilfe geschaffen.

Tatbestand

Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kläger begehren aus einem Reisevertrag die Rückerstattung von Reisekosten, Ersatz von Mehraufwendungen und Entschädigung wegen nutzlos aufgewandter Urlaubszeit.

Sie buchten bei der Beklagten für die Zeit vorn 29. 3. bis 9. 4. 2002 eine Busrundreise durch Australien sowie Flüge von Frankfurt am Main nach Sydney und zurück zu einem Gesamtpreis von 6.818,- EUR. Für die Route der Busrundreise wird auf den Katalog der Beklagten (...) Bezug genommen. Am 27. 3. 2002 kamen die Kläger in Sydney an. Die ab dem 29. 3. 2002 geplante Busreise fand jedoch nicht statt. Am 30. 3. 2002 meldete sich die Reiseleiterin der Beklagten bei den Klägern und bot an, dass sie zu einer anderen Reisegruppe mit der gleichen Busroute stoßen könnten, die die Busreise früher begonnen hatten. Die Kläger nahmen dieses Angebot nicht an und traten noch am gleichen Tag die Rückreise nach Deutschland an.

Die Beklagte erstattete den Klägern den Preis für die Busrundreise in Höhe von 3.498,- EUR.

Die Kläger behaupten, das Angebot der Reiseleitung habe dahingehend gelautet, am sechsten Tag der Busreise in Rockhampton zu der Reisegruppe zu stoßen. Es sei bei diesem Angebot offen gewesen, ob es die gleiche Busreise betreffe, ob es eine deutschsprachige Reiseleitung gebe und wie man die restliche Zeit in Cairns hätte verbringen können. Sie verlangen Ersatz von Aufwendungen in Sydney, den Flugpreis in Höhe von 3.320,- EUR und sonstige Anreisekosten sowie Entschädigung für entgangene Urlaubsfreude.

(...)

Entscheidungsgründe

Auszüge aus den Gründen

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

1. Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der Reisekosten in Höhe von 3.320,- EUR (§ 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. i.Vm. § 651 e Abs. 3 BGB).

Zwischen den Parteien wurde ein Reisevertrag geschlossen (§§ 651 a ff. BGB), der sowohl den Transport nach Sydney als auch die eigentliche Busrundreise umfaßt. Dabei ist unschädlich, dass nach Ansicht der Beklagten der Transport und die Rundreise nach dem sogenannten Baukastenprinzip ausgesucht wurden. Denn die beiden Teile wurden als Leistungsbündel und damit als einheitliche Reise gebucht (vgl. Seyderhelm, Reiserecht, § 651 a BGB, Rdnrn. 17 ff.).

Zu Recht wurde dieser Reisevertrag von den Klägern gekündigt (§ 651 e Abs. 1 BGB). Da die von den Klägern gebuchte Busrundreise nicht statt fand, lag ein Mangel vor, der die Reise erheblich beeinträchtigte. Das Alternativangebot der Beklagten, zu einer anderen Reisegruppe zu stoßen, die zu der gleichen Busrundreise drei Tage früher aufgebrochen war, konnte den Klägern nicht zugemutet werden. Denn damit hätten sie mindestens vier, eher fünf Reisetage der nur elftägigen Busreise und damit einen erheblichen Teil verpasst.

Nicht nachvollziehbar ist der Vortrag der Beklagten, die Kläger hätten am dritten Tag der Busrundreise zu der anderen Gruppe stoßen können und hätten auf diese Weise lediglich zwei Tage verpasst. Die Kläger haben substantiiert vorgetragen, dass man ihnen im Laufe des 30. März, einem Samstag, mitteilte, sie könnten zu der am Mittwoch zuvor gestarteten Gruppe stoßen. Zum Zeitpunkt dieser Mitteilung befand sich die andere Reisegruppe also bereits auf ihrem vierten Reisetag. Auch bei schnellstmöglicher Reaktion hätten die Kläger damit mindestens vier Reisetage verpasst. Nicht berücksichtigt ist dabei, dass das Verbringen der Kläger zu der Reisegruppe einen weiteren Reisetag kostet.

Auch der Einwand der Beklagten, das eigentliche Reiseziel sei die Besichtigung der tropischen Inseln, die nach wie vor möglich gewesen sei, überzeugt nicht. Denn die Reise hatte insgesamt lediglich eine Dauer von elf Tagen und dem entsprechend ein dicht gedrängtes Programm. So stellen auch der Pacific Highway, Coffs Harbour und die "Gold Coast" Sehenswürdigkeiten dar, die als eigene Programmpunkte der Busreise mitgebucht waren (...). Den Klägern war nicht zuzumuten, das Fehlen dieser Programmpunkte und damit eine erhebliche Änderung der Reise hinzunehmen.

Eine Fristsetzung war entbehrlich (§ 651 e Abs. 2 BGB), da die Reiseleitung bereits ein (unzumutbares) Abhilfeangebot gemacht hatte und es eine weitere Abhilfemöglichkeit nicht gab.

