Zigarrenrauchen im Freien als Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
Gericht
AG Bonn
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
09. 03. 1999
Aktenzeichen
6 C 510/98
Die Parteien sind Bewohner eines Mehrfamilienhauses. Der Bekl. pflegt gelegentlich auf seinem Balkon Zigarren zu rauchen. Die Kl. beantragt, dem Bekl. das Rauchen auf dem Balkon zu untersagen und beruft sich auf gesundheitliche Beeinträchtigungen. Die Klage hatte keinen Erfolg.
Die Kl. hat gegen den Bekl. keinen Anspruch darauf, dass dieser es - strafbewehrt - unterlässt, auf dem Balkon seiner Wohnung zu rauchen oder dies entsprechend dem Hilfsantrag der Kl. zu bestimmten Zeiten unterlässt, §§ 823 I, 1004 BGB, Art. 2 GG. Entgegen der von der Kl. vertretenen Rechtsauffassung ist ihr gegen den Bekl. kein Abwehranspruch in Bezug auf das von ihr beanstandete Rauchen von Zigarren auf dem Balkon seiner Wohnung eröffnet. Dabei wird nicht verkannt, dass Tabakrauch von Nichtrauchern als störend und lästig empfunden wird. Die von aufgehendem Rauch durch Rauchgenuss auf dem Balkon von der Kl. registrierten Unannehmlichkeiten - wobei dahingestellt bleiben kann, in welchem Ausmaß (ggf. witterungsabhängig) überhaupt Tabakrauch in den von ihr genutzten Räumlichkeiten merkbar wird - wird sie gleichwohl hinzunehmen haben. Dies gilt auch, soweit sie - gestützt auf die ärztliche Bescheinigung wegen einer Neigung zu Migräneanfällen und polyvalenter Allergien - gesundheitliche Beeinträchtigungen geltend macht. Zwischen den Parteien besteht lediglich ein sog. gesetzliches Schuldverhältnis; das bedeutet, dass ihre Rechte und Pflichten in Bezug auf ihr Verhalten zueinander im gemeinsam bewohnten Mehrfamilienhaus ausschließlich durch die geltenden Rechtsnormen geregelt sind. Diese erlegen dem Bekl. entgegen der von der Kl. vertretenen Rechtsauffassung die von ihr erstrebten Beschränkungen beim Rauchgenuss nicht auf. Vielmehr gilt: Tabakrauchfreies Wohnen in verdichtetem Wohngebiet (Mehrfamilienhaus) vermag ihr die geltende Rechtsordnung nicht zu gewährleisten.
Ausgangspunkt der rechtlichen Überlegungen, ob und inwieweit die in Art. 2 GG für den Bekl. streitende allgemeine Handlungsfreiheit Einschränkungen erfahren muss, ist die Tatsache, dass das Rauchen in der Gesellschaft akzeptiert ist. Soweit der Bekl. auf dem Balkon seiner Wohnung, damit praktisch „im Freien“ raucht, bewegt er sich im Rahmen der ihm von der Verfassung für sein Verhalten eröffneten Freiräume. So wie die Kl. bei dieser Ausgangslage nicht verhindern könnte, dass ein Sparziergänger vor dem Haus stehen bleibt und sich dort eine Zigarre anzündet, deren aufsteigender Rauch u.a. auch in ihre Räumlichkeiten dringt, dass Kraftfahrzeuge vor der Wohnung der Kl. verkehren, deren Abgase u.a. auch in ihre Wohnung dringen, hat sie aus Rechtsgründen den Rauchgenuss des Bekl. auf dem Balkon seiner Wohnung hinzunehmen. Das bedeutet, dass die Kl., empfindet sie den gelegentlich aufsteigenden Tabakrauch - jedenfalls subjektiv - als so lästig und ihre Gesundheit beeinträchtigend, dafür Sorge tragen muss, durch geeignete Maßnahmen das Eindringen von Tabakrauch in ihre Wohnung zu verhindern.
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