Diebstahl mit Schlüssel aus dem Zählerkasten
Gericht
OLG Oldenburg
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
20. 08. 1986
Aktenzeichen
2U 112/86
Keine fahrlässige Herbeiführung eines Diebstahls, wenn bei Urlaubsabwesenheit der von dem Dieb benutzte Wohnungsschlüssel im Zählerkasten im Treppenaufgang vor der Wohnungstür lag und der Hausflur durch eine mit Schnappschloß versehene Tür gesichert war.
Die Kl. hatte während ihres zweiwöchigen Urlaubs den einzigen Schlüssel zu ihrer Wohnung in dem Zählerkasten im Treppenaufgang deponiert, weil er sowohl für eine Nachbarin zum Blumengießen wie auch für die Bewohnerin des Oberstocks zugänglich sein sollte, die den Keller nur durch die Wohnung der Kl. erreichen kann. Die Haustür ist durch ein Schnappschloß gesichert. Während des Urlaubs wurde aus der Schmuckschatulle der Kl. auf dem Nachttisch Schmuck im Werte von 6900 DM gestohlen. Das LG hat die auf eine Hausratsversicherung gestützte Klage abgewiesen. Die Berufung der Kl. hatte Erfolg.
In erster Instanz war von beiden Parteien ausdrücklich vorgetragen und damit zugestanden (§ 288 ZPO), daß der oder die Täter - nachdem sie auf ungeklärte Weise in den Hausflur gelangt waren - mittels des im Zählerkasten hinterlegten Schlüssels die Wohnungstür der Kl. geöffnet haben. Von diesem Geständnis kann sich die eine oder andere Partei nicht durch bloßes Aufzeigen anderer Entwendungsmöglichkeiten lösen (§ 290 ZPO). Unter diesen Umständen ist allein über einen „Einbruchsdiebstahl“ nach § 3 B Nr. 1e VHB zu entscheiden. Entgegen der Ansicht der Bekl. stellt auch die Verwendung eines solchen Schlüssels einen Diebstahl entsprechend dieser Bestimmung dar. Diebstahl im Sinne des Versicherungsrechts ist in weitem Sinne zu verstehen. Es genügt, wenn der Dieb die Schlüssel zu einmaligem Gebrauch an sich nimmt und sie dann am Tatort zurückläßt (vgl. Martin, SachversicherungsR, 2. Aufl., D VIII, Rdnr. 6).
Der Senat teilt nicht die Ansicht des LG, daß die Kl. den Diebstahl der Schlüssel durch fahrlässiges Verhalten begünstigt hat. Insbesondere ist es unwesentlich, aus welcher Motivation die Kl. die Schlüssel im Zählerkasten zurückgelassen hat. Entscheidend ist, ob dieser Vorgang als solcher den Vorwurf der Fahrlässigkeit begründet. Das ist nicht der Fall. Der Schlüssel war in zweifacher Weise gegen den Zugriff Unbefugter gesichert. Einmal war die äußere Haustür durch ein Schnappschloß gesichert. Auch wenn dieses nicht die gleiche Sicherheit wie ein abgeschlossenes Schloß bot, war doch der Zugang zum Flur und Treppenhaus nicht ungehindert möglich. Zudem war der Schlüssel nicht etwa - wie in steckendem Zustand - derart griffbereit, daß einem Täter die Überwindung des Verschlusses keine ernsthaften Hindernisse bot. Vielmehr mußte sich ein Täter ernstlich auf die Suche nach dem Schlüssel begeben, mit der Gefahr entdeckt zu werden. Dies um so mehr, als sich der Zählerkasten nicht unten im Flur befindet, sondern im Treppenhaus vor der Oberwohnung. In diesem Zusammenhang ist auch - wie stets im Versicherungsrecht - der Gesichtspunkt beachtlich, daß der Wert einer Versicherung nicht durch Übersteigerung der an den Versicherungsnehmer zu stellenden Sorgfaltspflicht völlig in Frage gestellt werden darf. Die Abwägung all dieser Umstände rechtfertigt nicht den Vorwurf, die Kl. habe den Schlüssel zu ihrer Wohnung nicht mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 I BGB) verwahrt.
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