Auf Grund der Kündigung hat die Beklagte den Anspruch auf den Reisepreis verloren (§ 651 e Abs. 3 BGB) und den restlichen Reisepreis von 3.320,- EUR zu erstatten. Sie kann für die erbrachten Leistungen auch keine Entschädigung verlangen (§ 651 e Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB). Ohne die Busrundreise waren der Hin- und Rückflug für die Kläger wertlos.

Ebenso wertlos war der 16-stündige Aufenthalt in Hong Kong, den die Kläger im Wesentlichen auf dem Flughafen verbrachten, zumal sie nach eigenem Vortrag der Beklagten keinen Anspruch auf Teilnahme an der Stadtführung in Hong Kong hatten. Während des Aufenthaltes in Sydney waren die Kläger damit beschäftigt, sich um die Fortsetzung ihres Urlaubs zu kümmern und mit der Reiseleitung zu verhandeln. Die Flugreise selbst, der kurze Aufenthalt und damit die Leistungen der Beklagten waren für die Kläger daher ohne Interesse (vgl. LG Frankfurt am Main, NJW-RR 1989, 312).

2. Den Klägern steht gegen die Beklagten auch ein Anspruch auf Ersatz von Hotel- und Taxikosten in Höhe von 124,43 EUR zu (§§ 651e Abs. 4, 651 f Abs. 1 BGB). Diese Kosten sind den Klägern unstreitig durch die zusätzliche Übernachtung in Sydney entstanden.

3. Den Klägern steht auch ein Entschädigungsanspruch für nutzlos aufgewandte Urlaubszeit in Höhe von 1.152,- EUR zu, denn die gebuchte Reise war durch das Fehlen der Busreise erheblich beeinträchtigt (§ 651 f Abs. 2 BGB).

Nach der Rechtsprechung der für Berufungen in Reisesachen zuständigen 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main ist die Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit pauschal nach dem durchschnittlichen täglichen Nettoeinkommen eines Erwerbstätigen zu bemessen, wobei dieser Pauschalbetrag ursprünglich auf 100,- DM und später auf 130,- DM pro Tag und Person festgesetzt wurde (LG Frankfurt am Main, NJW-RR 1988, 1451 und RRa 1998, 119).

Die erkennende Kammer, die für erstinstanzliche Reisesachen zuständig ist, hat sich dem angeschlossen, da jedenfalls im Regelfall ein einheitlicher Ausgleichsbetrag unabhängig von Reisepreis, Einkommens- oder Erwerbssituation oder Kosten eines Ersatzurlaubes sachgerecht erscheint. Auch im vorliegenden Fall sind keine besonderen Umstände ersichtlich, die es ausnahmsweise rechtfertigen würden, die immaterielle Beeinträchtigung der Kläger anhand anderer Kriterien festzustellen. Die Kammer ist aber der Auffassung, dass es bei Reisen, die nach Einführung des EUR als alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel angetreten wurden, nicht mehr sachgerecht ist, die Entschädigung durch Umrechnung der bisherigen Beträge auf 66,47 EUR täglich zu bestimmen. Denn abgesehen davon, dass auch die Reisepreise inzwischen der neuen Währung angepasst wurden, muss die Einkommensentwicklung der letzten Jahre berücksichtigt werden. Das durchschnittliche tägliche Nettoeinkommen eines Erwerbstätigen ist in den letzten vier Jahren seit der Entscheidung der 24. Zivilkammer im Jahre 1998 um ungefähr 8 % angestiegen (vgl. Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland, 2001, S. 560 ff.). Die Kammer hält es deshalb für angemessen, die Entschädigung für einen völlig nutzlos aufgewandten Urlaubstag auf nunmehr 72,- EUR festzusetzen.

Die Australienreise der Kläger dauerte vom 25. 3. bis zum 10. 4. 2002, also 17 Tage. Hiervon werden vier Tage als An- und Abreisetage nicht berücksichtigt. Von den verbleibenden 13 Tagen stehen den Klägern für drei Tage die volle Tagesentschädigung zu. Für die restlichen zehn Tage, die die Kläger zu Hause verbrachten (so genannter Balkonurlaub) steht ihnen ein Restwert von 50 % der Entschädigungspauschale zu (vgl. BGH, NJW 1983, 35; LG Frankfurt am Main, RRa 1998, 119, 120; NJW 1982, 2452). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang der klägerische Vortrag, der Kläger zu 2) habe in Folge des langen Fluges Gesundheitsbeeinträchtigungen erlitten. Die Kläger machen kein diesbezügliches Fehlverhalten der Beklagten geltend. Die Länge des Fluges an sich kann der Beklagten nicht angelastet werden. Hiernach ergibt sich ein Entschädigungsanspruch von insgesamt 1.152,- EUR.

(...)

Rechtsgebiete

Reiserecht