Wasserrohrbruch innerhalb von 2 Wochen kein Allmählichkeitsschaden

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

09. 05. 1990


Aktenzeichen

IV ZR 289/88 (Stuttgart)


Leitsatz des Gerichts

Zum Begriff des „Allmählichkeitsschadens“ bei einem Wasserrohrbruch durch Frosteinwirkung.

Tatbestand

Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten über die Eintrittspflicht der Bekl. aufgrund eines zwischen den Parteien bestehenden Haftpflichtversicherungsvertrages. Aufgrund eines kurzfristigen Mietvertrages befand sich die Kl. vom 25. 12. 1986 bis 1. 1. 1987 in der Wohnung der Frau S. Bei der Abreise am 1. 1. 1987 drehte die Kl. einige der Heizkörper in dieser Wohnung vollständig ab, während sie andere mäßig temperierte. Am Morgen des 2. 1. 1987 betrug die Lufttemperatur bei der Wetterbeobachtungsstation minus 3,4 Grad, am Tag darauf war sie am Morgen auf minus 13,6 Grad abgesunken. In den Folgetagen stieg die Temperatur wieder an, so daß der 5. 1. 1987 vollkommen frostfrei war. Nach kurzfristigen Schwankungen fiel die Temperatur dann ab dem 10. 1. 1987 deutlich ab und erreichte am 14. 1. mit minus 19,2 Grad (morgens) ihren tiefsten Stand. Aufgrund des Temperaturrückgangs gefror das in den Heizkörpern der Zentralheizung befindliche Wasser in einem der Räume der S, in denen die Kl. die Heizkörper vollständig abgestellt hatte, ein. Spätestens am 15. 1. 1987 lief aus diesem Heizkörper bzw. einem der Zuleitungsrohre Wasser aus. Es entstand in der von der Kl. zuvor bewohnten Wohnung, am Gebäude und an der darunterliegenden Wohnung erheblicher Wasserschaden. Mit Schreiben vom 8. 7. 1987 lehnte die Bekl. gegenüber der Kl. ihre Eintrittspflicht aufgrund der bestehenden Haftpflichtversicherung ab.

Das LG hat die Feststellung getroffen, daß die Bekl. verpflichtet ist, der Kl. Haftpflichtversicherungsschutz wegen des Schadensfalls vom 15. 1. 1987 in der Wohnung der S zu gewähren mit Ausnahme desjenigen Schadens, der an den Heizkörpern und den Zu- oder Ableitungen der Heizkörper entstanden ist. Hiergegen hat die Bekl. Berufung eingelegt. Die Kl. hat, da sie nach Erlaß des landgerichtlichen Urteils von R wegen des an der unter der von ihr gemieteten Wohnung gelegenen Wohnung auf Schadensersatz in Höhe von 17637 DM verklagt wurde, weiter beantragt, die Bekl. zu verurteilen, sie von den angeblichen Schadensersatzforderungen des R freizustellen. Das OLG hat die Klage abgewiesen. Die Revision der Kl. führte zur Wiederherstellung des Urteils des LG.

Entscheidungsgründe

Auszüge aus den Gründen:

1. Hinsichtlich des in der Berufungsinstanz gestellten Antrags der Kl. auf Freistellung von den Schadensersatzforderungen des R handelt es sich lediglich um eine nähere Präzisierung des von dem LG zugesprochenen Antrages auf Gewährung von Deckungsschutz. Ihm kommt keine selbständige Bedeutung zu.

2. Das BerGer. ist davon ausgegangen, daß sich der Ausschluß des Versicherungsschutzes nach § 4 I Nr. 5 AHB sowohl auf die durch die allmähliche Einwirkung unmittelbar herbeigeführten Beschädigungen als auch auf alle weiteren mittelbar verursachten Folgeschäden bezieht. Diese Ausführungen werden von der Revision nicht angegriffen. Sie lassen auch keinen Rechtsfehler erkennen (vgl. Voit, in: Prölss-Martin, VVG, 24. Aufl., § 4 AHB Anm. 5e).

3. Der Revision kann nicht darin gefolgt werden, daß die genannte Ausschlußklausel auf Wasserrohrbrüche durch Kälteeinwirkung deshalb nicht anzuwenden sei, weil es sich um einen alltäglichen, „banalen“ Schadensfall handele, der die regelmäßige und jedem bekannte Folge bestimmter Ursachen sei. Die Ausschlußklausel in § 4 I Nr. 5 AHB beruht zwar auch darauf, daß in den darin geregelten Fällen der allmählichen Schadensentstehung der Nachweis der Schadensursache und der Verantwortlichkeit häufig schwierig ist. Sie greift jedoch auch dann ein, wenn im Einzelfall keine Unklarheit besteht (Voit, in: Prölss-Martin, § 4 AHB Anm. 5a).

4. Die Revision wendet sich jedoch mit Recht dagegen, daß das BerGer. einen durch allmähliche Temperatureinwirkung verursachten Schaden mit der Begründung bejaht hat, es liege auf der Hand, daß der durch die Angabe des Deutschen Wetterdienstes dokumentierte, nach und nach erfolgte Rückgang der Außentemperatur infolge der Schutzwirkung der Außenwände auf jeden Fall nur zu einem allmählichen Rückgang der Innentemperatur in der Wohnung bis zum 14. bzw. 15. 1. 1987 geführt haben könne. Bei Temperatureinwirkungen bedarf es im Einzelfall einer genauen Prüfung der Frage, ob die Einwirkung allmählich geschehen ist. Dabei lassen sich für den Begriff des Allmählichkeitsschadens keine festen zeitlichen Grenzen ziehen. Ein bei der Auslegung heranzuziehender Maßstab ergibt sich jedoch aus dem Sinn und Zweck der Ausschlußklausel (BGH, VersR 1959, 174 (175)). Sie enthält die Klarstellung, daß der Versicherer für Gefahrenlagen nicht einstehen will, deren Eintritt und Ablauf meist unberechenbar ist und die auch in den Folgen so unübersehbar sind, daß sie von der für normale Verhältnisse auskalkulierten Versicherungsprämie nicht gedeckt werden. Ein weiterer Grund ist der oft sehr schwierige Nachweis des Schadensursprungs und der Verantwortlichkeit (vgl. dazu Senat, NJW-RR 1990, 982 (in diesem Heft)). Angesichts dieser Zweckbestimmung der Ausschlußklausel reicht der hier allein für die Schadenentstehung in Betracht kommende Zeitraum von zwei Wochen für die Anwendung der Ausschlußklausel nicht aus (vgl. Bruck-Möller-Johannsen, VVG, 8. Aufl., Bd. IV Anm. G 176). Ein so kurzfristiger Schadenablauf kann weder nach dem allgemeinen Sprachgebrauch noch nach dem genannten Sinn und Zweck der Ausschlußklausel unter den Begriff des Allmählichkeitsschadens gebracht werden, weil hierbei gegenüber den sonstigen Schadenereignissen keine Erschwerungen der Ursachenfeststellung gegeben sind (vgl. BGH, VersR 1959, 174 (175 a. E.)).

Rechtsgebiete

Mietrecht