Grillbeschränkungen auf Balkonen eines Mehrfamilienhauses

Gericht

AG Bonn


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

29. 04. 1997


Aktenzeichen

6 C 545–96


Leitsatz des Gerichts

Der Vermieter eines Mehrfamilienhaus hat darauf hinzuwirken, daß seine Mieter in den Sommermonaten auf ihren Terrassen oder Balkonen nur einmal in jedem Monat grillen. Zudem ist das Grillen den durch Rauchschwaden stets unvermeidlich beeinträchtigten Mietern der Dachwohnung 48 Stunden vorher mitzuteilen.

Tatbestand

Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl., Vermieterin einer Dachwohnung an die Bekl. in einem Mehrfamilienhaus, macht mit ihrer Klage rückständigen Mietzins in Höhe von 292,67 DM geltend; die Bekl. beriefen sich auf ein Minderungsrecht wegen Beeinträchtigungen als Folge von Grillfesten anderer Mieter. Auf die Widerklage der Bekl. wurde die Vermieterin wie im Leitsatz zusammengefasst wiedergegeben verurteilt.

Entscheidungsgründe

Auszüge aus den Gründen:

Vom rechtlichen Ansatz her zutreffend nehmen die Bekl. die Kl. aus ihrer gesetzlich normierten Einstandspflicht für den mangelfreien Gebrauch der Mietsache (§ 536 BGB) wegen der von ihnen geklagten Belästigungen durch Grillen in der Wohnanlage in Anspruch. Dass es – wie von dem zur Entscheidung berufenen Richter im Zuge des mit den Prozessbevollmächtigten geführten Rechtsgesprächs im Termin zur mündlichen Verhandlung bereits zum Ausdruck gebracht –, bezogen auf das Klageziel, nämlich von den geklagten Belästigungen künftig auf Dauer verschont zu bleiben, sinnvoller wäre, sich unmittelbar mit den angeblichen Störern, ggf. über eine Besitzschutzklage, auseinanderzusetzen, statt den Umweg über den Vermieter und dessen naturgemäß nur beschränktere Möglichkeiten zu wählen, ist für den von den Bekl. aus § 536 BGB gegen die Kl. hergeleiteten Anspruch ohne Belang.

Allerdings ist der Anspruch des Mieters auf vertragsgemäßen (sprich: mangelfreien) Gebrauch der Mietsache nicht ohne jegliche Einschränkung gewährt. Einschränkungen ergeben sich einerseits aus dem – freilich gesetzlich nicht normierten, wenngleich letztlich als Ausfluss der Besonderheiten des Zusammenlebens in einem Mehrfamilienhaus entstammenden, das gesamte Zivilrecht beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB – Gebot gegenseitiger (!) Rücksichtnahme und zum anderen aus dem § 537 I 2 BGB zu entnehmenden Grundsatz, dass geringfügige Beeinträchtigungen im Mietgebrauch (entschädigungslos) hinzunehmen sind. Daran gemessen schießt das Widerklagebegehren auch in der Form des Hilfsantrags deutlich über das Ziel hinaus. Dabei verkennt der zur Entscheidung berufene Richter nicht, dass die mit dem sommerlichen Grillen unter Verwendung von Holzkohle u. ä. einhergehenden Belästigungen durch Rauchgasentwicklung, Fett- und Bratendünste, insbesondere dann, wenn sich der Rauch über die geöffneten Fenster in der Wohnung niederschlägt und in Folge dessen eine nicht ohne Schwierigkeiten wegzulüftende Geruchsbeeinträchtigung auftritt, durchaus sehr lästig sein kann. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass das Grillen im Freien inzwischen als sozialüblich anerkannt ist und auch dem in einer Großstadt, noch dazu in womöglich hochverdichtetem Wohngebiet wohnenden Menschen nicht gänzlich untersagt werden kann, Art. 2 GG. Dies gilt auch dann, wenn die mit dem Grillen im Freien einhergehende Rauch- und Geruchsentwicklung im Einzelfall unvermeidlich auch zu Belästigungen von Mitmietern–Anrainern führt. Das bereits angezogene Gebot der Rücksichtnahme im Mehrfamilienhaus ist keine Einbahnstraße, sondern gilt wechselseitig. So wie die von den Bekl. ins Visier genommenen Mitmieter grundsätzlich gehalten sind, durch ihre Freizeitaktivitäten Belästigungen der Bekl. als ihren Mitmietern zu vermeiden, sind diese im Gegenzug gehalten, gelegentliches Grillen, und zwar ungeachtet der damit verbundenen notwendigerweise einhergehenden Belästigungen durch Rauchgasentwicklung, hinzunehmen.

Die gebotene Abwägung zwischen den im Widerstreit stehenden Rechtsgütern, der dem Grundgesetz in Art. 2 zu entnehmenden, für die grillenden Mitmieter streitenden allgemeinen Handlungsfreiheit einerseits und des aus § 536 BGB abzuleitenden Rechts auf ungestörten Mietgebrauch andererseits, führt zu der der Entscheidungsformel zu entnehmenden Lastenverteilung, die die widerstreitenden Interessen angemessen berücksichtigt. Sie vermeidet einmal, den von den Bekl. als Störern empfundenen Mitmietern jegliches Grillen auf dem ihnen mitvermieteten Freiflächen gänzlich zu untersagen, gewährleistet andererseits aber, dass – im Ausnahmefall – damit verbundene, für die Bekl. unvermeidbare Belästigungen sich in engen Grenzen halten, wobei insbesondere durch die vorgesehene Ankündigungspflicht den Bekl. die Möglichkeit bleibt, die von ihnen innegehaltenen Räumlichkeiten durch Verschließen von Fenstern u. ä. rechtzeitig gegen eindringende Rauchgase zu sichern, ohne dass das dem Grillen im Freien auch innewohnende Element einer gewissen Spontanität mehr als notwendig eingeschränkt wird.

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

GG Art. 2; BGB § 536